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Zeit zum Handeln – die Geschäfte mit der Folter stoppen

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Die Produktion von und der Handel mit Ausrüstung, die zu Folter eingesetzt wird, ist ein lukratives Geschäft, das von Unternehmen in den wirtschaftlich entwickelten Staaten Westeuropas, Nordamerikas und Süd-Ost-Asiens beherrscht wird. Gleichermaßen profitabel ist das Angebot von Ausbildung in Foltertechniken. Weltweit besteht ein engmaschiges Netz von Unternehmen und Einzelpersonen, die meist mit Billigung oder expliziter Unterstützung ihrer Heimatregierungen Geschäfte mit Ausrüstung, "know how" und Training betreiben, angeblich zur Erhöhung der Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung. Tatsächlich aber tragen diese Geschäfte häufig zu schwerwiegenden Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen bei. Dieses globale Netz spannt sich über Länder in jeder Region der Erde, verknüpft Regierungen und Unternehmen auf allen Kontinenten. Dabei haben gerade die Regierungen eine besondere Verantwortung, in deren Staaten die Lieferfirmen ansässig sind. Diese Verantwortung ergibt sich auch aus dem gesamten internationalen rechtlichen Rahmen, den internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechtes.

Die Hardware

Ketten und Fesseln

Fesselwerkzeuge wie Handschellen, Fußeisen, Ketten, Daumenfesseln u.a.m. sind die mit am weitesten verbreiteten Ausrüstung für Polizei und andere "Sicherheits"kräfte - und weitverbreitet werden gerade diese Einsatzmittel zu Folter und Misshandlungen missbraucht. In vielen Regionen der Welt werden Fesselwerkzeuge zu wiederholt und andauernd zu Menschenrechtsverletzungen bei Gefangen eingesetzt. Fesselwerkzeuge sind keine "high tech"-Ausrüstung, und entsprechend niedrig sind auch die staatlichen Kontrollen bei Herstellung, Handel und Anwendung. Gerade die Geheimhaltung und das Fehlen von Schutzmaßnahmen, Sicherheitsregeln und Kontrollen erleichtern die Lieferung dieser Ausrüstung an Folerer und deren Einsatz bei Misshandlungen. Einige Fesselwerkzeuge (z.B. Fußeisen, gezähnte Daumenfesseln) dienen einzig und allein zum Zweck der Folter oder grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung - solche Folterwerkzeuge müssen grundsätzlich verboten werden. Für andere Typen von Fesselwerkzeugen, deren Auswirkungen unklar sind oder die die Gefahr der Menschenrechtsverletzungen erhöhen, sollte bis zum Vorliegen von Ergebnissen einer gründlichen unabhängigen Untersuchung mindestens ein umfassender Exportstopp verhängt werden. Und nicht zuletzt sollte der legitime Einsatz z.B. von Handschellen durch strikte Regelungen auf der Basis internationaler Menschenrechtsstandards eingeschränkt und kontrolliert werden, damit solche Ausrüstung nicht zu Folter und Misshandlungen eingesetzt wird.

Tränen- und Reizgas

Ein verbreitetes Einsatzmittel gegen Demonstrationen sind Tränen- und Reizgase - primär als wirksame "nicht-tödliche" Waffen im Arsenal der Polizei und "Sicherheits"kräfte gegen "gewalttätige" Menschenansammlungen. Die Anzahl der Beispiele für den Einsatz gegen friedliche Proteste - auch in völlig unverhältnismäßigem Ausmaß und Gefährdung von Leben und Gesundheit der Betroffenen - nimmt auch weiterhin zu. In einigen Fällen wird Tränengas - entgegen allen Empfehlungen und Sicherheitsregeln der Hersteller - in geschlossenen Räumen eingesetzt. Und nicht zuletzt wird Reizgas - häufig mit fatalen Folgen - auch direkt gegen einzelne Personen z.B. in Gefängnissen eingesetzt. Für den Einsatz von Reiz- und Tränengas fehlen verbreitet klare Einsatzrichtlinien, Kontroll- und Überwachungsmechanismen und adäquate Ausbildung für Verhältnismäßigkeit im Einsatz. Gerade die möglichen gesundheitlichen Folgen neuerer Entwicklungen in diesem Bereich sind völlig unabsehbar und müssen einer unabhängig und gründlich untersucht werden. Als Beispiel mag das nun zunehmend auch bei der deutschen Polizei zur Einführung anstehende Pfeffergas gelten, das in den USA Berichten zufolge seit Beginn der 90er Jahre zu über 60 Todesfällen allein in Polizeigewahrsam geführt hat.

