Treffen in Tunix
Westberlin  27. bis 29. Januar 1978

Einig wenig Material zum Erinnern

02/2018

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onlinezeitung

Auf nach Tunix
Aufruf aus: Blatt. Stadtzeitung für München 112 vom 13. Januar 1978, 14 f.

„Wer jetzt noch eine energische Anti-Terror-Gesetzgebung beschimpft oder verhindert, macht sich schuldig. Wer jetzt noch die Motive der Terroristen mit Nachsicht oder Sympathie erforscht, hat seine Ehre verloren. Wer jetzt noch nicht bereit ist, Unbequemlichkeiten seines Freiheitsspielraumes freiwillig in Kauf zu nehmen, verliert seinen moralischen Anspruch. Wer jetzt noch den Staat verhöhnt, vergeht sich an der Demokratie.“
BILD, Berlin, 18.10.1977

Komm mit, sprach der Hahn, etwas besseres als den Tod werden wir überall finden.

Wir, die wir schon eine Weile auf unseren gepackten Koffern sitzen, schlagen vor, dass alle sich aus diesem Deutschland verpfeifen.

Uns langt’s jetzt hier!

Der Winter hier ist uns zu trist, der Frühling zu verseucht und im Sommer ersticken wir hier. Uns stinkt schon lange der Mief aus den Amtsstuben, den Reaktoren und Fabriken, von den Stadtautobahnen. Die Maulkörbe schmecken uns nicht mehr und auch nicht mehr die plastikverschnürte Wurst. Das Bier ist uns zu schal und auch die spießige Moral. Wir woll’n nicht mehr immer dieselbe Arbeit tun, immer die gleichen Gesichter zieh’n. Sie haben uns genug kommandiert, die Gedanken kontrolliert, die Ideen, die Wohnung, die Pässe, die Fresse poliert. Wir lassen uns nicht mehr einmachen und kleinmachen und gleichmachen.

Wir segeln alle ab!

Zum Strand von Tunix. Da bauen wir unsere eigenen Hütten, wir schnitzen uns Gewehre und Sandalen. Und die kämpferische Genossin von der BI baut Sonnenkollektoren für die Kinder, damit sie in die Glotze schauen können, wo der Maulwurf Mikesch den Frühschoppen moderiert.

Unseren Geigen, Gitarren und Celli ziehen wir andere Saiten auf und spielen „Kein schöner Land als dieser Strand“ mit Tommy und den Stones. Wer nicht singen kann, sucht Pilze. Der angestrengte Typ vom Anwaltskollektiv räuchert über’m Feuer seiner alten Juraschinken die viel saftigeren Schweine von gestern. Stets ein Gewinn wird jeder Einsatz der Genossen Kommunisten in der Arbeiter-Klassenlotterie. An schwülen Nachmittagen sitzen schwitzend schwatzende Schwule in kühlen Schaukelstühlen. Gemüsesuppe kocht eine ehemalige Männergruppe; die Basisgruppen graben – nach der Basis – den Garten um. Zum Mittagessen jagen einige Genossen Professoren kapitale Hirsche, und Heinrich Böll kocht Tee und diskutiert mit Wallraff über die neue Sinnlichkeit. Sein Eurolied singt Onkel Biermann zum Schlafengehen den Kindern vor.

Dann steht hier alles leer und still Da soll dich die Polizei im Filz von Bubble-Gum und Langeweile ersticken, soll der Verfassungsschutz sein Grundgesetz mal endlich vor sich selber schützen.

Mit Mob und Küchenschürze huscht der Werkschutz durch die Hallen, die Bänder vor dem zersetzenden Zugriff des Staubs zu retten. Die Kaufhäuser können sich ihren Schund auch nur noch gegenseitig verkaufen. Und vor den schluchzenden Aufsichtsräten tanzt einsam und allein der Personalchef den sterbenden Schwan. Die Mietskasernen sind selbst den Tauben viel zu kalt, sie bewohnen die leerstehenden Kindergärten, Schulen und Universitäten.

Wir sind alle weg und sehen, dass wir da waren und sehen, dass wir viele waren, denen es gestunken hat, die genug hatten. Wir sind alle weggesegelt, weil wir uns ohnmächtig fühlten und alllein und sehen, dass wir gar nicht allein waren.

Und das wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht jetzt schon – oder immer noch? – da sind, ob wir nicht jetzt schon viele sind, die genug haben von allem, von den öden Asphalt-Beton-Wüsten der Neubauviertel, von der waffenstrotzenden Präsenz und Gewalt des Polizeiapparates und davon, dass sie unsere Träume zerstören mit Peter Styvesant und Springers Bild und ihren immer gleichen Fernsehshows, von der Coca-Cola-Karajan-Kultur.

Genug davon, dass sie uns vorschreiben wollen, wie und wo wir uns zu organisieren haben und wer uns sympathisch zu sein hat, genug von Toten in den Gefängnissen und den Fabriken, auf den Straßen, genug von Kontaktsperren und dem Ausschluss unserer Verteidiger und davon, dass unsere Kinder seelisch verhungern in reglementierten Kindergärten und Schulen, zwischen eingezäunten Rasenflächen.

Das wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht jetzt schon so viele sind, die Widerstand leisten in so vielen Bereichen, mit so unterschiedlichen Ansätzen, in so vielfältigen Formen.

Kommen wir also zusammen, auf diesem Widerstandskongress – erzählen wir, erfahren wir voneinander, bringen wir mal diese Widerstandsbewegung zum Ausdruck – und hauen wir dann zusammen ab, segeln wir alle zum Strand von Tunix, der weit weg liegen kann, oder vielleicht auch unter dem Pflaster von diesem Land.

Am 27./28./29. Januar 1978 wird deshalb in Westberlin ein Treffen aller Freaks, Freunde und Genossen, ein Treffen all derer stattfinden, denen es stinkt „in diesem unseren Lande“.

Wir haben jahrelang geglaubt, dass mit Aktionen unter dem Motto „Weg mit …“ und „Nieder mit …“ etwas zu verändern sei, wenn man es nur geschickt genug anstellt. Unsere Phantasie wurde darüber verstümmelt eingeschläfert oder verschüttet. Statt uns wie immer auf die traditionelle Ebene des Widerstandes einzulassen, wollen wir diesmal über neue Formen des Widerstandes nicht nur miteinander diskutieren, sondern sie schon in der Art des Ablaufs unseres Treffens praktizieren. Wir wollen neue Ideen für einen neuen Kampf entwickeln, den wir selbst bestimmen und uns nicht von den Technikern das „Modell Deutschland“ aufzwingen lassen. Wir wollen wegkommen von der Hilflosigkeit des ewigen Reagierens zu neuen Formen des Agierens. Wir wollen auch keine wochenlangen Aktionseinheitsverhandlungen führen über sinnige und unsinnige Parolen. Wir wollen keinen Minimalkonsens, der so platt und abstrakt wie richtig ist. Wir wollen das MAXIMALE für JEDEN! Jeder kann seine eigenen Parolen und Gedanken formulieren, malen singen und wir können trotzdem – oder gerade deswegen – gemeinsam kämpfen. WIR WOLLEN ALLES UND WOLLEN ES JETZT!!!

