Die neuen Freunde Israels
Früher war die Linke einseitig gegen Israel. Dann korrigierte sie ihre Haltung. Was dabei herauskam, ist noch schlimmer

von Lina Ganowski

03/02
 
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Eine linke Zeitschrift ist kein gutes Geschäft. Es mangelt an Kundschaft. Jedes Blatt hätte gern mehr Leser, und Inserenten werden wohl kaum wegen Überbelegung der Seiten abgewiesen. Konkret fand allerdings: diese Anzeige ist zu viel! In der August-Ausgabe wollte der Neue Impulse Verlag für seine Zeitschrift Marxistische Blätter werben. Konkret lehnte ab. Die Anzeige erschien nicht.

Mit dieser Werbung hatte es aber auch sein Bewenden. Annonciert werden sollte das Sonderheft der Marxistischen Blätter mit dem Titel "Israel, die Palästinenser und wir", als "die marxistische Antwort auf Konkret".1

"Aufgrund des Inhalts" wurde der Abdruck der Anzeige abgelehnt, eine "schriftliche Begründung der Redaktion" wurde angekündigt.2 Inhalt der Anzeige war das oben Zitierte, und daß es sich um "21 Beiträge aus Israel, Palästina, Deutschland, USA" handelt, daß das Heft 128 Seiten Umfang hat und 13,50 DM kostet. 14 Autoren wurden namentlich genannt, ebenso die Anschrift, Faxnummer und E-mail-Adresse des Neue Impulse Verlags. Und dann steht da noch: "Selber lesen macht schlau."3 Keine leichte Aufgabe für die Konkret-Redaktion, eine schriftliche Begründung der Ablehnung aufgrund dieses Inhalts zu Papier zu bringen. Letztlich sogar unmöglich: die "schriftliche Begründung" folgte nicht. Stattdessen äußerte sich Konkret-Chefredakteur Wolfgang Schneider am Telefon: Der "Antisemitismus der Marxistischen Blätter" sei "nicht dialogfähig", für Zeitschriften, in denen "Figuren" wie Hans Lebrecht publizierten, mache Konkret keine Werbung.4 Jedenfalls nicht im August. Denn in der Oktober-Ausgabe erschien die Anzeige dann doch.

Das alles wäre nicht der Rede wert, wäre als alltägliche Annörgelei unter Linken abzutun, als Blackout eines gestreßten Redakteurs. Aber hier ist ein Thema berührt, das bei einigen Leuten auf der linken Seite die Emotionen hochkochen läßt. Der Ton wird ruppig, die Messer werden gewetzt, da schäumt es aus den Mundwinkeln. Israel und Palästina - Vorsicht! Hochspannung!

Der Konflikt um Israel und Palästina ist ein sensibles Thema. Die Linke in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten zu diesem Konflikt Statements zum besten gegeben, die der Sensibilität dieses Themas zumeist nicht gerecht wurden. Die Linke in Deutschland hat sich in diesem Konflikt zumeist sehr einseitig verhalten, sich mal auf diese, mal auf jene Seite geschlagen. In der Hoch-Zeit der Linken, in den 60er und 70er Jahren, war die Haltung überwiegend die: Israel ist ein imperialistischer Vorposten (der USA), der Zionismus (gewissermaßen die Staatsdoktrin Israels) ist eine rassistische Ideologie, Israel unterdrückt die Palästinenser, die Zionisten haben auf geraubtem Land ihren Staat errichtet, dieser Staat ist folglich illegitim, der Widerstand der Palästinenser ist Teil des antiimperialistischen Befreiungskampfes der Völker in der Dritten Welt, die PLO ist eine nationale Befreiungsbewegung und mehr als das: sie ist sozialrevolutionär und steht in einer Front mit dem Vietcong, der Frelimo etc.pp.

