Dis-Kontinuität antisemitischer Diskurse
Ein Bericht über eine Pariser Tagung

von Regina Schleicher

03/03
 
 
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In Zusammenhang mit den aktuellen Diskussionen über einen Anstieg des Antisemitismus, oder gar dessen »Rehabilitierung« [1] in Deutschland, wie es sich mit Möllemann und Walser im Jahr 2002 zeigte, stellt sich einmal neu die Frage nach der Kontinuität des Antisemitismus. In der Tat scheinen die u.a. von Walser in seinem Roman »Tod eines Kritikers« verwendeten Bilder einer Art antisemitischen Wörterbuch zu entstammen, das spätestens im 19. Jahrhundert, frühestens in der Frühen Neuzeit verfasst wurde. Dass in einer sehr starken Gewichtung der Kontinuität auch eine Gefahr liegt, davor warnte beispielsweise Detlev Claussen in seiner mehrfach geäußerten Kritik an Léon Poliakovs undifferenzierten Antisemitismus-Begriff [2]. Der Historiker Poliakov hatte mit seiner mehrbändigen »Geschichte des Antisemitismus« [3] zum einen eine Art »Steinbruch« (Claussen) geschaffen, aus dem sich fortan alle bedienen konnten, die sich historisch mit Antisemitismus beschäftigen, zum anderen aber auch zu einer Verallgemeinerung des Begriffs beigetragen. Die Rede von einer Geschichte des Antisemitismus bzw. der Idee des Antisemitismus, wie Poliakov selbst das Ergebnis seiner Arbeit im Vorwort des V. Bandes der deutschen Ausgabe nannte (S. 7), ebnet ein, dass es zeitlich und regional bezüglich Ursachen, Funktionen und Auswirkungen sehr große Unterschiede zwischen antisemitischen Diskursen gibt. Es kann zwar von einer Kontinuität bezüglich antijüdischer Haltungen, antijüdischer Bilder und antijüdischer Maßnahmen seit der Antike bis heute insgesamt gesprochen werden. Zugleich ist es aber notwendig, auf verschiedenen Ebenen auf einer großen Zahl von Differenzierungen zu bestehen. Shulamit Volkov spricht daher von »Kontinuität und Diskontinuität« des Antisemitismus. [4] Einige Autorinnen und Autoren plädieren aus diesem Grunde für markante begriffliche Unterscheidungen beispielsweise zwischen Antijudaismus und Antisemitismus, zwischen kulturellem Antisemitismus und rassistischem Antisemitismus, zwischen primärem und sekundärem Antisemitismus. Letztlich kann nur am konkreten Beispiel verdeutlicht werden, worin die Kontinuitäten und worin die Diskontinuitäten bestehen. Mit dem Ziel, hier für den Zeitraum von 1848 bis 1939 ein genaueres Bild zu zeichnen, fand in Frankreich eine mehrtägige Konferenz statt.

Das Kolloquium zu dem Thema der Bilder und Repräsentationen von Juden im 19. und 20. Jahrhundert (Images et représentations des Juifs (1848 - 1939)) fand vom 21. bis zum 23. November 2002 an drei verschiedenen Orten statt: im Pariser Musée d’art et d’histoire du Judaïsme (Museum für Kunst und Geschichte des Judentums), an einem Sitz der Versailler Universität in der ville nouvelle St.-Quentin-en-Yvelines, ein Ort, an dem stadtplanerische Irrwege der siebziger Jahre manifest geworden sind, und, wieder in Paris, in der festungsartigen Nationalbibliothek »François Mitterand«. Mit dem Kolloquium wurde der Anspruch verfolgt, so dessen Hauptorganisatorin Marie-Anne Matard-Bonucci einleitend, die Kontinuitäten antijüdischer Politik, die in den Repräsentationen von Juden und Jüdinnen sichtbar werden, zu behandeln und zur Diskussion zu stellen. Zunächst einen Kontrast bildende Imagos vom »Betteljuden« oder vom »jüdischen Ausbeuter« ließen sich zusammenfassen als Versuche, Juden zum Fremden, radikal Anderen / ganz Anderen zu machen. Die antijüdischen Stereotype ließen sich dabei als Teile einer Matrix des modernen Antisemitismus verstehen, wobei sich stets die Frage nach den christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus stelle, den Matard mit dem politischen Antisemitismus gleichsetzte [5]. Matard plädierte für ein Verständnis des modernen Antisemitismus, in dem religiöse Elemente gleichermaßen festzustellen sind wie nationalistische und ökonomisch-soziale; antijüdische Stereotypen in die Konstruktion eines Nationalcharakters Eingang fänden. Antisemitismus als kultureller Code spiele nicht nur in politischen Texten eine Rolle, wie sie Pierre-André Taguieff in seiner Studie »L’antisémitisme de plume« (Paris 1999) untersucht habe, sondern auch in der politischen Karikatur, wie sie beispielsweise in Édouard Drumonts antisemitischer Zeitschrift La Libre parole (1892 - 1924; Supplément La libre parole illustrée 1893 - 1897) eingesetzt wurde.