Wir werden ein 3-Tage-Fest feiern, und wir werden bereden, wie wir unsere Ausreise aus dem „Modell Deutschland“ organisieren.

Wir werden bereden, wo Tunix liegt, und wie wir dorthin kommen.
oder:
Wir werden bereden, wie wir das „Modell Deutschland“ zerstören und durch TUNIX ersetzen.

Die Themen für das GROSSE PALAVER liegen längst auf der Straße und auf der Hand. In Berlin wird das Zusammentreffen all derer organisiert, die schon die Unterwanderstiefel geschnürt haben.

Es werden also kommen:

Theatergruppen: Karl Napp Theater, Zarathustra, Los Tros Tornados, etc.
Musikgruppen: Straßenmusiker, MEK, Teller Bunte Knete, Embryo, div. Rockbands etc.
Film- und Videofreaks: von den Unis, aus den Stadtteilen, der DFFA etc.
Feuerschlucker und Zauberer, Köche und Künstler.

Es wird Diskussionsveranstaltungen geben mit/von/zu:

  • Stadtteilgruppen und Bürgerinitiativen
  • Treffen alternativer Zeitungsmacher
  • Braucht die radikale Linke eine eigene Tageszeitung? (Diskussion mit den Vorbereitungsgruppen)
  • Mescalero, Buback und die Presse (Diskussion mit den Nachrufeunterzeichnern)
  • nationales Treffen von Knastgruppen
  • Knast und Vernichtung /Stammheim
  • Psychiatrie und Antipsychiatrie
  • Alternative Bildungsmodelle
  • Forum der Unifreaks vor/nach/im Streik
  • Repression und Zensur im Medienbereich
  • Atomstaat B R D
  • Verleihung der GOLDENEN FAUST
  • Diskussion mit ausländischen Genossen (Focault/Deleuze/Guattari/Radio Alice etc.)
  • und über all da, was euch noch einfällt, und was ihr vorbereitet. usw., usw., usw.

Der Backstein sprach zum Haus
ich halt dich nicht mehr aus!
Da sprach das Haus zum Stein:
dann fall ich eben ein!

Macht also zu!!! Die französischen und italienischen Freunde haben ihre Bündel schon gepackt und hocken in den Startlöchern. Wir haben Schlafplätze und Unterkünfte. Räume für die Veranstaltungen vom kleinen Gruppentreffen bis zur riesigen Freß-Tanz-Sauf-Kiff-Musik-Fete organisiert.

Bringen wir den Sumpf zum Überschwappen!

Koordinationsausschuss TUNIX
c/o MAULWURF BUCHVERTRIEB
Waldemarstraße 24
1000 Berlin 36
Tel.: 030/6149858
NUR werktags 16 -18 Uhr


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"Ein Treffen all derer, denen es stinkt in diesem unseren Lande"
Rheinische Zeitung Bonn" Nr. 14 vom Februar 1978

Was fand statt in Berlin? Ein „Treffen all derer, denen es stinkt in diesem unserem Lande" (Aufruf zum Treffen in Tunix). „Uns stinkt schon lange der Mief aus den Amtsstuben, den Reaktoren und Fabriken, von den Stadtautobahnen. Die Maulkörbe schmecken uns nicht mehr und auch nicht mehr die plastikverschnürte Wurst. Das Bier ist uns zu schal und auch die spießige Moral. Wir wollen nicht immer dieselbe Arbeit tun, immer die gleichen Gesichter ziehen, Sie haben uns genug kommandiert, die Gedanken kontrolliert, die Ideen, die Wohnung, die Pässe, die Fresse poliert. Wir lassen uns nicht länger einmachen und kleinmachen und gleichmachen. Wir hauen alle ab! ... zum Strand von TUNIX" (ebd.) „Wir werden ein Dreitagefest feiern und wir werden bereden, wie wir unsere Ausreise aus dem Modell Deutschland' organisieren. Wir werden bereden, wo TUNIX liegt und wie wie dahinkommen." „Wir haben jahrelang geglaubt, daß mit Aktionen unter dem Motto .Weg mit und »Nieder mit ..." etwas zu verändern sei, wenn man es nur geschickt genug anstellt. Unsere Phantasie wurde darüber verstümmelt, eingeschläfert und verschüttet."

Abgestoßen vom Beispiel der heutigen „Avantgarde der Arbeiterklasse" (KPD, KPD/ML, KBW usw.) sagten sie der dogmatischen Theorie und der kommunistischen Organisationen den Kampf an undpropagierten den spontanen, in Kleinkolleöktiven organisierten Widerstand in allen gesellschaftlichen Bereichen, immer da, wo Repression und Ausbeutung erfahren werden. So kümmerten sie sich noch cm wenig um die Frage, ob TUNIX nun Kommunismus oder Anarchismus sei, scherten ansonsten jedoch kaum um lästige Probleme wie Durchsetzungsbedingungen, Ansatzpunkte oder die längerfristige Strategie und stellten daher nicht selten fest, daß nix-tun im Knast erst richtig möglich ist, wahrend die eigenen Knasthilfsorganisationen an der politischen Repression scheitern.

Ganz im Gegensatz zur lauthals proklamierten Theorie- und Organisationsfeindlichkeit bemüht man sich in Berlin jedoch durchaus um die theoretische Verarbeitung der Erfahrungen aus AKW-Bewegung, Stadtteilarbeit, Betriebsarbeit, Studentenbewegung, Zeitungsinititativen, mit terroristischen Gruppen usw., indem sie ein Fest organisierten, das die Diskussion um diese Fragen programmatisch fixierte. Widersprüchliche Erfahrungen, die einen auch zum Gegenstand der Anti-Psychiatrie werden lassen können, drängen auf Erklärung. Man suchte nicht nur Liebe, man wollte nicht bloß ein bißchen Glas beim Cafe Kranzler zerdeppern, man suchte vor allem Antworten. Nur so erklären »ich überfüllte Hörsäle, deren verqualmte Enge bei so wenig triebzielorienrierten Themen wie Antipsychiatrie, Alternative Medienpraxis, Alternative Bildungsmodelle. Berufsverbote gegen Rechtsanwälte, dem Verhältnis zum Staat, Faschismus und v.a.m und völlig chaotischen Beiträgen und Diskussionen stundenlang ertragen wurde. Das Ziel dieser Veranstaltungen war, neben dem Wunsch „abzuhauen", die Vereinheitlichung der vielen Meinungen über die theoretische Klärung ihrer Verhältnisses zum kapitalistischen Staat. Daß sie dieses Ziel nicht erreicht haben, kann nicht ihnen allein zum Vorwurf gemacht werden.

