100 JAHRE NOVEMBERREVOLUTION

Chronik zur Geschichte der Novemberrevolution

02/2019

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Februar 2019

3./4. Febr.
Auf der Tagung des Zentralverbandes Deutscher Industrieller und des Bundes der Industriellen in Jena wird die Gründung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie beschlossen. Die Gründungsversammlung findet am 12. Apr. in Berlin statt. Die Bildung des Reichsverbandes bedeutet die Zusammenfassung der Kräfte des deutschen Monopolkapitals zum Kampf gegen die Errungenschaften der Novemberrevolution und für die Festigung und Erweiterung seiner Machtpositionen.

4. —10. Febr.
Internationale Sozialistenkonferenz in Bern. 97 Dele­gierte aus 26 Ländern, unter ihnen Vertreter der SPD und USPD. Wichtigste Tagesordnungspunkte: Kriegsschuldfrage; Völkerbund; ter­ritoriale Fragen; Demokratie und Diktatur.
Gegen wenige Stimmen nimmt die Konferenz eine Resolution an, in der festgestellt wird, daß die deutsche Revolution die Bahn für die er­neute Arbeit der II. Internationale frei gemacht habe. In einer einstimmig angenommenen Resolution zum Völkerbund spricht sich die Kon­ferenz für die Schaffung einer „Gesellschaft der Nationen" aus, die die Aufgabe haben solle, neue Kriege durch völlige Abrüstung und Vermittlung in internationalen Streitfragen zu verhindern, und verbreitet damit Illusionen über den Imperialismus. Die von der Mehrheit unter­stützte Resolution über Territorialfragen fordert die Arbeiter auf, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit die Pariser Konferenz einen Friedensvertrag auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Nationen beschließt.
Die Konferenz zeigt das Bemühen der sozialdemokratischen und zentristischen Parteien, auf der Plattform der bürgerlichen Demokratie und des Antibolschewismus die II. Internationale neu zu beleben.

5. -6. Febr.
Die Armeekorps-SR verurteilen auf ihrer Reichskonfe­renz in Berlin die von der sozialdemokratischen Reichsregierung betriebene Politik der Gewalt um jeden Preis, verlangen die Zurückziehung der zur Niederschlagung der Bremer Räterepublik eingesetzten Truppen und lehnen die Verordnung über die Wiedereinführung der Kommandogewalt (19. Jan.) ab. Die Konferenz spricht G. Noske ihr schärfstes Mißtrauen aus und fordert seinen sofortigen Rücktritt.

6. -9. Febr.
Eine internationale Gewerkschaftskonferenz in Bern, an der etwa 40 Delegierte aus 14 Ländern teilnehmen, behandelt ein inter­nationales Arbeiterschutzprogramm und setzt eine Kommission zur Vorbereitung eines internationalen Gewerkschaftskongresses ein, der die reformistische Gewerkschaftsinternationale neu beleben soll.

6. Febr.
Zusammentritt der Nationalversammlung unter dem Schutz konterrevolutionärer Truppen in Weimar, abseits von den Zentren der revolutionären Bewegung.

11. Febr.

In geheimer Abstimmung wählt die Nationalversammlung F. Ebert (SPD) mit 277 von 328 gültigen Stimmen zum provisorischen Reichspräsidenten.

13. Febr.
Ph. Scheidemann (SPD) bildet das 1. Reichskabinett aus Vertretern von SPD, DDP und Zentrum (Weimarer Koalition). Von der SPD gehören der Regierung weiter an: G. Bauer, E. David, 0. Landsberg, G. Noske, R. Schmidt und R. Wissell. Im Regierungs­programm wird erklärt, daß die verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung der alleinige Träger der Reichsgewalt sei — die ASR sol­len also beseitigt werden. Die Reichsregierung spricht sich für eine Politik nach den Grundsätzen des Präsidenten der USA, W. Wilson, (8. Jan. 1918) aus. Sie fordert: Einhaltung des von Wilson versprochenen Friedens ohne Gewalt; Wiederherstellung des deutschen Kolonialgebietes; gleichberechtigte Teilnahme am Völkerbund; Abrüstung und Schiedsgerichte. Die Regierung verspricht die Demokratisierung der Verwaltung; Hebung der Volksbildung; Schaffung eines Volksheeres; Sozialisierung einiger „dazu reifer" Wirtschaftszweige; Verbesserung der Fürsorge für die Kriegshinterbliebenen und Kriegsgeschädigten, der Volksgesundheit, des Mutterschutzes sowie Sicherung demokratischer Rechte und Freiheiten. Das Regierungsprogramm ist ein bürgerlich-parlamentarisches Programm, das der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse dient. Die Regierung ist auf Grund des im Ergebnis der Novemberrevolution entstandenen Kräfteverhältnisses gezwungen, den Forderungen der Volksmassen in gewissem Umfang Rechnung zu tragen. Das Programm entspricht weitgehend der reformistischen Konzeption der rechten Führer der SPD.