Weitere Akzente des Kolloquiums lagen auf der Thematisierung jüdischer Selbstbilder und auch auf Typisierungen jüdischer Figuren in Literatur und Film, auf wissenschaftlichen Konstruktionen in anthropologischen und medizinischen Diskursen. Obgleich ein weiterer Blickwinkel angestrebt war, richtete sich der Fokus der meisten Vorträge auf Frankreich und dort auf den Zeitraum der Dritten Republik (1870 bis 1939), nicht zuletzt aufgrund der Fülle des zugänglichen Bildmaterials. Dafür dass diese Fokussierung immer wieder dazu führte, dass die über diesen Zeitraum hinaus bestehenden Kontinuitäten beispielsweise in Bezug auf die Verwendung antisemitischer Bilder nur am Rande behandelt wurden, zum Teil vollends aus dem Blick gerieten, bildeten die sehr kurz gehaltenen Diskussionen (oft nur 10 Minuten nach zwei Stunden mit sechs Vorträgen) ein sehr schwaches Korrektiv.

Doch gerade da auf dieser Tagung die besondere Rolle der Massenmedien vor allem im Zeitraum des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts – oft als Vor- oder Frühgeschichte der Kulturindustrie bezeichnet – konzeptionell Berücksichtigung fand, verstellte sich der Blick auch bei einer Zentrierung der Betrachtung auf Frankreich nicht für den Vergleich mit anderen europäischen Ländern, vor allem Italien und Deutschland. So waren es nicht nur Titel wie Drumonts »La France juive« (Erstauflage 1886), in deutscher Übersetzung im selben Jahr noch verstärkt als »Das verjudete Frankreich« erschienen, die Neuauflage für Neuauflage zu einer länderübergreifenden Rezeption antisemitischer Diskurse geführt hatten, sondern auch und meines Erachtens vorrangig die Vielzahl von Bildmedien, satirische Bildpresse, Plakate, Postkarten. Dies implizierte zum einen, dass vor allem zwischen französischen und deutschen Satirezeitschriften ein reger Austausch von Karikaturen stattfand, die mit einer Übersetzung der Bildlegende in vielen Fällen in einer eigenen Rubrik für Karikaturen aus dem Ausland veröffentlicht wurden. Zum anderen kann auch die Entstehung eines europaweiten Bildvokabulars des Antisemitismus, auf das Karikaturisten in der Folge immer wieder zurückgreifen konnten, nur in diesem Zusammenhang verstanden werden, eine Tatsache, auf die Matard-Bonuccis Abschlussvortrag mit dem Beispiel des »Juif-monde« [siehe S. 18], verwies. Matard bezeichnete hierbei die Karikatur als Vektor der Internationalisierung des Antisemitismus, eine These, die sich auch im Hinblick auf antisemitische Karikaturen, die sich auf den Nahost-Konflikt beziehen, als fruchtbar erweisen könnte. Matard konnte anhand einer Reihe von Bildern die Karriere dieses Bildmotivs, das sie treffend als die ikonographische Umsetzung des Themas der jüdischen Weltverschwörung charakterisiert, bis zur Vichy-Propaganda aufzeigen, sprach sich jedoch für eine Differenzierung aus, welche die unterschiedlichen Effekte dieser Karikaturen und die Art des verwendeten Mediums berücksichtigt. Ihre Vorrednerinnen Ursula Koch (München), Karine Michel (Aix-en-Provence) und Valeria Galimi (Pisa) hatten eine Fülle von Material aus Deutschland, Frankreich und Italien präsentiert, das für sich die These der Kontinuität zu stärken schien. Während die Münchner Professorin Koch auf eine Darstellung der Bandbreite der Bildmedien in Deutschland abzielte, dabei jedoch nur eine sehr grobe, in diesem Zusammenhang nicht ausreichende Klassifizierung nach dem Links-rechts-Schema vornahm, traktierte die Kulturanthropologin Karine Michel das Publikum mit einer Vielzahl von Karikaturen aus dem Stürmer, die sie mit Allgemeinplätzen kommentierte. Ein solches Ungleichgewicht zwischen präsentiertem Material und Interpretation kann sich fatal auswirken. Erst Galimis Vortrag führte mit der von ihr gewählten vergleichenden Perspektive bezüglich französischer, italienischer und deutscher Karikaturen wieder analytische Kategorien ein. Anhand von Beispielen aus Zeitschriften zeigte Galimi auf, dass tatsächlich die selben Bilder und Symbole durch unterschiedliche Kontextualisierungen verschiedene Bedeutungen annehmen, die sie von einer Polysemie der Bilder sprechen lassen.

