Davon
hatte sie seit längerem geträumt: endlich einmal
auf internationaler Bühne ernst genommen, und von
richtigen Staats- und Regierungschef empfangen
werden! Endlich einmal den Staatsmann, oder eher
die Staatsfrau, heraushängen lassen! Und dann
noch dazu am besten in einem „unverdächtigen“,
etwa einem arabischen Land, um sich einen
Persilschein in Sachen Rassismus abzuholen...
Anfang dieser Woche ging
dieser Traum für Marine Le Pen, die Chefin der
französischen rechtsextremen Partei Front
National (FN), scheinbar in Erfüllung. Vorige
Versuche endeten aus ihrer Sicht eher
enttäuschend. Am 12. Januar d.J. hielt die
Präsidentschaftskandidatin aus Frankreich sich im
mittlerweile berühmten Gebäudekomplex „Trump
Tower“ in New York auf. Allerdings nicht auf
Einladung des Teams rund um den damals bereits
gewählten, aber noch nicht amtierenden
Präsidenten
Dagobert Duck
Donald Trump, sondern dank der Tatsache, dass der
Italo-Amerikaner George Lombardi dortselbst
seinen Wohnsitz hat. Er vertrat früher die
Interessen der italienischen rassistischen
Regionalpartei Lega Nord in den USA und zählt zu
den dortigen Kontakten der europäischen extremen
Rechten. Aus der Umgebung von Donald Trump wollte
dagegen niemand mit der französischen Politikerin
zusammentreffen, auch wenn es einflussreichen
Stimmen um den Berater Stephen Bannon gibt, die
den rechtsextremen FN mit Sympathie verfolgen.
Auch ein Versuch, sich in die britische
Referendumskampagne im Mai/Juni 2016 einzuladen,
gingen für Marine Le Pen nicht gar zu glorreich
aus: Die führenden Köpfe der Pro-Brexit-Kampagne
luden sie aus, sie verzichtete letztendlich auf
ihren Besuch.
An diesem Montag, den 20.
Februar 17 nun aber war es soweit: Marine Le Pen
durfte die internationale Politikerin von Rang
spielen und wurde vom amtierenden libanesischen
Präsidenten Michel Aoun sowie durch
Premierminister Saad Hariri empfangen. Zwar
verlief der Besuch in einigen inhaltlichen
Einzelpunkten nicht allzu erfreulich für die
FN-Politikerin, würde man die Dinge auf die
Goldwaage legen: Hariris medienträchtigste
Botschaft an seine Besucherin, mit welcher er
sich rund
dreißig
Minuten unterhielt, lautete, sie solle „kein
Amalgam“ – keine unzulässige Vermischung –
„zwischen Muslimen und Terroristen“ betreiben.
Aber darauf kam es aus Sicht der nach
institutioneller Anerkennung strebenden,
neofaschistischen Politikerin nicht an. Das
Symbol eines Empfangs im Präsidentenpalast zählte
mehr alles Andere.
Dass
sie dort relativ offene Türen vorfand, verdankte
Marine Le Pen den traditionellen Kontakten des
französischen FN in die libanesische christliche
Rechte. Deren Hauptpartei, französisch als
Falange oder arabisch als Kata’eb bezeichnet, war
in den 1970er und 1980er Jahren - während des
damaligen konfessionalisierten Bürgerkriegs, der
1990 beendet wurde – eine bewaffnete Miliz.
Gegründet hatte sie Pierre Gemayel, nachdem er
1936 begeistert von den Olympischen Spielen aus
Nazideutschland zurückkehrte, und bei der
Namensgebung lehnte er sich an die spanischen
Faschisten an. Seine Miliz war auf regionaler
Ebene zugleich ein Hauptverbündeter des Staates
Israel, der in den achtziger Jahren militärisch
in den Bürgerkrieg im Nachbarland eingriff, und
sie war verantwortlich für das berüchtigte
Massaker in den palästinensischen
Flüchtlingslagern Sabra und Schatila. Die nach
wie vor Gemayel-Familie hat sich zwar inzwischen
formal gemäßigt. Zum extremen Flügel der
libanesischen christlichen Rechten zählt jedoch
nach wie vor der frühere Milizenführer Samir
Geagea; mit ihm sollte Marine Le Pen am Dienstag
ebenfalls zusammentreffen.
