Die Welterdölreserven

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03/03
 
 
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„Letzten Endes entscheiden die Interessen des Westens, hauptsächlich das Interesse der Vereinigten Staaten, darüber, wo interveniert wird. Alles dreht sich um die Ökonomie. Wo gibt es Öl, wo sind die zukünftigen Ölquellen?“ (1)
(General a. D. Gerd Schmückle, ehemals stellvertretender NATO-Oberbefehlshaber, 1999)


Der Einsatz kriegerischer Mittel zu Sicherung von Energierohstoffen.
In der jüngeren Geschichte der Menschheit ist dies kein neues Phänomen, so ist der gesamte Verlauf des Kolonialzeitalters hiervon durchzogen, nicht zuletzt der 1. Weltkrieg als erbitterter Kampf des Deutschen Reiches, mehr Einfluß in den Kolonien zu gewinnen, um an den Rohstoffquellen sitzen zu können, zeugt von diesen immer wiederkehrenden Mustern, sich diesen Zugang mit Gewalt zu sichern.

In folgendem geht es besonders um jene Rohstoffe, ohne die unser industriell geprägtes Leben unvorstellbar wäre, Treibstoff der gesamten Ökonomie, auch bezeichnet als Lebenssaft des Kapitalismus: die Energierohstoffe im allgemeinen, das Erdöl im besonderen.
Heute werden 90% des weltweiten Energiebedarfs mit sogenannten fossilen Energieträgern abgedeckt, 40% mit Erdöl, 26% mit Kohle, 22% mit Erdgas, 7% mit Kernenergie, u.s.w...
Daran wird sich auch in mittlerer Zukunft nicht allzu viel ändern, in 20 Jahren werden erneuerbare Energien sowie Wasserkraft, wie heute, nur 5% des gesamten Primärenergieverbrauchs in der Welt ausmachen. Der Anteil des Öls wird laut diverser Prognosen nach wie vor bei 40% liegen und der von Erdgas steigt sogar auf 26% (dafür Rückgang von Kohle und Kernenergie). (2) Man darf natürlich auch nicht die nichtenergetischen Einsatzmöglichkeiten von Erdöl für die Industrie außer Acht lassen, besonders in der Kunststoffproduktion (Reifengummi, diverse Plaststoffe, Straßenteer, Dünger, u.s.w...).

Wenn man sich die Prognosen ansieht und dabei feststellt, welche Bedeutung Erdöl auch in
mittelfristiger Zukunft haben wird, entsteht vielleicht der Eindruck, daß auch sämtliche Generationen nach uns vom unbeschränkten Reichtum dieser Energieressourcen zähren werden. Das dem nicht so ist, wird in folgendem erläutert.


Die Endlichkeit der Rohstoffe

Wir befinden uns an einem Wendepunkt der industriellen Entwicklung. Bis zum Beginn der 70er Jahre galt Erdöl als unbegrenzt vorhanden, riesige Felder mit diesem Rohstoff fast überall auf der Welt und ständig neue Funde charakterisierten ein Zeitalter, in dem der Gedanke an Knappheit oder an Begrenztheit nicht existent war. 1972, ein Jahr vor der ersten Ölkrise kostete ein Faß Rohöl durchschnittlich noch 1,90 $ , zum Vergleich: 28 Jahre später liegt der Preis durchschnittlich mit 28,50 $ beim 15-fachen des damaligen Wertes. (3)

„The great merger mania is nothing more than scaling down of a dying industry in recognition of the fact that 90% of the global conventional oil has already been found” (Die große Fusionsmanie ist nichts weiter als das Verkleinern einer im Niedergang befindlichen Industrie in Anerkennung der Tatsache, daß 90% des weltweiten konventionellen Öls bereits gefunden wurde) (4)
(Goldman Sachs & Co, US-amerikanische Investmentbank, 1999)

Die meisten der größten Felder wurden vor mehr als 30 Jahren entdeckt, alle großen Fördergebiete (außer die Nordsee und Alaska) bereits vor mehr als 50 Jahren. Man kennt heute zwar 42000 Felder, doch bereits 1% dieser beinhalteten ca. 75% des gesamten bisher gefundenen Öls (gefundenen, nicht geförderten!), diese Megafelder sind in jedem Gebiet immer jene, die zuerst gefunden werden und die Größe der nachfolgenden nimmt dann nur noch ab. Das weltweite Maximum der Neufunde war in den 60er Jahren erreicht, seit diesem Zeitraum findet man tendenziell immer weniger Öl.

