Basis mobilisiert – Spitze mauert
Während die Gewerkschaftsspitzen auf Distanz zum Widerstand gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm bleiben, wächst an der Basis die Unterstützung.

Von Peter Nowak

03/07

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Knapp 10 Wochen vor Beginn des G8Gipfels in Heiligendamm hat die Mobilisierungsphase zu den Protesten auch in den Gewerkschaften begonnen. „Als Gewerkschafter aus vielen Ländern sind wir Teil des Protestes gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm“, beginnt ein Aufruf, der derzeit an der Basis der Arbeitnehmerorganisation zirkuliert.

Die vor allem aus der südwestdeutschen Gewerkschaftslinken stammenden Initiatoren wollen mit dem Aufruf der auch in der eigenen Reihen verbreiteten Standortlogik Paroli bieten:

 „Wir wissen auch, dass wir nur durch die Überwindung der Konkurrenz untereinander und mit Hilfe global handlungsfähiger Gewerkschaften dem global agierenden Kapital wirkungsvoll entgegentreten können“, heißt es in dem Aufruf. Zu den zentralen Forderungen zählen die Einführung von Mindestlöhnen, einer gesetzlichen Mindestarbeitszeit und der Erhalt der sozialen Sicherungssysteme auf internationaler Ebene. Nachdem die Phase der Erstunterzeichner abgeschlossen ist, sollen jetzt möglichst viele Gewerkschaftsmitglieder zur Unterschrift motiviert werden. Das ist per Email über die Webseite http://www.g8-gewerkschafteraufruf.de/ möglich.

Vor allem verschiedene Gewerkschaftsjugendverbände sind schon länger an der Vorbereitung der G8-Proteste beteiligt. So rufen die IG-Metall-Jugendgruppen von Halle, Dessau, Berlin und Erfurt mit vielen anderen Initiativen unter dem Motto Block G8 zu einer r Großblockade gegen das Gipfeltreffen am 6. Juni auf.

Auch die DGB-Jugend ruft zur Teilnahme an friedlichen Protesten gegen den G8 auf. Unter dem Motto „Die G 8 kommen – wir sind schon da“ soll auf einem Workshop vom 11. bis 13. Mai der Protest der Gewerkschaftsjugend vorbereitet werden. Der soll aber nicht nur auf der Straße stattfinden. Auf dem in Rostock geplanten Gegenkongress wollen Junggewerkschafter aus der ganzen Welt darüber beraten, wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit durchgesetzt werden können.

Gegen „ungeschützte Beschäftigung, Ausgrenzung und Erwerbslosigkeit“ mobilisieren auch die Euromärsche. Vom 26. Mai bis 2. Juni wollen Aktivisten aus ganz Europa in sie drei Marschsäulen durch zahlreiche deutsche Städte Richtung Heiligendamm ziehen. Ziel der Aktion ist die Verbindung des Widerstands gegen Sozialabbau und schlechte Arbeitsbedingungen mit den Anti-G8-Protest. Zu den Unterstützern aus dem In- und Ausland gehören auch gewerkschaftliche Gruppen, wie die verdi-Jugend.

Doch die gewerkschaftlichen Aktivitäten gegen den G8 beschränkt sich vor allem auf die Basis. Die Gewerkschaftsspitze hält sich von den Protesten fern. Der gewerkschaftliche Kontaktmann zu den sozialen Bewegungen Horst Schmitthenner sieht die Ursache dafür vor allem in der großen Nähe vieler Gewerkschaftsfunktionäre zur SPD, die als Regierungspartei bekanntlich zu den Gastgebern des G8-Gipfels zählt.

So richtig traurig sind viele Basisgewerkschaftler über die Protestabstinenz ihrer Vorstände nicht. Schließlich war die Teilnahme der Gewerkschaftsspitze an Protesten in der Vergangenheit häufig mit der Verwässerung von Forderungen verbunden. Doch auf den kostengünstigen Transport nach Heiligendamm in von der Gewerkschaft organisierten Bussen werden die Demonstranten wahrscheinlich verzichten müssen.
 