Präsident Michel Aoun,
ebenfalls ein Christ, kommt aus einer anderen
politischen Richtung. Er führte früher die Partei
„Freie patriotische Strömung“. Am Ausgang des
Bürgerkriegs 1990 war er zunächst der Wortführer
der Opposition gegen den damals starken syrischen
Einfluss im Libanon, und das Regime Syriens zwang
ihn damals ins französische Exil. Später vollzog
der notorische politische Wendehals Aoun jedoch
eine taktische Drehung, und er ist heute mit dem
syrischen Regime sowie der schiitischen Hizballah
(Hezbollah) im Libanon verbündet. Dies dürfte –
neben alten Kontakten des FN zu Aoun aus einer
französischen Exilzeit – einer der Hauptgründe
für den Empfang Marine Le Pens in Beirut sein. Am
Montag, den 20. Februar d.J. setzte die
FN-Politikerin sich dort auch lautstark dafür
ein, dem syrischen Folterregime unter Baschar
Al-Assad den Rücken zu stärken: Dieses verkörpere
angeblich „die einzige gangbare Lösung“,
um „eine Machtübernahme des Islamischen
Staates (in Syrien) zu verhindern“.
Hingegen zählt Saad Hariri zur sunnitischen
Bourgeoisie, die eher Saudi-Arabien nahe steht.
Das libanesische konfessionelle Proporzsystem,
das 1943 beim Ende des französischen
Völkerbund-Mandats für die – faktisch koloniale –
Verwaltung des Libanon eingeführt wurde, sieht
vor, dass einem christlichen Präsidenten stets
ein sunnitischer Regierungschef zur Seite zu
stehen hat. Die Doppelspitze im libanesischen
Staat, die aktuell aus Aoun und Hariri besteht,
bildet eine Art großkoalitionären Kompromiss,
dessen Aushandlung extrem mühselig war. Deswegen
blieb der Libanon von 2014 bis Oktober 2016
längere Zeit ohne Staatsoberhaupt.
Aus diesem Grunde dürfte
Hariri sich kritischer gegenüber Marine Le Pen
gezeigt haben als Aoun, welcher bereits zu ihrem
Vater Jean-Marie Le Pen Kontakte pflegte. Neben
einigen libanesischen Repräsentanten hatte die
derzeitige FN-Chefin in der Vergangenheit auch
Kontakte zu zwei anderen arabischen Staaten,
Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten –
Letztere bilden einen Verbund aus sieben reichen
Zwergstaaten. Im Mai 2015 wurde sie in Kairo
empfangen – u.a. auch in der Al Azhar-Universität
-, und im darauffolgenden Jahr hielten sich
Informationen im Umlauf, wonach die Emirate ihr
eine finanzielle Unterstützung zusagten. Die
Regimes beider Staaten versuchen, sich zu
Champions im repressiven Kampf gegen
islamistische Strömungen aufzuschwingen und dies
auch durch einen Brückenschlag zur mit Muslimhass
reüssierenden Agitatorin Marine Le Pen zu
unterstreichen.
Marine Le Pen sollte am
Dienstag früh (21. Februar 17) auch mit dem
Großmufti von Beirut zusammentreffen, dem
geistigen Oberhaupt der sunnitischen Muslime des
Landes. Le Pen weigerte sich jedoch, in dessen
Gotthaus ein Kopftuch anzulegen, und verließ die
Örtlichkeiten, ohne ihn treffen.
Dieser kalkulierte Eklat
könnte ihr in Teilen der Gesellschaft Frankreichs
noch zusätzliche Sympathiepunkte eintragen...
Während ihr seit Anfang der Woche erstmals in
einer Umfrage 44 Prozent für die Stichwahl um die
französische Präsidentschaft prognostiziert
werden, ein bislang noch unerreichtes Niveau.
Editorischer Hinweis
Den
Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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