Die Spur gelieferter Sicherheitsausrüstung läßt in wenigen Beispielen zurück in die Herkunftsländer verfolgen. So konnte amnesty international anhand von Tränengaskartuschen und Gummigeschossen, die die kenianische Polizei im Jahr 1997 gegen friedliche DemonstrantInnen eingesetzt hatte, nachweisen, daß diese aus Großbritannien geliefert worden waren. Was in der Folge geschah, macht ein wesentliches Defizit europäischer Rüstungsexportkontrollen deutlich. Nachdem nämlich die britische Regierung aufgrund der Vorgänge in Kenia die Exportgenehmigungen für Tränengas zurückgenommen hatte, scheint sich die kenianische Regierung in Frankreich mit den notwendigen Mitteln zum unverhältnismäßen und brutalen Vorgehen gegen DemonstrantInnen eingedeckt zu haben. Dies konnte amnesty international anhand der von der kenianischen Polizei im Jahr 1999 gegen DemonstrantInnen eingesetzten Tränengaskartuschen eines französischen Herstellers aufdecken.

Elektroschockwaffen

Seit Anfang der 90er Jahre haben die Berichte über die Verwendung von "high tech"-Elektroschockwaffen zur Folter weltweit zugenommen, nach ai-Angaben in mindestes 76 Staaten weltweit. Im gleichen Zeitraum wurden auch in immer mehr Staaten Elektroschockwaffen mit sehr hohen Spannungswerten entwickelt und angeboten, führend sind dabei die USA, aber auch in europäischen Staaten wie Deutschland ist die Zahl der Anbieter gestiegen. Häufig werden die Geräte aus Südostasien importiert und dann wieder angeboten, versehen teilweise auch mit dem CE-Siegel der EU, das dem Anwender der Gerätschaften seine Sicherheit garantiert. Die Geschäfte mit dieser Technologie profitieren von der umfassenden Geheimhaltung und dem Fehlen von Verantwortlichkeiten, niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Die Folterer ihrerseits setzen gerade moderne Elektroschockwaffen gerne ein, da diese wenig Spuren hinterlassen, große Schmerzen verursachen, leicht zu bedienen und häufig schlecht zu identifizieren sind. Elektroschockwaffen werden in einer Vielzahl von Typen angeboten, vom Schlagstock mit Elektroden bis hin zu pistolenförmigen Geräten. Neue Entwicklungen sind z.B. die sogenannten "taser", bei denen die Elektroden zwei kleine Pfeile an langen Drähten sind, die Pfeile werden mit Luftdruck auf das Opfer geschossen und können so auf Distanz Elektroschocks versetzen. Zum Einsatz gegen Menschenmengen wurden neben den Elektroschockschlagstöcken auch Polizeischilde mit Elektroden entwickelt. Eine besonders hinterhältige Waffe ist die Kombination von Elektroschocker und Reizgasspray. Außergewöhnlich besorgniserregend ist der Elektroschockgürtel, auch eine Entwicklung us-amerikanischer Firmen. Dieser "Gürtel" wird ferngesteuert und erzeugt einen achtsekündigen Spannungsstoss von 50000 Volt, der den Träger des Gürtels praktisch sofort außer Gefecht setzt und über die Restzeit des Spannungsstosses unsägliche Schmerzen verursacht.