Der Zeitschriftenherausgeber und mit einem Selbstverständnis als Kulturhistoriker Karikaturensammler Eduard Fuchs, vielen über Walter Benjamins Aufsatz »Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker« bekannt [6], hatte in seiner als illustriertes Buch herausgegebenen Sammlung »Die Juden in der Karikatur« [7] schon 1921 die Grundlage dafür geschaffen, dass man auch ohne Monate in Bibliotheken und Archiven zu verbringen, sich einen Überblick verschaffen kann, in welchem Maße von einer antijüdischen Bildsprache in Europa gesprochen werden kann, aber auch, dass eben im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine erhebliche Vereinheitlichung und möglicherweise auch Reduzierung der verwendeten Vokabeln stattfand. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass Fuchs Werk selbst einem Text enthält, in dem antisemitische Muster verwendet werden. Dem deutschen Verlag, der 1985 einen Reprint von Fuchs Band herausgegeben hatte, ist vorzuwerfen, dass er darauf verzichtete, es mit einem kritischen Vorwort zu versehen, ein fataler Fehler, den dann auch viele, die sich aus der Sammlung bedienen und sich darauf beziehen, wiederholen. Auf diese Weise wird immer wieder auf eine Situierung dieser wichtigen Quelle verzichtet – leider auch auf der Pariser Tagung.

Das wäre nur eine Randbemerkung, wenn dieses Phänomen nicht symptomatisch, auf dieser und auf anderen Tagungen, in Diskussionsbeiträgen in Zeitungsfeuilletons, in wissenschaftlichen Texten immer wieder festzustellen wäre: die Verwendung von Stereotypen wird beschrieben, jedoch nicht kontextualisiert, nicht in einen diskursiven Zusammenhang gebracht. So kommen auch viele ReferentInnen in Paris nicht wirklich zu einer Aussage über die tatsächliche Verbreitung und Wirkungsmacht antisemitischer Diskurse, sondern bleiben bei einer sehr ausschnittartigen Zusammenstellung stehen.

