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Nr. 03-04
Notausgabe
5. März 2004

9. Jahrgang online

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Die Dieudonné-Affäre
Konflikt zwischen französischen Schwarzen und Juden oder antisemitischer Kulturskandal?


Von Bernhard Schmid

Dieudonné, der Gottgeschenkte, ist vielleicht ein ungewöhnlich klingender Vorname. Bei katholischen und französischsprachigen Afrikanern ist er jedoch sehr verbreitet. Fällt der Name in Frankreich, weiß dagegen fast jeder, wer gemeint ist: Dieudonné M bala M`bala, der 1966 in einem Pariser Vorort als Kind einer Soziologiestudentin aus der Bretagne und eines Kameruners das Licht der Welt erblickte, hat sich in den letzten zehn Jahren als erfolgreicher Schauspieler und Komiker einen (Vor-)Namen gemacht. Heute gehört ihm das Main d`Or-Theater im 11. Pariser Bezirk, das er begründet hat. Und jetzt steht er im Mittelpunkt einer Polemik, die sich vorige Woche heftig zuspitzte.  

Der umstrittene Fernseh-Sketch von Dieudonné  

Am 1. Dezember 03 war Dieudonné, von seinen Fans auch "Dieudo" genannt, Studiogast in der Sendung "Man kann`s nicht jedem Recht machen" (On ne peut pas plaire à tout le monde) von Marc-Olivier Fogiel auf dem dritten Fernsehkanal. Dort sollte er gemeinsam mit dem Schauspieler Fernsehkasper Djamel (deutsch Dschamel) Debbouze herumulken. Beide sind auf ihre Weise Vorzeigefiguren von Minderheiten der französischen Gesellschaft: Dieudonné ist einer der wenigen, regelmäßig in den Medien präsenten Schwarzen. Djamel Debbouze, ein kleinwüchsiger und leicht körperbehinderter junger Mann, seinerseits ist in gewisser Weise der "Vorzeigearaber" der französischen Massenmedien. In jüngerer Zeit hat er sich zum Publikumsliebling, allerdings auch zu einer Art Pausenclown des Showbetriebs entwickelt.  

Dabei hatte der Komiker einen Einfall, den nicht alle lustig fanden: Dieudonné trat als orthodoxer Jude verkleidet auf, fuchelte mit einer Waffe herum und forderte die Zuschauer dazu auf, "der Achse des Guten, der amerikanisch-zionistischen Achse" beizutreten. Das mochte noch irgendwie als konfuse Kritik an der Nahostpolitik der USA durchgehen. Doch die rote Linie war für viele Beobachter spätestens überschritten, als Dieudonné damit endete, "Isra-Heil" auszurufen und dabei den rechten Arm in die Höhe zu recken, womit er die israelische Politik mit der NS-Herrschaft assoziierte. Auf den Ausfall waren offensichtlich weder Showmaster Fogiel noch Djamel Debbouze gefasst.  

Reaktionen und Proteste  

Der Auftritt führte zu Protesten: Mehrere tausend SMS mit Protestinhalt trafen im Laufe der Sendung ­ bei der die Zuschauer, per SMS, direkt reagieren können - ein. Aus technischen Gründen, wie es seitens der Fernsehstation hieß, wurden sie allerdings nicht mehr in derselben Sendung präsentiert, sondern erst in der darauffolgenden Ausgabe eine Woche später. Marc-Oliver Fogiel, der selbst französischer Jude ist, hatte im Angesicht von Dieudonnés missratenem Sketch nicht direkt reagiert, sondern war einen Moment lang perplex geblieben. Jetzt aber entschuldigte er sich bei den Zuschauern.  