"Know How"

Folterer werden nicht geboren, sie werden zu Folterern gemacht. In vielen Staaten wurde und wird die Ausbildung von Folterern durch ausländische Regierungen gefördert - und, in einigen Fällen, auch durch ausländische Firmen. In fast allen Fällen findet diese Art des Trainings unter völliger Geheimhaltung statt, so dass nur wenige Fälle bekannt wurden, die Schlimmes befürchten lassen. Gerade in diesem Bereich besteht ein dringender Handlungsbedarf, die Folter kann nur beendet werden, wenn nicht nur die Lieferung von "hardware" unterbrochen wird, sondern auch die Hilfe zur Ausbildung "professioneller" Folterer.

Messen für die "Sicherheit"

Der Verbreitung von Folter- und Unterdrückungstechnologie dienen beispielsweise "Fachmessen für Sicherheit", auf denen dem interessierten "Fachpublikum" immer wieder auch die ganze Palette von Elektroschockwaffen und anderer Technologien angeboten wird. Auch in Deutschland finden solche Messen statt. Sie richten sich explizit auch an ausländisches Publikum. So warb eine solche Messe damit, daß 1996 "22 Prozent aller Gäste sowohl aus dem europäischen Ausland wie auch aus Amerika, Asien, Afrika und Australien anreisten".

Die Rolle der Bundesrepublik Deutschland

Auch in Deutschland werden in breitem Umfang Elektroschockwaffen, Tränengas und Fesselwerkzeuge zum Verkauf angeboten, regelmäßig finden "Sicherheits"messen statt, auf denen teilweise explizit für den Export von Elektroschockwaffen geworben wurde. Aufgrund der Vertraulichkeit der Geschäfte mit dieser Ausrüstung ist nicht nachzuvollziehen, in welchem Umfang tatsächlich Exporte stattfinden. Die öffentlich zugänglichen Quellen lassen jedoch befürchten, dass Deutschland auch im internationalen Handel eine wichtige Rolle spielt. So genehmigte die Bundesregierung im Jahr 1999 nach Angaben in ihrem Rüstungsexportbericht 156 Anträge im Gesamtwert von rd. 92 Millionen DM in der Position A 0007 der Ausfuhrliste, die neben ABC-Schutzausrüstung u.a. auch Tränengas und Reizstoffe umfasst. Leider werden diese globale Zahlen nicht detailliert erläutert, nur im für Exporte nach Chile wird angegeben, dass die Lieferung von "Reizstoffpatronen" genehmigt wurde. ai hat in den Jahresberichten 1999 und 2000 über unverhältnismäßige und übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei gegen Demonstranten und Misshandlungen im Polizeigewahrsam in Chile berichtet. Angesichts dieser Situation ist die Genehmigung der Lieferung von Reizstoffpatronen nach Chile aus Sicht der Menschenrechte nicht nachvollziehbar.

Gemäß einer Information der Bundesregierung für den Wirtschaftsausschuss des Bundestages wurden im Jahr 1999 insgesamt 16 Genehmigungen im Gesamtwert von rd 130.000 DM an 3 Firmen für den Export von "Elektroschlagstöcken und Elektroschockgeräten, besonders konstruierte Bestandteile hierfür sowie Daumenschrauben und Fußfesseln" erteilt (gemäß Punkt 0101 der Ausfurliste Teil I B / Liste sonstiger Güter). Empfängerländer waren Andorra, Argentinien, Botsuana, Namibia, Norwegen, Polen, Südkorea, die Tschechische Republik, Ungarn, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA.

Zeit zum Handeln - Ein Aktionsprogramm

A. Forderungen von amnesty international an Regierungen

- ai fordert ein vollständiges Verbot des Einsatzes, der Herstellung, der Werbung, des Handels und des Exportes von Waffen, Ausrüstung für Polizei und Vollzugsdienst und Einsatzmitteln, die aus sich heraus einzig grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Folter dienen können (z.B. Elektroschockgürtel, Fußeisen, gezähnte Daumenfesseln).

