BRD 2005
2. Armuts- und Reichtumsbericht

Eine Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung
03/05

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Mit Beschluss vom 27. Januar 2000 hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, regelmäßig einen Armuts- und Reichtumsbericht zu erstatten. Am 25. April 2001 hat die Bundesregierung den ersten Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt (2001).
 

Am 02.03.2005 hat das Bundeskabinett den 2. Armut- und Reichtumsbericht (2005) verabschiedet.

Das Wichtigste im Überblick

Armut und Reichtum sind mit als gesellschaftliche Phänomene untrennbar mit Werturteilen verbunden. Dem trägt der Bericht Rechnung, indem Armut und Reichtum nicht allein an der Verteilung materieller Ressourcen festgemacht werden, sondern berücksichtigt wird, dass sie sich auch in individuellen und kollektiven Lebenslagen manifestieren. Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht begreift Armut und Reichtum daher als Pole einer Bandbreite von Teilhabe- und Verwirklichungschancen. Armut ist hiernach gleichbedeutend mit einem Mangel an Verwirklichungschancen, Reichtum mit einem hohen Maß an Verwirklichungschancen, deren Grenzen kaum erreicht werden.

Der Bericht stellt fest, dass eingeschränkte Verwirklichungschancen und ein höheres Armutsrisiko auch durch unzureichende Ausbildung, fehlende Bildungsabschlüsse sowie einen erschwerten Zugang zu Erwerbstätigkeit – beispielsweise aufgrund familiärer Pflichten oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Behinderung - bedingt sind. Arbeitslosigkeit bleibt jedoch die wesentliche Ursache für ein erhöhtes Armutsrisiko.

Die Wachstumsschwäche der vergangenen Jahre - einerseits eine Folge der Weltkonjunktur, andererseits bedingt durch eine mangelnde wirtschaftliche Dynamik im Inland - hat wesentlich hierzu beigetragen. Von 1998 bis 2003 ist die Armutsrisikoquote (d.h. Anteil der Personen unterhalb der Armutsrisikogrenze von 60% des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens) von 12,1% auf 13,5% leicht angestiegen.

Deutschland gehört - den letzten vergleichbaren Zahlen von EUROSTAT aus dem Jahr 2001 zufolge - zu den EU-Ländern mit der niedrigsten Armutsrisikoquote (Deutschland: 11%; Durchschnitt EU-15: 15%). Der deutsche Sozialstaat ist bei der Bekämpfung von Armut insgesamt erfolgreich, seine sozialen Sicherungssysteme funktionieren:

  • Ein erhöhtes Armutsrisiko ist in der Mehrzahl der Fälle kein permanenter Zustand. Im Zeitraum von 1998 bis 2003 waren nach einem Jahr etwa ein Drittel der Phasen unterhalb der Armutsrisikogrenze für die Betroffenen abgeschlossen oder unterbrochen und nach zwei Jahren etwa zwei Drittel.
  • Die Steuerreform und die Verbesserungen von familienpolitischen Leistungen um 20 Mrd. Euro seit 1998 haben den Anstieg des Armutsrisikos vor allem von Familien mit Kindern und von allein Erziehenden im Vergleich zu übrigen Bevölkerung abgeschwächt.
  • Das Armutsrisiko älterer Menschen ist deutlich unterdurchschnittlich, auch ihre Sozialhilfeabhängigkeit lag deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
  • Seit 1998 war ein starker Rückgang der Wohnungslosigkeit und der Wohnungsnotfälle zu verzeichnen. Die geschätzte Jahresgesamtzahl der Wohnungslosen verringerte sich von 530.000 in 1998 auf 310.000 Personen in 2003.

Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht verdeutlicht, dass die Politik der Bundesregierung die Fragen aufgreift, die gelöst werden müssen, um die Teilhabe- und Verwirklichungschancen der Menschen zu verbessern und Armutsrisiken zu vermindern. Neben dem Ausgleich ökonomischer Ungleichheiten insbesondere durch Sozialleistungen und steuerliche Maßnahmen steht die Förderung von Teilhabe im Vordergrund. Es geht vor allem um eine Förderung von Wachstum und Beschäftigung, um die Schaffung von Arbeitsplätzen, eine bessere schulische und berufliche Bildung sowie um einen Ausbau der Infrastruktur bei der Kinderbetreuung. Diesen Herausforderungen hat sich die Bundesregierung mit den Reformen der Agenda 2010 gestellt. Ihre zentralen Elemente sind:

  • Arbeitsmarktpolitik
    Die Bundesregierung setzt auf die gezielte Förderung, Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitslosen. Die Bereitschaft zur Eigeninitiative wird eingefordert, gleichzeitig werden gerade Gruppen mit einem hohen Arbeitslosigkeits- und damit Armutsrisiko - langzeitarbeitslose Menschen, niedrig Qualifizierte, schwer behinderte Menschen sowie Migrantinnen und Migranten - gezielt unterstützt.
  • Bildungspolitik
    Die Bundesregierung setzt mehr denn je klare Prioritäten bei Bildung und Forschung. Sie hat die Mittel für Bildung und Forschung seit 1998 um 37,5 % bzw. um 2,72 Mrd. Euro auf rund 10 Mrd. Euro erhöht (2005). Der Bund investiert rund 4 Mrd. Euro in den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen. Die Zahl der BAföG-Empfänger stieg von 341.000 im Jahre 1998 auf 505.000 im Jahr 2003. Der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland hilft, allen jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu eröffnen.
  • Familienpolitik
    Mit den Familienleistungen (Kindergeld, Erziehungsgeld, Unterhaltsvorschuss und BAföG) wurde zum Beispiel die relative Einkommensarmut von allein Erziehenden um 15 Prozentpunkte gesenkt. Das Kindergeld wurde um 42 Euro für das erste und das zweite Kind erhöht, Familien wurden insgesamt um 5,8 Mrd. Euro steuerlich entlastet. Gleichzeitig fördert der Bund nachdrücklich mit 1,5 Mrd. Euro den zügigen Ausbau einer Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur für Kinder. Damit werden die Startchancen der Kinder verbessert und ihren Eltern wird die Möglichkeit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eröffnet. Mit dem Kinderzuschlag von monatlich bis zu 140 Euro pro Kind für Familien mit geringem Einkommen, der zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführt wurde, schafft die Bundesregierung Entlastung für Familien im unteren Einkommensbereich und verringert Familienarmut. Durch die Sozialhilfereform erhalten seit ab 1. Januar 2005 alle bedürftigen allein Erziehenden einen Mehrbedarfszuschlag. Dies gilt erstmals für 70.000 allein Erziehende mit einem Kind ab 7 Jahren und knapp 10.000 allein Erziehende mit mehreren Kindern, auch für den Fall, dass sie überwiegend Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten.
  • Steuerpolitik
    Es ist der Bundesregierung gelungen, geringe Einkommen durch die Absenkung des Eingangssteuersatzes von 25,9% (1998) auf 15% (2005) bei gleichzeitiger Anhebung des Grundfreibetrags von 6.322 Euro (1998) auf 7.664 Euro (ab 2004) deutlich zu entlasten. Gleichzeitig wurde die Bemessungsgrundlage für Reiche verbreitert. Spitzenverdiener haben nicht mehr die Möglichkeit, sich durch Steuersparmodelle „arm“ zu rechnen. Einkommensmillionäre, die keine Steuern zahlen, kommen praktisch nicht mehr vor. Damit wurde sichergestellt, dass die leistungsstarken Haushalte einen höheren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten.
  • Gesundheitspolitik
     Mit der Gesundheitsreform 2004 hat die Bundesregierung das reformbedürftige Gesundheitssystem erneuert und die medizinisch notwendige Versorgung für alle unabhängig von sozialem Status und Einkommen gesichert. Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung schafft mehr Verlässlichkeit für sozial schwache Personenkreise. Sozialhilfeempfänger werden leistungsrechtlich den Versicherten gleichgestellt. Mit der Gesundheitsreform wird die Qualität der Versorgung erhöht und zugleich ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Lohnnebenkosten geleistet.
     

Editorische Anmerkungen

Der Text erschien  ist eine Spiegelung von  
http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/themen/sicherheit/armutsbericht/index.cfm 

Hier kann der gesamte Bericht heruntergeladen werden:
http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/publikationen/p_19.php