Venezuela: Nein zu dem von den USA geförderten
Putschversuch!
25.1.2019
Der Machtkampf
hat in Venezuela eine neue Phase erreicht. Es
wird wahrscheinlich ein entscheidender Punkt
sein. Am Mittwoch, dem 23. Januar, rief sich
Juan Guaidó, bisher Vorsitzender des rechts
dominierten Parlaments, bei einer
Massenkundgebung der Oppositionskräfte zum
Interimspräsidenten des Landes aus. Donald
Trump und die US-Regierung erklärten innerhalb
weniger Minuten ihre Unterstützung für diesen
selbsternannten Präsidenten und erkannten ihn
als den einzigen legitimen Vertreter des Landes
an.
„Ich werde
weiterhin das volle Gewicht der
wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der
Vereinigten Staaten nutzen, um auf die
Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela
zu drängen“, verlas der US-Präsident aus einer
vorbereiteten Erklärung.
Dies war
natürlich nicht nur eine Bestätigung des
Kampfes der rechten Opposition, Präsident
Nicolás Maduro zu stürzen und die politische
Macht zu übernehmen, sondern auch ein Aufruf an
die venezolanischen Streitkräfte, sich gegen
das bolivarische Regime zu erheben und durch
einen Putsch die „Demokratie
wiederherzustellen“.
Kein Wunder,
dass so illustre DemokratInnen wie der
halbfaschistische brasilianische Präsident Jair
Bolsonaro, der neoliberale argentinische
Präsident Mauricio Macri oder der
rechtskonservative kolumbianische Präsident
Iván Duque in diesen Chor einfielen.
Imperialistische Demokratien wie Kanada, der
Präsident des Europäischen Rates der EU, Donald
Tusk, und seine Hohe Vertreterin für Außen- und
Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, folgten
schnell der Führung durch die USA. Obwohl es
ihnen nicht gelungen ist, die Organisation
Amerikanischer Staaten (OAS) zu erpressen,
diesem Beispiel zu folgen, haben sie 12
lateinamerikanische Staaten dafür gewonnen,
eine Erklärung abzugeben, dass sie Maduro nicht
als Präsidenten Venezuelas anerkennen.
Einige Länder,
Kuba, China, die Türkei, Russland und
Nicaragua, haben die Machtgelüste der Rechten
abgelehnt, aber China, Russland und die Türkei
haben dies eindeutig für ihre eigenen
politischen, wirtschaftlichen und
geostrategischen Interessen getan. Ausgerechnet
von ihnen kommt die Ablehnung der „Einmischung
in andere Länder“ wie eine heuchlerische und
zynische Farce daher.
Kein Wunder,
dass diese selbsternannten VerteidigerInnen der
nationalen Souveränität wenig Resonanz unter
den Massen der Welt finden werden. Noch
wichtiger ist, dass sie nichts tun werden, um
den venezolanischen Massen, den ArbeiterInnen,
Bauern und Bäuerinnen des Landes zu helfen,
ihre Errungenschaften aus dem ersten Jahrzehnt
der „Bolivarischen Revolution“ zu verteidigen.
Nicht minder
absurd sind Versuche von Ländern wie Mexiko und
Spanien, als Vermittler zwischen der Regierung
Maduro, der Opposition und deren
imperialistischen UnterstützerInnen zu
fungieren. Nur IdiotInnen können glauben, dass
die venezolanische Opposition, die einen
umfassenden Kampf um die Absetzung Maduros und
die Errichtung eines Pro-US-Regimes eröffnet
hat, geschweige denn Trump selbst, den Putsch
in seinen entscheidenden Tagen zu stoppen
aufrufen würden. Nur wenn sie ihr Ziel
verfehlen, könnten sie versuchen, solche
VermittlerInnen einzusetzen, um eine
„Übergangszeit“ einzuleiten, aber nur, um am
Verhandlungstisch zu gewinnen, was sie auf der
Straße nicht erzwingen konnten.
Die
entscheidende Frage für die Opposition ist im
Moment nicht „Demokratie“, sondern ob sie die
Loyalität der Armee zum Regime brechen kann.
Verliert Maduro die Unterstützung der Generäle
oder das Oberkommando selbst die Kontrolle über
wichtige Teile der Armee, würde dies zu einem
mehr oder weniger blutigen Sturz des
Präsidenten oder aber zu einem Bürgerkrieg
führen. Zu diesem Zeitpunkt wären die USA
eindeutig bereit, entweder offen selbst unter
Vorwänden wie der „Verteidigung“ ihrer
Botschaft oder ihrer Staatsangehörigen, durch
militärische Unterstützung der Opposition oder
Hilfe bei der Intervention ihrer
brasilianischen oder kolumbianischen
Verbündeten einzugreifen. Die kommenden Tage
dürften entscheidend für die zukünftige
Entwicklung sein.