Gleichzeitig sprach der Oberste Medienrat CSA, der die Einhaltung von inhaltlichen Mindeststandards in Radio- und Fernsehsendungen überwacht, eine Rüge gegen den Sender France 3 aus. Die KP-nahe Antirassismusorganisation MRAP erstattete Strafanzeige gegen Dieudonné wegen "seiner nicht hinzunehmenden antisemitischen Entgleisung" (so MRAP-Anwalt Pierre Mairat). Der MRAP klagte gleichzeitig auch gegen den unbekannten Autor einer SMS, in welcher dem Komiker dazu geraten wurde, doch mal einen Sketch "über den Geruch der Schwarzen" zu machen. Nachdem Dieudonné eine öffentliche Entschuldigung ausgesprochen hatte (er entschuldigte sich bei all jenen, "die sich angegriffen hätten fühlen können"), zog die antirassistische Organisation ihre Anzeige dann zurück, um die Wogen zu glätten.  

Doch damit war die Angelegenheit nicht erledigt, denn im Januar 04 wurden Auftritte des Komikers in einer Reihe französischer Städte annulliert, "aus Sicherheitsgründen". Jüdische Organisationen, wie die UEJF (der Jüdische Studentenverband Frankreichs), drückten friedlich ihren Protest aus. Aber gleichzeitig wurden auch Morddrohungen aus den Kreisen um die rechtsextreme "Jüdische Verteidigungsliga" (LDJ) ­ es handelt sich um die Anhänger des rassistischen Predigers Rabbi Kahane; ihre Pendants in den USA und Israel sind nach Gewalttaten verboten worden ­ und auf ihr nahe stehenden Webseiten ausgesprochen.  

In einem Dutzend französischer Städte wurden im Januar und Februar Auftritte Dieudonnés abgesagt. Dagegen konnte das Gastspiel in Lyon am 5. Februar stattfinden, nachdem ein Verwaltungsgericht die Entscheidung des sozialdemokratischen Bürgermeisters Gérard Collomb ­ der das Spektakel im Vorfeld verboten hatte ­ aufhob. Unter rund 900 Zuschauern im Saal befanden sich auch 100 bis 150 Protestierende und Störer, von denen einige ihre Ablehnung verbal begründeten, andere dagegen zu eher zweifelhaften Mitteln griffen. Nachdem das Licht im Saal ausgegangen war, warf ein Mann eine qualmende Flasche mit einer bisher nicht näher identifizierten chemischen Substanz nach vorn in Richtung Bühne; daraufhin mussten zwei andere Zuschauer ambulant behandelt werden, die den Rauch eingeatmet hatten. Der Inhalt der "Chemieflasche" wird derzeit durch die Kriminalpolizei näher identifiziert.  

Die Methoden mancher seiner Kritiker brachten Dieudonné wiederum dazu, sich als verfolgtes Opfer zu gerieren. Nun wählte er allerdings selbst die Flucht nach vorn in die Eskalation und erklärte etwa auf Radio Monte Carlo: "Ich wische mir den Hintern mit der israelischen Fahne ab." Damit schüttete Dieudonné noch Öl in`s Feuer, und aus Sicht vieler Kritiker waren keine Gesprächsgrundlagen mehr gegeben.  

Höhepunkt der Eskalation am vorigen Freitag  

Ein Höhe- bzw. Tiefpunkt wurde am Freitag voriger Woche (20. Februar) erreicht. Dieudonné sollte im legendären Pariser Saal L`Olympia sein bekanntes Stück "Patrick lässt sich scheiden" (Le divorce de Patrick) aufführen. Nach wüsten Drohungen ­ einer Angestellten des Theatersaals schlug ein Anrufer vor, sie "in eine lebende Fackel zu verwandeln" ­ sagten die Besitzer den Komikerabend ab. Das rief auch bei Beobachtern, die Dieudonnés voran gegangene Äußerungen kritisiert hatten, Bauchschmerzen hervor. So bei der Liga für Menschenrechte (LDH). Sie missbilligte explizit Dieudonnés Sketch und sein darauf folgendes Verhalten, doch sie kritisierte die Absage seines Olympia-Abends ­ bei dem von Juden und Israel nirgendwo die Rede gewesen wäre und der somit nichts mit den Vorwürfen zu tun hatte ­ als "Zensurakt, der Dieudonné nur unnütz zum Märtyrer stilisiert".  