Wer sich nicht —wie immer- turmhoch über solchen Problemen weiß, wird, statt den selbstgefälligen Brei vom der eigenen Weisheit und Selbstdisziplin der Dummheit und Trägheit der andern abstrakt gegenüberzustellen, Antworten auf diese Fragen suchen und finden müssen.

Was heißt TUNIX? Es liegt ein Widerspruch zwischen diesem Namen und der Organisation eines Treffens, die unter dem Ansturm von Tausenden versucht, die politische Diskussion in den vielfältigen Veranstaltungen zu führen. „Statt jammern und picheln, hammern und sicheln". Niemand hat Lust, unter Verhältnissen zu arbeiten, ..in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (MEW 1, S, 385) Niemand hat Lust, sich herumkommandieren, schikanieren und auspressen zu lassen, jeder weiß jedoch auch, daß die Arbeit „eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln" (MEW 23, S. 57) ist. Und so löst sich dieser Widerspruch: es ist nicht die Arbeit Oberhaupt, sondern die kapitalistische Form der Arbeit, gegen die sich der Unmut der Spontis richtet. „Wir werden bereden, wo TUNIX liegt, und wie wir dahinkommen" und präziser „wir werden bereden, wie wir das "Modell Deutschland" zerstören und durch TUNIX ersetzen". In dem oft recht vagen Bewußtsein, daß sich ihr Kampf gegen den Kapitalismus richtet, wollen sie „Widerstand leisten in so vielen Bereichen, mit so unterschiedlichen Ansätzen, in so vielfältigen  Formen", „wollen wegkommen von der Hilflosigkeit des ewigen Reagierens zu neuen Formen des Agierens" (Aufruf für TUNIX), Die meisten wissen, daß sie dazu ihren Liegestuhl verlassen müssen. Sie wissen, daß sie einen mächtigen Widersacher haben, den kapitalistischen Staat. Sie wissen, daß sie diesen Staat besiegen müssen, um ein menschenwürdiges Dasein führen zu können - sie wissen jedoch nicht wie. Das ist ihre Erfahrung: Im Kampf gegen den Staatsapparat erschöpfen sie ihre gesamte Energie; immer mehr erkennen sie in den Gefängnissen und Knasthilfekollektiven ihre eigene Ohnmacht und Erfolglosigkeit. Ihre Erfolglosigkeit ist zum einen dem Fehler geschuldet, daß sie den Kampf gegen den kapitalistischen Staat mit dem Kampf gegen das Kapital verwechseln. Mangelnde theoretische  Klarheit ist der subjektive Grund dieser folgenschweren Verwechslung. Dieser Mangel wiederum erklärt sich an der bloß negativen Orientierung an den heutigen westdeutschen „Avantgarde-Parteien" (ML-Gruppen), deren theoretischer und organisatorischer Anspruch und deren tönende Phrasen vom siegreichen Weg des Proletariats unter ihrer glorreichen Führung nur zu auffällig mit der „Verankerung" dieser Parteien in den Massen kontrastieren. Die ßedürfnisfeindlichkeit, Phantasielosigkett und bornierte Dogmatismus der „stärksten der Pateien" tun ein übriges, um beim beteiligten oder unbeteiligten Beobachter eines zu erzeugen:

Theorie- und Organisationsfeiridlichkeit. Einen zweiten Grund hat dieser Fehler im Fehlen einer breiten spontanen Arbeiterbewegung. Die Abkehr von der als dogmatisch verschrienen marxistischen Theorie ist somit leicht aus der Enttäuschung über diese Arbeiterklasse aus der ML-Feindlichkeit zu erklären.

So wenden sie sich ab von der Frage der Organisation der Arbeiterklasse und der politischen Parteien und beginnen, Interessen zu organisieren. In wilder Handwerkelei wird überall da, wo Bedürfnisse unterdrückt und an der Befriedigung gehindert werden, ein Kampf geführt gegen die Repräsentanten dieser Unterdrückung. Daß diese Repräsentanten nicht nur zu repräsentieren wissen, bezweifelt inzwischen niemand mehr. Die Theorie- und Organisationsfeindlichkeit wird selbst noch einmal zum Grund für ihre Erfolglosigkeit. Die Enttäuschung über die deutsche Arbeiterklasse versperrt den Blick auf die Einsicht, daß die Erfolgsbedingung ihres Handelns die Abschaffung des Kapitals durch diejenigen ist, die das Kapital produzieren eben diese deutschen Arbeiter.

Die Organisation der Interessen durch die Sponts richtet sich in erster Linie auf einen Bereich, der von den Sozialisten in der BRD bisher vernachlässigt wurde, den gesellschaftlichen Reproduktionsbereich: Umweltschutz, Mieterorganisation, Bildungs- und Kulturinitiativen, Gegenöffentlichkeit etc. werden von ihnen angegangen.

Nur wenn die politische Arbeit in diesen Bereichen mit theoretischer Klarheitl über den Kapitalsmus und damit über die Bedingungen seiner Umwälzung geführt wird; nur wenn die zersplitterten lokalen Organisationsformen zu einer nationalen Organisarion zusammengefaßt werden, ist die augenfällige Perspektivlosigkeit dieser Arbeit, das frustrierende Scheitern der vielen Projekte, die Isolierung der Linken von der Arbeiterklasse zu überwinden. Wir müssen uns also um die Verbreiterung des wissenschaftlichen Sozialismus auch im Reproduktionssektor bemühen. Diese Verbreitung setzt voraus, daß wir in diesem Sektor arbeiten, in der Bewegung all derer, „denen es stinkt in diesem unserem Lande", ist die Diskussion zu führen über Ziele, Bedingungen und Ansatzpunkte sozialistischer Politik, um auf diese Weise, die vielen Ansätze antikapitalistischer Bewegung einzubinden in eine Strategie, die den einzelnen Tageskämpfen ihre Stellung zur Gesamtbewegung zuweist. Die Zusammenfassung der lokalen Organisationen zu einer breiten gesellschaftlichen Bewegung ist die Erfolgsbedingung für alternative Politik im Reproduktionsbereich. Allein machen sie dich ein. Dieser Satz zeugt davon, daß durchaus ein Wissen über die Notwendigkeit von Organisation existiert. Es fehlt jedoch das Wissen, wie eine Organisation aufzubauen ist, die die alten Fehler; Sektierertum und Organisationsborniertheit, autoritäre Strukturen und Mangel an politischer Diskussion, Phantasielosigkeit und leere Rigidität vermeidet.

