Rück- und Austrittserklärung von 5/7 des Thüringer Landesvorstandes der WASG 03/05

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Weimar, den 01.03.2005

„Wenn du auf einem toten Pferd reitest, steig ab“ zu dieser Erkenntnis von Klaus Ernst in seinem offenen Brief vom 16.02.2005 sind wir demokratisch gewählten Mitglieder des Landesvorstandes Thüringen bereits vor 14 Tagen gelangt, wenn auch aus etwas anderer Betrachtungsweise heraus, inhaltlich und ursächlich aber punkt gelandet.

Die WASG/ASG war in ihrer Idee für uns ein Versuch, ihre Umsetzung eine einzige Katastrophe, ihre innerparteiliche Demokratie eine Satire, als Wahlalternative unbrauchbar.

Mit viel Enthusiasmus, Engagement und Erfolg haben wir seit Juni/August 2004 vernünftige Strukturen in Thüringen aufgebaut. Das Ergebnis war unsere demokratische Wahl am 31.10. in den Landesvorstand. Es war blauäugig von uns, noch zwei SPD-Flüchtlinge mit ins Boot zu nehmen, um einer geographischen Repräsentation genüge zu tun. Denn die Folgen erkannten wir zu spät. Schon bei der Wahl im Oktober hätte uns das Verhalten der Bundesvorstandsabgeordneten Sabine Lösing, ob der Nichtwahl des eingesetzten Thüringer Landeskoordinators Roland Spitzer, Warnung genug sein müssen. Kein Wort wechselte sie mit uns, dem neuen Landesvorstand, tröstete nur den Durchgefallenen, ohne zu fragen, warum?!?

Der Exkoordinator, aber nicht in den Vorstand gewählte Spitzer verstieg sich dann immer mehr in seine Mär von der Übernahme der WASG in Thüringen, die er auch in allen möglichen Foren und Formen verbreitete, je nach Promillezahl, um so intensiver. Ohne dabei zu begründen, wem die WASG denn vor der Wahl gehörte, wem wir sie weggenommen hatten.

Bereits 4 Wochen später verkündete er in einer seiner berühmten Nacht-Emails, offen und unverblümt, er werde in weiteren vier Wochen wieder demokratische Strukturen herstellen. Damit meinte er: Spitzer an der Spitze und die Welt ist gut. Mitglieder seines Arbeitskreises, (das sind weniger als ein Zehntel der Thüringer Mitglieder, in allen Belangen dem Balkon der Muppetshow gleich, nicht nur im Inhalt der abgesonderten Plattheiten) verkündeten dagegen je nach IQ ganz offen, sie hätten die Unterstützung des Bundesvorstandes, konkret der Frau Lösing, die bald alles für sie richten würde.

Wir, in der Person des Thüringer Landesvorstandes, bewundern selbstkritisch unsere Unbedarftheit auf dem verdorbenen Feld der Politik, besonders in Bezug an unseren Glauben an Ehrlichkeit. Geschuldet unserer Unerfahrenheit an bundesdeutscher Parteiarbeit rannten wir blindlings in Seilschaften und suchten vergeblich nach Demokratieverständnis.

Anfangs wollten wir mit allen Mitteln und Mitgliedern Konsens erreichen, auch mit denjenigen, die uns sagten, sie würden damit nicht fertig, dass wir - der gewählte Vorstand - da vorne sitzen dürften. Unmöglichkeiten wurden gern damit begründet, in der SPD hätte man doch auch so agiert. Ich meine hier konkret die Landesvorstandsmitglieder Fichtmüller und Vollmer, denen zwar in der Folgezeit sämtliche Mitglieder davon gelaufen waren, die aber von der Richtigkeit ihres Tuns auch weiterhin überzeugt sind.

Selbst Vermittlungsversuche von anderen, um Einheit bemühten Mitgliedern wurden speziell von Hesse und Spitzer offen abgelehnt, allein sie seien die wahre Wahlalternative. Dieses lächerliche Benehmen, gepaart mit Altersstarrsinn und reichlich Verkennung der Realitäten, wäre das geringste Übel in der Thüringer WASG gewesen, sie hätten halt den Spaßpart übernommen.

Viel betrüblicher dagegen war die Reaktion des Bundesvorstandes, den wir, ob der Intrigen von Seiten der gescheiterten Parteiflüchtlinge über die Vorgänge informierten. Doch Unterstützung erhielten nicht wir, sondern Spitzer und Hesse. Uns strafte man nur mit Nichtachtung und Gleichgültigkeit. Klaus Ernst versuchte noch zu vermitteln, sein beschränkter Einfluss wurde uns aber erst nach seinem offenen Brief klar.

Eine Minderheit von nicht einmal einem Zehntel der Mitglieder, die ausdrücklich keine Mehrheiten in der WASG hinter sich haben, schaffte es ob ihrer obskuren Kontakte zu Sabine Lösing, uns – den von den Thüringer Mitgliedern im Oktober gewählten Landesvorstand – vor dem Bundesvorstand zu diskreditieren.