Diese Einschätzung wurde nicht von allen geteilt, die sich der linken Seite zurechneten. Hier und da gab es auch pro-israelische Stellungnahmen. Das hat sich geändert. Es sind nicht mehr die einsamen Rufer in der Wüste, die an der anti-israelischen Haltung der Linken Zweifel anmelden. In der Linken hat sich eine Israel-Lobby aufgebaut. Konkret, die einflußreichste linke Zeitschrift, ist ihr Sprachrohr. Sekundiert, ja übertroffen wird diese Apologie von einem weniger einflußreichen (und viel weniger attraktiven), aber dafür umso eifrigeren Blatt namens Bahamas.

Die Haltung der Linken zu Israel und zum Palästinakonflikt hat sich geändert. Doch Besseres fällt ihr heute dazu nicht ein. Was den Linken in den 70er Jahren zu Israel/Palästina so glatt über die Lippen ging, bedurfte einer gründlichen Reflexion. Die Wahrheiten waren gar zu kurz geraten. Doch was man heute liest und hört, läßt einem noch mehr die Haare zu Berge stehen. Die neuen Wahrheiten sind noch kürzer geraten. Da ist niemandem ein Licht aufgegangen, da hat niemand alte Irrtümer erkannt und korrigiert. Statt der gebotenen Reflexion ist bloßer Reflex wahrzunehmen: reflexhafte Apodiktik, die nur zwei Kategorien kennt: kritikresistente Israelfans und Antisemiten. Daß die Linken allesamt Antisemiten sind, erzählt einem inzwischen jeder Linke. Man kommt sich vor wie auf einer Kirmes, wo ausnahmslos jeder Schausteller beteuert, daß all die anderen Schausteller ausnahmslos Halsabschneider sind.

Die Freunde der Palästinenser hierzulande waren Leute, die von der Weltrevolution gar zu romantische Vorstellungen hatten. Die neuen Freunde Israels sind schlimmer: verhärtete, verhärmte, zu Zynikern degenerierte Alt-Linke, misanthropische Eiferer, die - egal wofür oder wogegen sie sich verwenden - nie recht haben können. Wer seine Botschaft mit dem Flammenschwert in der Hand verkündet, ist immer im Unrecht, egal wofür oder wogegen er Partei nimmt. Für ihre neuen Freunde möchte man die Israelis bedauern.

Der früheren anti-israelischen und der neuen pro-israelischen Haltung ist gemeinsam, daß das ganze Unrecht der einen, das ganze Recht der dann jeweils anderen Seite zugesprochen wird. Die Tragik des Konflikts wird verkannt. Mit Tragik meine ich, daß der Konflikt unauflöslich zu sein scheint. Hier setzt sich das Recht nicht durch, indem sich die eine gegen die andere Seite durchsetzt. Die Tragik besteht darin, daß beide Seiten im Recht sind. Der Physiker Galilei meinte, daß zwei Wahrheiten, die sich widersprechen, nicht gleichzeitig wahr sein können. Doch, sie können!

Wer sich, wie oben skizziert, gegen Israel wandte (und auch ich habe früher diese Haltung uneingeschränkt vertreten5), hatte damit gar nicht unrecht. Er hatte die Wahrheit auf seiner Seite, aber nicht die ganze, sondern die halbe. In der israel-kritischen (oder sagen wir ruhig: israel-feindlichen) Haltung blieben einige wesentliche Aspekte ausgeblendet.

Der Zionismus als politische Bewegung entstand in der Zeit um 1900. Die Juden in Europa waren alarmiert durch eine Welle antisemitischer Pogrome in Rußland. In Deutschland hatte sich seit etwa 1880 die deutsch-völkische Bewegung erhoben. Dieser Vorläufer des deutschen Faschismus zog einen neuartigen, besonders heimtückischen Antisemitismus nach sich, der nicht mehr religiös, sondern völkisch-rassistisch motiviert war und dem mit Assimilation und Konversion nicht zu entgehen war. Jude zu sein war damit auch nicht mehr eine Frage der Konfession, sondern der Geburt. Wer, als Jude geboren, aus welchen Gründen auch immer dem jüdischen Glauben fernstand, galt den Rassisten gleichermaßen als Jude. (Ich habe diese Erfahrung gemacht. Solange ich denken kann, habe ich keinen Moment lang aus dem Bewußtsein verloren, daß ich Jüdin bin, auch wenn ich als Atheistin keiner Gemeinde angehöre und, ebenso wie meine Eltern, niemals eine Synagoge von innen gesehen habe. Jüdin zu sein ist für mich so unaufhebbar wie Frau zu sein - auch wenn mich das von anderen Menschen nicht trennt, aber von allen, die dies nicht sind, unterscheidet).

