Quelle: www.pda.ch/vorwaerts/index.html

Währungsunion als Knacknuss für die Linke in Schweden

von Henning Süssner, Stockholm

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Während Schwedens sozialdemokratische Regierung auf einen Beitritt zur Europäischen Währungsunion drängt, bleibt die Bevölkerung skeptisch. Von der Kritik am Euro-Raum profitiert insbesondere die Linkspartei.

Schweden steht nach wie vor ausserhalb der 1999 offiziell eingeleiteten Europäischen Währungsunion (EWU). Die Linie der seit 1994 im Amt sitzenden sozialdemokratischen Minderheitsregierung in Stockholm war stets pragmatisch abwartend. Lange war man bestrebt einer eindeutigen Stellungnahme zu einer schwedischen Mitgliedschaft in der EWU auszuweichen. Seit Anfang diesen Jahres sieht die Situation jedoch anders aus: Nunmehr setzt die Führung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SAP) ihr gesamtes Prestige daran, Schweden in die EWU zu führen. Dies wird nicht zuletzt von vielen der eigenen Mitglieder als politischer Salto mortale empfunden.

Wie auch in den übrigen EU-Ländern wurde die Haushalts- und Finanzpolitik Schwedens schon seit 1995 an die Eintrittsforderungen der EWU angepasst. Die sozialdemokratische Regierung war doch lange dazu gezwungen, Rücksicht auf die stark EU-kritischen Strömungen innerhalb der eigenen Partei Rücksicht zu nehmen. Schon seit der Volksabstimmung zum EU-Beitritt im November 1994 ist die Parteibasis stark gespalten. Damals entschieden sich 52% der schwedischen Stimmbevölkerung für eine Mitgliedschaft in der EU. Der Widerstand gegen die Mitgliedschaft wuchs allerdings im folgenden Jahr und Ende 1995 waren laut Umfragen nahezu 60% der SchwedInnen ausgesprochene EU-GegnerInnen. Im folgenden konzentrierte der Widerstand hauptsächlich auf die Frage um den Beitritt zur EWU.

Die EU-GegnerInnen, die in Schweden vor allem auf der Linken zu finden sind, forderten eine neue Volksabstimmung, da das Thema EWU absichtlich während der Mitgliedschaftsabstimmung unter den Teppich gekehrt worden war. Plötzlich sah sich die gerade erst zur Macht gekommene sozial-

demokratische Regierung hartem Druck aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Dort formierte sich der Widerstand gegen die EU-Anpassung Schwedens bis in die Reihen des Parteivorstands hinein. Nicht zuletzt die neoliberale EU-Anpassung des Staatshaushaltes an die EWU-Anforderungen sorgte für politischen Druck. Der neue Premierminister Göran Persson konnte sich 1996 zwar stolz als «Weltmeister im Sparen» bezeichnen, sah sich allerdings kraftvollen Massendemonstrationen gegen die Sparpolitik der Regierung ausgesetzt.

Ab 1996 wurde von Persson die Parole ausgegeben, dass die Frage einer schwedischen Mitgliedschaft in der EWU nicht aktuell sei. Auf den Hinweis des bürgerlichen Oppositionsführers Carl Bildt, dass man mit der Ratifikation des Maastrichter Vertrages bereits einer Mitgliedschaft in der EWU beigestimmt habe, antwortete Premierminister Persson, dass die EU «natürlich nicht» ein souveränes Land wie Schweden zur Mitgliedschaft zwingen werde. 1997 legte eine staatliche Expertenkommission einen Bericht zu einer eventuellen Mitgliedschaft Schwedens in der EWU vor. Das Ergebnis war ein prinzipielles Ja zur EWU aus volkswirtschaftlicher Sicht, allerdings mit dem gutem Rat, dass man nichts übereilen solle und deshalb nicht von Anfang an dabei sein sollte.

Dies erwies sich als eine bequeme Lösung für die Regierung. Göran Persson verkündete, dass man «jetzt noch nicht» der EWU beitreten wolle, aber «womöglich» später. Mit Erfolg kehrte man das umstrittene Thema im Vorfeld des Wahlkampfes 1998 unter den Teppich. Als die EWU am 1. Januar 1999 offiziell von 11 EU-Ländern eingeleitet wurde und der Euro innerhalb weniger Wochen stark an Wert gegenüber der schwedischen Krone verlor, konnte sich die sozialdemokratischen Wahlstrategen ruhig in ihren Ohrensesseln zurücklehnen.