Wir werden also Diskussion um diese Fragen mit den Linken in der BRD suchen und führen müssen. Die RZ wird versuchen, diese Auseinandersetzung zu fördern, indem verstärkt Diskussionsbeiträge anderer Organisationen und eigene dazu aufgenommen werden.

Infos zur Rheinischen Zeitung Bonn

Die "Gruppe Rheinische Zeitung" (GRZ) gab die erste Nummer der "Rheinischen Zeitung Bonn" im April 1976 mit dem Leitthema "Gewalt" heraus. Die "Rheinische Zeitung Bonn" (RZB) war zuallererst eine rein politische Zeitung, die sich u. a. an relevanten bundesrepublikanischen Themen abarbeitete. ....  Der politische Standort der RZB war sehr widersprüchlich. Zum einen bemühte sie sich, sich an den Debatten der Linken in der BRD anzuhängen und übernahm teilweise auch deren Positionen, etwa den Diskurs zwischen dem sowjetischen und dem chinesischen Weg in der Frage des Aufbaus des Sozialismus, der Außenpolitik. Die RZB sorgte sich um den Frieden in der BRD, geißelte die Rüstungsproduktion, den Krieg, das Großmachtstreben der BRD, übte Kritik an der RAF, den Gewerkschaften, trat für eine neue Hochschulpolitik ein, nahm den Kampf gegen die Kooperative Schule an, wählte "Leitthemen" (etwa zum "Sowjetmarxismus", oder "60 Jahre Realer Sozialismus"), beschäftigte sich dem Thema Terrorismus vers. Sozialismus, dem "Dritten Weg", den Arbeiterkämpfen 1978/79 und last but not least beschäftigte sie sich auch mit der Opposition in der DDR. Das alles war nicht neu und deutete eher auf die Position "Erst einmal alles in Frage stellen" hin. Eine Nähe, etwa zu sozialliberalen oder DKP-Positionen, obwohl sie deren "Opportunismus" kritisierte, sollte daher nicht auszuschließen sein. .... Mit der Nummer 22 vom Oktober 1979 erschien vermutlich die letzte Ausgabe der Zeitung.

Quellen: http://www.mao-projekt.de/

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Die "Haschrebellen" kommentierten damals
das Treffen folgendermaßen:

Die tausendfache Angst wird tausendfach bewacht!
Der tausendfache Krampf wird tausendfach belacht!
Der tausendfache Brand wird tausendfach entfacht!

Zum Treffen in TUNIX:
Wir finden es gut, dass hier Genossen die Initiative ergriffen haben, um eine längst fällige Auseinandersetzung in Gang zu bringen. Wir fänden es noch besser, wenn über Tunix endlich ein Ansatz geschaffen würde, die totale Zersplitterung der Linken zu überwinden. Es müssen ja nicht gleich alle mit der gleichen Farbe den gleichen Stern an die Wand malen. Es würde schon reichen, gemeinsam nach TUWAS aufzubrechen. Wir bilden uns nicht ein, aus der „Geborgenheit“ des Knastes heraus die in den letzten Jahren für Kampf und Widerstand entstandenen Schwierigkeiten besser beurteilen zu können als die Genossen, die sich im täglichen Kleinkrieg damit herumschlagen müssen. Aber ein paar kritische und selbstkritische Kleinigkeiten hoffen wir doch zur Diskussion beitragen zu können.

Die Zersplitterung überwinden !
Worauf es uns hier und heute ankommen muss, wenn wir uns nicht allesamt ein politisches Massengrab schaufeln wollen, ist unsere Zersplitterung überwinden, endlich wieder über den Horizont unserer Minigruppen hinausschauen. Während sich die Linken in diesem Land die Hirne gegenseitig einreißen, blasen die Rechten zum Sammeln. Die beispiellose Offensive der Reaktion in den letzten Jahren ist nicht zuletzt durch das heillose und widersinnige Gegeneinander der hunderten von Gruppen und Grüppchen möglich geworden. Nicht nur die Zugeständnisse des Kampfes der Jugend- und Studentenrebellion sind ersatzlos gestrichen worden, sondern der staatliche Machtapparat konnte widerstandslos in einem Maße ausgebaut werden und die Kontrolle aller Lebensbereiche herstellen, wie es totaler selbst im Dritten Reich nicht möglich war. Dass die Methoden heute differenzierter sind, die damalige exzessive Brutalität in der direkten Konfrontation noch nicht erreicht ist, soll die Optik nicht trüben, liegt ausschließlich daran, dass sie es bei der Schwäche der Linken nicht nötig haben. Die zersplitterte, resignierte und/oder in Dogmatismus verrannte Linke ist derzeit nicht in der Lage, die kapitalistische Ordnung zu gefährden. Die Aufsplitterung der Linken in aberdutzende Gruppen hat es den Herrschenden verdammt leicht gemacht, sie zu isolieren, die Gefährlichkeit und Anziehungskraft des geballten Aufbegehrens der Straße zu paralysieren. Vor allem auch untereinander isoliert, borniert dem vermeintlich gefundenen „Einzig-Wahren-Weg“ folgend, sich zerschleißend im Konkurrenzkampf gegen die Abweichler um die Ecke, ist die gesamte antikapitalistische Opposition in der Sackgasse gelandet.

Die Alternativen:
Die einen, die sich Freiräume erkämpft zu haben glaubten, machten sich mit Eifer daran, sie mit Alternativprojekten zu füllen. In der Euphorie des scheinbaren Sieges übersahen sie, dass es unmöglich ist, aus dem Zusammenhang und den Bedingungen der Gesellschaft auszuscheren, ohne die Bedingungen selbst zu ändern, statt die Projekte zur Ausgangsbasis für den nächsten Schritt zu machen, zur Grundlage für die Ausweitung des Kampfes eben klarzumachen, dass es gilt, die eigenen Interessen durchzusetzen, wenn man nicht die der Herrschenden erfüllen will, ging es nur noch darum, die Überlegenheit ihrer Arbeit zu beweisen. Dieses Rechtfertigungsbewusstsein führt dazu, dass Kompromiss auf Kompromiss geschlossen wird, um das Projekt nur ja zu retten – bis es nur noch eine Karikatur des ursprünglichen Konzepts war. Was als alternativ zur Gesellschaft gedacht war, endete als Alternative zum Kampf. Das Widerstandsbewusstsein verkümmerte zur Sozialarbeiterhaltung. Die Kompromisse zur Sache summierten sich zur Kompromittierung des Bewusstseins. So ist es bei den meisten Projekten verlaufen. Und der kleine Rest wurde und wird mit anderen Mitteln diszipliniert oder zerschlagen.