Die zionistische Bewegung bekam beträchtlichen Auftrieb durch die Dreyfus-Affäre in Frankreich. Der Justizskandal um den Hauptmann Alfred Dreyfus (der in Bahamas "Dreyfuß" heißt) war von antisemitischen Ausschreitungen begleitet. Viele Juden werteten diese Affäre als untrügerisches Zeichen dafür, daß die Assimilation gescheitert sei und nur ein eigener Staat der Juden eine Lösung sein könne. Theodor Herzl, ein österreichischer Journalist, der als Begründer des Zionismus gilt, meinte: "Wenn aber ein hochzivilisiertes Volk auf solche Wege gelangen konnte, was war von anderen Völkern zu erhoffen, die noch heute nicht auf der Höhe sind, auf der die Franzosen bereits vor hundert Jahren waren?" Er meinte Rußland, aber es waren die Deutschen, die Herzls düstere Ahnung übertreffen sollten.

Der Zionismus fand unter den Juden nicht nur Anhänger. Für viele schien die Assimilation die einzige Lösung zu sein. Sie wollten den Anspruch, im Land ihrer Geburt zu leben und akzeptiert zu werden, nicht preisgeben. Viele sahen im Zionismus eine Kapitulation vor dem Antisemitismus (dessen Höhepunkt im Holocaust sie noch nicht ahnen konnten). Tatsächlich fand der Zionismus auch bei Antisemiten Zuspruch. "Juden raus" war ja das, was sie wollten. Viele europäische Juden, die aus gutem Grund dem Nationalismus mißtrauten, mochten sich auch von einem jüdischen Nationalismus nichts versprechen. Viele verstanden den Begriff "Volk" als Mythos des Nationalstaates, sie wollten in einem jüdisch-völkischen Mythos keine Antwort auf den deutsch-völkischen Antisemitismus sehen. Viele erkannten in der zionistischen Ideologie reaktionäre und rassistische Elemente - dafür lassen sich in den Schriften von Herzl und Nordau viele Belege finden. Vielen war völlig klar, daß das "Volk ohne Land"6 keineswegs ein Land ohne Volk vorfinden würde und daß die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina alles andere als ein unblutiges Vorhaben sein würde - und sie waren schockiert von blutrünstigen Bemerkungen Herzls. Viele hielten den Zionismus für eine Illusion. Ein jüdischer Staat in Palästina - das könne einfach nicht gut gehen.

Die Linke hat sich auf diese jüdische Kritik am Zionismus berufen, dabei aber eines außer Acht gelassen: Nach 1945 stellte sich die Frage nach einem jüdischen Staat in Palästina völlig neu. Die Juden, die sich vor der Gründung des Staates Israel in Palästina aufhielten, waren Überlebende des Holocaust. Sie waren knapp mit dem Leben davongekommen. Die meisten von ihnen mußten den Tod ihrer Eltern, Kinder und Geschwister in den Gaskammern der Nazis beklagen. Alle Bedenken gegen einen Judenstaat in Palästina mußten vor dieser Tatsache verblassen. Der Judenstaat wurde nach 1945 von den meisten derer befürwortet, die dieser Idee vor 1933 skeptisch bis ablehnend gegenübergestanden hatten. Der Holocaust ließ einen anderen Standpunkt nicht mehr zu. Nach der Vernichtung von 6 Millionen Juden durch die Nazis war die Errichtung eines eigenen Staates für die Juden nicht mehr disponibel.

Seit der Gründung Israels sind mehr als 50 Jahre vergangen, und heute ist über die Existenz des Staates Israel überhaupt nicht mehr zu entscheiden. In diesen Jahrzehnten sind in Israel neue Generationen geboren worden. Man kann sie nicht "zurückschicken". Für Millionen von Menschen ist auf der Welt an keiner anderen Stelle Platz als in diesem Land.