Doch gut 1.000, vielleicht auch 1.500 Protestierende, viele von ihnen hatten eine Eintrittskarte im Vorverkauf gelöst, hielten eine Kundgebung vor dem Saal ab. Dieudonné gab sich dabei als Wortführer einer unterdrückten Minderheit: "Verbietet nicht dem einzigen Schwarzen, der in der französischen Komikerszene präsent ist, den Mund!" Und: "400 Jahre Sklaverei, und man darf nicht darüber reden!"  

Damit benannte Dieudonné zwar nicht die wirklichen Gründe, die zur Absage seines Spektakels führten, rührte aber sehr wohl an eine sensible Ader. Die ­ objektive oder subjektive ­ Benachteiligung der Schwarzen vermischt sich dabei mit einem Gefühl, das den Juden vorwirft, den Status als "legitime" Opfergruppe zu monopolisieren.  

Eine so begründete Form von Rivalität ist in den USA bereits weit verbreitet, beginnt sich aber auch in Frankreich Bahn zu brechen. Legitime Forderungen wie die, dass endlich auch die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt und ihre Geschichte stärker auch im Schulunterricht behandelt werde, bilden den Anfang. Aber sie verkehren sich ­ vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Krise, die immer mehr Menschen auf ihre angebliche "natürliche Gemeinschaft" zurückwirft, angesichts des sich ausbreitenden Elends und des Mangels an allgemeiner Solidarität ­ in eine Waffe gegen eine andere Minderheit. Dieser, der jüdischen Bevölkerung, wird vorgeworfen, dass ihre Verfolgungsgeschichte einen überproportionalen Raum in Schul- und Geschichtsbüchern, Medien usw. einnehme.  

Dabei wird aber nur die im Prinzip mögliche Abwehrfront der Benachteiligten und Diskriminierten (in den USA nannte man das in den Siebzigern die "Regenbogenkoalition") auseinander gehauen. Der Rassismus der Mehrheitsgesellschaft braucht dabei nur zuzugucken und sich in`s Fäustchen zu lachen. So berichtete die rechtsextreme Wochenzeitung "Minute", mit versteckter Häme, wohlwollend-positiv über die jüngsten Umtriebe Dieudonnés. Vor kurzem war er in der rechtsextremen Presse noch ­ in kaum verhüllten Worten - "der Neger, der den Front National herausfordert" gewesen. Dieudonné hatte bei der Parlamentswahl 1997 in einer Hochburg der rechtsextremen Partei kandidiert, in Dreux. Dort hatten die Le Pen-Anhänger ihren historisch ersten Wahlsieg gefeiert (bei einer Kommunalwahl im September 1983), und dort hatte die FN-Abgeordnete Marie-France Stirbois Ende der Achtziger Jahre die absolute Mehrheit für einen Parlamentssitz erobert, was selten vorkommt. (Bei einer Nachwahl für einen freigewordenen Parlamentssitz, die während der laufenden Legislaturperiode stattfand, holte die "schreckliche Witwe" Stirbois im Dezember 1989 in Dreux 61,3 Prozent der Stimmen. Ein solches Wahlergebnis hat der FN nie davor und nie danach irgendwo erhalten.)  

Als "Herausforderer" des rechtsextremen Drachens Marie-France Stirbois, die damals in Dreux noch zwischen 30 und 40 Prozent der Stimmen erhielt, hatte Dieudonné 1997 in der Industriestadt 80 Killometer von Paris 7,7 Prozent der Stimmen erzielt. Inzwischen ist der rechtsextreme Stimmenanteil in der 40.000-Einwohner-Stadt deutlich zurückgegangen, und es hat eine gewisse politische "Normalisierung" in Dreux stattgefunden. Damals aber hatte Dieudonnés Einzelkandidatur noch einen gewissen politischen Mut erfordert. Dabei war der heute 43jährige aber nie ein politischer Intellektueller, sondern stets jemand, der zum Teil aus dem Bauch heraus handelte ­ im Falle der Bekämpfung des FN sicherlich richtig, in anderen Fällen kann er dagegen weit daneben liegen.  