Auch verstärkte Explorationsbemühungen seit der zweiten Ölkrise zu Beginn der 80er Jahre
konnten diesem Trend genausowenig entgegensetzen wie der Einsatz immer hochwertigerer
Technologien beim Suchen neuer Lagerstätten. Letzteres führte zwar dazu, die Qualitäten neu gefundener Gebiete genauer zu analysieren und damit deren Potenzial immer besser ermitteln zu können, doch, wo nur noch wenig Öl ist, kann die Technik auch keine neuen Riesenfunde
herbeizaubern. Um die zukünftige Entwicklung der Neufunde zu bestimmen, nimmt man sich die Explorationserfolge der Vergangenheit und extrapoliert diese Entwicklung auf die Zukunft, d. h. man prognostiziert, indem man den bis heute beobachteten Trend fortführt. Dazu stellte die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages im Oktober 2000 in ihrer Studie „Weltweite Entwicklung der Energienachfrage und der Ressourcenverfügbarkeit“ fest:

„Durch Extrapolation der Explorationserfolge der Vergangenheit kann man recht genau auf das Öl schließen, das man vermutlich noch finden wird. Etwa 90% des insgesamt förderbaren Öls sind vermutlich bereits gefunden.“
(Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“)

Verbraucht ist bereits die Hälfte der Weltölreserven. Wenn man die Mengen, die vermutlich noch gefunden werden, mit in die Rechnung einbezieht, bleiben der Welt noch ca. 980 Milliarden Fässer. (5) Bei einem jährlichen globalen Verbrauch von 26 Milliarden Fässern kann man sich mittels einfacher Division die Reichweiter aller (gefundener + noch nicht gefundener) Reserven ausrechnen, es wären fast 39 Jahre.
Die Internationale Energieagentur geht allerdings davon aus, daß sich der Primärenergiebedarf bis zum Jahr 2020 gegenüber 1997 um 57% erhöhen wird und da, wie bereits erwähnt, der Anteil von Erdöl an diesem Bedarf konstant bleibt, wird die weltweite Erdölnachfrage in der Zukunft ebenfalls steigen. Grund dafür ist neben der wachsenden Weltbevölkerung die wirtschaftliche Entwicklung vieler Regionen, besonders die asiatischer Staaten wie China und Indien. So stieg der Ölverbrauch im gesamten Süd- und Südostasien von 1991 bis 2001 um 46%, wobei diese Region 25,3% des weltweiten Erdölverbrauchs ausmacht (zum Vergleich: USA 25,5%, Europa 21,7%; Angaben von 2001). Allein der Verbrauch Chinas, welches laut Studien der OECD im Jahre 2015 die USA an Wirtschaftskraft überholen wird (gemessen am Bruttoinlandsprodukt), stieg in diesem 10-Jahresverlauf um 107%. Mit einer weiteren Verdoppelung wird bis 2012 gerechnet.

Das Phänomen der Produktionsmaxima

Das Produktionsmaximum eines Ölfeldes ist derjenige Zeitpunkt, ab dem die Ölproduktion aus technischen, geologischen und v. a. D. aus ökonomischen Gründen nicht mehr erhöht werden kann, sondern tendenziell nur noch abnimmt.
Entscheidend für den Welterdölmarkt ist nicht die statistische Reichweite der Ölreserven, sondern der Zeitpunkt, an dem dieses Maximum eintritt.
Dazu muß man wissen, daß Ölfelder unter einem enormen Druck stehen, daher gibt es auch jene bekannten Bilder, daß der begehrte Rohstoff bei Bohrungen in Form eines Strahls mit großer Kraft aus der Erde austritt. Dieser Druck sorgt für eine leichte und kostengünstige Produktion. Je mehr allerdings aus einem Feld abgeschöpft wird, desto stärker wirkt sich die Zähflüssigkeit des Öls auf dessen Förderverhalten aus, desto stärker wird zudem der Druck gemindert. Man beginnt also, die Viskosität künstlich herabzusetzen (Erhitzen, chemische Beeinflussung) und den Druck des Feldes zu erhöhen (Injektion von Erdgas, Wasser, Kohlendioxid, u.s.w...). Dies kann den Anstieg der Produktionsrate jedoch aus genannten Gründen nur begrenzt weiterlaufen bzw. das Niveau im Maximum konstant halten lassen, es kommt unweigerlich zu einem Rückgang, der in aller Regel beginnt, wenn das Feld zur Hälfte ausgepumpt ist.
Wissenschaftler haben aufgrund gemessener Werte eine glockenkurvenförmigen Verlauf der Förderung feststellen können, d. h. nach dem Maximum ist ein sehr steiler Rückgang beobachtet worden, es rentiert sich irgendwann einfach nicht mehr, dieses Maximum künstlich aufrechtzuerhalten und somit schnellt der Verlauf in die Tiefe.

