100 JAHRE NOVEMBERREVOLUTION

100 Jahre
Räterepublik Kurpfalz

von Revolutionäre Linke Mannheim (RLM)

02/2019

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.... In den letzten Wochen des Kriegs und bevor in Kiel die Matrosen meuterten, gerieten auch
in Mannheim die politischen Verhältnisse in Bewegung. Auf einer Protestkundgebung im
Rosengarten am 28. Oktober 1918 forderte der USPD-Reichstagsabgeordnete Hugo Haase vor 5000 Zuhörern die Beseitigung der Monarchie. Hiergegen agitierten Mannheimer Vertreter der MSPD und riefen zur „Besonnenheit“ auf. Beide Strömungen der Arbeiterbewegung wurden als in Kiel eine Meuterei der Matrosen in den offenen Aufstand überging von den Ereignissen überrollt.

Am 9. November war auch in den wichtigsten Städten Badens der Tag der Revolution und es gründeten sich verschiedene Arbeiter und Soldatenräte. Dieser Entwicklung versuchte die MSPD mit der Einrichtung der Wohlfahrtsausschüsse entgegenzuwirken. In diesen Ausschüssen waren Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei, des Zentrums, sowie mehrere Gewerkschaftsfunktionäre vertreten und sollten die Unzufriedenheit in der Bevölkerung kanalisieren. Diesen Versuchen ungeachtet, übernahm in Mannheim ein Arbeiter- und Soldatenrat die Macht. Dem Rat gehörten jeweils 25 Mitglieder der USPD und der MSPD sowie 20 Soldaten an. Gestützt auf eine eigene Volkswehr, wurden alle wichtigen Gebäude der Stadt besetzt und über die Rheinbrücke zurückkehrende Truppen entwaffnet. Da die Stadtverwaltung und die noch anwesenden Militärs kooperierten und sich die Revolutionäre ähnlich wie in Kiel diszipliniert verhielten, vollzog sich dieser Übergang erstaunlich friedlich.

Am 10. November tagte der Mannheimer Rat und verabschiedete eine Entschließung in der gefordert wurde, dass die Arbeiter- und Soldatenräte der größeren badischen Städte die nötigen Schritte tun, um Baden als sozialistische Republik zu proklamieren und die Bildung einer Volksregierung in die Wege zu leiten. Damit konnte sich der Mannheimer Arbeiter- und Soldatenrat jedoch nicht durchsetzen. Zwar wurde am 10. November eine „Badische vorläufge Volksregierung“ gebildet, der sozialistische Charakter ist hier jedoch schon nicht mehr zu erkennen. Zum Ministerpräsidenten dieser vorläufgen Volksregierung wurde der Mannheimer Landtagsabgeordnete der MSPD Anton Geiß, der schon lange vor 1914 dem Reformistischen Flügel der Partei angehörte und eine Landesverfassungsgebende Versammlung für den 5.1.1919 ansetzte.

Auf Initiative des Mannheimer Rates wurden parallel hierzu am 21.11. die badischen Räte nach Mannheim eingeladen um einen Landesausschuss von 11 Personen zu wählen, der als Kontrollfunktion der provisorischen Regierung in Baden fungieren sollte. Damit etablierte sich in Baden – ähnlich wie auf der Reichsebene, ein Dualismus zwischen parlamentarischer Regierung und den Arbeiter- und Soldatenräten.

Ein erster Erfolg der nun auf Landesebene koordinierten Räte, war die Abdankung des Großherzogs von Baden, die erst durch ihren Druck am 22.11.1918 zustande kam. Trotz dieses wichtigen Schrittes zur Demokratisierung des Landes darf nicht vergessen werden, dass der Einfluss der MSPD in den Räten und ihren Vollzugsorganen stark war, sodass auch die Räte gegenüber der provisorischen Regierung keinen einheitlichen Block für die soziale Revolution bildeten.

Diese Schwäche wurde deutlich als am 10. Dezember ein Infanterieregiment ohne vorherige Information des Mannheimer Arbeiter- und Soldatenrates in Mannheim einmarschierte. Gestützt auf die Bevölkerung und die Volkswehr hatte der Rat zunächst versucht sich der Armee entgegenzustellen und seine Machtbasis zu behaupten, gab jedoch letztlich der Anweisung der „Volksregierung“ nach.

In eine für Mannheim und die junge Republik turbulente Zeit fel die Wahl zur verfassungsgebenden Landesversammlung in Baden am 5. Januar 1919. Während sich am 4. Januar in Berlin die Ereignisse überschlugen, verschaffte sich in Mannheim eine Demonstration von 2000 Arbeitslosen etwas Luft. Die Demonstranten sprengten mehrere politische Sitzungen im Mannheimer Rathaus, darunter eine der DNVP und misshandelten städtische Beamte. Hierdurch konnten höhere Unterstützungssätze und die Abschaffung der niedrigeren Unterstützung für Frauen erreicht werden. Trotz dieser spontanen Aktionen, die ein hohes Maß an sozialen Spannungen in der Bevölkerung belegten, war das Ergebnis zur Wahl der verfassungsgebenden Landesversammlung für die USPD ernüchternd.