Was aber treibt ihn jetzt dazu, auf eine Weise zu handeln, deren Ergebnisse absolut nicht im Einklang mit seinen proklamierten Idealen zu stehen scheinen?  

Welche Motivation treibt Dieudonné (und seine Unterstützer)?  

Man kann bei Dieudonné nicht im klassischen Sinne von Antisemitismus sprechen; er empfindet sicherlich keinen Hass auf "den" individuellen Juden.  

Dieudonnés Bühnenpartner war sieben Jahre lang der sich selbst als "atheistischen Juden " bezeichnende Elie Semoun, und ihr gemeinsamer Sketch "Cohen & Bokassa" ­ der sich über Ressentiments und Identitätspolitik lustig macht ­ hatte keinerlei Beanstandung gefunden. Allerdings hat Elie Semoun, der sich jüngst in "Le Monde" zu Wort meldete, jetzt auch scharfe Kritik an dem missratenen Sketch Dieudonnés vom 1. Dezember und seinem nachfolgenden Verhalten geübt. Nach Ansicht Elie Semouns ist Dieudonné auf seine Art "größenwahnsinnig" geworden, da er sich einbilde, fertige Antworten zu komplexen politischen Problemen formulieren und diese auch noch künstlerisch übermitteln zu können. Das würde eine weitaus größere Sensibilität als Dieudonnés jetzigen hemdsärmeligen Haudrauf-Humor erfordern.  

Dennoch formuliert Dieudonné in der jetzigen Auseinandersetzung auch Vorwürfe, die uralte antijüdische Klischées einbeziehen. Etwa wenn er (in der Sonntagszeitung JDD) den "jüdischen Ligen", die gegen ihn mobilisierten, vorwirft: "Das sind alles am Sklavenhandel reich Gewordene, die ihre berufliche Neuorientierung im Bankenwesen, im Kulturbereich und jetzt in der terroristischen Aktion gefunden haben." Damit bedient er auf jeden Fall das Klischee von den Juden, die angeblich den Finanzsektor und die Medien kontrollieren würden. Und: Zwar hat Dieudonné mit dem Satz Recht, wonach ­ im historischen Zusammenhang betrachtet - heutige "Vermögen auf der traite des noirs (dem Geschäft mit Sklaven gegen Rohstoffe aus dem damaligen Nord- und Südamerika) und der Sklaverei" beruhen, denkt man an die Ursachen des Aufstiegs von Städten wie Bordeaux. Unrecht dagegen hat Dieudonné, wenn er diese Vorwürfe (direkt) auf "jene, die mich angreifen", und (indirekt) damit auf die französischen Juden bezieht. Die katholische, protestantische oder jüdische Konfession der Reeder und Kapitäne von Saint-Nazaire oder Bordeaux und der Bourgeois, die am Sklavenhandel reich wurden, war in Wirklichkeit vollkommen unerheblich.  

Der ­ in seiner politischen Reflexion wohl nur begrenzt ernst zu nehmende ­ Komiker macht es sich gleichzeitig einfach, indem er davon ausgeht, er könne doch per definitionem gar kein Rassist sein, da er zur Hälfte afrikanischer Herkunft und "métis" ist. (Auf Deutsch müsste man das mit "Mischling" übersetzen; doch der französische Begriff der "métissage" ­ Mischung ­ ist keineswegs von vornherein negativ belastet. So plakatieren antirassistische Organisationen derzeit offensiv ihre Forderungen nach einer "Republique métissée" an die Pariser Wände. Im Munde deutscher Politiker würde das eher wie ein Albtraum klingen, sprach doch Edmund Stoiber einst mit Ekel von der "durchrassten und durchmischten Gesellschaft". Gemeint ist mit der SOS Racisme-Parole allerdings ungefähr das, was man im Deutschen als multikulturelle Gesellschaft bezeichnen würde.)  