17. —22. Febr.
Streikbewegung der Arbeiter des rheinisch-westfälischen Industriegebietes. Eine Konferenz der ASR des Industriegebietes am 6. Febr. hat von der Regierung die Anerkennung der führenden Rolle der Neunerkommission bei der Sozialisierung des Bergbaus gefordert und erklärt, daß bei Nichterfüllung dieser Forderung die Ruhr­bergarbeiter in den Generalstreik treten werden. Von der Reichsregierung ist darauf mit einer bewaffneten Provokation geantwortet worden. Am 15. Febr. hat das Freikorps Lichtschlag nach Brechung des bewaffneten Widerstandes Hervest-Dorsten besetzt. Eine schnell zusammengerufene Konferenz von Kommunisten, Mitgl. der USPD und Syndikalisten in Mülheim (Ruhr) hat am 16. Febr. den sofortigen Generalstreik verkündet. Diesen Beschluß nehmen führende Funktio­näre der SPD und der Gewerkschaften zum Anlaß, um die am 18. Febr. in Essen tagende Konferenz der ASR des Ruhrgebietes zu verlassen. Diese Konferenz beschließt den Generalstreik. Dem Aufruf folgen trotz des Widerstands rechter Führer der SPD und der Gewerkschaften mehr als die Hälfte der Ruhrbergarbeiter, rd. 180 000 Arbeiter. Bewaffnete Arbeiter kämpfen erfolgreich in Bottrop, Hamborn, Mülheim (Ruhr), Oberhausen, Sterkrade u. a. Orten gegen angreifende Regierungstruppen. Der gesamte Staatsapparat, Regierungstruppen und Bürgerwehren werden gegen die Arbeiterschaft eingesetzt. Angesichts der Spaltung der Streikfront entschließt sich die Essener Konferenz der ASR am 21. Febr. auf Anraten J. Marchlewskis zum Abbruch des Streiks. Am 22. Febr. streiken noch rd. 140 000 Arbeiter; nach Bekanntwerden der Konferenzbeschlüsse sinkt die Zahl der Streikenden rasch ab. Konterrevolutionäre Truppen besetzen weitere Orte des Industriegebietes.

18. —26. Febr.
Generalstreik in Gotha. Nachdem Truppen des Gene­ralmajors Maercker am 18. Febr. Gotha besetzt haben, treten die Ar­beiter in den Generalstreik. Dabei kommt es zwischen Arbeitern der Waggonfabrik und Militär zu Zusammenstößen. Am 26. Febr. ist Maercker gezwungen, seine Truppen aus Gotha abzuziehen.

21. Febr.
Ermordung des bayrischen Ministerpräsidenten K. Eisner (USPD) durch den konterrevolutionären Offizier A. Graf von Arco auf Valley. SPD, USPD, KPD und die Vollzugsräte der ABSR bilden einen Aktionsausschuß, der einen dreitägigen Generalstreik für ganz Bayern proklamiert und die Neukonstituierung des Zentralrats der ABSR beschließt.
Die Münchener Arbeiter folgen einmütig dem Aufruf zum Generalstreik und veranstalten große Protestdemonstrationen. Rd. 20 000 Arbeiter demonstrieren in Augsburg. In Mannheim kommt es am 22. Febr. zu Massendemonstrationen, an denen sich auch Soldaten der französischen Besatzungsarmee beteiligen; die Arbeiter bewaffnen sich, besetzen Gebäude bürgerlicher Zeitungen, stürmen die Gefängnisse und fordern die Räterepublik.
Von den wichtigsten Maßnahmen, die der neukonstituierte Zentralrat beschließt, wird die Bewaffnung des Proletariats faktisch nicht durchgeführt; das Verbot der bürgerlichen Presse wird in eine zeitweilige Vorzensur verwandelt.
An der Beisetzung Eisners am 26. Febr. in München nehmen rd. 100 000 Menschen teil.

