Quelle: Darmstädter Echo, vom 17.03.2000

Hasch, Haarausfall und Hitlers Ufos
Die Hanfszene färbt sich braun: Wie das Magazin "Grow" rechtsextremes Gedankengut unter die Jugend bringt

Von Klaus Honold

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"Hallo! Ich habe vor einigen Monaten angefangen zu kiffen und mir meine erste Grow gekauft. Ich habe einige Fragen zu Drogenhanf.

Sind Cannabispflanzen zwittrig? Wenn nicht, woran erkennt man weibliche und männliche?" "Grow", das ist der Name eines Magazins für Haschischkonsumenten, das in Darmstadt erscheint und bundesweit in einer Auflage von - nach eigenen Angaben - 49000 Exemplaren erscheint. Man kann das bunte Heft an Kiosken kaufen, und mit Zuschriften der oben zitierten Art unterhält es seine Leser. Der Hinweis, dass Marihuanarauchen Krebs erregen kann, findet sich ebenso darin wie die Geschichte von Katja, 22, die wegen zu wenig Sex Haarausfall bekam.

Die krude Mixtur deutet bereits an, dass die von der Postille vertretene Szene jenen Zeiten entwachsen ist, als Haschischrauchen zu einem Akt des Protests gegen die Obrigkeit verklärt wurde. Der Besitz von bis zu sechs Gramm Dope, "ausreichend für 24 Konsumeinheiten", wie die Staatsanwaltschaft Darmstadt erklärt, wird stillschweigend geduldet, obwohl dies nach dem Betäubungsmittelgesetz noch immer verboten ist. Die "Konsumeinheit" wirkt übrigens ähnlich wie eine halbe Flasche Beaujolais.

An die Stelle des behagliche Wir-Gefühls, das in dem widersprüchlichen Zustand gipfelte, zugleich bekifft zu sein und sich aufgeklärt zu fühlen, ist ein esoterisches Selbstverständnis getreten. Das reicht von der Lebenshilfe ("Astrologie - mal ganz anders") bis zur allumfassenden Welterklärung. Da dürfen dann auch so dubiose Zeitgenossen wie Jan Udo Holey seitenweise dumpfe Rächertheorien ausbreiten.

Holey hat unter dem Pseudonym "Jan van Helsing" zwei Bücher über "Geheimgesellschaften" herausgegeben. Beide wurden wegen ihres volksverhetzenden Inhalts rasch verboten. Hier wimmelt es nicht nur von bösen Mächten, verbinden sich Freimaurer, Rosenkreuzer, Illuminaten, Ordensritter und Großkapitalisten zur Weltdiktatur, auch "das Judentum" wird für alle Katastrophen des Jahrhunderts verantwortlich gemacht. Holey leugnet den Holocaust, und in einer spitzfindigen Beweisführung legt er sogar da, dass Helmut Kohl eigentlich Henoch Kohn heiße und, natürlich, auch Jude sei.

Holeys Bekentnisse sind von "rechtsextremistischer Ideologie, primitivstem Antisemitismus und wüstesten Verschwörungsszenarien geprägt", urteilte Anton Maegerle in der Zeitschrift "Tribüne". Ob einem Sektierer nicht zu viel Ehre zuteil wird, wenn man seine Texte einer so gründlichen Exegese unterzieht, wie die "Tribüne" es tat? In der Frankfurter Anwaltskanzlei, auf deren Initiative hin das Buch "Jedem das Seine" des braunen Esoterikers Trutz Hardo indiziert wurde, heißt es, Holey sei ein "Wirrkopf", seine Äußerungen seien im Vergleich zu Hardos gefährlichem Gebräu "Schwachsinn".

Allerdings sind die esoterischen Deutungsmuster in ihrer Totalität und scheinbaren Unangreifbarkeit um nahezu jeden Schwachsinn erweiterbar. Aus Infiltration wird Integration; schleichend verwandelt sich antisemitische Polemik in Glaubenssätze einer Heilslehre. Deshalb dürfe man auch Leute wie Holey nicht aus den Augen verlieren, sagt einer der Frankfurter Anwälte. "Wir wollen, dass esoterische Buchhändler genauer hinschauen, was sie ins Regal stellen, und die Veranstalter, wen sie da einladen."

Solche Reflexionen hat die Redaktion von "Grow" längst hinter sich gelassen. Ungeniert biedert man sich bei "Jan van Helsing" an, um zu zeigen, dass "die Verfolgung von Hanf nur ein kleines Glied im Spiel der Mächtigen ist". Der Interviewer fordert Holey auf, die "teuflischen Methoden von Lüge und Betrug auch im Zusammenhang mit anderen Dingen" zu entlarven. Und so legt Holey los, um "beispielsweise eine völlig andere Geschichte des Zweiten Weltkriegs" zu erzählen.

In Holeys abstruser Sicht, gespiegelt in seinen Büchern, waren es "die Hebräer", die "zur Ausrottung des deutschen Volks aufriefen". Dass in Wirklichkeit Hitler am 30. Januar 1939 offen vor dem Reichstag "die Vernichtung der jüdischen Rasse" ankündigte, hätte der "Grow"-Redaktion wenigstens eine Frage wert sein können. Doch die gibt Holey lieber viel Raum, um von der "Tatsache deutscher Ufos" zu reden, über die Hitlers Wehrmacht verfügt habe, und die bei Kriegsende "in der Erde verschwunden sind". Holey hofft auf ihr baldiges Wiederauftauchen, "sie wären die stärkste Gegenmacht zu den von mir beschriebenen Manipulatoren". So entpuppen sich die Wirrnisse dieses Weltbilds als autoritäre Fantasien.

Man könnte im "Grow"-Heft darüber hinwegblättern, weiter zu den Cannabis-Anbauregeln, zeigten nicht die Leserbriefe in der nächsten Nummer, dass der Schwachsinn Anklang beim mutmaßlich jungen Publikum findet. Eine Birgit jubelt "Toll!" und wünscht "Mut im neuen Jahr". Die Redaktion dankt artig, weist zum Thema Vernichtungskrieg darauf hin, "dieses Kapitel unserer Geschichte konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden", rät, Helsing-Bücher komplett zu lesen und betont abschließend die eigene Toleranz.

Die Redaktion, die man gern mal danach gefragt hätte, sitzt in Amsterdam und lässt dort lediglich einen Anrufbeantworter sprechen.

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