Was ist los in Friedrichshain-Kreuzberg?
03/02
 
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Spaziert man mal durch den ehemaligen Arbeiterbezirk Friedrichshain, fallen einem sofort die vielen sanierten Häuser bzw. deren Fassaden auf, die frischgepflanzten Bäume, die schicken
Restaurants und Kneipen, das bunte Volk auf der Straße. Doch das Bild trügt. Es werden Häuser leergewohnt, um sie dann teuer sanieren zu können; andere werden mit Stahlplatten gegen  finanziell unattraktive Bevölkerungsgruppen gesichert und verfallen  dann einfach. Die direkten Folgen sind höhere Mieten, Bevölkerungsumstrukturierung und bis zu 50% Leerstand am
Boxhagener Platz. So stehen inzwischen mehr Häuser leer als in  den Hochzeiten der Ostberliner Hausbesetzerbewegung. Obwohl der Bezirk Vertreibung und ständige Verteuerung verhindern wollte, konnte er das nicht. Die wenigen Projekte, die sich aus dieser Zeit retten konnten, wie
z.B. das Wohn- und Kulturprojekt Rigaer Straße 94/  Kadterschmiede, werden permanent durch Schikanen der BesitzerInnen und einer hilfswilligen Polizei bedroht. Wer die teuren  Mieten nicht zahlen kann oder will, hat zu verschwinden.

Und was machen die Herrschenden?

Sie präsentieren uns den neuen Medienstandort Spreegürtel  zwischen Friedrichshain und Kreuzberg. Dort soll für zehn Milliarden Euro ein neues Yuppie-Quartier entstehen, größer als
der Potsdamer Platz.

Gegenüber der Eastside-Galerie beginnt ab September 2002 ein Bauvorhaben, das 300 Millionen Euro kosten wird: eine riesige Mehrzweckhalle (16.000 ZuschauerInnen) mit danebenliegenden Multiplex-Kino und einigen Hochhäusern (bis zu 100m hoch) soll dort entstehen. Das Projekt der Mehrzweckhalle wird finanziert von dem amerikanischen Multimilliardär Philipp Anschutz, (www.anschutzinvestments.com), der Besitzer mehrerer Sportvereine wie z.B. dem Berliner EHC ist. Realisiert sein soll das folgenreiche Vorhaben bereits im August 2004. Der Berliner Geschäftssitz der "Anschutz Sports and Entertainment Group" (AEG) befindet sich in der Friedrichstraße 171 . Mit von der Partie ist auch die Post AG, die auf dem ihr gehörenden Areal
östlich des Ostbahnhofes ein eigenes Stadtquartier mit mehreren Hochhäusern entstehen lassen will. Deswegen musste das Kulturprojekt "Maria am Ostbahnhof" weichen. Es wird über eine Million Quadratmeter Geschoßfläche entstehen, mehr als am Potsdamer Platz. Dass es jetzt schon massenhaft Büroleerstand im fertiggestellten Millionenprojekt "Oberbaumcity" gibt, scheint
die Regierenden nicht zu interessieren.

Schräg gegenüber, auf Kreuzberger Seite, entsteht bis 2004 das neue Domizil der neuen Riesengewerkschaft ver.di - mit eigener Bootsanlegestelle. Dort, an der Schillingbrücke, soll durch den Investor "HochTief" und das "Kila Projektmanagment" das "Spreeport-Center" gebaut werden. Dass sich auf diesem Gelände seit vielen Jahren die Wagenburg "Schwarzer Kanal" befindet, spielt bei den Planungen anscheinend keine größere Rolle. Sie ist schon  jetzt akut räumungsbedroht.

Auf der Friedrichshainer Seite der Michaelkirchbrücke soll das BSR-Gelände neu bebaut werden. Mit dem Projekt "Spreeurban" soll ein Hotel und - natürlich - Bürogewerbe entstehen. Auch wenn sich an der Schillingbrücke bereits das Hotel "ibis" befindet, plant der Kanzleramtsarchitekt Axel Schultes in Zusammenarbeit mit dem Investor KapHag ein weiteres Hotel namens "Spreesinus".
Dieses ist jedoch noch in der Baugenehmigungsphase.  Auch auf dem der Deutschen Bahn AG gehörenden RAW-Gelände (Revaler Str.) soll gebaut werden - natürlich ein Hochhaus und viele neue Geschäfte. Dem Kulturprojekt "RAW Tempel e.V." ist bereits gekündigt worden, diese wollen jedoch Widerstand leisten. Geplant wird im Namen der BahnImmobiliengesellschaft Vivico - in Absprache mit dem Bezirk. Hinter dem Gelände findet gerade die Sanierung der Modersohn-Brücke statt, um später den Anschluss an die Stadtautobahn zu realisieren.

Weitere geplante Projekte sind der "neue Spreespeicher" von der "Wert Konzept GmbH" an der Cuvrystrasse (ex-YAAM) sowie zwei neue Brücken zwischen Schilling- und Oberbaumbrücke. Allerdings ist wahrscheinlich nur Geld für die im Krieg zerstörte Brommybrücke vorhanden.