Aufruf

Als GewerkschafterInnen aus vielen Ländern sind wir Teil des Protestes gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Wie keine andere internationale Institution sind diese jährlichen Gipfeltreffen Symbol der weltweiten neoliberalen Dominanz.
Weltwirtschaftsgipfel dienen der globalen Koordination und der Machtaufteilung. Damit stabilisieren sie die neoliberale Weltwirtschaftsordnung mit ihren immer schlimmeren Folgen für die Mehrheit der Menschen. Eine elitäre Minderheit eignet sich dabei den Reichtum an, den Millionen Menschen produzieren.

Wir unterstützen den Protest gegen imperiale Machtstrategien und Kriege, gegen den Raubbau an der Natur und den immer bedrohlicher werdenden Klimawandel. Entgegen seiner Verheißungen treibt der globale Kapitalismus die Menschheit in die Existenzkrise. Ohne Frieden ist alles nichts. Und ohne Antwort auf die drohende Klimakatastrophe ist alles nichts.

Die Globalisierung von Kapital- und Arbeitsmärkten hat die Beschäftigten weltweit in Konkurrenz zueinander gebracht. Skrupellos werden die Belegschaften einzelner Länder, Branchen und Standorte gegeneinander ausgespielt - in einem Dumpingwettbewerb um Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen, Löhne und Menschenwürde. Als GewerkschafterInnen fordern wir daher:

  • Die Kernarbeitsnormen sind ein Menschenrecht und müssen als Mindeststandards durchgesetzt werden. Dazu zählen die Rechte auf Bildung von Gewerkschaften und auf das Führen von Kollektivverhandlungen, die Abschaffung von Kinder- und Zwangsarbeit und das generelle Diskriminierungsverbot in Arbeit und Beruf. Verstöße müssen öffentlich gemacht und mit harten Sanktionen belegt werden.
  • Gesetzliche Höchstarbeitszeit: Arbeitsumverteilung ist das entscheidende Mittel gegen eine Arbeitslosigkeit von 200 Millionen Arbeitlosen und 1,4 Milliarden "working poor" weltweit. Produktivitätsfortschritte müssen über Arbeitszeitverkürzungen zum gesellschaftlichen Fortschritt werden: die 30-Stunden-Woche ist das Ziel, die 40 Std.-Woche muss weltweit gesetzliche Höchstarbeitszeit werden.
  • Mindestlöhne, die es in einigen Ländern, wenn auch unzureichend, schon gibt, müssen zu weltweiten Mindeststandards werden. Mit jeweils 60% des nationalen Durchschnittlohns müssen sie globale Gültigkeit entfalten.
  • Systeme der öffentlichen Daseinsvorsorge und Zukunftssicherung müssen aufgebaut bzw. vor Privatisierung und Kommerzialisierung geschützt werden. Gesundheit, Bildung, öffentliche Sicherheit und die natürlichen Lebensgrundlagen dürfen nicht zu Waren werden.
  • Betriebliche Schutz- und Beteiligungsrechte müssen gesetzlich geregelt werden, um Beschäftigten einen Mindestschutz vor Arbeitgeberwillkür zu gewährleisten.

Das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit hat sich im Zuge der Globalisierung dramatisch zugunsten des Kapitals verschoben. Globale Finanzmärkte und grenzüberschreitend agierende Unternehmen verfügen inzwischen über ein gigantisches Erpressungspotential gegenüber Nationalstaaten (Steuer- und Umweltdumping, Deregulierung der Arbeitsmärkte) und gegenüber nur nationalstaatlich agierenden Gewerkschaften.

Aus dieser historischen Defensive müssen wir herauskommen, indem wir uns dem Kapital an die Fersen heften, Sprachschwierigkeiten und wechselseitige Unkenntnis überwinden und das Gemeinsame in unseren Interessen erkennen, grenzüberschreitend auf allen gewerkschaftlichen Ebenen zusammenarbeiten und zu Protesten und Widerstand zusammenfinden, wie bei der Streikdemonstration gegen die Bolkesteinrichtlinie, wie bei den internationalen Streiks der HafenarbeiterInnen und Seeleute und wie jetzt im Juni 2007 gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm.

Wir wissen, dass wir erst am Anfang dieses Weges stehen. Aber wir wissen auch, dass wir nur durch die Überwindung der Konkurrenz untereinander und mit Hilfe global handlungsfähiger Gewerkschaften dem global agierenden Kapital wirkungsvoll entgegentreten können.

Kontakt:
Dirk Spöri, spoeri@gmx.net  Tel.: 0160 7942195

Editorische Anmerkung

Den Text erhielten wir vom Autor.