Ornament & Verbrechen

Den CASTOR-Widerstand unterstützen!
X-tausend Gründe für einen Ausflug nach Gorleben

von Heiko Balsmeyer
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Wer sich fragt, warum er oder sie sich nach Gorleben bewegen sollte, dem oder der soll mit den folgenden Überlegungen ideologisch ins Transportmittel verholfen werden. 

"Stoppt Radioaktivität, weil's um unsre Zukunft geht!" (Kraftwerk)

Zunächst einmal handelt es sich bei den Auseinandersetzungen um die anstehenden Castor-Transporte um einen symbolischen Kampf. Das Symbol CASTOR steht dabei für die Nutzung der Destruktivkraft Atomenergie. Mit deren Hilfe können einige Atomkonzerne unter massiver Unterstützung des Staates ihre Profite vergrößern. Entlang der gesamten Energiekette der Atomenergie wird dadurch menschliche Gesundheit gefährdet und unsere Umwelt zerstört. Diese Gefährdung reicht vom Abbau des Urans bis hin zur Produktion der Brennelemente; von der als Wiederaufarbeitung bezeichneten Abtrennung des Bombenstoffs Plutonium über die Risiken beim Betrieb und bei der Zwischenlagerung der abgebrannten Brennstäbe bis hin zur nicht lösbaren Frage einer sicheren Endlagerung. Die geplanten Atomtransporte verbinden dabei die einzelnen Kettenglieder. Die Verhinderung von Atomtransporten bedeutet daher symbolisch die Behinderung des Atomkreislaufs mit dem Ziel der Abschaltung aller Atomanlagen.

Woher die Eile?

Das Zusammenspiel dreier Faktoren macht die Transporte für die Atomindustrie besonders dringlich: der seit 1998 bestehende Transportstopp von deutscher Seite, die Forderung der französischen Regierung nach Rücknahme des Atommülls und das Erreichen der Kapazitätsgrenzen in mehreren Atomkraftwerken.

Transportstopp

Der Transportstopp für CASTOR-Transporte wurde 1998 von der damaligen konservativen Umweltministerin Merkel verhängt, weil zusätzliche Transportrisiken öffentlich geworden waren. An der Außenseite der Transportbehälter waren radioaktive Partikel festgestellt worden. Diese Tatsache war den Verantwortlichen zwar seit Jahren bekannt, war aber von diesen einfach verschwiegen worden. Vor der Aufnahme neuer Transporte sollten nach einem von Merkel verantworteten 10-Punkte-Plan die Ursachen für die Außenkontaminationen geklärt werden. Dass dies bis heute nicht geschehen ist, wurde durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der umweltpolitischen Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, Eva Bulling-Schröter, öffentlich. Rainer Baake, Staatssekretär im Umweltministerium, mußte in seiner Antwort einräumen, dass die Ursache für die Verstrahlung nicht für jeden Einzelfall angegeben werden könne. Es gibt also bis heute nur Vermutungen, wie es zu diesem zusätzlichen Transportrisiko kommt. Zudem stellten sich bei der Erprobung im Atomkraftwerk Philippsburg Mängel des neuen Beladeverfahrens heraus. Das "Schutzhemd aus Plastik", welches die Außenkontamination bei der Beladung verhindern soll, wies Risse auf. Trotz dieser Unklarheiten über die Ursache und Mängel des neuen Beladeverfahrens hält die Bundesregierung die Probleme für bewältigt. Die alte Strategie des Verheimlichens und Verschleierns wird fortgesetzt.

Türöffnerfunktion

Die französische Regierung hat von der deutschen Bundesregierung verlangt, zunächst Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague zurückzunehmen, ehe neue Ladungen mit abgebrannten Brennstäben aus deutschen Atomkraftwerken aufgenommen werden. Von der Anti-Atom-Bewegung wurde dies zurecht als "Türöffnerfunktion" der anstehenden Transporte kritisiert. Denn nur wenn der Müll im Zwischenlager in Gorleben angekommen ist, kann neuer Atommüll nach Frankreich rollen und damit eine neue Runde im europäischen Atommülltourismus einleiten. Nach dem sogenannten Atomkonsens zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den Atomkonzernen sind solche Transporte in die Wiederaufarbeitung bis zum Jahr 2005 vorgesehen. Diese Tatsache ist auch der französischen Anti-Atom-Bewegung bekannt. Das Netzwerk Réseau Sortir du Nucléair, bestehend aus 617 Initiativen und über 10.000 Mitgliedern, hat daher auf seiner Generalversammlung in Rennes beschlossen, "entlang der Transportstrecke gegen die Wiederaufnahme des Atommüllgeschäfts" zu demonstrieren. Ein sehr hoffnungsvolles Signal, kündigt sich hier doch die notwendige zunehmende europäische Vernetzung des Atomwiderstands an.