Ebenfalls saniert, mit 15 Millionen Euro soll die ehmalige "Heeresbäckerei" in Kreuzberg, Köpenickerstraße 16/17, vom neuen Besitzer der "Polaris Immobilienmanagment GmbH". Dahinter steckt der Herz-Clan aus Hamburg (Tschibo), welche die fünf Reichste Familie in Deutschland sein soll (geschätztes Vermögen 13, 69 Mrd Mark).

Bereits gebaut wurden das "Zentrum Zukunftsenergien Berlin/Intern.Solarzentrum" am Ostbahnhof und der "Spreespeicher" für "Universal Music" an der Oberbaumbrücke, der schon teilweise bezugsfertig ist und denen, die es sic h leisten können, schöne Lofts mit Spreeblick bietet. So meint "Mediaspree"-Geschäftsführer Jost Henrici: "Deshalb ist ‚Mediaspree' so attraktiv: Wasserlage im Berliner Zentrum mit ICE-Anschluss und den zwei Szene-Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain in Fuss-Nähe. " Mediaspree ist ein Zusammenschluß der Großinvestoren.

Was daraus folgt, ist klar: höhere Mieten, nervige Autolawinen, Vertreibung sozial Schwächerer sowie die Gefährdung und Zerstörung alternativer Projekte und Clubs (Köpi 137, Wagenburg "Schwarzer Kanal", RAW-Tempel, Maria,Ostgut usw.).

Friedrichshain und Kreuzberg gehören zu den ärmsten Gegenden in Berlin, viele Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen und Studenten wohnen hier. Um die sich anbahnenden Konflikte abzuschwächen, veranlasste die Bundesregierung nun, mit einem neuen Projekt den oberflächlichen sozialen Frieden zu erhalten: durch die Ausschreibung eines Stadtentwicklungskonzeptes für das Gebiet vom Ostbahnhof entlang der Gleise bis zum Ostkreuz und weiter nach Lichtenberg soll ihre Vorstellung von befriedeten Innenstadtbezirken in Beton gegossen werden. Finanziert werden soll das Vorhaben über das EU-Projekt "Stadtentwicklung URBAN 2" - die negativen Folgen für unsere Kieze liegen auf der Hand. Ähnliches kennen wir bereits von den Befriedungsstrategen des sogenannten "Quartiersmanagments", die nicht viel mehr machen, als sich in Elendsverwaltung zu üben. Hier eine ABM-Stelle einrichten, dort ein Projekt schließen - Zuckerbrot und Peitsche. Wenn das ihr sozialer Friede ist - kündigen wir ihn auf!

Who the fuck is Simon Dach?

Und was sehen wir hier? An jeder Ecke entstehen Cocktailbars und Schicki-Restaurants - immer überfüllt. Darin arbeiten meist junge hübsche Menschen, die allerdings keineswegs dem Publikumsandrang entsprechend verdienen. Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen kennzeichnen diese Jobs im sogenannten Dienstleistungssektor, soziale Mindeststandards wie Urlaubs- und Krankengeld werden nicht eingehalten. Dieses Phänomen ist kein neues: Als ArbeiterInnen aus den CallCentern versuchten, sich für ihre Rechte einzusetzen, wurden sie mit Kündigungen, Lohnbetrug und polizeilicher Repression schikaniert.

Aber das scheint in der Simon-Dach-Straße niemanden zu interessieren: Alle sagen DU zum Chef, obwohl eigentlich jeder wissen müsste, dass Bosse böse sind. So gibt es nicht etwa Betriebsräte, nein, man trifft sich bei Pro secco oder Caipirinha zum gemeinschaftlichen Austausch, statt für die eigenen Rechte (und gegen den Chef) einzutreten.

Wir wollen aber dieser Auflistung geplanter oder bereits realisierter Monströsitäten auch eine konkrete Möglichkeit, selber aktiv zu werden, anfügen, so daß wir an dieser Stelle auf die Initiative für den Aufbau eines SOZIALEN ZENTRUMS in Berlin verweisen möchten. Wo, wenn nicht da, könnten wir gemeinsam über solche Konflikte reden und unseren Widerstand bündeln?

Gerade aktuell ist zu sehen, dass sich überall auf der Welt Menschen gegen Krieg und Ausbeutung auflehnen, in Argentinien, Indonesien, Korea, Kolumbien der Türkei oder bei den Gipfeln der Mächtigen. Auch hier in Berlin ist es an der Zeit, die verschiedenen Menschen und ihre Kämpfe zusammenzubringen, um sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu organisieren.

Also: Tut euch zusammen, solidarisiert euch mit anderen, haut den Bossen auf die Flossen und beteiligt euch an der Initiative für ein Soziales Zentrum in Berlin.

contact: Soziales Zentrum
c/o Stadtteilladen
Grünberger Straße 54
10245 Berlin
visdp.Leon Czolgosz, McKinleystr.1901

Editoriale Anmerkung:

Der Artikel eine Spiegelung von
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