Zwei Völker sind vom Schicksal dazu verdammt, in einem Land leben zu müssen. Wollte man diesem Schicksal entgehen, müßte man die Zeit zurückdrehen, und zwar nicht bis 1948, sondern bis 1933 oder sogar bis 1880. Da dies unmöglich ist, kann eine Lösung des Palästina-Konflikts nur eine Lösung für zwei Völker in einem Land sein. Die einzige Alternative dazu wäre nicht der Sieg der einen über die anderen, sondern der gemeinsame Untergang.

Eine Lösung des Palästina-Konflikts muß zwei Elemente enthalten: Erstens: die Existenz des Staates Israel, zweitens: die Errichtung eines souveränen Palästinenserstaates. Israel muß anerkannt werden, die Sicherheitsinteressen Israels müssen respektiert werden.

Ein Gesamtstaat Palästina, dem sowohl die Israelis als auch die Palästinenser als Staatsbürger angehören, wäre keine Lösung, auch nicht als Konföderation. Daß Israel einem solchen Gesamtstaat als auch einer solchen Konföderation nicht zustimmen würde, ist verständlich, und zwar nicht nur deshalb, weil die Israelis in einem solchen Staat in der Minderheit wären. Israel will hinter die Position, ein völlig souveräner Staat zu sein, der keiner anderen Autorität untersteht, unter keinen Umständen zurücktreten. Das erklärt sich aus der Geschichte. Israel diesen Anspruch streitig zu machen hieße, den Holocaust zu ignorieren.

Der Palästinenserstaat muß ein souveräner und gleichberechtigter Staat sein. Israel muß auf jeden Vorbehalt verzichten, der die Souveränität des Palästinserstaates einschränkt. Israel muß einsehen, daß für die Palästinenser kein Homeland mit Scheinautonomie errichtet werden kann.

Um zu einer solchen Lösung zu kommen, müssen beide Seiten über ihren Schatten springen. Die Palästinenser müssen auf die Teile ihres Territoriums verzichten, auf denen der Staat Israel errichtet wurde, sie müssen den Staat anerkennen, der ihnen Teile ihres Landes weggenommen hat. Sie müssen Frieden schließen mit ihren Unterdrückern, sie müssen auf Genugtuung für das Leid verzichten, das ihnen von Israel angetan wurde. Israel muß auf seine Siedlungspolitik verzichten und die Siedlungen in den Palästinesergebieten räumen. Israel muß hinnehmen, daß der arabische Teil Jerusalems Hauptstadt des Palästinenserstaates wird. Die Palästinenser müssen auf ihr Rückkehrrecht verzichten.

Für eine Lösung des Palästinakonflikts müssen die Palästinenser einen höheren Preis zahlen als Israel. Von ihrer Seite hat es bisher auch mehr Entgegenkommen gegeben.

In der deutschen Linken macht man sich ganz andere Gedanken: Wenn irgendwo in China ein Farbeimer umkippt oder in Bielefeld eine Straßenbahn zu spät kommt, ist Israel in Gefahr. So schreibt Joachim Roloff in Konkret: "Wenn die Meinung sich durchsetzt, die beispielsweise von Antje Vollmer oder von Osama Bin Laden vorgetragen wird, der Konflikt in Palästina sei die Ursache des islamistischen Terrors, wird Israel der Verlierer dieses Krieges sein."7

Das ist keine Argumentation, das ist Rhetorik. Es soll nicht einmal zu denken gewagt werden, daß zwischen islamistischem Terror und dem Konflikt in Palästina ein Zusammenhang bestehen könnte. Wer sich trotzdem dabei erwischen läßt, wird auf die Schwarze Liste gesetzt, wo er seinen Namen über oder unter dem von Osama bin Laden wiederfindet. Das ist keine Kritik, das ist Stigmatisierung.