Die bloße Aufzählung von Beispielen kann ein Bild erschreckender Übermacht antisemitischer Diskurse in der Geschichte zeichnen, aus der sich vorschnell Zwangsläufigkeiten ableiten lassen. Übersehen wird dabei schnell, dass es zumindest für den Zeitraum bis 1918 Bilddiskurse gab, die eine sehr differenzierte Gegenstrategie dokumentieren, dass die »Macht der Bilder« (Titel eines Ausstellungskatalogs zum Thema Antisemitismus) auch von denjenigen eingesetzt werden kann und wurde, die sich gegen Antisemitismus stell(t)en. Hierfür stellt die Dreyfus-Affäre um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Frankreich das Beispiel par excellence dar. Die Auseinandersetzung mit den Diskursen um Antisemitismus und seine Bekämpfung in dieser Zeit ist gerade aus heutiger Sicht sehr interessant und aufschlussreich. Wird in der Forschung vor allem in Bezug auf Deutschland nach 1945 von latentem Antisemitismus gesprochen und so dem Zeitraum davor gegenüber gestellt, so gibt es in Frankreich, auch im Vergleich zu Deutschland, widersprüchliche Diskurse über Jüdinnen und Juden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten hegemonial werden. Die starke Präsenz von Diskursen der Verteidigung gegen Antisemitismus führt so zeitweise auch zu Phänomen, die einen verdeckten Antisemitismus dokumentieren. In diesem Zusammenhang sollte auch gesehen werden, dass, wie sich auch am Beispiel Fuchs illustrieren ließe selbst in die Diskurse der Verteidigung immer wieder antijüdische Muster Eingang finden – eine Tatsache, die in Paris nur gelegentlich aufschien, sicher hätte ausführlicher behandelt werden können.

Bertrand Tillier konnte am Beispiel des Malers Alphonse Lévy (1843-1918) aufzeigen, wie dessen mit dem Anliegen einer positiven Darstellung gezeichneten Bilder von Elsässer Juden, tatsächlich auch von Antisemiten als Illustrationen ihrer Theorien aufgefasst wurden. Die folklorisierende Sprache von Lévys Bildern hebt sie aus dem politischen Zusammenhang, in dem sie der Maler haben wollte, öffnet sie negativen Deutungen. Zwischen dem Entwurf jüdischer Selbstbilder und ihrer Verbreitung scheint, so Tillier, ein gesellschaftlicher Transformationsprozess zu liegen, der zu erheblichen Bedeutungsverschiebungen führen kann. [8]

Aufgrund der zeitlichen Begrenzung bis 1939 konnte auf der Pariser Tagung leider nicht über aktuelle Beispiele diskutiert werden. Ohne den VeranstalterInnen zu unterstellen, sie hätten dies intendiert, wies das Kolloquium die »Bilder und Repräsentationen von Juden« in die Geschichte zurück. Die auch für den behandelten Zeitraum eher schwach beleuchtete Kontinuität antijüdischer Diskurse, wird hiervon noch überschattet. Der Verzicht auf die Reflexion der Perspektive, die sich aus der Erfahrung mit heutigen Bildern ergibt und die auch ohne erwähnt zu werden ihre Präsenz, Einfluss auf die Rezeption der historischen Beispiele nimmt, ist zu bedauern. So ist es kaum möglich, diese Veranstaltung als gesellschaftspolitische Intervention aufzufassen. Gerade in Frankreich wäre ein politischer Beitrag namhafter HistorikerInnen sehr interessant geworden, da hier der Zusammenhang von Antisemitismus und Israelkritik kontrovers diskutiert wird.

Wie schon auf der insgesamt gelungenen politischen Veranstaltung der Frankfurter Institute im Juni letzten Jahres am Beitrag Axel Honneths deutlich wurde, scheuen sich manche Akademikerinnen und Akademiker vor einer allzu dezidierten Stellungnahme. Mit dem Versuch, möglichst genau zu differenzieren, Gleichsetzungen zu vermeiden, sprach Honneth gegen die eigentlich laut Ankündigung der Veranstaltung zugrundeliegende These von einer »Rehabilitierung des Antisemitismus«. Nach harschen Angriffen aus dem Publikum in die Defensive geraten wand sich Honneth etwas. Er redete sich mehr und mehr in einen akademischen Rückzug hinein, betonte, dass er nicht als Person, sondern als Vertreter einer Institution, des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, spreche.

