Editorial

Ein weiterer Blick zurück

von Peter Schulz

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Am 22.Februar tagte die Redaktionskonferenz und besprach das neue Schwerpunktthema des laufenden Jahres. Der Anlaß dazu war doppelter Natur: Nach Abschluß der Serie "Aufruhr & Revolte" war diese ins PARTISAN.net-Archiv umgezogen. Die DDR-Serie war durch den Weggang von Karl Mueller ins Stocken geraten.

In der Aussprache zeigte sich, daß sich die Redaktion nur wenig mit dem "DDR"-Thema identifizieren konnte. Schließlich hätten die dafür notwendigen Vermittlungsschritte von Karl Mueller geleistet werden müssen, der sich bekanntlich in die Unendlichkeit des Cyberspace zurückgezogen hatte und dort mit neuen Projekten befaßt ist. Daher beschloß die Redaktion,  das von Mueller hinterlassene Datenmaterial im Laufe des Jahres nach HTML zu konvertieren, um es dann zu veröffentlichen. Danach wird auch diese Serie ihren Gang in den Gedächtnisspeicher des PARTISAN.net antreten.

Hingegen bestand die einhellige Meinung, als nächstes den historischen Entwicklungslinien nachzugehen, die - der Studenten- und Jugendrevolte entspringend - sich bis die Gegenwart weitervermittelt haben. Hierbei interessierte die Redaktion wenig die zigmal aufgedröselte ML-Bewegung, sondern die Transformation des antiautoritären Flügels in die Bewegung der selbstorganisierten Jungarbeiter- und Schülerzentren, die ab Juli 1971 wie ein Flächenbrand von Berlin-Kreuzberg ausgehend  breite Teile der Bundesrepublik ergriff.

In diesem Transformationsprozeß hatten etliche durch die APO radikalisierte Studenten die Funktion von Anstoßgebern, aber zum politischen Subjekt dieser Bewegung wurden sie nicht. Es war tatsächlich eine Jugendbewegung, aus der die Studenten in dem Maße ausstiegen, wie sie in ihren akademisch präformierten Berufen ankamen.

Die Jungarbeiter- und Schülerbewegung der frühen 70er kann daher als der genuine Vorläufer der sogenannten neuen sozialen Bewegungen angesehen werden. Das soll durch Wiederzugänglichmachen von Originaldokumenten und Zeitzeugenstatements aufgezeigt werden.

Die Redaktion plant daher einen weiteren Blick zurück. Doch sie will nicht in Nostalgie schwelgen, sondern die Schnittstellen und Anknüpfungspunkte herausarbeiten, die einer Rekonstruktion revolutionärer Politik, die die Befreiung des Individuums in ihren Mittelpunkt stellt, dienlich ist.  Denn eine linke Politik, die sich nicht von dem abkoppelt, was PDS oder ihr verwandte arbeiterbewegungsmarxistische Gruppen inhaltlich und praktisch repräsentieren, hat sich bereits dadurch selbst kastriert. Insofern ist der Blick zurück, um den es der Redaktion geht, ein Blick nach vorn, weil er ideengeschichtlich an Konzepten anknüpft, die - entgegen dem politischen Marxismus der proletarischen Bewegungen -  einer politischen Praxis in der spätbürgerlichen Gesellschaft entspringen.

Die trend-Redaktion wird sich von daher an den politischen PARTISAN.net-Plena mit ihrem Thema "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" - Jungarbeiter- und Schülerbewegung in der BRD der frühen 70er Jahre (Arbeitstitel) beteiligen und voraussichtlich ab der Juniausgabe mit dieser neuen Doku-Serie starten.

 Scan vom Original - hergestellt nach einem ersten Blick ins trend-Archiv .

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