Leicht unterschiedlich aber ähnlich verhält es sich nur bei Bohrplattformen auf hoher See (offshore), bei denen es aufgrund hoher Betriebskosten rentabler ist, das Fördermaximum
länger künstlich zu halten, obwohl die Förderkosten dafür immer stärker anwachsen. Doch auch hier kommt man an den Punkt, an dem die Kosten den Nutzen übersteigen, woraufhin der Verlauf nun in noch steilerem Maße absinkt.
Dieser für einzelne Felder festgestellte Verlauf läßt sich ohne weiteres auch auf gesamte Produktionsverläufe einzelner Länder bzw. Regionen oder sogar auf den weltweiten Verlauf übertragen, hierfür einige Beispiele.
Das Fördermaximum der USA lag bei 1971, das Rußlands bei 1988 und das des Vereinigten Königreiches sowie Norwegens bei 1999. Ähnlich wie letztere haben auch Mexiko und Venezuela (Mitglied der OPEC) kurz vor der Jahrtausendwende ihre Maxima erreicht, aus diesen beiden Staaten kommen ca. 38% der US-Erdöl-importe. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages stellt fest, daß die Nicht-OPEC-Staaten ihr Maximum bereits überschritten haben (vor ca. 2 Jahren) und daß das weltweite Produktionsmaximum, welches nur durch die reichhaltigen OPEC-Reserven noch nicht eingetreten ist, zwischen 2005 und 2010 kommen wird. Dazu der britische Geologe und Ölexperte John Campbell, der jahrelang für die Ölindustrie tätig war:

„Der Welt geht nicht das Öl aus. Was uns bevorsteht, ist das Ende des billigen Öls.“

Hierfür spricht auch die Ölpreisentwicklung in den letzten Jahren. Lag der durchschnittliche Preis von 1992 bis 1999 betrachtet bei 17,60 $, so kostete das Faß in den Jahren 2000 und 2001 durchschnittlich bereits 26,47 $.


Nicht-konventionelle Energieressourcen

Manchmal wird auf die Problematik zur Neige gehender Öl- und Gasvorkommen mit dem Argument der nicht-konventionellen Energierohstoffe entgegnet. Beispielsweise stecke in
Methanhydrat ein riesiges Potenzial. Mittlerweile ist es um derartige Themen ruhiger geworden, gemäß Auswertungen des Geologen Lahere ist bis heute – nach mehr als 2000
Testbohrungen – noch kein einziges größeres Methanhydratvorkommen gefunden worden, man kann also davon ausgehen, daß dieses Gas in ferner Zukunft als bedeutende Energiereserve nicht zur Verfügung steht. (6) Im Allgemeinen ist die Förderung nicht-konventioneller Energieressourcen mit relativ hohem energetischen Aufwand und damit mit hohen Kosten verbunden. Zudem ist die Produktion auch nicht sehr flexibel denn sie kann nicht so einfach und v. a. D. nicht so schnell ausgeweitet werden.

Die Rolle der OPEC

Infolge des Versiegens eigener Quellen sind die OECD-Staaten in wachsendem Maße auf den Import von Erdöl und Erdgas angewiesen. Beim Erdöl stehen 63% des Weltölverbrauchs 8% der weltweiten Reserven gegenüber. Beim Erdgas verhält es sich so, daß die OECD-Staaten zwar 55% des weltweiten Verbrauchs ausmachen, allerdings allein die OPEC und Rußland über 79% aller globalen Vorkommen verfügen. Die eigenen Ölreserven der USA reichen bei konstanter Förderung nur noch 10 Jahre, die Gasreserven nur noch 8, gerechnet wird allerdings mit steigendem Bedarf. Zwangsläufig wächst deshalb die Importabhängigkeit von
„feindlichem Öl“, wie es der Öl-Experte Daniel Yergin, Mitglied des „National Petroleum Council“ formuliert, verschiedene Energieexperten sprechen bereits von baldigen Versorgungsengpässen in den Vereinigten Staaten.
Hatte man infolge der Erdöl-Preiserhöhungen durch das OPEC-Kartell 1973 sowie 1980 mit der Erschließung neuer Quellen in Nordsee, Alaska, und Kanada sowie mit der intensiveren Auspumpung der mexikanischen Felder reagiert und die Vormacht der Organisation damit brechen können, so wird dies heute nicht mehr möglich sein. Die Internationale Energieagentur, eigentlich Interessenvertreter der westlichen Industrienationen, muß feststellen, daß der Anteil der OPEC-Staaten an der Welt-Gesamtförderung des Erdöls, der 1997 bei 28% sowie im Jahr 2000 bereits bei 40% lag, in mittlerer Zukunft mit 52% 2010 und mit 63% 2020 einen steilen Zuwachs erlebt. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages sieht die Welt kurz vor oder bereits in der dritten großen Ölkrise:

„Die dritte Krise ist dann zu erwarten, wenn die Welt außerhalb der OPEC ihr Produktionsmaximum erreicht. Diesen Zeitpunkt haben wir heute erreicht. Die OPEC mit nur 40% Produktionsanteil kann in einer Situation weiter wachsender Nachfrage dem Rest der Welt die Preise diktieren. Dies fällt auch mit dem Produktionsmaximum der Nordsee zusammen.“

Wir denken, es ist nicht sehr schwer nachzuvollziehen, daß die westlichen Industrienationen alles andere als froh über diese Realität sind und für sie dementsprechend dringender
Handlungsbedarf besteht.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel ist eine Spiegelung von http://www.kein-blut-fuer-oel.net/