- ai fordert einen sofortigen Stopp des Einsatzes und des Exportes von Ausrüstung und Einsatzmitteln, bei denen die gesundheitlichen Auswirkungen nicht vollständig bekannt sind (Elektroschockwaffen), außerdem fordern ai ein sofortiges Exportverbot für alle Ausrüstung (z.B. Fesselwerkzeuge wie Fußketten, Daumenfesseln, Pfeffergaswaffen), bei denen die Gefahr unverhältnismäßiger Verletzungen und des Einsatzes für Folter und Misshandlungen besteht - beide Forderungen gelten mindestens bis zum Abschluss einer unabhängigen, gründlichen Untersuchung von Einsatz, Auswirkungen und Risiken der betreffenden Ausrüstung.

- ai fordert die Einführung strenger Richtlinien und adäquater Überwachungs-mechanismen zur Kontrolle der Einhaltung der Richtlinien für den Einsatz von Zwangsmitteln wie Handschellen und Tränengas bei der Polizei und anderen "Sicherheits"kräften.

- ai fordert, dass alle relevanten Forschungsergebnisse über die Sicherheit und Auswirkungen neuer Zwangsmittel und Sicherheitsausrüstung veröffentlicht wird, bevor eine Entscheidung über deren Einführung getroffen wird.

- ai fordert, dass Transfers von Ausrüstung für Polizei und andere "Sicherheits"kräfte nur dann erlaubt werden, wenn die Lieferregierung davon überzeugt ist, dass diese Ausrüstung nur in Übereinstimmung mit den entsprechenden Richtlinien eingesetzt wird. Es müssen strenge Kontrollen der Exporte solcher Ausrüstung eingeführt werden, um sicherzustellen, dass diese nicht zu Folter oder Misshandlungen verwendet wird. Die Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit und die Transparanz solcher Transfers müssen verbessert werden.

- ai fordert, dass jegliche Ausbildung von Militär, Polizei oder anderen "Sicherheits"-kräften anderer Staaten keine Weitergabe von Fertigkeiten, Wissen oder Methoden beinhaltet, die im Empfängerland zu Folter oder Misshandlungen führen können. Die praktische Anwendung relevanter Menschenrechtsstandards und des humanitären Völkerrechtes sollte vollständig in solche Ausbildungprogramme integriert werden.

- ai fordert die Einführung objektiver Verfahren zur Überprüfung der potentiellen Teilnehmer von Ausbildungprogrammen für Militär, Polizei und Sicherheitspersonal anderer Staaten, um all jene von einer Teilnahme auszuschließen, die in schwerwiegende Menschenrechtsverletzunegn verwickelt waren, es sei denn, sie sind vor Gericht gebracht und es sind wirksame Maßnahmen für ihre Rehabilitation ergriffen worden.

- ai fordert, dass Informationen über alle durch die Regierung durchgeführten oder finananzierten Ausbildungsprogramme für ausländisches Militär, Polizei und anderes "Sicherheits"personal veröffentlicht wird. Dies soll vor allem die beteiligten Personen und Einheiten sowie die Art der Ausbildung und die etablierten Kontrollmechanismen umfassen. Es müssen rigorose Überwachungsmechanismen eingeführt werden, die eine strikte Kontrolle der Auswirkungen solcher Ausbildungsprogramme auf die Menschenrechte gewährleisten.

- ai fordert die Einführung von gesetzlichen Regelungen zur Kontrolle und Überwachung privater Anbieter von Dienstleistungen für Polizei, Militär und andere Sicherheitskräfte. Firmen und Personen, die solche Dienstleistungen anbieten, müssen registriert werden und sollten detaillierte jährliche Berichte über ihre Aktivitäten abgeben. Transfers von Personal oder Ausbildungsleistungen bedürfen einer vorherigen staatlichen Genehmigung, diese sollte nur unter Heranziehung öffentlich zugänglicher Kriterien basierend auf internationalen Menschenrechtsstandards und dem humanitären Völkerrecht gewährt werden.

B. Forderungen von amnesty international an Firmen

- ai fordert sofortiges Ende der Herstellung, der Werbung und der Verbreitung von Waffen, Ausrüstung für Polizei und Vollzugsdienst und Einsatzmitteln, die aus sich heraus einzig grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Folter dienen können.

