"Plan Colombia" ist angelaufen:
"Collateral Damage"


Film von ANDREW DAVIS betrachtet von
Günter Langer

03/02
 
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Der 11. September brachte alles durcheinander. Monatelang wurden Hearings im US-Congress zur Frage "War on Drugs", zum Krieg gegen die Drogen geführt. Der sogenannte Drogenzar erklärte zum Wohlgefallen der versammelten Senatoren, die einzige Lösung, den Nachschub an Drogen in die USA zu unterbinden sei das direkte militärische Eingreifen der US-Streitkräfte in Kolumbien. Das Land würde der dortigen Regierung immer mehr aus den Händen gleiten und sie sei unfähig, die dortige Guerilla effektiv zu bekämpfen, die nach dem Tode Pablo Escobars die größten drug kingpins, die eigentlichen Drogenlieferanten geworden seien. Nicht nur mein Gewährsmann für lateinamerikanische Fragen, ein gewiefter Evaluator der bundesdeutschen GTZ, war zu dem Zeitpunkt überzeugt davon, dass der nächste US-Krieg in Kolumbien stattfinden würde, sondern auch zwei Drehbuchschreiber, Peter and David Griffiths waren davon überzeugt. Sie schrieben ein Script von Ronald Roose über einen Terroristen aus dem arabischen Raum um zugunsten einer Geschichte eines Bösewichts aus Kolumbien.

Was der wackere GTZler nicht ahnte, was der CIA und Konsorten, was Filmleute, Schreiberlinge usw. absichtlich oder unabsichtlich verpennten, war der Feind, der nicht etwa aus Kreisen marxistischer Insurgenten erwuchs, sondern der Feind, der sich aus den eigenen Reihen aufschwang zu desaströs-mörderischer Tätigkeit im "Herzen der Bestie", im völkisch imaginierten Zentrum des Bösen, also zum Flug in das Symbol der angeblichen Zentrale des von den USA gesteuerten Weltfinanzkapitals, in das New Yorker World Trade Center. Dies führte letztendlich zum verzögerten Release des von Roose und den Griffiths ausgedachten bunten Films, gedreht im malerischen Vera Cruz in Mexiko, mit dem ins Deutsche übersetzten bezeichnenden Namen: Collateral Damage (Kollateralschaden) - Zeit der Vergeltung. Er hätte im letzten Oktober den falschen Feind zum falschen Zeitpunkt gezeigt.

Doch greifen wir nicht vor. Der amerikanische Lübke, dem eine halbe Million Stimmen zur Mehrheit für die Präsidentschaft fehlten und sich deshalb vom Obersten Verfassungsgericht aufs Schild heben lassen musste, dieser George Dubya wusste, ohne einen Krieg würde er niemals die Mehrheit des Wahlvolkes hinter sich vereinen können. Alles was er tun musste, hatte ihm sein Vater gleichen Namens, aber ohne W, vorgemacht. Führe einen heißen Krieg gegen die Drogen. Dubya wollte dem Muster seines alten Herrn folgen.

George, der Ältere, ließ z. B. seinen vormaligen Freund aus CIA-Tagen, Manuel Norriega in Panama, politisch fallen und in einer militärischen Operation festnehmen. Bushs Vorwurf gegenüber seinem Ex-Mitarbeiter: Drogendeals auf eigene Rechnung, sogar unter Beteiligung eines kubanischen Generals, der dafür später zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Die Companeros Fidel Castros, General Arnaldo Ochoa und zwei Freunde, waren aber nicht die einzigen zu beklagenden Todesopfer (Fidel verweigerte ihnen eine revolutionäre Gnade), Beobachter sprachen nach der Aktion von einem Kollateralschaden von ca. 3.000 Zivilisten, toten bzw. verletzten panamesischen Bürgern. Dubya, also George, der Jüngere, setzte auf den südlichen Anrainer, also auf Kolumbien, das schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts den USA zum Opfer fiel und seines nördlichen Landesteils verlustig ging, Panama, das für unabhängig erklärt wurde, damit die Amis dort ungestört "ihren" Kanal bauen konnten.

Wir sehen. Alles hängt irgendwie mit Allem zusammen. Kein Wunder, dass auch Arnold Schwarzenegger seine Rolle in diesem Kontext zu spielen hat. Ein Parteifreund des Bush-Clans ist er ohnehin. Im Herbst letzten Jahres sollte sein neuester Film in die US-Kinos gelangen, ein Film mit dem verheißungsvollen Titel "Collateral Damage", Kollateralschaden also. So wie Rambo nachträglich den Vietnamkrieg gewann, so entschied Arnold, der Feuerwehrmann, schon mal den Krieg in Kolumbien vorab für die USA und auf dem Felde der Linguistik sollte er einen weiteren Sieg erzielen. Der Begriff des Kollateralschadens beschreibt bekanntlich seit Zeiten des Golfkrieges, Vater Bushs Meisterstück, die toten Zivilisten, die "versehentlich" bei den "präzisen chirurgischen Eingriffen" ums Leben kommen. Kollateralschaden hat es 1999 immerhin anlässlich des Kosovokriegs zum "Unwort des Jahres" gebracht. Was lag also näher, als endlich dieses schädliche Wort wenn nicht ganz zu entsorgen, so doch wenigstens umzudeuten?