Der Marsch durch die Institutionen:
Und wo sind die Marschierer durch die Institutionen? Sie haben sich angepasst oder sind geflogen. Verändert haben sich nur die Marschierer, der Apparat dient der Reaktion wie eh und je. Was wahrscheinlich auch das einzig vorausschaubare war. Denn wer von ihnen an die Schaltstellen der Institution gelangen will, muss erstmal die Aufgaben des Apparates erfüllen und er muss sie besser erfüllen als andere. Das heißt, der Funktion des Staatapparates nämlich die Ordnung der Herrschenden zu schützen – besser gerecht werden als andere. Wer die Schaltstellen erreicht, hat diese Funktion erst einmal erfüllt. Diese Genossen sehen im Staat ein technisches Vehikel das sich für jeden und alles funktionalisieren lässt, ein neutrales Gemeinwesen, in dessen Rahmen sich ungestört Klassenkämpfe entfalten und Machtpositionen beliebig ausfüllen lassen, eine Wettlaufstrecke, bei der es nur darum geht, als erster durchs Ziel zu kommen. Die Genossen übersehen, dass der Staat ein Instrument mit ganz bestimmten Funktionen ist. Die Funktion des bürgerlichen Staates ist es nun mal eben, die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu schützen und aufrechtzuerhalten. Und für die Erfüllung eben dieser Funktion ist das Instrumentarium geschaffen. Selbst wenn es bisher Machtlosen gelingen sollte, die Macht zu erringen, nutzt ihnen dieses Instrumentarium nichts – es sei denn sie sind lediglich an einem Rollentausch interessiert. Für eine grundlegende Umwälzung der Gesellschaft, für eine herrschaftslose, menschliche Ordnung nutzt uns dieser Staat nicht im Geringsten. Er steht uns im Weg.

Die lieben Widersprüche:
Natürlich ist das jetzt alles sehr pauschal. Und es ist keineswegs so, dass jeder Genosse, der um ein Alternativprojekt gekämpft hat oder den Kampf in die Institutionen tragen wollte, sich korrumpieren lassen hat. Es gibt genug Beispiele dafür, wo das nicht passiert ist. Aber diese Genossen sind nicht mehr in den Institutionen.

Wir sagen nicht, dass es falsch ist, als Lehrer oder Sozialarbeiter in Schule oder Jugendheim ein Bewusstsein für die eigenen Interessen zu wecken, Jugendlichen die Zusammenhänge ihrer beschissenen Situation klarzumachen den Widerstand als Alternative zur Anpassung und Selbstaufgabe zu propagieren.

Wir sagen, dass der Widerspruch zwischen aufgetragener Funktion und konsequenter revolutionärer Arbeit zu einem Punkt führt, an dem man sich vor lauter Taktiererei in Reformismus verliert, wenn man nicht bereit ist, auch die persönlichen Konsequenzen zu ziehen. Konsequent sein heißt in diesem Zusammenhang, die Legalität zu durchbrechen, die aufgetragenen Funktionen nicht mehr zu erfüllen, sondern zu sabotieren. Besonders deutlich wird es am Beispiel des Knasts. Wer etwa meint, revolutionäre Arbeit mit der Funktion als Schließer vereinbaren zu können, macht sich bestenfalls lächerlich. Er schließt die Türen wie jeder andere. Konsequenzen ziehen hieße, die Türen auf und nie wieder zuzuschließen. Alles andere ist nur Verschleierung der Brutalität, reformistische Taktik der Konfliktvermeidung. Revolutionäre Politik hat nichts mit punktueller Konfliktüberwindung zu tun, sondern mit Sabotage gegen die Funktionen von Herrschaft. Und nur so kann der Marsch durch die Institutionen als revolutionäre Politik verstanden werden.

Den Staat abschaffen, nicht reformieren !
Kritisch auseinandersetzen müssen wir uns auch mit den Vertretern einer anderen Position, die besonders bei den militanten und den bewaffneten Gruppen maßgeblich geworden ist, die Fixierung auf den Staat als das scheinbar einzige Grundübel, das nur beseitigt zu werden braucht, und einer sozialen Neuordnung stünde nichts mehr im Wege. Diese Genossen verkennen, dass der bürgerliche Staat nicht die Ursache der gesellschaftlichen Verhältnisse ist, sondern deren Wirkung. Und zwar nicht deren alleinige. Denn die Bereitschaft der viel zitierten Massen zur Unterordnung beruht nicht allein auf der Gewalt des staatlichen Machtapparates.

Die geballte Macht der Desinformation durch Massenmedien, Schule und faschistischer Massenliteratur, die Manipulation durch Kontrolle von Vertreterorganisationen, wie Gewerkschaften und so genannten Massenparteien, die ideologischen Verwirrspiele und das Angebot von Scheinalternativen zur Ab- und Umlenkung von Unmut und Aggressionen, und vor allem die soziale Bedrohung durch Arbeitslosigkeit, Berufsverbote und die Abschiebung von ausländischen Kollegen sind nicht zu unterschätzende Mittel von Herrschaft. Zum einen macht also das Projekt der Zerschlagung des Staates alleine noch keine soziale Revolution aus, weil damit noch lange nicht das kolonisierte Bewusstsein der besagten Massen zerschlagen ist, zum anderen – oder vielmehr deswegen – ist dieses isolierte Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn ein paar mehr müssen wir dazu schon sein. Und das werden wir mit Sicherheit nicht, wenn wir die Ansatzpunkte, die die soziale Misere der Menschen und ihre Verunsicherung bietet, ignorant übersehen, anstatt zu intervenieren und die allgemeine Konfrontation voranzutreiben. Wir wollen hier keineswegs dem Massenopportunismus das Wort führen. Wenn zehn Leute sagen, der Himmel ist eine Banane, und einer sagt, der Himmel ist keine Banatle, dann heißt dass noch lange nicht, dass die Mehrheit Recht hat. Wir können nicht sagen: das Bewusstsein der Massen ist noch nicht so weit, sondern wir müssen fragen, wie dieses Bewusstsein Stück für Stück aufzubrechen ist.

Unsere Isolation im Volk:
An diesem Punkt haben auch wir aus der Guerilla uns zu fragen, inwieweit wir unsere Isolation nicht selbst mitverschuldet haben. Von den – leider viel zu wenigen Aktionen, zum Beispiel gegen Kaußen, MAN, BVG, Paragraph 218 mal abgesehen, sind die Mehrzahl der Genossen von der Politik der bewaffneten Intervention abgekommen und versuchen sich in einer rein militärischen Auseinandersetzung mit dem Staatsapparat. Wir haben damit das uns zugewiesene Ghetto akzeptiert, anstatt aus ihm auszubrechen. Sicherlich hat auch das Fehlen der öffentlichen Auseinandersetzung mit den anderen Teilen der Linken dazu beigetragen – aus der Furcht heraus, der Staat könnte sie für die psychologische Kriegsführung gegen uns nutzen, wurde Kritik abgetan und als Bullenpropaganda hingestellt. Unsere Optik war verstellt durch die Gleichsetzung der Linken mit Typen wie Cohn Bendit, SB oder Langer Marsch, die öffentlich zur Denunzierung von Genossen aufgerufen haben, oder – wie in Frankfurt den Bullen gleich die ganze Arbeit abnehmen? Indem sie Sympathisanten-Karteien anlegen. Mit diesen Hilfsbullen kann es auch weiterhin keine Auseinandersetzung auf dieser Ebene geben.