So wurde auch verfahren, als während des Golfkriegs Hans Christian Ströbele die Sicherheitspolitik Israels kritisierte. Israel setze einseitig auf eine Politik der Stärke, war seinen Worten zu entnehmen. Und sinngemäß sagte er, die Sicherheit Israels könne der israelischen Sicherheitspolitik zum Opfer fallen. Auch damals war die Erregtheit heftig und das Nachdenken gering. Dabei hätte Ströbeles Einschätzung in Israel selbst Zustimmung finden können, denn Israels Sicherheitspolitik ist auch in Israel nicht unumstritten. Jeder Regierungspolitiker der letzten 50 Jahre hätte Ströbele wohl geantwortet: Wir haben das Risiko unserer Politik sehr wohl erkannt, aber zur Politik der Stärke keine Alternative gesehen. Welche Einschätzung die richtige ist, darüber ließe sich trefflich streiten.

Nicht so hierzulande. Wäre es um das Existenzrecht Israels gegangen, wäre heftiger Widerspruch ja noch verständlich gewesen. Aber der Bannstrahl trifft auch denjenigen, der nicht die Existenz, wohl aber die Politik Israels zum Thema macht. Wer laut darüber nachdenkt, daß der Konflikt in Palästina vielleicht auch ein wenig von der israelischen Seite verschärft wurde, spricht aus, was evident ist - und verletzt ein Tabu.

Hermann L. Gremliza schrieb einen offenen Brief an Micha Brumlik. Darin heißt es: "Sie sagen, Konkret (und also auch ich) schwärmte neuerdings für Sharon. Vielleicht sollten wir. Es gäbe dafür ... gute Gründe"8, Gründe, die Gremliza auch ausführt, und über die sich ebenso trefflich streiten ließe wie über Ströbeles Kritik an Israels Sicherheitspolitik von 1991 (und denen noch trefflicher zu widersprechen wäre). Aber die Auseinandersetzungen der Linken spielen sich in einer Landschaft ab, in der nicht Thesen zur Diskussion gestellt, sondern Dogmen verkündet werden.

Konkret rezensierte das Palästina-Sonderheft der Marxistischen Blätter: "Im Vorwort heißt es, der Antisemitismus gehe 'im vereinigten Deutschland Hand in Hand mit anderen (auch antiarabischen, antiislamischen!) Formen des Rassismus', sei also, in Deutschland, nix Besonderes."9 Tatsächlich steht in den Marxistischen Blättern aber: "Mit Israel hat sich jenes Volk ... einen Staat geschaffen, das der deutsche Faschismus 'mit Stumpf und Stiel' ausrotten wollte. Sechs Millionen Juden wurden von deutschen Völkermördern als Juden umgebracht. Und es war diese Erfahrung, was den Zionismus, den jüdischen Nationalismus, auch für zahllose Juden plausibel und attraktiv machte, denen dieser zuvor als eine abseitige Ideologie erschienen und ihr Jüdischsein recht gleichgültig gewesen war. Deutschen, die sich ihrer Geschichte bewußt sind, werden diese Tatsachen bei jedem Blick auf Israel vor Augen treten. Hinzu kommt, daß sich der Antisemitismus ... mit der militärischen Zerschlagung des Nazifaschismus ja nicht erledigt hat. Er lebt im vereinigten Deutschland, Hand in Hand mit anderen (auch antiarabischen, antiislamischen!) Formen des Rassismus, heftig wieder auf und liebt es neuerdings sogar, Palästinafahnen und Arafat-Poster zu schwenken und sich mit Palästinensertüchern zu drapieren."10

Das Sonderheft der Marxistischen Blätter erschien in erhöhter Auflage. Konkret weiß warum: "...weil man bei diesem Thema auf Zuspruch ... auch aus ... allzeit bereiten Kreisen der deutschen Bevölkerung hoffen durfte"11 Daß dem Autor Klaus Wagener in einem konkretkritischen Beitrag für die UZ ein Grammatikfehler unterlaufen war, genügte Hermann L. Gremliza, ihn als "Arischgesicht" zu enttarnen.12 Und alles in allem sind die Kollegen von den Marxistischen Blättern für Konkret schlicht "Volksgenossen".13 Antwort der Marxistischen Blätter: "Selbst Spurenelemente einer argumentativen Auseinandersetzung ... sucht man vergebens."14

Konkret will zwar "Figuren wie Hans Lebrecht" nicht einmal im Anzeigenteil erwähnt wissen, ist aber gegen solche Figuren wie Horst Pankow, Karl Selent und Justus Wertmüller als Autoren nicht so empfindlich. Die Krawallbrüder von Bahamas geben in Konkret regelmäßig Gastspiele. Das hat abgefärbt.