Der Inhalt des Films ist schnell erzählt: Hohe südamerikanische Politiker betreten zusammen mit einigen hohen CIA-Agenten das Generalkonsulat Kolumbiens im kalifornischen Los Angeles. Kaum sind sie im Gebäude verschwunden, explodiert vor der Tür eine Bombe und tötet im benachbarten Straßen-Café Arnolds Frau und Kind. CIA (Agent Peter Brandt dargestellt von Elias Koteas) und FBI sind bei der Verfolgung des Bombenlegers Claudio "El Lobo" Perrini (Cliff Curtis, ein Maori aus New Zealand) die Hände gebunden, da "El Lobo" (Der Wolf) Boss der kolumbianischen Guerilla ist und die kolumbianische Regierung blöd genug, gerade mit eben dieser Guerilla Friedensverhandlungen zu beginnen. Arnold bleibt nichts anderes übrig als die Rache selbst in die Hand zu nehmen. Über den Ausgang dieses Unternehmens braucht der Zuschauer keinen Zweifel hegen.

Soweit, so schlecht. Damit könnte es auch sein Bewenden haben, wenn das Setting des Films nicht nahtlos die Kriegspropaganda verstärken würde. Obwohl an der kolumbianischen Regierung und der CIA kein gutes Haar gelassen wird, sie werden als korrupt und mörderisch porträtiert, ist die Guerilla natürlich noch wesentlich schlimmer. Im Film heißt sie ALC, in ihrem Hauptquartier hängen Lenin- und Ché-Poster, an den Mützen ihrer Kämpfer prangen rote Sterne. Sie ist absolut hierarchisch organisiert, totalitär, brutal und skrupellos. Sie lebt von der Steuer, die sie den Drogenproduzenten abnimmt. Die Disziplin der Truppe wird durch Strafen erzielt. Es gibt allerdings nur eine Strafe, die Todesstrafe: Den Delinquenten wird eine giftige Schlange durch den Mund in den Körper eingeführt. Ein Indianerdorf wird niedergemetzelt, weil die Bevölkerung vermeintlich mit der Regierung sympathisiert.

Das Ende des Films nimmt den 11. September vorweg. (Deshalb konnte er erst in diesem Jahr uraufgeführt werden). El Lobo entwischt Arnold im Urwald und ist dabei, ein großes Regierungsgebäude in den USA in die Luft zu sprengen. El Lobos Frau Selena (Francesca Neri) informiert Arnold davon, aber nur, um mit seiner Hilfe dort Eingang zu finden und die Bombe von innen heraus scharf machen zu können. Bedenkenlos opfert sie dafür ihren eigenen Sohn Mauro (Tyler Garcia Posey). Der Unterschied zu Osama bin Laden-Anhängern ist nur, dass diese Latino-Marxisten keine Selbstmörder sind und dass letztlich eine Frau die treibende Kraft darstellt. Für Arnold ist der Verrat Selenas an ihrem Sohn quasi ein Glücksfall, kann er doch Mauro quasi als Ausgleich für den Verlust seines gestorbenen Sohnes gleichsam adoptieren.

Der Film beweist für die jetzige Situation, die USA dürfen sich nicht mit dem Kampf gegen Al-Qaeda zufrieden geben, im eigenen Hinterhof lauert ein ebenso gefährlicher Feind, den es mit allen Mitteln auszulöschen gilt. Am 22. Februar kündigte die Pastrana-Regierung die Friedensgespräche offiziell auf und begann die militärische Rückeroberung des bislang von der FARC kontrollierten Gebiets, das etwa die Ausdehnung der Schweiz hat. Der "Plan Colombia" rollt. Der Einsatz gegen den Erzfeind des alten Bush lässt noch auf sich warten, George junior will doch erst 2004 die Wahlen gewinnen. In Kriegszeiten werden ihm bestimmt keine Stimmen mehr fehlen.

Ach ja, vor lauter Ideologiekritik, ist die Beurteilung der ästhetischen und unterhalterischen Dimensionen des Films zu kurz gekommen. Die Schauspieler sind überzeugend, der Dschungel und die Spannung ebenso, Hollywood-Action vom Feinsten also. Kein Grund aber, sich ihn für teures Geld freiwillig reinzuziehen.  

Wer des Englischen mächtig ist, kann sich die Reaktionen zum Film im Herkunftsland auf folgenden Sites anschauen:  
Screen-Changes
from Arab to Columbian terrorists, US-Summary,
US-Voices
& US-Press.

Wer's mehr auf die schlichte deutsche Art mag: klick hier oder bei film.de, bzw. bei McDonald's.  

Zuguterletzt noch ein Verriss.

22.2.2002

Editoriale Anmerkungen:

Der Artikel ist eine Spiegelung von
http://www.members.partisan.net/sds/sds00302.html