Kritik am RAF-Konzept:
Als eine Form der Resignation betrachten wir die Einwendung von bewaffneten Gruppen zu einem neuen antiimperialistischen Konzept. Die Genossen sagen, dass aufgrund der Korrumpierung der Massen in der Metropole BRD eine breite Entwicklung proletarischer Gegenmacht unmöglich, der Aufbau einer sozialen Widerstandsbewegung sinnlos ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Völker der Dritten Welt am stärksten unterjocht und ausgebeutet werden, gehen sie davon aus, dass nur diese die Basis für einen weltweiten revolutionären Kampf bilden können. Sie betrachten die BRD nur als militärisches Operationsfeld und richten ihre Politik danach aus. Wir können diese Position nicht übernehmen: Selbstverständlich muss die praktische Solidarität mit den Völkern der Dritten Welt und deren Befreiungskämpfen ein wesentlicher Bestandteil unseres Kampfes sein. Aber die beste und wirksamste Solidarität mit diesen Völkern ist der Aufbau einer starken revolutionären Widerstandsbewegung hier, die es dem kapitalistischen Staat verunmöglicht, seine imperialistischen Interessen zu verwirklichen. Es ist Fatalismus, die derzeitige Schwäche des revolutionären Lagers als gegeben und unveränderbar hinzunehmen. Die sich verschärfende Krise des Kapitalismus setzt auf allen Ebenen ein immer größer werdendes Potential frei, auf das es sich zu konzentrieren gilt. Die Aussage ist eindeutig, wenn Schmidt sagt, dass den Terroristen heute die Grundlage entzogen werden muss, wenn nicht morgen das Heer der jugendlichen Arbeitslosen zu ihnen abgleiten soll, oder wenn Kohl feststellt, dass sie verloren haben, wenn der Terrorismus in den nächsten fünf Jahren nicht restlos zerschlagen wird. Und die massive Aufrüstung des Staatsapparates erfolgt beileibe nicht wegen der derzeit schwachen – und sowohl ökonomisch als auch militärisch äußerst uneffektiven Guerilla. Selbst wenn es sogar noch Linke gibt, die diesen Schwachsinn verbreiten. Natürlich werden wir niemanden von der Notwendigkeit revolutionärer Politik überzeugen, wenn sich diese Politik gegen ihn selbst richtet. Wir haben uns alle von den faschistischen Bomben in den Bremer, Hamburger und Kölner Hauptbahnhöfen distanziert. Wir haben alle und immer gesagt, die Aktion und Politik der Guerilla richtet sich niemals gegen das Volk, immer gegen die Herrschenden. Aber: wer sitzt da eigentlich in den Urlauber-Maschinen der Billigst-Route nach Mallorca?

Das Volk und die Guerilla:
Der Genosse Werner Sauber hatte im Januar 1975 in einer Analyse zum antiimperialistischen Konzept folgendes geschrieben: „Eine praktische Auseinandersetzung über die Verbindung des bewaffneten Kampfes mit militanten Proleten wird von den Genossen nicht akzeptiert. Stattdessen machen sich die Genossen als revolutionäre Geheimdienst-Truppe stark, die nur in den Befreiungskriegen der drei Kontinente ihre Basis sieht. Ihrem antiimperialistischen Konzept entsprechend wäre es besser gewesen, sich einer Befreiungsbewegung der Dritten Welt anzuschließen und von dieser konkreten Basis aus gegen die Metropolen zu kämpfen. So aber sind die Genossen weder Fisch im Wasser, noch Vogel in der Luft. Mit unterdrückten Randgruppen oder den Linken wird nur zusammengearbeitet, um neue Kräfte für den antiimperialistischen Kampf zu gewinnen, nicht aber, um die unterdrückten Klassenkämpfer in den Metropolen selbst stark zu machen. Der Kampf muss aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten kommen, mit dessen Hilfe die Arbeiter mehr schlecht als recht unter dem kapitalistischen Belagerungszustand leben. Nur von dieser Alltagssituation aus konkretisiert sich jeglicher Widerstand. Wenn er stattdessen nur den imperialistischen Überbau angreift, ohne in den Fabriken und Stadtteilen verankert zu sein, kann der kapitalistische Staat ihn ohne große Schwierigkeiten mit polizeitaktischen Mitteln einkreisen und vernichten. Die Folge ist schließlich, dass am Aufbau einer Roten Armee gearbeitet wird, die zunächst als Gerippe für sich steht. Die Bomben, die sie schmeißt, hofft sie ins Bewusstsein der Massen zu werfen. Die revolutionäre Gewalt wird so zur Aufklärung reduziert. Sie entsteht nicht aus dem Kampf und der Unterdrückungserfahrung der Klasse und wird folglich auch nicht zum Mittel der Gegenmacht. Daraus ergibt sich eine sympathisierende Zuschauerhaltung, solange die Gejagten nicht gefasst werden, eine ohnmächtige Passivität bei der Auseinandersetzung zwischen dem Terror des Staates und dem antiimperialistischen Kampf der Genossen.“ In ihrer Gesamtheit ist diese Einschätzung auch heute noch richtig. Sicherlich ist es problematisch, heute pauschal von dem Arbeiter zu sprechen? der da mehr schlecht als recht unter dem kapitalistischen Belagerungszustand lebt. Die Verbürgerlichung eines großen Teils der Arbeiterschaft aufgrund ihres sozialen Aufstiegs bleibt dabei ebenso unberücksichtigt wie andererseits die spezifische Situation von Frauen, Arbeitsimmigranten, Arbeitslosen und Jugendlichen.

Alltägliches Widerstandsverhalten:
Der zentrale Punkt ist, dass sich der Kampf aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten herausbilden und entwickeln kann und muss. Die Bereiche, in denen das geschieht, und die in diesen Bereichen gebundenen Menschen lassen sich heute nicht mehr in den Kriterien traditioneller Klassenbegriffe erfassen. Am deutlichsten wird dies bei den militanten Ansätzen der Anti-AKW-Bewegung, bei denen vom Bauern bis zum Uni-Professor alles zu finden ist.