Als "métis", so erklärte Dieudonné kürzlich, könne er doch gar nicht rassistisch eingestellt sein, denn "die Grenze geht doch mitten durch mit hindurch". Nun gibt es allerdings keine von Geburt aus "besseren Menschen", so dass man bis zum Beweis des Gegenteils auch einen Dieudonné des Ressentiments ­ gegen bestimmte Menschengruppen ­ für fähig halten muss. (Strukturell ähnlich ist das Argument mancher arabischer Immigranten, die angeben, sie könnten doch unmöglich antisemitische Ideen haben, da sie "ja selbst Semiten" seien.)  

Dieudonné erklärte in seiner Rede am Freitag vor dem Olympia, er mache sich über alle kommunitaristischen Borniertheiten und deswegen auch über fanatische jüdische Siedler lustig. Doch er selbst bedient auch eifrig kommunitaristische Mechanismen ­ etwa, wenn er die Dinge so hinstellt, als sei er in seiner Eigenschaft als Nachfahre von Schwarzen zum Ziel der Kritik geworden. Das war jedoch nicht der auslösende Faktor. Eine andere Sache ist es, eine Ungleichbehandlung zu beklagen: Dass ein Maurice Papon, der unter anderem während des Zweiten Weltkriegs 1.700 Juden aus Bordeaux deportieren ließ und in späteren Jahrzehnten als Minister und Polizeipräsident von Paris amtiert, noch in seinem jetzigen Gefängnis als konservativer Ehrenmann behandelt wird, ist schockierend. Vorige Woche erschien ein ganzseitiges Interview mit ihm in der konservativ-liberalen Wochenzeitschrift "Le Point", an dem kaum jemand Anstoß nahm. Dass antisemitische oder als solche zu interpretierende Äußerungen derzeit in den bürgerlichen Medien weit mehr Aufmerksamkeit finden, wenn sie von arabischen Immigranten oder auch einem ""Mischling" wie Dieudonné ausgehen ­ und zugleich die in den gesellschaftlichen Eliten verbreiteten Rassismen weniger Aufmerksamkeit finden, das ist sicherlich zutreffend. Es ist richtig, das zu kritisieren, aber ohne dass dadurch alles andere entschuldigt würde.  

Dieudonné, Vorkämpfer der "Sache" der Schwarzen?  

Kommunitaristische Mechanismen bedient Dieudonné auch, wenn er seine "Sache" jetzt zur Angelegenheit der französischen Schwarzen ­ im Kampf gegen ihre Mundtotmachung und Unterdrückung ­ hochzustilisieren versucht. So sprachen auf der Olympia-Kundgebung mehrere aus Kamerun stammende Persönlichkeiten, wie die Schriftstellerin Calixthe Beyala oder der, als äußerst integre politische Persönlichkeit bekannte, Saxophonist Manu Dibango. Sie solidarisierten sich wohl nicht zuvörderst mit Dieudonnés umstrittenen Äußerungen, sondern mit dem, was er "ist" bzw. verkörpert (etwa den einzigen erfolgreichen Schwarzen im französischen Theater, den man mundtot machen wolle). Ein "Kollektiv von Söhnen und Töchtern afrikanischer Deportierter" (Cofad), das in seiner Namensgebung der Vereinigung von Söhnen und Töchter jüdischer Deportierter nachgebildet ist, erklärte am selben Ort: "Die Schwarzen sind nicht antisemitisch, und haben von niemandem Lektionen über den Rassismus zu erhalten." Und an Präsident Jacques Chirac gewandt, "der Sie alle mit Ihrem ganzen Gewicht gegen den Antisemitismus kämpfen", erging die Aufforderung, "den Rassismus gegen die Schwarzen zu bekämpfen".  

