Als ich im März 2015
in dem Laden angefangen habe, hatte ich von Pflege
keine Ahnung. Heute fast zwei Jahre später ist das
weitestgehend noch immer so. „Kein Problem“, sagte
die Chefin, „ich zeige ihnen das.“ Ich bin also
einen Tag mit ihr mitgefahren und hab zugesehen,
was sie macht. Dann bin ich noch einen Tag mit
einer Kollegin mitgefahren und hab auch selbst Hand
angelegt. Damit war meine Ausbildung zu Ende. Ich
war jetzt Pflegeexperte. Von da an habe ich alte
und kranke Menschen betreut. Darunter auch
Sterbende. Ich habe Windeln gewechselt, habe
Insulin und Klexan oder Marcumar gespritzt, habe
Verbände gewechselt und Wundversorgung gemacht.
Künstliche Ernährung angelegt und Medikamente in
eine Magensonde gespritzt oder die Beutel an
künstlichen Darmausgängen gewechselt. Einiges hab
ich mir aus YouTube-Videos angelernt. Hab mir auch
Bücher über Pflege und den Umgang mit Dementen
besorgt. Was mich von Anfang an gestört hat, war,
dass der Dienstplan erst 2 Tage vor dem neuen Monat
ausgehangen hat. Auch dass es oft nur 4 freie Tage
im Monat gab, war extrem belastend. Ich bin 61
Jahre alt. Nach einem Jahr war mein befristeter
Vertrag ausgelaufen und ich habe mir eine andere
Arbeit gesucht. Da hat man mir dann mehr Geld
geboten, wenn ich bleibe. Habe mir dann im
Arbeitsvertrag versichern lassen, dass ich 6 freie
Tage mindestens habe und dass der Dienstplan am 15.
des Vormonats aushängen muss.
Bis dahin hatte ich
immer nur Spätdienst. Jetzt wurde ich auch zum
Frühdienst eingeteilt. Klasse war es, wenn ich um
10 Uhr mit dem Spätdienst fertig war und morgens um
5 Uhr zum Frühdienst wieder raus musste. Auch
musste ich gelegentlich 14 Tage ohne freien Tag
durcharbeiten. Musste immer mehr Leistungen
erbringen, die nach meinem Wissen nur examinierte
Leute machen dürfen. Andere waren auch unzufrieden.
Warteten auf ihr Geld, hatten wenig frei usw. Ich
selbst habe mal fast ein Jahr auf meine
Reisekostenabrechnung gewartet. Das Geld für meinen
Bausparvertrag, das mir jeden Monat vom Nettolohn
abgezogen wurde, ist bis heute nicht eingegangen.
Seit über einem Jahr. Also musste sich etwas
ändern. Nachdem der Urlaubsplan für 2017 erstellt
wurde und kaum jemand dann Urlaub bekommen hat, wie
er wollte, war es soweit. Zusammen mit zwei
Kollegen haben wir zur Wahlversammlung zur Wahl
eines Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl
eingeladen. Bei der Wahlversammlung wurden die
Einlader von einem Herrn K.H. massiv mit
Kündigung bedroht. Er hat herumgeschrieen und
versucht, die KollegInnen einzuschüchtern. Meine
Gewerkschaft IWW (Industrial Workers of the World)
hat gegen ihn Klage wegen Behinderung der
Betriebsratswahl eingereicht. Trotzdem haben wir am
16.01.2017 einen Betriebsrat gewählt. Leider haben
sich Kolleginnen so einschüchtern lassen, dass eine
Vertraute der Geschäftsleitung gewählt wurde. Ich
selbst wurde zum Ersatzmitglied gewählt. Damit
hätte ich leben können. Sind ja 2018 schon wieder
Wahlen. Da sich durch die Wahl der Kollegin, die
denkt, Pflegedienstleiterin in dem Betrieb zu
werden, nichts zum Vorteil ändert, waren die
Chancen gut, dass ich dann gewählt werde.
Am Mittwoch, den
18.01.2017, klingelte es jedoch abends an der Tür.
Die Chefin des Ladens, Frau R.W., stand
vor der Tür mit einem Zeugen und hat mir die
fristlose Kündigung überreicht. Natürlich werde ich
dagegen klagen und hoffe auf die Solidarität meiner
GewerkschaftskollegInnen und aller kämpfenden
ArbeiterInnen in Deutschland und anderswo.
Editorischer Hinweis
Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese
Ausgabe. Aus Rechtsgründen haben wird die Namen
anonymisiert. Wenn der Kollege den Kampf gegen
seine Entlassung aufnimmt, werden wir weiter
berichten und zur Solidarität aufrufen.
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