Den Kampf aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten heraus entwickeln heißt beispielsweise auch,

  • aus einer Demo heraus ein Bullen-Revier oder Rathaus klein zu machen, wenn ein besetztes Haus wie die Feuerwache geräumt und abgerissen wird.
  • Springers Verkaufskästen und Lieferwagen anzuzünden, wenn unsere Drucker verhaftet werden.
  • Klau-Ins in Kaufhäusern zu machen, wenn die Lebensmittelpreise steigen (die Kasse nicht vergessen!).
  • KOBs bis auf die Unterhose ausziehen und an einen Laternenpfahl binden, wenn sie zuviel schnüffeln (ne Tracht Prügel tut‘s auch!)
  • Oder schweinischen Frauenärzten die Praxis renovieren oder mit Schlachterabfall auffüllen.

Ansatzpunkte gibt es mehr als genug, und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und praktische internationale Solidarität lässt sich am besten beweisen, wenn Firmen abbrennen, die Waffen in den Iran oder Kernkraftwerke nach Südafrika liefern.

Legalität – wessen Legalität?
Und natürlich wird an diesem Punkt von anderer Seite wieder die Frage nach Gewalt, Legalität und Illegalität aufgeworfen werden. Legalität, das ist das, was die Herrschaftsordnung nicht gefährdet. Wer die kapitalistische Ordnung über den Menschen beseitigen will und vor allem danach handelt, ist illegal. Dass auch nicht gleich jeder Systemveränderer in den Knast gesteckt wird, heißt noch lange nicht, dass es eine legale Möglichkeit gäbe, die Herrschenden von ihrem Sockel zu stoßen. Die Noch-Nicht-Illegalisierung kann bedeuten, dass es für den Staat praktischer ist, weil legale Gruppen leichter zu kontrollieren sind, oder dass deren Praxis nicht relevant ist, oder dass die offene Illegalisierung derzeit mehr Schaden als Nutzen bringen wurde, oder alles zusammen: Legalität ist keine feste Größe, Legalität ist eine Machtfirage.

Im Dritten Reich wurden Gesetze für alles geschaffen, was passierte geschah im Rahmen der Legalität. Das ist heute nicht anders. Wer den Rahmen der Legalität immer achtet, achtet irgendwann die Legalität des Faschismus. Wir sind doch nicht diejenigen, die bestimmen, was in diesem Staate illegal ist.

Z.B.: Das Info-BUG:
Nehmen wir doch einmal das Beispiel Info-BUG. Ein Organ, in dem die Diskussion und die Positionen der Linken publiziert werden, wird kriminalisiert. Für die Info-Macher haben sich daraus zwei Alternativen ergeben: Einmal wird ein sog. Konspi-Info gemacht, das die für uns alle wichtige Funktion weiter erfüllt, die Macher können ihr Risiko klar einschätzen, was wie sich zum Beispiel bei den Druckern gezeigt hat – nicht nennenswert höher liegt als beim alten Konzept. Zum anderen wird ein BUG gemacht, mit presserechtlich Verantwortlichem, die schon aufgrund ihrer eigenen Gefährdung an Selbst-Zensur interessiert sein müssen. Während sich die einen den veränderten Bedingungen angepasst haben, geben die anderen freiwillig Positionen auf. Das Witzige an der Geschichte ist, dass ausgerechnet die Vertreter der legalistischen Alternative sagen, dass sie es wären, die die Positionen behaupten. Wir sagen nicht, dass die legalen Möglichkeiten des Kampfes nicht genutzt oder nur vernachlässigt werden müssen. Sondern: dass nicht die bestehende Ordnung den Rahmen unseres Kampfes abstecken kann, sondern das Ziel: die Revolution

Nicht die Legalität bestimmt unsere Aktivität, sondern unsere Taktik im Rahmen der revolutionären Strategie.

Zur Gewaltfrage:
Die Frage der Gewalt ist an sich schon wieder müßig. Die tägliche Lektüre einer x-beliebigen Zeitung macht deutlich, von wem die Gewalt ausgeht. Wir können niemanden daran hindern, die linke Wange hinzuhalten, wenn er auf die rechte geschlagen worden ist, die Illusion aber, dass er damit ein für allemal sein Pensum hinter sich gebracht hätte, sollte inzwischen jeder aufgegeben haben. Wir, das heißt all diejenigen, die von diesem Staat nicht mehr vereinnahmbar sind, müssen begreifen lernen, dass wir angesichts eines bis an die Zähne bewaffneten Staates in der Durchsetzung unserer Bedürfnisse und Interessen auf bewaffnete revolutionäre Gruppen nicht verzichten können. Wir müssen uns heute darüber im Klaren sein, dass wir an einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit diesem Staat nicht vorbeikommen. Das muss als politische Notwendigkeit und allerdings nicht als Fetisch begriffen werden.

Wie kommen wir weiter ?
“Die Bewegung als solche, ohne Beziehung auf das Endziel, die Bewegung als Selbstzweck ist uns nichts; das Endziel ist uns alles.” (R. Luxemburg)

Wir kommen alle nicht aneinander vorbei. Und warum sollten wir auch? Wenn wir weiterkommen wollen, werden wir uns gezwungen sehen, endlich einmal zu dem Punkt zu finden, wo Widerstand nicht mehr von Widerstand zu trennen ist, wo Genossen es nicht mehr nötig haben, verschiedene Formen des Widerstandes auseinander zu dividieren. Wir sollten begreifen, dass wir in der Vielschichtigkeit der Auseinandersetzung nicht nur gegenseitigen Nutzen ziehen, sondern auch aufeinander angewiesen sind. Nur der kompromisslose Kampf auf allen Ebenen führt dorthin, wo wir in der Tat eine „große Familie“ sind, die Distanzierung, wenigstens innerhalb des undogmatischen Lagers, an dem Nagelbrett der Geschichte spießen, linkes Spießertum, Konkurrenzdenken und Anfeindungsversuche überwunden sind.

Und das ist klar: auf dem Weg zum Strand müssen wir auch das Pflaster über unseren Hirnen aufreißen.

Für den offensiven Kampf in allen Lebensbereichen
Für die Organisierung des totalen Widerstandes – hier und heute!
Für eine revolutionäre Guerilla-Bewegung

RGO – Revolutionäre – Guerilla – Opposition aus der Konkursmasse der Bewegung 2. Juni.

Für wen Namen noch irgendwelche Bedeutung haben:
Spontius Bär, Rowdy Rebell, Carlos Caballe, Satan
der Weiße und Tarzan Stepke – alle aus dem Knast
Moabit.