Die Europaparlamentswahl vom Juni 1999 zeigte allerdings, dass das offensichtlich ein Fehler war. Der grösste Konkurrent der Sozialdemokraten um die wichtigen StammwählerInnen aus der Gewerkschaftsbewegung, die exkommunistische Linkspartei, war einer der grossen Wahlgewinner. Die Sozialdemokraten untertrafen sogar ihr ohnehin schlechtes Wahlergebnis von der Parlamentswahl im Herbst 1998. Während die Linkspartei v.a. mit ihrer klar formulierten Anti-EU-Linie Stimmen gewinnen konnten, war der andere Wahlsieger die am deutlichsten EU-freundliche Partei, die liberale Volkspartei. Dazwischen standen die als profillos empfundenen Sozialdemokraten.

Mit 36 Prozent der Stimmen erhielt Göran Perssons Partei im September 1998 das schlechteste Wahlresultat seit 1920. Dass man sich trotzdem an der Regierungsmacht halten konnte, hat man just der Linkspartei zu verdanken, die zusammen mit den Grünen die parlamentarische Sicherheit der Minderheitsregierung ausmacht. Die Linskpartei ist seit der 98er Wahl mit 12% die drittgrösste Partei im Reichstag und konnte sich bislang in mehreren Umfragen auf diesem Niveau halten.

Nicht zuletzt deshalb befürchtet man in der Spitze der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei offensichtlich, dass die EWU-Debatte durchaus die nächsten Parlamentswahlen im September 2002 beeinflussen könnte. Deswegen haben die Mühlen der sozialdemokratischen Wahlmaschinerie zu mahlen begonnen. Der Gedanke liegt nämlich nahe, dass die unentschlossene Haltung der Regierung in der EWU-Frage von sowohl rechts als auch links ausgenutzt werden könnte. Da die beiden EU-kritischen Stützparteien der Sozialdemokraten an ihre vertraglichen Abmachungen zum Etat gebunden sind, bleibt ohnehin kaum Raum zur innenpolitischen Profilierung. Die wird vermutlich da gesucht werden, wo man nicht an den Kuhhandel mit der Regierung gebunden ist, namentlich der EU- und EWU-Kritik. Und auf der rechten Seite attackiert die bürgerliche Opposition schon seit langem die unentschlossene Haltung der Sozialdemokraten zur EWU.

Vermutlich nicht zuletzt um die EWU-Debatte lange vor dem nächsten Wahlkampf zu einem Ende zu bringen, entschloss sich der geschäftsführende Vorstand der Sozialdemokraten endlich die Katze aus dem Sack zu lassen. Trotz umfassender Proteste von prominenten sozialdemokratischen EU-Kritikern schritt man schliesslich im Januar diesen Jahres zur Tat. Göran Persson erklärte, dass man dem ausserordentlichen Parteitag im März vorschlage, für den Beitritt zur EWU Stellung zu beziehen. Diese Mitteilung hat die sozialdemokratischen EWU-KritikerInnen auf die Barrikaden getrieben. Diese fordern nun, wie übrigens auch die beiden grössten bürgerlichen Oppositionsparteien und die Linkspartei, dass eine Volksabstimmung über den Beitritt zur EWU abgehalten werden soll. Diese Forderung trifft jedoch auf taube Ohren im geschäftsführenden Ausschuss der Partei.

Auch wenn der EU-Widerstand in Schweden seit 1994 beträchtlich schwächer geworden ist, ist der Ausgang einer solchen Abstimmung nämlich nicht sicher. Trotz einer generellen Propagandaoffensive in der stark bürgerlich dominierten schwedischen Presse und einer EWU-freundlichen «Aufklärungskampagne» der Regierung sind nach wie vor bloss 40% der SchwedInnen Befürworter eines Beitritts zur EWU, während 41% der WählerInnen dagegen sind.

Dies laut der jüngsten Meinungsuntersuchung des angesehenen SIFO-Instituts. Göran Persson hat sich wohl nicht zuletzt deswegen negativ zu einer Volksabstimmung ausgesprochen, was seine Kultusministerin Marita Ulvskog am vergangenen Wochenende dazu veranlasst hat, mit ihrem Rücktritt zu drohen. Die nächste Station für das Ringen um das Ja zum EWU-Beitritt ist damit der kommende Parteitag der Sozialdemokraten.

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