- ai fordert einen sofortigen Stopp der Herstellung, der Werbung und des Transfers von Ausrüstung und Einsatzmitteln, bei denen die gesundheitlichen Auswirkungen nicht vollständig bekannt sind oder bei denen in der Praxis die Gefahr unverhältnismäßiger Verletzungen und des Einsatzes für Folter und Misshandlungen besteht – dies gilt mindestens bis zum Abschluss einer unabhängigen, gründlichen Untersuchung von Einsatz, Auswirkungen und Risiken der betreffenden Ausrüstung.

C. Internationale Standards als Bezugsrahmen

Die Politik und die Empfehlungen von amnesty international für den Handel und mit Ausrüstung und "know how", die für Folter oder Misshandlungen verwendet werden können, und den Einsatz der entsprechenden Ausrüstung, basieren auf den in internationalen Menschenrechtsstandards festgelegten Prinzipien, unter anderem auch auf Standards für Beamte mit Polizeibefugnissen und für die Strafvollzugbehörden.

Diese internationalen Standards:

• sprechen ein absolutes Verbot für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe aus.


    Wie auch andere internationale Menschenrechtsstandards enthält der "UN-Verhaltenskodex für Beamte mit Polizeibefugnissen" in Artikel 5 ein absolutes Verbot von Folter und Misshandlungen. Der offizielle Kommentar zu diesem Artikel 5 führt aus, dass die Definition "Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" so interpretiert werden sollte, dass der höchstmögliche Schutz gegen physische oder seelische Übergriffe gewährleistet wird.

• verbieten die Verwendung bestimmter Fesselwerkzeuge, insbesondere von Fußeisen, und schränken die Verwendung anderer ein.

    Entsprechend Artikel 33 der "UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen" sollten sollten Fesselwerkzeugen nie verwendet werden, außer als eine Vorsichtsmaßnahme gegen eine Flucht während während eines Gefangenen-transportes, aus medizinischen Gründen auf Anweisung des medizinischen Personals des Gefängnisses oder der Strafanstalt oder auf Anordnung der Gefängnisleitung, wenn der Gefangene nicht auf anderem Wege davon abgehalten werden kann, sich oder andere zu verletzen. Solche Fesselungsmaßnahmen dürfen niemals länger als absolut notwendig angewendet und niemals zur Bestrafung eingesetzt werden. Sie sollten entfernt werden, wenn ein Gefangener vor gericht oder einer behörde vorgeführt wird.

• halten fest, dass der Einsatz von Gewalt und Zwangsmaßnahmen durch Beamte mit Polizeibefugnissen oder Vollzugspersonal vom Prinzip der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit geleitet werden sollte.

    Artikel 3 des "UN-Verhaltenskodexes für Beamte mit Polizeibefugnissen" führt aus, dass Gewalt nur eingesetzt werden sollte, wenn es absolut notwendig ist. Der offizielle Kommentar zu Artikel 3 stellt fest, dass die Verwendung von Gewalt eine Ausnahme sein sollte, dass Gewalt nur eingesetzt werden soll, wenn sie angesichts der Umstände angemessenerweise notwendig ist und dass sie nur für zwei Zwecke, nämlich zur Verhütung von Verbrechen und zur Unterstützung der rechtmäßigen Festnahme von Straftätern oder Verdächtigen verwendet werden sollte. Die verwendete Gewalt sollte in Bezug zu den zu erreichenden legitimen Zielen nicht unverhältnismäßig sein.

    In den "UN-Mindestgrundsätzen für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen" ist festgeschrieben, dass Vollzugsbeamte in Ausübung ihres Amtes vor dem Einsatz von Gewalt und Schußwaffen so weit wie möglich gewaltlose Mittel anwenden sollen (Artikel 4). Wenn die gesetzmäßige Verwendung von Gewalt und Schußwaffen unvermeidlich ist, sollten Vollzugsbeamte Schäden und Verletzungen so gering wie möglich halten und das menschliche Leben respektieren und erhalten (Artikel 5).