Gerade die – auch diskontinuierliche – französische Tradition politischer Interventionen durch SchriftstellerInnen, JournalistInnen, AkademikerInnen seit Zolas »J’accuse« , dessen Erscheinen zweifelsohne als Gründungsmoment der Geschichte kritischer Intellektueller angesehen werden kann, zeigt, dass sich Kräfteverhältnisse tatsächlich verändern können. Hierzu können AkademikerInnen beitragen, nicht nur indem sie ihr Wissen, sondern auch indem sie ihren gesellschaftlichen Status strategisch einsetzen, um sich und anderen Gehör zu verschaffen. Hier gilt es offensiv zu sein und die Genauigkeit der Darstellung in ein Gleichgewicht zu der Eindeutigkeit politischer Aussagen zu bringen. Die Selbstreflexion, auf die Forschung nicht verzichten darf, steigt nicht aus dem Staub der Studierstube auf, eher noch aus öffentlichen Veranstaltungen, denen es gelingt, aus dem inhaltlichen Austausch zu gesellschaftspolitischen Interventionen zu kommen.

Anmerkungen


#1 Ein Zusammenschluss mehrerer Frankfurter Institute und Organisationen (darunter u. a. das Fritz-Bauer-Institut, das Sigmund-Freud-Institut, das Institut für Sozialforschung, medico international) hatte im Juni 2002 zu einer Veranstaltung mit dem Titel »Zur aktuellen Rehabilitierung des Antisemitismus durch Walser, Möllemann u. a.« eingeladen.

#2 Claussen äußerte seine Kritik unter anderem in den Grenzen der Aufklärung. Zur gesellschaftlichen Geschichte des modernen Antisemitismus (Frankfurt 1987), S. 31, 56 und in seinem Vorwort der deutschen Ausgabe von Poliakovs Vom Antizionismus zum Antisemitismus (1992; frz. Originalausgabe von 1969).

#3 Léon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. 8 Bände (Worms und Frankfurt / M. 1977 bis 1988).

#4 Von Kontinuität und Diskontinuität des Antisemitismus spricht Volkov beispielsweise in Bezug auf den deutschen Antisemitismus in Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert (München 1990), S. 54 ff.

#5 Zu den Begriffen: In der Antisemitismusforschung werden die Begriffe moderner Antisemitismus und politischer Antisemitismus nicht einheitlich verwendet. Verstehen ein Teil der AutorInnen den modernen Antisemitismus als die Form des Antisemitismus, die den religiös motivierten Antijudaismus insofern ablöst, als dass sie einem Wechsel der Herrschaftsform Rechnung trägt, so vertreten andere, dass schon mindestens seit der frühen Neuzeit Darstellungen bekannt sind, in die zumindest ökonomische Motive eingingen, zugleich aber noch in einem anderen Kontext stünden. Es ist sicher eine Definition des modernen Antisemitismus zu privilegieren, die mehrere Faktoren berücksichtigt, auch einbezieht, inwiefern nationalistische und rassistische Muster in die antisemitischen Diskurse eingehen.

Es empfiehlt sich meines Erachtens zugleich, den Begriff des politischen Antisemitismus stärker einzugrenzen. Bleibt die politische Wirksamkeit und Einsetzbarkeit jeder Form des Antisemitismus unbestritten, so ist es doch in Bezug auf den Zeitraum ab 1848 sinnvoll, ihn ausschließlich in Bezug auf Organisationen zu verwenden, die bewusst bzw. vordergründig antisemitisch agieren. Durch eine engere Definition des Begriffs kann deutlicher zwischen diesen Gruppierungen und anderen, die zum Teil auch antisemitische Muster verwenden, sich zugleich aber politisch gegen den ansteigenden Antisemitismus stellten, unterschieden werden.

#6 Der Aufsatz Benjamins ist u.a. erschienen in Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie (Frankfurt / M 1963), S. 65 ff.

#7 Eduard Fuchs: Die Juden in der Karikatur (München 1921, Reprint Berlin 1985).

#8 Beispiele befinden sich in Fuchs, Die Juden in der Karikatur (1921 / 1985), S. 158, 262 und 263. Leopold von Sacher Masochs Geschichtensammlung Jüdisches Leben (1892 / 1986) enthält Illustrationen von Lévy.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde von http://www.copyriot.com/diskus/02_02/03.html gespiegelt und kann dort diskutiert werden.