Kämpft gegen
die Rechte, aber keine Illusionen in Maduro!
Mit dem Ziel,
Maduro zu stürzen, versucht die Rechte
eindeutig, die derzeitige wirtschaftliche,
soziale und politische Krise des bolivarischen
Regimes zu nutzen. In den letzten Jahren wurde
Venezuela von negativen internationalen
Wirtschaftsentwicklungen wie sinkenden
Ölpreisen und steigenden Schulden getroffen.
Die verzweifelten Maßnahmen der Regierung haben
die Situation verschlimmert und es der
„bolivarischen“ Bourgeoisie, den BürokratInnen
und VermittlerInnen ermöglicht, sich zu
bereichern, während die Massen verarmt sind.
Die
Hyperinflation hat die nationale Währung
praktisch wertlos gemacht. Sie hat den Massen
die Möglichkeit genommen, für ihre
Lebensbedürfnisse zu bezahlen, abgesehen von
den wenigen mit Zugang zu Fremdwährungen. Sie
hat die Geschäfte leer gelassen. Kein Wunder,
dass die rechte, pro-amerikanische Opposition
in der Lage war, Teile der verarmten Massen um
sich zu sammeln, obwohl die westlichen
Pro-Putsch-Medien diese Unterstützung durchaus
überbewerten dürften.
Als die
wirtschaftliche und politische Lage immer
prekärer wurde, wandte sich Maduro der
Repression und der Wahlmanipulation zu, weil
unter Chávez keine wirkliche Demokratie
geschaffen wurde, die auf Delegiertenräten von
ArbeiterInnen, Armen und Bauern/Bäuerinnen
basierte, und weil die Armee nicht durch eine
Volksmiliz ersetzt wurde. So konnten die Massen
selbst nicht handeln, die wirtschaftlichen und
moralischen Grundlagen ihres Selbstbewusstseins
wurden untergraben und die Opposition konnte
über die besser gestellten Mittelschichten
hinaus an Massenunterstützung zulegen.
Zusammen mit
den Nachwirkungen der Weltfinanzkrise wurde
damit die Utopie der „Bolivarischen Revolution“
auf grausame Weise enthüllt, eine Strategie,
die auf dem Glauben beruht, dass es möglich
sei, die Interessen des venezolanischen
Großkapitals, das privilegierte Leben der
städtischen Mittelschicht mit verbesserten
Lebensstandards und kulturellen Bedingungen für
die ArbeiterInnen, die Bauern/Bäuerinnen und
die Armen über Sozialprogramme in Einklang zu
bringen.
Bereits unter
Chávez geriet dieses utopische „sozialistische“
Projekt in seine eigenen Widersprüche, unter
Maduro wurde das Regime zu dem einer
permanenten Krise. Im Gegenzug musste es seine
eigene Macht zunehmend auf das Militär und die
staatliche Bürokratie stützen und damit die
eigene soziale Basis noch mehr untergraben.
Politisch gesehen wurde sein diktatorischer
Aspekt immer offener und er wandte sich auch
gegen die linke bolivarische Opposition, indem
es eine bonapartistische Präsidentschaft mit
pseudodemokratischen Formen wie der selbst
gewählten „konstituierenden Versammlung“
kombinierte.
Es ist zwar
klar, dass sich die bolivarische Regierung und
Maduro als unfähig erwiesen haben, Venezuela
aus der aktuellen Krise zu führen, aber es wäre
falsch und einseitig, nur ihre Inkompetenz und
Korruption für die aktuelle Krise
verantwortlich zu machen. Der Putschversuch ist
Teil eines reaktionären Rollback in ganz
Lateinamerika, wo die USA und wichtige Teile
der nationalen Bourgeoisien allen
reformistischen oder linkspopulistischen
Regierungen den Krieg erklärt haben.
Ein Erfolg des
Putsches von Guaidó würde weder den Armen noch
den Massen in irgendeine Weise zugutekommen. Er
würde nur ein weiteres rechtsgerichtetes Regime
einführen, um die Macht der multinationalen
US-Konzerne und der traditionellen Oligarchie
wiederherzustellen. Es würde keines der
sozialen Probleme lösen und sicherlich auch
nicht die Abhängigkeit des Landes von Weltmarkt
und Imperialismus in Frage stellen.
Der Putsch
könnte die USA gegenüber ihren russischen und
chinesischen RivalInnen stärken, die in
Venezuela etwas Fuß gefasst haben und er würde
das kubanische Regime weiter isolieren. Das ist
natürlich die eigentliche Absicht des Weißen
Hauses. Sicherlich wird jedes Regime, das durch
einen erfolgreichen Putsch gebildet wurde,
nicht „demokratisch“ sein. Vielmehr wird es
alles in seiner Macht Stehende tun, um alle
wirtschaftlichen, sozialen und
organisatorischen Vorteile zu zerstören, die
die Massen unter Chávez erlangt haben und die
Maduro noch nicht einkassiert hat.