    Gemäß Artikel 54 der "UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen" dürfen Vollzugsbeamte keine Gewalt gegen Gefangene einsetzen, außer zur Selbstverteidigung, bei Fluchtversuchen oder bei aktivem oder passivem körperlichen Widerstand gegen rechtmäßige Anordnungen. Greifen Beamte auf Gewalt zurück, dürfen sie diese nicht mehr als absolut notwendig anwenden.


• schaffen den Kontrollrahmen für den Einsatz "nicht-tödlicher" Waffen.

    Die "UN-Mindestgrundsätzen für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen" unterstützt die Verwendung von "nicht-tödlichen" Waffen und sorgt für ihre Kontrolle. Artikel 2 dieser UN-Mindestgrundsätze stellt fest: Regierungen und Strafverfolgungsbehörden sollten einen breiten Umfang von Einsatzmitteln entwickeln, und Polizei und Vollzugsbeamte mit verschiedenen Arten von Waffen und Munition ausrüsten, die einen differenzierten Einsatz von Gewalt und Schußwaffen erlauben. Diese sollte die Entwicklung "nicht-tödlicher" Waffen, die Angreifer außer Gefecht setzen, für den Gebrauch in entsprechenden Situationen einschließen. Dies sollte mit Blick auf eine zunehmende Einschränkung von Maßnahmen geschehen, die den Tod oder Verletzungen von Personen verursachen können. Artikel 1 sieht vor, dass Regierungen und Strafverfolgungsbehörden Regeln und Bestimmungen für die Anwendung von Gewalt und Schußwaffen gegen Personen durch Beamte mit Polizeibefugnissen verabschieden und umsetzen sollen. Artikel 3 stellt fest, dass die Entwicklung und Einsatz solcher "nicht-tödlicher" Waffen sorgfältig evaluiert werden sollte, um das Risiko einer Gefährdung unbeteiligter Personen zu minimieren, und dass die Verwendung von solchen Waffen sorgfältig kontrolliert werden sollte.

Rechtliche Grundlagen für Rüstungstransfers aus der Bundesrepublik Deutschland

Nach Auffassung von amnesty international sind auch die Transfers von Ausrüstung und "know how" für Militär, Polizei und sonstige "Sicherheits"kräfte eindeutige Rüstungstransfers, die in vollem Umfang den einschlägigen Gesetzen und Regelungen unterliegen müssen.

Basis für die Kontrolle des Rüstungshandels in der Bundesrepublik Deutschland ist Artikel 26 (2) des Grundgesetzes: "Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."

Die im Grundgesetz vorgesehene nähere Regelung sollen zwei Gesetze gewährleisten: das Kriegwaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz, die im Detail durch verschiedene Listen und Verordnungen, aber zusätzlich noch durch rechtlich nicht bindende Grundsätze und Richtlinien ergänzt werden.

Das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) schreibt die grundsätzliche Genehmigungspflicht für die Herstellung und den Handel mit Kriegswaffen fest. Darunter sind in der Kriegswaffenliste aufgeführte Rüstungsgüter zu verstehen, von Atomwaffen über chemische und biologische Waffen bis hin zu Kriegsschiffen, Panzern, Militärfluggerät, Kanonen, Maschinengewehre, Schnellfeuergewehre und andere militärische Kleinwaffen sowie bestimmte Teile und Munition. Eine Genehmigung darf unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn die Gefahr besteht, daß Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung (insbesondere Angriffskrieg) verwendet werden oder völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland verletzt oder deren Erfüllung gefährdet würden. Eine Genehmigung kann versagt werden, wenn sie guten Beziehungen zu anderen Ländern zuwiderlaufen.

