„Antikapitalistische Linke" in Linkspartei.PDS und WASG: Strategien? - Fehlanzeige!

von Edith Bartelmus-Scholich

03/07

trend
onlinezeitung

Am 10.3.07 fand in Erfurt ein bundesweites Treffen der UnterzeichnerInnen des Aufrufs „Für eine antikapitalistische Linke" statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von einer Reihe linker Funktions- und MandatsträgerInnen aus den beiden Parteien, die sich vor knapp einem Jahr selbst an die Spitze der Linken aus Linkspartei.PDS und WASG gesetzt hatten. Die Veranstaltung war mit ca. 160 Teilnehmenden gut besucht. Gekommen waren überwiegend Mitglieder der Kommunistischen Plattform aus den neuen Bundesländern. Die Westlinken machten etwa ein Drittel der Teilnehmenden aus. Außerdem waren einige DKP-Mitglieder der Einladung gefolgt. Der Altersdurchschnitt der Versammlung lag deutlich über 50 Jahren. Einige junge BesucherInnen stellten sich auf Nachfrage als Gäste aus der DKP heraus.

Die Konferenz war in drei Blöcke aufgeteilt. Zunächst ging es um die Herausforderung durch die Neonazis, danach um das friedenspolitische Profil der zukünftigen Partei DIE LINKE und zuletzt um die Stärkung gesellschaftlicher Gegenmacht. Themen genug für drei Konferenzen. Von den 6 Stunden Konferenzzeit blieben nach Abzug von Pausen 4,5 Stunden übrig. In
diesen 4,5 Stunden hatten die OrganisatorInnen insgesamt 15 Impulsreferate untergebracht. Die ReferentInnen überzogen bis auf drei ihre Redezeiten maßlos. Tobias Pflüger und Sahra Wagenknecht redeten z.B. statt 7 Minuten jeweils knapp 30 Minuten. Die Teilnehmenden kamen insgesamt mit 15 Redebeiträgen à 3 Minuten zu Wort.

Die Diskussion war nicht wirklich kontrovers. Alle ReferentInnen vertraten die vorher kommunizierte Meinung der OrganisatorInnen . So diente Veranstaltung zwei Zielen: der Darsellung der Positionen der AusrichterInnen und der Selbstverständigung der Anwesenden. Es bestand dann auch hohe Übereinstimmung in fast allen Fragen. Auslandseinsätze der Bundeswehr werden in jedem Fall abgelehnt, gegen den Faschismus muss energisch vorgegangen werden, die neue Partei soll bewegungsorientiert arbeiten und Regierungsbeteiligungen sollen an drei Minimalbedingungen geknüpft werden. Privatisierungen, Stellenabbau im öffentlichen Dienst und Sozialabbau zu Lasten der Schwachen werden in Regierungen abgelehnt. Besonderen Stellenwert messen die Linken der beiden Parteien einer glaubwürdigen Politik gegen die weitere Militarisierung bei. Der Bundestagsabgeordnete Norman Paech löste mit Überlegungen, die Linke solle unter Umständen Blauhelmeinsätzen der Bundeswehr zustimmen, die einzige Kontroverse des Tages aus. Tobias Pflüger, MdEP, erhielt viel Beifall für seine Bekräftigung, dass solange die UN nicht demokratisiert seien, sie als ein Instrument der Großmächte zur Durchsetzung imperialer Interessen zu betrachten und demnach auch Blauhelmeinsätze konsequent abzulehnen seien.

Einzelne Impulsreferate hätten eine tiefere Auseinadersetzung verdient. Sabine Lösing z.B. arbeitete heraus, dass die neue Partei daran gemessen werden muss, ob sie die sozialen Bewegungen stärkt. Tut sie es nicht und macht sie Politik gegen die Bevölkerungsmehrheit, so sei sie überflüssig, ja sogar schädlich! Leo Mayer vom Parteivorstand der DKP zeichnete die ökonomischen und sozialen Grundalgen und Ergebnisse der Globalisierung nach und hob die faktische Unmöglichkeit hervor unter diesen Bedingungen in einer nationalen Regierung noch eine klassische sozialdemokratische Politik zu machen.

Bei Beginn der Tagung hatten die Organisatoren den Entwurf einer Abschlusserklärung verteilt. Bearbeitet oder diskutiert wurde er nicht. In den letzten fünf Minuten forderte Nele Hirsch, MdB die Anwesenden auf, dieser Erklärung per Handzeichen zuzustimmen, was dann prompt die überwältigende Mehrheit tat. In letzter Minute bat sie die Anwesenden doch
eben die sechs Leute, die seit dem "Aufruf für eine Antikapitalistische Linke" für die UnterzeichnerInnen gesprochen und die Tagungen organisiert hatten, per Akklamation zu bestätigen. Auch dies machte die große Mehrheit ohne Murren. Dabei stellten sich die "KandidatInnen" nicht einmal vor und es wurde auch nicht gefragt, ob noch jemand anderes im KoKreis mitarbeiten wolle. So sehen also die demokratischen Standards und die Möglichkeiten der Partizipation bei der „Antikapitalistischen Linken" aus.

Versäumt wurde an diesem Tag wesentliches. Nämlich zu diskutieren, weshalb die Vorstände und die Steuerungsgruppen ein nach den Maßstäben der Linken unzureichendes Programm vorgelegt haben, und was realistisch noch getan werden kann, um es zu verbessern. Auch wurde zwar von Sahra Wagenknecht, MdEP beklagt, dass die Politik der Linkspartei.PDS Berlin das Ansehen der Partei bei den WählerInnen ruiniere, nicht aber, was Linke tun können, damit sich das ändert. Wahrscheinlich werden sich diese Versäumnisse bitter rächen. Auch die Frage, wie die Anwesenden gemeinsam reagieren können, wenn auf den Parteitagen im März ein Programm beschlossen wird, was ihren Ansprüchen nicht genügt und was sie tun werden, wenn die neue Partei die Politik der LPDS in Berlin nahtlos fortsetzt, wurde nicht erörtert. So steht die „Antikapitalistische Linke" nach dieser Konferenz ohne strategische und taktische Optionen da. Zudem hat sie durch eine nicht emanzipatorische und undemokratische Praxis ihr Ansehen geschädigt. Da es sich bei den OrganisatorInnen der Konferenz um hocherfahrene Funktions- und MandatsträgerInnen handelt, kann davon ausgegangen werden, dass die Mängel nicht Zufall sondern Methode sind.

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Artikel durch die WASG-Info-Mailing-Liste
http://de.groups.yahoo.com/group/WASG-Infos/  am 12.3.07