22./23. Febr.
2. Reichskonferenz der FSJ in Berlin. 51 Delegierte vertreten 12 000 Mitgl. aus 73' Ortsgruppen. In einer mit großer Mehrheit angenommenen Resolution über das Verhältnis zu den politischen Parteien wird das Festhalten an den revolutionären Grundsätzen der Resolution der oppositionellen Jugendkonferenz in Jena (23./24. Apr. 1916) proklamiert. Mit dieser Resolution stellt sich die Konferenz auf den Boden der Diktatur des Proletariats, erklärt sie ihren Gegensatz zu der schwankenden Politik der USPD und ihre Übereinstimmung mit den Forderungen der KPD und begründet sie die Notwendigkeit der organisatorischen Selbständigkeit der revolutionären Jugendbewegung. Die Konferenz nimmt ein Organisationsstatut an und wählt den Reichsausschuß, die Reichszentrale und die Redaktionskommission.

24. Febr.-7. März
Generalstreik in Mitteldeutschland. Eine Bezirkskonferenz der Bergarbeiter der mitteldeutschen Bergreviere am 23. Febr., an der Vertreter der Bezirks-ASR von Erfurt und Merseburg, der Elektrizitätswerke, der chemischen Industrie und der Eisenbahner teilgenommen haben, hat den Generalstreik ab 24. Febr. für die Sicherung und Erweiterung der Rechte der ASR und Betriebsräte sowie für die Sozialisierung der Großbetriebe beschlossen. Zur Leitung des Streiks ist ein Aktionsausschuß gebildet worden. Dem Streik schließen sich, mit Ausnahme der Nahrungsmittelbetriebe, die Arbeiter der gesamten Industrie, der Verkehrsbetriebe, der Eisenbahn, der Elektrizitätswerke und die Landarbeiter der größten Güter an. Der Streik greift auf weitere Teile der Prov. Sachsen, auf Anhalt, auf Leipzig, auf das Senften-berger und Bockwitzer Braunkohlengebiet und auf viele Städte Thüringens über. Am 1. März besetzt Generalmajor Maercker mit seinen Truppen Halle (Saale), das Zentrum der Streikbewegung. Das bru­tale Vorgehen der Truppen führt zu blutigen Zusammenstößen mit der Bevölkerung. Die Regierung verspricht in den am 5. März begonnenen Verhandlungen mit der Streikleitung den Ausbau der Rechte der Be­triebsräte, Verankerung der AR in der Verfassung, Sozialisierungsgesetze, Aufhebung der Militärgerichte und Verteilung von Lebensmitteln durch die Gemeinden. Unter dem Druck des Militärs und im Vertrauen auf die Erfüllung dieser Versprechungen nehmen die Arbeiter am 8. März die Arbeit wieder auf.

27. Febr.
Die Nationalversammlung beschließt in dritter Lesung das Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr, das mit seiner Verkündung am 6. März zusammen mit einer Ausführungsverordnung in Kraft tritt. Danach soll die Reichswehr aus bereits bestehenden Freiwilligenverbänden und durch Anwerbung von Freiwilligen gebildet werden, wobei Offiziere und Unteroffiziere des alten kaiserlichen Heeres bevorzugt aufgenommen werden sollen. Die „Einrichtungen und Behörden" des kaiserlichen Heeres werden übernommen. Die Reichswehrverbände entstehen im wesentlichen aus Freikorps, Grenzschutztruppen u. a. konterrevolutionären Verbänden, die seit der Novemberrevolution die Arbeiterschaft in Deutschland blutig niedergeschlagen haben.

Quelle: Institut für Marxismus-Leninismus (HRG), Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Chronik, Band II, 1917-1945, Berlin 1966, S.53 - 57