Die Masche der „Jungen Freiheit“
Rolf Hochhuth wurde aufs Glatteis geführt.

von Max Brym
03/05

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Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Spiegel, ist zu einem Gespräch mit dem Schriftsteller Rolf Hochhuth bereit. Dieser entschuldigte sich für seine Verteidigung des Holocaust Leugners Irving. Vor zwei Wochen gab Rolf Hochhuth der rechtsradikalen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ein Interview indem er sagte: „Es sei idiotisch Irving als Holocaust Leugner zu bezeichnen“. Im selben Gespräch äußerte sich Hochhuth aber auch unmißverständlich zur Shoah, er erklärte: „Ich habe selbst erlebt, wie die Juden meiner Heimatstadt deportiert worden sind. Das war doch der Hitler nicht alleine. Dresden wäre ohne das, was in Auschwitz geschehen ist, nicht möglich gewesen. Der Mörder ist der Mann des ersten Schusses und dieser Mann war Hitler.“ Hochhuth hat mit dem aktuellen „Historiker“ David Irving nichts gemein. Er kannte nur die Jugendschriften Irvings und viel auf die Masche der „Jungen Freiheit“ herein. Gegenüber der ARD erklärte Hochhuth: „Dieser Satz (bezogen auf Irving) ist idiotisch von mir. Das ist nicht zu verantworten gewesen, dass ich das gesagt habe. Ich muß mich für diesen Satz schämen“. Der Präsident des Zentralrates, Paul Spiegel, sagte daraufhin, er sei nun doch zu einem Gespräch mit Hochhuth bereit. Dieser Schritt ist zu begrüßen, denn mit Hochhuth hätte man auf den Verkehrten geschlagen und wäre der „ Jungen Freiheit“ auf den Leim gegangen.

Rolf Hochhut ist kein Holocaust Leugner

Der Dramatiker und Schriftsteller Rolf Hochhuth hat vor zwei Wochen dem deutschnationalem Blatt „Junge Freiheit“ ein Interview gegeben. Dieser Fakt ist kritisierbar, aber auch andere wie Peter Glotz oder der ehemalige sozialdemokratische Arbeitsminister in NRW, Friedhelm Farthmann, lassen sich von der „Jungen Freiheit" befragen. Die Herren Glotz und Farthmann benützen diese Plattform um der Linken „ein gestörtes Verhältnis zur Vertreibung der Deutschen“ (Peter Glotz) zu attestieren oder gegen „Homoehen“ zu poltern, wie es Farthmann in der jüngsten Ausgabe des Blattes tat. Die Aufregung darüber hält sich in Grenzen. Genauer gesagt Herr Glotz liegt vollständig im Trend deutscher Geschichtsentsorgung, wenn er mehr über das „Leid das Deutschen zugefügt worden ist“ sprechen will. Herrn Farthmann ist die „Ausländerpolitik“ der Bundesregierung „zu liberal“ und nebenbei outet er sich in dem Gespräch zumindest als Sympathisant des „christlichen Fundamentalismus“. Die genannten Herren bewegen sich auf einem Terrain, das beinahe komplett der redaktionellen Linie der „Jungen Freiheit“ entgegenkommt. Daneben gehört es zum Stil der „Jungen Freiheit“ unverdächtige Zeitgenossen mit Fragen zu bombardieren, die diese dann nicht ganz exakt oder interpretierbar beantworten. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth ging mit einigen unklaren Aussagen der „Jungen Freiheit“ auf den Leim und gilt seither als „Holocaust Leugner“. Kommentatoren und Feuilletonisten brandmarken den Schriftsteller Hochhuth und befördern ihn in eine Ecke, in die er nicht gehört. In diesem Land gibt es jede Menge Antisemitismus, es ist extrem dumm und gefährlich alles sofort für antisemitisch und geschichtsrevisionistisch zu erklären, was einem im ersten Moment nicht völlig klar erscheint. Denn wenn fast alles antisemitisch ist, dann ist letztendlich der tatsächliche Antisemitismus kein Problem mehr. Es besteht die reale Gefahr, mittels einer inflationären Handhabung des Antisemitismusvorwurfes, den realen Antisemitismus zu verharmlosen. Herr Hochhuth ist kein Antisemit und kein Holocaust-Leugner, auch wenn viele das nach dem Interview von Hochhuth in der „JF“ behaupten. Es ist ein Gebot des Anstandes Herrn Hochhuth gegen ungerechtfertigte Anfeindungen in Schutz zu nehmen. Deshalb wird hier kurz auf die Haltlosigkeit der Vorwürfe eingegangen.