Deshalb
sollten die ArbeiterInnenklasse, die Bauern und
Bäuerinnen sowie die Armen in Venezuela den
Putsch nicht unterstützen. Sie müssen ihn
vielmehr bekämpfen, aber ohne Illusionen in
Maduro und seine Politik. Sie müssen nämlich
jede politische Unterstützung für sein
katastrophales Programm zurückziehen.
Stattdessen
müssen sie Sofortmaßnahmen fordern, damit sie
einer US-Intervention oder der Armee trotzen
können, wenn sie zur Unterstützung der Rechten
übergeht. Sie müssen die Bewaffnung der
ArbeiterInnen, der Bauern/Bäuerinnen und der
Armen fordern, die einen von den USA
gesponserten Putsch verhindern wollen!
Sie müssen
auch Maßnahmen fordern und selbst Schritte
unternehmen, um die Knappheit der
lebenswichtigen Vorräte an Nahrungsmitteln,
Treibstoffen und medizinischen Hilfsgütern
anzugehen, um das brennende Problem des Hungers
zu lösen, das vor allem durch die Sanktionen
der USA und das Horten von Waren verursacht
wird. Dies kann nur durch die Beschlagnahme des
Besitzes der PrivatkapitalistInnen in diesem
Bereich und durch die Schaffung direkter
Verbindungen zwischen Stadt und Land erreicht
werden.
Solche
Schritte könnten natürlich nicht nur dazu
beitragen, dem Putschversuch zu trotzen,
sondern auch die politische und wirtschaftliche
Krise zu bewältigen; die Notwendigkeit einer
revolutionären Alternative zur bolivarischen
Führung, der „Boli-Bourgeoisie“ und der
Bürokratie anzupacken. Venezuela leidet nicht
unter „zu viel Sozialismus“, sondern unter
einem Mangel an sozialistischen Maßnahmen. Nur
durch entschlossenes Handeln in diesem Bereich
kann die Krise angegangen, ein Notfallplan
unter der Kontrolle der ArbeiterInnen und
Massen durchgesetzt und eine ArbeiterInnen- und
Bauern-/Bäuerinnenregierung geschaffen werden.
Internationale Solidarität
Angesichts der
Einmischung durch die USA und ihre Verbündeten
dürfen die ArbeiterInnenklasse und die Linke
international nicht beiseitestehen. Sie müssen
sich gegen die Unterstützung der
Konterrevolution in Venezuela durch die
ImperialistInnen und andere reaktionäre Regime
auflehnen.
Sie müssen
Proteste gegen den Putsch und
Solidaritätsaktionen organisieren. Sie müssen
die gesamte ArbeiterInnenbewegung unter den
Slogans „Hände weg von Venezuela! Nieder mit
dem von den USA unterstützten Putsch!“
vereinen.
Sie müssen den
vollständigen Erlass der Auslandsschulden
Venezuelas fordern und sich jeder Anerkennung
des „Interimspräsidenten“ oder der Hilfe für
die rechte Opposition widersetzen!
Die Bedeutung
der Entwicklung in Venezuela für die
internationale ArbeiterInnenbewegung darf nicht
unterschätzt werden. Auch wenn sie Maduro und
seinem Regime keine politische Unterstützung
gewährt, muss sie anerkennen, dass dessen Sturz
durch die rechte Opposition eine Niederlage
nicht nur für einen korrupten, „linken“
Bonapartismus, sondern auch für die
ArbeiterInnenklasse und die Masse der
Bevölkerung bedeuten würde. Er wäre ein
weiterer Sieg für die extreme Rechte, den
Neoliberalismus und den US-Imperialismus und
sicherlich ein großer Schritt in Richtung
weiterer solcher Versuche in Ländern wie
Bolivien oder Kuba.
Ein Sieg der
Kräfte der Reaktion würde nicht nur Maduro
verdrängen. Es wäre ein Putsch gegen die
ArbeiterInnenklasse und die Masse der
Bevölkerung mit dem Ziel, eine Lösung der
venezolanischen Krise zu ihren Gunsten zu
verhindern.
Die
Katastrophe des „Bolivarianismus“ beweist die
Notwendigkeit, sich einer echten revolutionären
Perspektive zuzuwenden, die die Enteignung der
großen KapitalistInnen, den Ersatz der
stehenden Armee durch eine Miliz der
werktätigen Massen und eine Planwirtschaft
unter der Leitung der ArbeiterInnen umfasst. Es
braucht, kurz gesagt, die Perspektive der
permanenten Revolution, die auch die
Ausbreitung dieser Revolution auf alle Länder
der Region und darüber hinaus einschließt.
Quelle:
http://arbeiterinnenmacht.de/2019/01/26/venezuela-nein-zu-dem-von-den-usa-gefoerderten-putschversuch/
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