Und auch auf der Straße formierte sich eine konterrevolutionäre Allianz, der es am 06.01. gelang in Mannheim 50.000 Menschen zu einer Demonstration gegen „den Putschismus“ zu mobilisieren. Doch auch die blutige Niederschlagung des Januaraufstandes und die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, durch von der SPD Regierung eingesetzte Freikorps trieb am 17.01. und am 07.02. mehrere Tausend Mannheimer auf die Straßen. Die Fraktionen der „bürgerkriegsähnlichen“ Auseinandersetzungen wie sie reichsweit zu erkennen waren, zeichnen sich somit auch deutlich in Mannheim ab.

Räterepublik Kurpfalz

Wie schon die Wahlen zur verfassungsgebenden Landesversammlung felen die zur Deutschen
Nationalversammlung am 19. Januar 1919 für die USPD ernüchternd aus. Das schlechte
Wahlergebnis und die angespannte wirtschaftliche Lage führte zur Radikalisierung der USPD in
Baden, deren Mitglieder in hohem Maße mit der KPD sympathisierten und einem Zusammenschluss offen gegenüberstanden. In dieser angespannten Situation stieß die Ermordung von Kurt Eisner am 21. Februar 1919 eine neue Welle revolutionärer Aktivitäten an. Die Arbeiterschaft Mannheims erfuhr von der Ermordung während Erich Mühsam nach Einladung durch die USPD im Rosengarten vor 6.000 Menschen sprach. Nach kurzer Unterbrechung wurde beschlossen, dass Abends eine Tagung von Arbeitervertretern stattfnden sollte, um für den 22. Februar einen Generalstreik zu organisieren. Während die SPD ihre Teilnahme an dieser Tagung verweigerte beschlossen die Vertreter von USPD, KPD und einigen Syndikalisten die Entwaffnung der Volkswehr und die Bewaffnung des Proletariats.

Am Tag nach der Ermordung Eisners versammelten sich 30.000-40.000 Personen vor dem
Rosengarten. Wer genau die „Räterepublik Kurpfalz“ ausrief ist umstritten, jedenfalls wurde ein
Revolutionärer Arbeiterrat gegründet, der veranlasste die überwiegend aus Sozialdemokraten bestehende Mannheimer Volkswehr zu entwaffnen und die Gefangenen im Schloss- und im Q6-Gefängnis zu befreien. Letzteres wurde im Anschluss an die Gefangenenbefreiung niedergebrannt. Weiter wurden Lebensmittel beschlagnahmt und verteilt, Beamtenbüros verwüstet, Akten auf der Straße verbrannt und das Standrecht verhängt.

Der Revolutionäre Arbeiterrat begründete dieses Vorgehen vor allem mit den Putschversuchen
reaktionärer Kräfte welche die Errungenschaften der Revolution revidieren wollten. Wie der Kapp-Putsch später noch zeigen sollte waren diese Befürchtungen keinesfalls aus der Luft gegriffen. Während im März 1920 jedoch die Arbeiterbewegung gemeinsam den reaktionären Putsch abwehrte, verlief 1919 die Front zwischen den Arbeiterparteien. So versuchten die Revolutionäre in Mannheim den Verlagsort der sozialdemokratischen Volksstimme zu besetzen, um den Druck von Regierungsmitteilungen zu verhindern, welche die Räterepublik Kurpfalz für nicht existent erklärten. Als dies durch eine bewaffnete Gruppe von SPD-Mitgliedern unterbunden wurde, bauten die Anhänger der Räterepublik mehrere der zuvor erbeuteten Maschinengewehre auf und beschossen das Gebäude. Hierbei kam ein Sozialdemokrat
ums Leben und 2 weitere wurden verletzt.

In Reaktion auf die revolutionären Bestrebungen verhängte die vorläufge Badische Landesregierung den Belagerungszustand über Mannheim, unterbrach den Zugverkehr und stellte ein Freiwilligenbataillon auf, welches die Entwaffnung der Revolutionäre vornehmen sollte. Bereits am 25.2.1919 veröffentlichten SPD, USPD und KPD eine gemeinsame Erklärung welche das Ende der Mannheimer Räterepublik bekannt gab. Erstaunlich geräuschlos wurde die KPD auf Kosten der USPD mit 5 Sitzen in den Mannheimer Arbeiter- und mit einem Sitz in den Vollzugsrat aufgenommen.

Die vorläufge Landesregierung setzte den Belagerungszustand trotz dieser Vereinbarung fort und wollte hierdurch eine Schwächung und Entwaffnung des revolutionären Flügels der
Arbeiterbewegung in Mannheim erreichen. Deshalb rückte am 07. März das 2. Badische Freiwilligenbataillon aus Bruchsal in Mannheim ein und nahm Entwaffnung, Haussuchungen und Verhaftungen unter den Aufständischen vor. Dieser Einmarsch verlief ohne Gegenwehr, auch weil in Seckenheim auf direkten Befehl von Gustav Noske das berüchtigte Freikorps Pfeffer stationiert war und auf einen Marschbefehl nach Mannheim wartete. Der revolutionäre Teil der Arbeiterbewegung steckte somit in einer Zwickmühle. Eine Auseinandersetzung mit dem Freiwilligenbataillon hätte eine noch blutigere mit dem Freikorps nach sich gezogen, sodass man sich dem kleineren Übel beugte. Am 10. März wurde der Belagerungszustand aufgehoben und damit war die Episode der Kurpfälzischen Räterepublik beendet....

Quelle: Leseauszug aus "100 Jahre Räterepublik Kurpfalz", herausgegegeben von "Revolututionäre Linke Mannheim". Die komplette Broschüre gibt es  auf deren Website: rlma.blogsport.eu