Leiden an Verstopfung

In einigen Atomkraftwerken sind die Lagerkapazitäten für abgebrannte Brennstäbe in und an den Atomkraftwerken ausgeschöpft. Das macht die zwischenzeitliche Öffnung des Wiederaufarbeitungspfades für die Konzerne so dringlich. Nur durch den Abtransport von fünfzig Behältern noch in diesem Jahr kann der Reaktorbetrieb problemlos fortgesetzt werden, ansonsten droht ihnen die Drosselung der Leistung oder die Zwangsabschaltung. Für eine Verstopfungsstrategie der Anti-Atom-Bewegung ist die Ausgangslage dadurch äußerst günstig. Ein Normalzustand der Transporte - der von den Atomkonzernen und der Bundesregierung gefordert wird - würde 60 bis 100 Transporte jährlich nach Sellafield und La Hague bedeuten. Wenn der Widerstand gegen den jetzt anstehenden Transport möglichst machtvoll wird, wird es für die Gegenseite schwierig, diese Planungen einzuhalten. Da die Castoren aus der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague stammen, sind einige kritische Bemerkungen zu diesem besonders schmutzigen Abschnitt der gesamten Atomkette angebracht: Von allen Wiederaufarbeitungsanlagen ist bekannt, dass sie die Umgebung und - wie in La Hague - das Meer radioaktiv verseuchen. Nach Greenpeace-Angaben wird in der französischen Plutoniumfabrik 40 bis 60 Prozent des anfallenden schwach radioaktiven Mülls direkt ins Meer entsorgt. Im Umfeld der Anlage wurde eine erhöhte Leukämierate festgestellt. Die Wiederaufarbeitung vergrößert lediglich den Atommüll-Berg, weil zusätzlich verwendete Prozesslösungen und verstrahlte Anlageteile entsorgt werden müssen. Plutonium, ein hochgiftiger und für den Bau von Atombomben verwendeter Stoff, wird bei der Wiederaufarbeitung separiert. Derzeit gibt es aber keine Verwendung für die anfallenden Mengen und es gibt dafür auch keinen akzeptablen Weg der Entsorgung. Dies alles sind Gründe, um die Wiederaufarbeitung sofort zu verbieten und den Export von Atommüll endlich einzustellen. Wie bereits angeführt, will die Bundesregierung diesen zerstörerischen Pfad aber bis 2005 geöffnet halten.

  "Jede Schlacht die wir verliern bedeutet unsern nächsten Sieg" (Ton, Steine, Scherben)

Die süddeutschen Anti-Atom-Initiativen wollen den Castor bereits an der französisch-deutschen Grenze gebührend empfangen. Es wird damit gerechnet, dass der Transport in der Nacht vom 26. auf den 27. März im Raum Straßburg/Kehl den Rhein passieren wird. Für den 24. März ist daher eine französisch-deutsche Auftaktdemonstration von Kehl über die Europabrücke geplant. Dazu trifft man sich um 13:00 Uhr am Bahnhof in Kehl. Infos über die Aktionen im Süden gibt es beim Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim unter Telefon (07141) 90 33 63. Den Auftakt für die "heiße Phase" der Proteste im Wendland bildet am 24. März die Großkundgebung in Lüneburg. An den beiden folgenden Tagen wird es Aktionen entlang der Bahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg geben. In dieser Zeit wird die Organisation "X-tausendmal-quer" eine große Sitzblockade in Wendisch Evern vorbereiten. Anders als bei den vorherigen Widerstandsaktionen wird der Transport bereits an der 50 Kilometer langen Bahnstrecke blockiert. Danach müssen die Castoren für den Straßentransport in Dannenberg auf Sattelschlepper umgeladen werden. Diese Zeit - die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg rechnet mit fünf bis sechs Stunden - soll genutzt werden, um den Transport ein zweites Mal auf der Straße zwischen Dannenberg und Gorleben zu blockieren.