Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Marine Le Pen im Libanon

02/2017

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Davon hatte sie seit längerem geträumt: endlich einmal auf internationaler Bühne ernst genommen, und von richtigen Staats- und Regierungschef empfangen werden! Endlich einmal den Staatsmann, oder eher die Staatsfrau, heraushängen lassen! Und dann noch dazu am besten in einem „unverdächtigen“, etwa einem arabischen Land, um sich einen Persilschein in Sachen Rassismus abzuholen...

Anfang dieser Woche ging dieser Traum für Marine Le Pen, die Chefin der französischen rechtsextremen Partei Front National (FN), scheinbar in Erfüllung. Vorige Versuche endeten aus ihrer Sicht eher enttäuschend. Am 12. Januar d.J. hielt die Präsidentschaftskandidatin aus Frankreich sich im mittlerweile berühmten Gebäudekomplex „Trump Tower“ in New York auf. Allerdings nicht auf Einladung des Teams rund um den damals bereits gewählten, aber noch nicht amtierenden Präsidenten Dagobert Duck Donald Trump, sondern dank der Tatsache, dass der Italo-Amerikaner George Lombardi dortselbst seinen Wohnsitz hat. Er vertrat früher die Interessen der italienischen rassistischen Regionalpartei Lega Nord in den USA und zählt zu den dortigen Kontakten der europäischen extremen Rechten. Aus der Umgebung von Donald Trump wollte dagegen niemand mit der französischen Politikerin zusammentreffen, auch wenn es einflussreichen Stimmen um den Berater Stephen Bannon gibt, die den rechtsextremen FN mit Sympathie verfolgen. Auch ein Versuch, sich in die britische Referendumskampagne im Mai/Juni 2016 einzuladen, gingen für Marine Le Pen nicht gar zu glorreich aus: Die führenden Köpfe der Pro-Brexit-Kampagne luden sie aus, sie verzichtete letztendlich auf ihren Besuch.

An diesem Montag, den 20. Februar 17 nun aber war es soweit: Marine Le Pen durfte die internationale Politikerin von Rang spielen und wurde vom amtierenden libanesischen Präsidenten Michel Aoun sowie durch Premierminister Saad Hariri empfangen. Zwar verlief der Besuch in einigen inhaltlichen Einzelpunkten nicht allzu erfreulich für die FN-Politikerin, würde man die Dinge auf die Goldwaage legen: Hariris medienträchtigste Botschaft an seine Besucherin, mit welcher er sich rund dreißig Minuten unterhielt, lautete, sie solle „kein Amalgam“ – keine unzulässige Vermischung – „zwischen Muslimen und Terroristen“ betreiben. Aber darauf kam es aus Sicht der nach institutioneller Anerkennung strebenden, neofaschistischen Politikerin nicht an. Das Symbol eines Empfangs im Präsidentenpalast zählte mehr alles Andere.

Dass sie dort relativ offene Türen vorfand, verdankte Marine Le Pen den traditionellen Kontakten des französischen FN in die libanesische christliche Rechte. Deren Hauptpartei, französisch als Falange oder arabisch als Kata’eb bezeichnet, war in den 1970er und 1980er Jahren - während des damaligen konfessionalisierten Bürgerkriegs, der 1990 beendet wurde – eine bewaffnete Miliz. Gegründet hatte sie Pierre Gemayel, nachdem er 1936 begeistert von den Olympischen Spielen aus Nazideutschland zurückkehrte, und bei der Namensgebung lehnte er sich an die spanischen Faschisten an. Seine Miliz war auf regionaler Ebene zugleich ein Hauptverbündeter des Staates Israel, der in den achtziger Jahren militärisch in den Bürgerkrieg im Nachbarland eingriff, und sie war verantwortlich für das berüchtigte Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila. Die nach wie vor Gemayel-Familie hat sich zwar inzwischen formal gemäßigt. Zum extremen Flügel der libanesischen christlichen Rechten zählt jedoch nach wie vor der frühere Milizenführer Samir Geagea; mit ihm sollte Marine Le Pen am Dienstag ebenfalls zusammentreffen.

Präsident Michel Aoun, ebenfalls ein Christ, kommt aus einer anderen politischen Richtung. Er führte früher die Partei „Freie patriotische Strömung“. Am Ausgang des Bürgerkriegs 1990 war er zunächst der Wortführer der Opposition gegen den damals starken syrischen Einfluss im Libanon, und das Regime Syriens zwang ihn damals ins französische Exil. Später vollzog der notorische politische Wendehals Aoun jedoch eine taktische Drehung, und er ist heute mit dem syrischen Regime sowie der schiitischen Hizballah (Hezbollah) im Libanon verbündet. Dies dürfte – neben alten Kontakten des FN zu Aoun aus einer französischen Exilzeit – einer der Hauptgründe für den Empfang Marine Le Pens in Beirut sein. Am Montag, den 20. Februar d.J. setzte die FN-Politikerin sich dort auch lautstark dafür ein, dem syrischen Folterregime unter Baschar Al-Assad den Rücken zu stärken: Dieses verkörpere angeblich „die einzige gangbare Lösung“, um „eine Machtübernahme des Islamischen Staates (in Syrien) zu verhindern“.

Hingegen zählt Saad Hariri zur sunnitischen Bourgeoisie, die eher Saudi-Arabien nahe steht. Das libanesische konfessionelle Proporzsystem, das 1943 beim Ende des französischen Völkerbund-Mandats für die – faktisch koloniale – Verwaltung des Libanon eingeführt wurde, sieht vor, dass einem christlichen Präsidenten stets ein sunnitischer Regierungschef zur Seite zu stehen hat. Die Doppelspitze im libanesischen Staat, die aktuell aus Aoun und Hariri besteht, bildet eine Art großkoalitionären Kompromiss, dessen Aushandlung extrem mühselig war. Deswegen blieb der Libanon von 2014 bis Oktober 2016 längere Zeit ohne Staatsoberhaupt.

Aus diesem Grunde dürfte Hariri sich kritischer gegenüber Marine Le Pen gezeigt haben als Aoun, welcher bereits zu ihrem Vater Jean-Marie Le Pen Kontakte pflegte. Neben einigen libanesischen Repräsentanten hatte die derzeitige FN-Chefin in der Vergangenheit auch Kontakte zu zwei anderen arabischen Staaten, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten – Letztere bilden einen Verbund aus sieben reichen Zwergstaaten. Im Mai 2015 wurde sie in Kairo empfangen – u.a. auch in der Al Azhar-Universität -, und im darauffolgenden Jahr hielten sich Informationen im Umlauf, wonach die Emirate ihr eine finanzielle Unterstützung zusagten. Die Regimes beider Staaten versuchen, sich zu Champions im repressiven Kampf gegen islamistische Strömungen aufzuschwingen und dies auch durch einen Brückenschlag zur mit Muslimhass reüssierenden Agitatorin Marine Le Pen zu unterstreichen.

Marine Le Pen sollte am Dienstag früh (21. Februar 17) auch mit dem Großmufti von Beirut zusammentreffen, dem geistigen Oberhaupt der sunnitischen Muslime des Landes. Le Pen weigerte sich jedoch, in dessen Gotthaus ein Kopftuch anzulegen, und verließ die Örtlichkeiten, ohne ihn treffen.

Dieser kalkulierte Eklat könnte ihr in Teilen der Gesellschaft Frankreichs noch zusätzliche Sympathiepunkte eintragen... Während ihr seit Anfang der Woche erstmals in einer Umfrage 44 Prozent für die Stichwahl um die französische Präsidentschaft prognostiziert werden, ein bislang noch unerreichtes Niveau.

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.