Das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) soll den Außenwirtschaftsverkehr umfassend regeln. Es erfaßt daher auch den Handel mit Rüstungsgütern sowie mit. sogenannten "dual use"-Gütern, die sowohl militärisch als auch zivil nutzbar sind ("Güter mit doppeltem Verwendungszweck"). Im § 1 des AWG wird festgestellt, daß der Außenwirtschaftsverkehr grundsätzlich keinen Einschränkungen unterliegt. Geschäfte, und dabei insbesondere Rüstungstransfers, können allerdings beschränkt werden, um

1. die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten

2. eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten oder

3. zu verhindern, daß die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gestört werden.

Das Außenwirtschaftsgesetz wird durch die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) ergänzt, die als Anlage auch die Ausfuhrliste (AL) und bestimmte Länderlisten enthält, mit deren Hilfe die Ausfuhrbeschränkungen konkretisiert werden. Insbesondere der Teil I der Ausfuhrliste betrifft Waffen, Munition und Rüstungsmaterial (Teil I, Abschnitt A), eine Liste sonstiger Güter (Teil I, Abschnitt B, Elektroschockwaffen, Fesselwerkzeuge) und die "Gemeinsame Liste der Europäischen Union für Güter mt doppeltem Verwendungszweck" (Teil I, Abschnitt C). Die in Abschnitt B der Liste bestehende Regelung zu Elektroschockwaffen und Fesselwerkzeugen wurde erst 1997 nach massiver Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit vor allem der deutschen Sektion von amnesty international eingeführt.

Ausfuhrliste (98. VO Teil I B)

B LISTE SONSTIGER GÜTER

0101 Elektroschlagstöcke und Elektroschockgeräte, besonders konstruierte Bestandteile hierfür sowie Daumenschrauben und Fußfesseln.

Anmerkung:

Nummer 0101 erfasst nicht:

a) medizintechnische Geräte,

b) einzelne Elektroschlagstöcke und Elektroschockgeräte, wenn diese von ihren Benutzern zu deren eigenem persönlichen Schutz mitgeführt werden.

Als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Wirtschaftministeriums war bislang das Bundesausfuhramt für die Exportkontrolle, d.h. die Prüfung der Voraussetzungen und gegebenenfalls Erteilung der Ausfuhrgenehmigung im Bereich der Rüstungstransfers auf Antrag der entsprechenden Rüstungsproduzenten zuständig, seit 1. Januar 2001 ist es wieder mit dem "Bundesamt für Wirtschaft" zusammengeführt worden und die neue Behörde heißt nun "Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle". Rüstungsexporte gemäß dem KWKG müssen in den jeweils zuständigen Bundesministerien entschieden werden, wobei Anträge von besonderer Brisanz oder hoher politischer Bedeutung durch die Bundesregierung im Bundessicherheitsrat behandelt werden.

Die Bundesregierung selbst beruft sich bei ihren Exportentscheidungen auf die in ihren "Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" (mit stärkerer Berücksichtigung des Menschenrechtskriteriums Anfang 2000 neu formuliert) festgehaltenen Kriterien. Diese Grundsätze haben jedoch, ähnlich wie der 1998 verabschiedete Kodex der Europäischen Union zum Rüstungsexport, keine rechtliche Verbindlichkeit, was ihren tatsächlichen Wert aus Sicht von amnesty international stark einschränkt und eine gesetzliche Regelung nicht ersetzt.

Der EU-Kodex zum Rüstungsexport umfaßt acht Kriterien, die alle EU-Staaten einheitlich zur Genehmigung ihrer Rüstungsexporte anwenden sollen, darunter auch ein Menschenrechtskriterium. Zusätzlich schlägt der Kodex gegenseitige – allerdings vertrauliche - Benachrichtigungen der EU-Staaten untereinander über abgelehnte Anträge bei Waffenlieferungen vor, um EU-weit das Unterlaufen von Exportverboten zu verhindern. Außerdem sollen Waffenexportberichte erstellt werden, die allerdings weiterhin der Geheimhaltung unterliegen sollen. Der Kodex kann allerdings nur als ein erster kleiner Schritt zu der eigentlich notwendigen einheitlichen und rechtlich verbindlichen Regelung der Rüstungsexporte auf EU-Ebene angesehen werden. Zu groß sind seine Defizite und Hintertüren.