Wen läßt Gremliza eigentlich in seinem Haus ein und ausgehen? Bahamas faßt "drei Jahrzehnte linker Geschichte" zusammen als "bloße geistige Nachlaßverwaltung des Nationalsozialismus: der Antifaschismus als verschobene Bewunderung der Väter, der Antikapitalismus als mit internationaler Folklore aufgeladener Strasserismus und zu schlechter Letzt der Antirassismus als Bekenntnis zur Pluralität völkischer Kollektive." Für Bahamas "zeigt sich die Linke als gegen die Juden und alle Aufklärung verschworene Rasselbande", als "deutsche Eichmann-Freunde".15 Dieser Anfall steht unter der Überschrift "Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder."

Auch bei Jungle World ist man im Umgang nicht so wählerisch. Dort durfte sich Justus Wertmüller - diesmal in einem Anfall von Klartext - über "Al-Aksa-Kämpfer mit landestypischer Kopfwindel" belustigen.16 Die größten Schreihälse entlarven sich in ihrem Eifer recht schnell als das Gegenteil dessen, was sie zu sein vorgeben. Justus Krawallmüller stellt sich auf die "richtige" Seite, um ungehemmt pöbeln zu können.

Die wirkliche Rasselbande, das Autonomen-Millieu, hat inzwischen auch den Ruf vernommen und bereichert die Israel-Lobby mit seinen Blödeleien. "Für Israel! Kein Staat Palästina! Nieder mit Deutschland!" heißt es in einer Anzeige für eine "antideutsche Zeitung im Anfangsstadium"17

Ob "kein Staat Palästina" wirklich so gut "für Israel" ist, fragen sich auch in Israel nicht wenige. Doch für Konkret war das allzu simple Plädoyer "dialogfähig".18

Einen viel besseren Vorschlag machte Hermann L. Gremliza: "...in dieser Sache für die nächsten tausend Jahre das Maul zu halten."19 Wirklich ein guter Vorschlag, an den er sich selber aber auch halten müßte. Dann blieben uns solche Platitüden erspart:

"Wie, zum Beispiel, der Islam, zu dessen besonderen Features es gehört, jedem seiner zur Keuschheit verpflichteten jungen Gläubigen als Lohn für ein Attentat, bei dem er außer einer größeren Menge Juden auch sich selber in die Luft sprengt, im Paradies ein Dutzend Privatjungfrauen, ficks und fertig, bereitzulegen."20


1) Israel, die Palästinenser und wir. Marxistische Blätter Special. Neue Impulse Verlag Essen 2001.

2) Zitiert nach UZ 14.9.2001.

3) Konkret 10/2001, S. 56.

4) Zitiert nach UZ 14.9.2001.

5) siehe DER METZGER 43.

6) Hört sich das nicht fatal an wie "Volk ohne Raum"?

7) Konkret 11/2001, S. 43.

8) Konkret 10/2001, S. 9.

9) Konkret 8/2001, S. 4.

10) Israel, die Palästinenser und wir.

11) Konkret 8/2001, S. 4.

12) Konkret 7/2001, S. 66.

13) Konkret 8/2001, S. 4.

14) Leserbrief von Hermann Kopp in Konkret 10/2001.

15) Bahamas 36

16) Jungle World 5/2001.

17) Anzeige in Bahamas 36.

18) Horst Pankow: Plädoyer gegen die Gründung eines palästinensischen Staates, Konkret 3/2001.

19) Konkret 10/2001, S. 9.

20) Hermann L. Gremliza in Konkret 11/2000


Editorische Anmerkungen:

Dieser Aufsatz, geschrieben im November 2001, erschien in DER METZGER Nr. 63. Kontakt: situationspresse@gmx.de
Er wurde uns zwecks Spiegelung zugesandt.