Aus: FoodFirst 4/1999 - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Soziale und ökologische Kosten der Shrimps-Aquakultur

von Isabel de la Torre

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Industriell gezüchtete Krabben haben zunehmend den Weg auf die Teller in den reichen Ländern dieser Welt gefunden. In den USA zum Beispiel wurden im vergangenen Jahr eine Billion Pfund Shrimps konsumiert. Es kostete 3,1 Billionen Dollar, rund die Hälfte diesen Bedarfs aus tropischen Ländern zu importieren, wo Krabben in großen Mengen gezüchtet werden. Der Trend, gezüchtete Tiere einzuführen, hat sich in den vergangenen 15 Jahren phänomenal verstärkt. Und wenn er sich derart fortsetzt, wird dies nur unter großen Kosten für das Leben, die Existenzsicherung der ansässigen Bevölkerung, ihre Rechte auf die Ressourcen und die ökologischen Bedingungen in den armen Ländern möglich sein.

Shrimps werden in Becken hauptsächlich in Küstengebieten asiatischer und lateinamerikanischer Länder wieThailand, Indonesien, Indien, den Philippinen, Ecuador und Mexiko produziert. Wie später noch gezeigt werden wird, hat die junge Industrie in allen diesen Ländern Verwüstungen angerichtet. Zudem sucht sie nach Möglichkeiten, ihre Aktivitäten auf weitere Gebiete, speziell in Afrika, zu expandieren.

Verteidiger der Krabbenzucht bezeichnen sie als Lösung für Probleme wie Ernährungsunsicherheit, Armut und Arbeitslosigkeit. So wie das Geschäft praktiziert wird jedoch, bleiben Shrimps der luxuriöse Gegenstand, der sie immer waren. Anstelle eine Proteinquelle für Hungernde zu bieten, werden sie zu reichen Konsumenten exportiert. Krabbenzucht mag einige Investoren sehr reich machen, doch die Mehrheit der lokalen Bevölkerung wird durch den Aufbau von Zuchtbecken vertrieben.

Rund die Hälfte der tropischen Mangrovenwälder weltweit ist verloren gegangen, und davon wiederum die Hälfte in den vergangenen 20 Jahren. Shrimps-Zuchten waren einer der Hauptgründe für diesen Verlust. Durch Rodung der Mangroven, die Korallenriffe und die Brut von ca. 85 Prozent der handelsüblichen, tropischen Fischarten schützen, zerstört die Krabbenindustrie den Lebensraum bedrohter und anderer Spezies, Korallenriffe verschlammen und die Bestände von Meeresfischen an den Küsten schrumpfen. Für die ansässigen Fischer hat dies zu einem Rückgang der Fänge und vielfach zum Verlust ihrer Existenzsicherheit geführt.

In bestimmten Fällen zahlten die Betroffenen sogar mit dem Leben. So wurden erst am 11. Juni 1999 fünf Dorfbewohner getötet und 24 weitere verletzt, weil sie gegen die Mißachtung eines Entscheides des Höchsten Gerichts im Land protestiert hatten, wonach Krabbenzuchten aus einem Umkreises von 1000 Meter um den Chilika See, den größten Brackwasser-See Indiens, untersagt wurden. 1997 wurden im Rahmen von Konflikten, die aufgrund der Landnahme durch die Krabben-Industrie entstanden, über 100 Bangladeschi getötet.

Der Besitz oder die Nutzung von Boden oder Wasser bilden den Kernkonflikt in den Gebieten mit Krabbenzucht. Darüber hinaus besteht ein enormes Mißverhältnis zwischen dem Kapitalfluß in die Krabbenindustrie einerseits und der Beschneidung und Mißachtung der Grundrechte der lokalen Bevölkerung. Ein Fischer von den Philippinen beschwert sich: "Die Krabben leben besser als wir. Sie haben Elektrizität, wir nicht. Sie haben sauberes Wasser, wir nicht. Sie haben Mengen und Mengen von Nahrung, aber wir hungern."