Wahrscheinlich ist zugleich, dass die Betreffenden Dieudonnés Äußerungen ­ die sie als, vielleicht ungeschickte, Kritik der israelischen Politik einstufen würden ­ nicht sonderlich problematisch finden dürften. Wie in den meisten Ländern der so genannten Dritten Welt, dürfte Israel bei ihnen kein sonderlich gutes Ansehen genießen. Nicht nur aufgrund seines engen Bündnisses mit den USA, sondern auch aufgrund der Präsenz israelischer Militärberater ­ vor allem bis zum Ende des Kalten Krieges 1989 ­ in zahlreichen pro-westlichen Diktaturen der Dritten Welt (so in der Vergangenheit auch in Kamerun). Und die enge geostrategische Kooperation Israels mit Südafrika vor dem Ende des Apartheid-Systems, wie sie etwa in den 70er und 80er Jahren auf militärischem und nuklearem Gebiet bestand, trug nicht dazu bei, Israels Isolation in der "Dritten Welt" und in Afrika aufzubrechen.  

Auch zahlreiche schwarze Antillenfranzosen haben sich dem Unterstützungskomitee für Dieudonné angeschlossen, das sich im Théâtre de la Main d`Or (das dem Komiker selbst gehört) niedergelassen hat. Dessen Vorsitzender ist Guy Guioublou, der von der Antilleninsel La Martinique stammt und nach eigenen Angaben "als erster Schwarzer in (der Pariser Trabantenstadt) Sarcelles ein Abgeordnetenmandat erhielt". Vizepräsident ist der vom benachbarten La Guadeloupe stammende Antillenfranzose Joss Rovélas, der sich seit langen Jahren für die Rechte der Schwarzen in Frankreich einsetzt. Er begründete sein Engagement im Unterstützerkomitee gegenüber "Libération" damit, dass die schwarzen Antillenfranzosen "ebenso wie die Maghrebiner an einem Integrationsdefizit leiden. (...) Dieudonné hat die Heuchelei der Mächtigen dieser Welt angeklagt, wie nur ein Hofnarr es tun kann. Dieudo hat die Politik von Ariel Sharon kritisiert und gesagt, auf welcher Seite (Anm.: im Nahostkonflikt) die Hubschrauber sind und auf welchem (Anm.: nur) Steine. Deswegen will man ihn zum Antisemiten erklären!"  

Ein Teil der maghrebinischen und afrikanischen Bevölkerung in Frankreich dürfte sich derzeit in Dieudonné wieder erkennen. Er drückt vermeintlich, als ihr Sprachrohr, die Wut gegen ihre ­ grundsätzlich sehr realen ­ Beleidigungen und Benachteiligungen aus. (Als Vertreter vieler maghrebinischstämmiger Franzosen nahm etwa der frühere französische Judo-Weltmeister Djamel Bouras an der Kundgebung vor L`Olympia teil.)  

Die große Befürchtung ist unterdessen, dass das immer mehr in einer Frontstellung gegen eine andere Community, nämlich die jüdische, geschehen könnte. Französische Araber aus dem Umfeld der radikalen Linken dagegen lancierten am Montag die Idee, sich in einem kritischen "Offenen Brief" an Dieudonné zu wenden, um ihn vor einer weiteren Konflikteskalation zwischen unterschiedlichen Minderheiten der französischen Gesellschaft zu warnen. Abzuwarten bleibt, wieviel zerschlagenes Porzellan die bisherigen Geschehnisse bereits hinterlassen haben.

 


Editorische Anmerkungen

Der Autor schickte uns seinen Artikel in der Fassung vom 2. 3. 2004 zur Veröffentlichung.

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