Die Gesetzestexte und andere Informationen zur Rüstungsexportkontrolle sind auf den Internetseiten des bisherigen Bundesausfuhramtes (http://www.bundesausfuhramt.de/), mit engültigem Vollzug des Zusammenschlusses mit dem Bundesamt für Wirtschaft, wird es sicherlich eine neue Adresse geben, die bislang noch im Aufbau befindliche Adresse des neuen Amtes ist: www.bafa.de.

Forderungen von amnesty international zur Rüstungsexportgesetzgebung

amnesty international kritisiert an der deutschen Rüstungsexportgesetzgebung weiterhin die mangelnde Transparenz und Verantwortlichkeiten und die rechtlich unverbindlichen Menschenrechtsklauseln in den "Politischen Grundsätzen" der Bundesregierung und im EU-Verhaltenskodex. Daher fordert ai eine Verschärfung der bundesdeutschen Rüstungsexportgesetzgebung und die Einführung verbindlicher Regelungen auf internationaler Ebene.

Im Einzelnen fordert amnesty international den Stopp von Rüstungstransfers, wenn die Gefahr besteht, dass diese zu Menschenrechtsverletzungen im Empfängerland beitragen. Dabei betrachtet ai als "Rüstung" über Waffen, Munition und sonstige Militärgüter hinaus auch sogenannte "nicht-tödliche" Waffen und Folterwerkzeuge wie Elektroschockwaffen, Hand-/Fußfesseln, Tränengas sowie Ausbildung, "know how" und logistische / finanzielle Unterstützung.

amnesty international fordert von Regierungen weltweit verschärfte gesetzliche Regelungen für Rüstungs-transfers unter Berücksichtigung der Menschenrechte als verbindlichem Genehmigungskriterium sowie mehr Transparenz.

Im Sinne des präventiven Menschenrechtsschutzes erwartet amnesty international von der Bundesregierung als Teil einer konsequenten Rüstungsexportkontrollpolitik mindestens die Verwirklichung der folgenden Punkte:

• Die Genehmigung und Durchführung von Rüstungstransfers - auch von staatlicher Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe - soll gesetzlich verboten sein, wenn die Regierung nicht mit hinreichender Sicherheit ausschliessen kann, dass solche Transfers zu Menschenrechtsverletzungen im Empfängerland beitragen [Menschenrechtsklausel].

• Die Produktion von Gütern, die allein zu Menschen-rechtsverletzungen verwendet werden können (z.B. Hinrichtungswerkzeuge oder Antipersonenminen), muss verboten werden.

• Die Bundesregierung hat die Verantwortung für die Verwendung von Rüstungstransfers zu tragen, die von ihr initiiert, genehmigt oder geduldet werden, und sie muss eine angemessene Kontrolle des Endverbleibs gewährleisten.

• Rüstungstransfers sollen innerhalb angemessener Frist nach der Antragstellung und vor der Entscheidung über die Exportge-nehmigung öffentlich bekannt gemacht werden. Ferner muss offengelegt werden, welche Einschätzung der Menschenrechtssituation im Empfängerland der Entscheidung zugrunde gelegt wurde.

• Der Entscheidung über die Exportgenehmigung muss eine parlamentarische Kontrolle vorangehen.

• Die Bundesregierung soll im Rahmen anderer Maßnahmen zur Transparenz genehmigter Rüstungstransfers auch regelmäßig über die Menschenrechtssituation in den Empfängerländern berichten.

• Bundesregierung und Bundestag sind aufgefordert, sich im Rahmen der EU für rechtlich verbindliche einheitliche europäische Regelungen von Rüstungstransfers, insbesondere des Exports sogenannter "nicht-tödlicher" Waffen, sowie der Tätigkeit privater Vermittler von Rüstungsgeschäften unter Einbeziehung der obigen Grundsätze einzusetzen.

amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/983 73-0 - Telefax: 0228/63 00 36 - email:info@amnesty.de
Spendenkonto: 80 90 100 - BfS Köln - BLZ 370 205 00