Hochhuth und David Irving

Der britische Historiker David Irving ist in Deutschland und in England rechtskräftig wegen der Leugnung des Holocaust verurteilt. Rolf Hochhuth brachte in dem Gespräch mit der „Jungen Freiheit“ seine „Wertschätzung gegenüber dem Historiker David Irving“ zum Ausdruck. Im ersten Moment scheint die Sache klar zu liegen, Hochhuth belobigt den braunen „Geschichtsapostel“ Irving. Reflexartig wird Hochhuth mit Irving auf eine Stufe gestellt. Um die Intuition von Hochhuth und um die Fakten geht es nicht mehr, Hochhuth kann gegenüber der Presse erklären was er will, er hat seinen Stempel abbekommen. In Wahrheit bezog sich Hochhuth auf den jungen Historiker Irving, auf sein Buch über den „Untergang Dresdens“ sowie dessen „Göring- Biographie“. In diesen Büchern ist der junge Irving „eine völlig seriöse Figur“ erklärt Hochhuth in einer Pressmitteilung. Diese Wertung ist zulässig, denn in dem Buch von Eva Menasse über den Londoner Irving Prozeß sind keine der Bücher genannt, die Hochhuth als seriös bezeichnet. Hochhuth geht davon aus, dass „Irving erst später durchgedreht ist“. Von dem reifen Irving distanziert sich Hochhuth in seiner Presseereklärung schärfstens. Diese Erklärung Hochhuths ist glaubhaft, denn Hochhuth brachte nicht nur als erster Autor mit seinem Stück „Der Stellvertreter“ Auschwitz zuerst auf bundesdeutsche Bühnen, sondern er schrieb im letzten Jahr drei Gedichte, die sich auf den Holocaust beziehen. Die Gedichte entsprechen nicht dem ästhetischen Geschmack des Autors dieser Zeilen, aber darum geht es nicht. Es geht um die Botschaft der Gedichte und die sind von großer Eindringlichkeit, eine einzige hämmernde Mahnung, dass der singuläre Völkermord an den europäischen Juden durch das nazistische Deutschland nicht vergessen werden darf. In der Pressemitteilung von Herrn Hochhuth ist eine schöne Geschichte wiederzufinden, die er vor 25 Jahren mit David Irving erlebte. Im französischen Colmar hat ein Wirt die Herren Irving und Hochhuth aufgefordert das Lokal zu verlassen, weil Hochhuth Irving laut anschrie. Als Grund nennt Hochhuth: „Irving wollte mir erklären, Himmler habe ohne Wissen Hitlers den Holocaust angeordnet“. In der Pressemitteilung Hochhuths steht: „Bereits damals deutete sich eine rapide Veränderung bei Irving an“. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, den verdienten Demokraten Hochhuth gegen durchgeknallte deutsche „Anti-Antisemiten“ in Schutz zu nehmen. Seine Biographie verbietet es, ihn in die braune Ecke zu stellen. Seine Argumentation zur Person Irving ist schlüssig, natürlich veränderte sich der Mann Irving entscheidend. Solche Wandlungsprozesse gibt es häufiger in der Geschichte. Benito Mussolini war bis 1914 ein radikaler Sozialist und Antimilitarist. Später war er bekanntlich das Gegenteil. David Irving veränderte sich ebenfalls, vom relativ seriösem Historiker zum „Vorzeigepferd“ der braunen Geschichtsrevisionisten. Rolf Hochhuth hingegen ist sich treu geblieben, in dem Interview in der „Jungen Freiheit“ erklärte Hochhuth: „Es ist eine Schande, dass wir es noch immer nicht anerkennen: Die Weltgeschichte kennt kein mit unserem Holocaust vergleichbares Verbrechen“. So spricht kein Holocaust Leugner. Vielleicht hat die ganze künstliche Aufregung um Hochhuth etwas mit den „linken Neigungen“ des Dramatikers Hochhuth zu tun. Rolf Hochhuth prangerte in einem seiner letzten Stücke den „Kapitalismus“ in Deutschland an. So etwas braucht die bundesdeutsche Elite von einem Martin Walser nicht zu befürchten. Walser schrieb mit dem „Tod eines Kritikers“ ein ganzes Buch, voll mit tatsächlichen antisemitischen Klischees und antisemitischen Haßtiraden. Walser attackierte in seiner berüchtigten Paulskirchenrede 1998 die „Moralkeule Auschwitz“. Dennoch oder gerade deswegen applaudierte die bundesdeutsche Elite dem „Literaten vom Bodensee“. Im Gegensatz dazu wurde dem linken Demokraten Hochhuth reflexartig das Etikett „Holocaust- Leugner“ angeheftet.
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 06.03.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.