Daraufhin erhielten wir am 15.2. vom ASG-Bundesvorstand folgende lapidare Mitteilung per E-Mail. Sämtliche Regeln des Anstandes, aber auch die der Satzung und bestehender Übergangsregelungen wurden damit vom Bundesvorstand selbst außer Kraft gesetzt. In der E-Mail heißt es:

Liebe Mitglieder des Vorstandes Thüringen des Vereins WASG,

Die Mitglieder des Gründungsvorstandes haben auf ihrer Sitzung am 13.2.05 in Kassel beschlossen, aufgrund der massiven Auseinandersetzungen innerhalb des Landesverbandes und des Landesvorstands vorerst die Mitglieder des Vereinslandesvorstandes NICHT als Parteilandesvorstand einzusetzen.

Stattdessen hat der Gründungsvorstand der Partei ASG eine Kommission eingesetzt, die bis zum 27. Februar 2005 eine Klärung zu diesen Auseinandersetzungen herbeiführen soll. Auf seiner Sitzung am 27.2.05 wird der Vorstand dann das weitere Vorgehen beraten.
 

Der Kommission gehören an
Werner Dreibus
Peter Vetter
Murat Cakir
 

Herzliche Grüße aus dem Bundesbüro

Irina Neszeri
Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit
Organisationsleitung

Solch undemokratisches Verhalten, zwischen einem demokratisch gewähltem Landesvorstand und dem Bundesvorstand, ohne je mit uns zu sprechen, nachzufragen, verursachte bei uns schlichtweg Entsetzen. Uns oblag es nun, hinter den genannten Kommissionsmitgliedern herzutelefonieren, um uns das für uns Unfassbare bestätigen zu lassen. Die Antwort vom Bundesvorstand lautete schließlich: Sabine Lösing habe erfahren, wir wollten keine Wahlen in Thüringen durchführen, und, so der Vorstand, gehe es ja schließlich nicht.

Unser Wahltermin stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest, war auch im Beisein von Vorstandsmitglied Klaus Ernst in Weimar verkündet worden. Laut WASG-Bundesvorstandsmitglied Murat Cakir gegenüber Berndt Krummrich, sei man auf die Aussage von Sabine Lösing hereingefallen. Cakir sehe es jetzt zwar anders, könne aber den gefassten Beschluss nicht mehr revidieren. Gleiches bestätigte auch Klaus Ernst Berndt Krummrich telefonisch. Anmerkung von uns: Am 28.02. nach Kenntnisnahme des Vorabberichtes im "Freien Wort" und die Information über die bevorstehende Pressekonferenz am 1.03. geschah das Wunder, nach wochenlangem Stillschweigen wurde uns gegen 16.40 Uhr per mail ein Treffpunkt mitgeteilt. Der Bundesvorstand wäre nicht der Bundesvorstand, die vorangegangenen Ungereimtheiten noch zu toppen: Ort und Zeitpunkt wurden von Roland Spitzer arrangiert, ohne mit dem amtierenden Landesvorstand persönlich das Gespräch zu suchen.

Diese Vorgehensweise zeigte uns nun endgültig, wie undemokratisch und alternativlos die Arbeit der Wahlalternative ist. Beim Abservieren unbequemer SED-Mitglieder vor inzwischen mehr als 15 Jahren hat wenigstens immer noch ein Gespräch stattgefunden.

Die Schadenfreude der Lösingschen Demokraten sei nur am Rande erwähnt: Peter Weiss aus Suhl rief Mitglieder des Landesvorstandes an und verkündete ihnen freudig, dass nun endgültig die “rechtsradikalen Schweine” außen vor seien und “sie ihr dummes Maul” zu halten hätten.

Dies ist nunmehr nur noch ein Lösingsches Problem, denn nach dem Motto des kürzlich verschiedenen Hunter Stockton Thompsen (genannt Gonzo), sagen nunmehr auch wir: "Wenn die Sache irre wird, werden die Irren zu Profis" und lassen nun die Demokraten unter sich. Je nach Gefühlslage treten wir leichten oder schweren Herzens vom Landesvorstand zurück und aus dem Verein/bzw der Partei aus.

Unsere Entscheidung erfolgte ausschließlich nur, mit Betonung auf “nur” aufgrund der Ignoranz des Bundesvorstandes, der kleinen Minderheit lustiger Thüringer Visionäre hätten wir auch weiterhin in der Debatte begegnen können. Heute denken wir aber, dass der einzig richtige Schritt nur unser Austritt sein kann, denn auf einem toten Pferd reiten auch wir nicht weiter ...

Unser einziges Bedauern gilt den Thüringer Mitgliedern, die sich wie wir, ehrlich um den Aufbau des Vereins/der Partei bemüht haben. Insbesondere bedanken wir uns bei den Mitgliedern der Regionalgruppen Meiningen/Schmalkalden und Weimar, sowie bei den jüngeren Mitgliedern des Ilmkreises. Wir wissen zwar, dass sie in der Mehrheit unseren Schritt nachvollziehen, aber eine echte Befriedigung stellt sich bei dieser Feststellung nicht ein. Die Empörung über die große Politik hat uns zusammengebracht, empört über die kleine verziehen wir uns wieder.

Marina Ide (Weimar), Frank Janschersky (Zella-Mehlis)  Berndt Krummrich (Meiningen) Jürgen Kürsten (Weimar) Uwe Schwartzkopf (Meiningen)

Editorische Anmerkungen

Die Erklärung wurde von http://www.wahlalternative-2006.de/article71.html  gespiegelt.