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Tunix gehörte zur Gründungsgeschichte von  "Stattwerke e.V." -

"Berlin Kreuzberg Ende der 70er Jahre!
Die Studentenrevolten waren lange vorbei, die Amis waren längst zu Hause, die Vietnamesen waren als Aggressoren in Kambodscha und die Chinesen als ebensolche im Land der Vietnamesen. Es war anscheinend still in West-Berlin. Keine Massenkundgebung, keine Demo wie sonst, kein Megaphon verstärktes Für und Wider. Doch – zehn Jahre nach dem Höhepunkt der Studenten-Rebellion, die in West-Berlin begann und Signale für die Linken setzte, markierte die halbe Stadt wieder den Ausgangspunkt einer neuen Jugendbewegung. Sie wollte nicht lange durch Institutionen marschieren, um wer weiß wo anzukommen:
Anti war passé, alternativ hieß die Parole!
Und so versammelten sich Ende Januar 1978 in West-Berlin Tausende von Menschen zum "Tunix"-Kongress in der Technischen Universität. Das Treffen vor 30 Jahren wurde zur Geburtsstunde der Alternativbewegung".

"Stattwerke" haben ihren Schwerpunkt in der Bildung- und Sozialarbeit. Gegründet wurde dieser Verein 1981, der sich als Teil einer Alternativbewegung versteht, wofür die Initialzündung beim Tunix-Treffen verortet wird.

Manfred Zieran (Ökolinx) am 26.1.2018:

"Tunix war 1978 wichtig für Sammlung und für einen neuen Aufbruch der alternativen, undogmatischen und antiautoritären Linken nach dem düsteren deutschen Herbst, dem Herbst, in dem der Polizeistaat in Bewegung gesetzt wurde gegen linke Projekte und Bewegungen wie die Anti-Akw-Bewegung unter dem Deckmantel der staatlichen Jagd auf die RAF. Für die Gründung der Grünen war er nicht entscheidend, die bunten und grünen Treffen liefen bereits."

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Zur politischen Bedeutung des Tunix-Treffens
Ein Text von 2008 aus anarchistischer Sicht

M. A. Bakunin: Tunix-Kongress – heute dringender denn je

Vom 27. bis 29 Januar 1978 fand an der TU Berlin der Tunix-Kongress statt – die taz hat in der Freitagausgabe dazu ein paar Sonderseiten gebracht. Bei dem Kongress kamen 5.000 bis 20.000 Menschen zusammen, um über ein alternatives Leben außerhalb des von der SPD propagierten „Modell Deutschland“ zu diskutieren. Doch nicht die Diskussion oder die Theorie stand im Zentrum des Kongresses, sondern das konkrete Tun. Der Traum von der großen gesellschaftlichen Revolution war mit dem Deutschen Herbst und dem immer repressiver werdenden Sicherheitsstaat eh zerplatzt. Klassenkampf und der „Marsch durch die Institutionen“ schienen ebensowenig glückversprechend. Wenn es eine neue Theorie gab, so war es die der gewaltlosen Graswurzelrevolution. Statt phraseologischer Kapitalismuskritik stand nun die praktische, individuelle und lebendige Veränderung im Kleinen im Vordergrund. Wenn überhaupt dann können der französische Philosoph Gilles Deleuze, der Anti-Psychater Felix Guattari und der damals in Deutschland noch eher unbekannte Michel Foucault als „Denker“ des Tunix-Kongresses gelten.

Der ’78-er Kongress, auch „Woodstock in Räumen“ genannt, hat zahlreiche tolle Ergebnisse gebracht, die vielfach in der heutigen Linken wenig gewürdigt werden. Dazu zählt zum Beispiel auch die TAZ. Dieser als linksradikales, aber auch undogmatisches Projekt gestarteten Zeitung wird Verbürgerlichung und Integrierung in das bundessdeutsche System vorgeworfen und das sie keineswegs mehr links oder alternativ wäre. Das linken Projekten derartiges vorgeworfen wird, wenn sie einen gewissen Erfolg haben, kommt leider immer wieder vor. Das „Projekt A“ (u.a.) von Horst Stowasser in Neustadt an der Weinstraße ist dafür ein weiteres Beispiel. Die Kritik an der Partei Bündnis 90/Grüne, die ebenso als ein langfristiges Ergebnis des Tunix-Kongresses angesehen werden kann, mag zwar um ein vielfaches berechtigter sein, hier wird aber vergessen, dass es sich bei dieser Partei keineswegs um ein monolithisches Gebilde handelt. Wer aber ewig nach dem Paradies schielt und so diese undogmatischen Linken Projekte ablehnt und hier sogar den reaktionären Feind zu entdecken glaubt, wird nie sein Glück auf Erden erreichen. Dann könnte man sich auch gleich der katholischen Kirche anschließen.

Viel wichtiger als diese „großen“ Projekte sind aber eh die kleinen Veränderungen, die Wohnprojekte und kleinen Betriebe: alternative Buchläden, Ökobauernhöfe, Fahrradwerkstätten, Stadtteilgruppen, Bürgerinitativen, Reiseagenturen und was noch alles nach 1978 als Projekte der Selbstorganisation startete. Das einiges von diesem zum Lebensstil gutverdienender Bewohner des Prenzlauer Bergs wurde, kann man auch kritiseren, aber es hätte definitiv schlimmer kommen können. Andererseits kann dieser unpolitische Lifestyle keinesfalls eine wirkliche Alternative sein. Es handelt sich dabei schließlich nur um eine geringfügige Modifikation der kapitalistischen Logik. Es ist aber die Ökonomie, die eine wirklich alternative Lebensweise ausmacht!

Dem Tunix-Kongress wurde von linken Theoretikern vorgeworfen zu einer Entpolitisierung und einem Abgleiten ins Private zu führen, wobei die Veränderung der gesamten Gesellschaft aus den Augen verloren ginge. Das aber ist Unsinn. Denn im Gegensatz zu den großen Utopien des SDS und der marxistischen K-Gruppen, wurden hier die sozialistischen und libertären Utopien nicht auf eine ferne Zukunft verschoben, sondern, so fern es die menschliche Unzulänglichkeit zuließ, im Hier und Jetzt verwirklicht. Das selbstgebackene Brot ist allemal besser als ein Schrank voll utopischer Bücher oder ein langer Blog-Beitrag – wobei letztere zu lesen, zu schreiben und zu diskutieren sicher kein Schaden verursacht.

Was wir heute brauchen ist ein neuer Tunix-Kongress. Damit alle die Sache richtig verstehen sollte man ihn diesmal realitätsgerecht Tuwas-Kongress nennen. Es gibt ja noch ziemlich viele Projekte in ganz Deutschland (und darüber hinaus) die an die Philosophie des Kongresses anknüpfen. Darauf können wir aufbauen, daran können wir uns beteiligen. Auch damals hätte man nicht gedacht, dass sich so viele Menschen in den Räumen der TU einfinden. Vielleicht ist ja unsere Zeit doch besser als ihr Ruf.

Quelle: http://aka.blogsport.de/2008/01/26/tunix-kongress-heute-dringender-denn-je/

Redaktionelle Zusammenstellung: Karl Mueller