Reisfarmer in Thailand haben sich gegen die Ausdehnung von Krabbenfarmen ins Inland gewehrt, weil deren Produktionsweise zu einer Versalzung der Felder führt. Frisches Grundwasser ist in küstennahen Gebieten nur eingeschränkt verfügbar. Wenn mehr aus dem Boden gepumpt wird als zurückfließt, versalzen Trinkwasser und Bewässerungsbrunnen. In Indien, Taiwan, Thailand, Ecuador und auf den Philippinen ist dies infolge der Shrimps-Industrie bereits der Fall.

Der offensichtlichste Angriff der Shrimps-Aquakultur auf die Umwelt ist die Zerstörung der Mangrovenwälder, die einen heiklen Übergang zwischen dem ländlichen und marinen Ökosystem darstellen. Sie schützen Küstenlinien vor der Erosion, küstennahe Regenwälder im Flachland vor tropischen Stürmen, sind entscheidend für den lokalen Artenreichtum und werden zunehemend für den ökologischen Tourismus genutzt. Andere Umwelteingriffe verschlimmern die Vernichtung der Mangroven noch. Dazu zählt die Einführung exotischer Krabbenformen, die den Verlust der genetischen Vielfalt bzw. die Schwächung des genetischen Grundstocks der natürlichen Arten befürchten lassen und zur Verbreitung von Krankheitserregern und Parasiten beiträgt. Außerdem werden junge Krabben, die zur Aufstockung des Bestandes in den Zuchtbecken gebraucht werden, mit feinmaschigen Netzen gefangen. Dabei kommt es zu einem Nebenfang, der auf 100 Fische pro Zuchtkrabbe geschätzt wird. Er liegt damit höher als bei der Krabbenfischerei per Schleppnetz, die für die höchste Beifangrate innerhalb der Fischerei bekannt ist.

Antibiotika, Fungizide, Parasitizide, Algizide und Pestizide werden benutzt, um Krankheiten in der hoch-intensiven Shrimps-Aquakultur vorzubeugen. Die Behandlung von bakteriellen Infektionen in den Krabbenteichen durch starke Dosen von Antibiotika, die dem Futter zugesetzt werden, lassen ein entsprechend hohes Vorkommen in den vermarkteten Tieren befürchten. Die Resistenz gegen Antibiotika unter den Konsumenten wächst entsprechend.

Ziele des ISA-Net

Die fortgesetzte Produktion von Zuchtkrabben und ihr zunehmender Konsum haben NGOs in den produzierenden Ländern der Tropen und den Konsumländern in Nordamerika, Europa und Japan zur Zusammenarbeit bewegt. Im Ergebnis hat sich am Welternährungstag 1997 das Industrial Shrimp Action Network gebildet. Ein prinzipielles Anliegen von ISA-Net ist die Rückenstärkung der Gemeinden in den Zuchtgebieten und die Unterstützung ihrer Anstrengungen, die Kontrolle über die Ressourcen zu behalten, von denen sie abhängen. Des weiteren will es die Verbraucher über die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kosten der Shrimps-Produktion informieren, so daß diese bewußte Entscheidungen beim Kauf und Konsum von Krabben treffen können.

Zur Umsetzung der genannten Anliegen sucht ISA-Net die konstruktive Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Regierungen, lokalen und internationalen Investoren, der Krabbenzucht-Industrie, multilateralen Entwicklungsbanken, bilateralen Agenturen, lokalen Vermittlern sowie die Öffentlichkeit in den Shrimps produzierenden und konsumierenden Ländern. Dabei ist das primäre Ziel, eine ökologisch und sozial nachhaltige Politik und Praxis aufzubauen.

Isabel de la Torre ist die Internationale Koordination von ISA-Net. Im Oktober erschien ihr Buch "Prawn to Trade, Prawn to Consume", das die sozialen und ökologischen Folgen der industriellen Krabbenzucht diskutiert. Weitere Informationen unter e-mail: isatorre@seanet.com.

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