Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Proteste und parteipolitische Spielchen
Verfassungsänderung zu Ausnahmezustand & Ausbürgerung im „Unterhaus“ verabschiedet. Der Text könnte jedoch noch scheitern und der FN stimmt letztendlich dagegen

02/2016

trend
onlinezeitung

Sträflinge stehen in schwarz-weiß gestreifter Häftlingskluft auf einer LKW-Fläche und trommeln, was das Zeug hält. Daneben steht eine Person mit Mikrophon und malt aus, in welch düstere Zukunft die repressiven Regierungspläne führen könnten. So untermalte die französische Linkspartei (PG) am Samstag, den 30. Januar 16 auf einer Demonstration in Paris ihre Kritik an dem Vorhaben der Exekutive, den Ausnahmestand – für den es bislang ein einfaches Gesetz gibt – in den Verfassungsrang zu erheben. (Die Sträflings-Aktion hat allerdings zugleich den Protest gegen die Verurteilung von acht Gewerkschaftern im nordfranzösischen Amiens, die beim Reifensteller Goodyear zwei hohe Manager einige Stunden lang zu Verhandlungszwecken festhielten, zu neun Monaten Haft ohne Bewährung zum Gegenstand.)

Neben der Festschreibung des Notstands in der französischen Verfassung will die Regierung auch viele bislang spezifische Notstandsmaßnahmen mit dem aktuellen Gesetzentwurf „zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und zur Reform des Strafprozessrechts“ in die normale Gesetzgebung übernehmen.

Der Parti de Gauche (PG), eine im Winter 2008/09 von der Sozialdemokratie abgespaltene Kleinpartei, steht mit ihrer Opposition dagegen nicht allein da. Zwischen zehn- und fünfzehntausend und damit erheblich mehr, als viele angesichts des ganztägigen kalten Regengusses befürchtet hatten, kamen zur Pariser Demonstration, am 30. Januar 16. Sie gehörten etwa zu libertären Strukturen, zur „Neuen Antikapitalistischen Partei“, zur französischen KP, zu den Grünen oder zu Menschenrechts- und antirassistischen Vereinigungen. Auch in weiteren französischen Städten wie Lille, Lyon und Nantes gingen Menschen zu dem Thema auf die Straße, bevor am 05. Februar d.J. die Parlamentsdebatte über die Verlängerung des seit November 2015 geltenden Ausnahmezustands anfing. Am Samstag, den 06. Februar wurde in Städten wie Lyon, Marseille und im bretonischen Saint-Brieuc ebenfalls demonstriert. Insgesamt beteiligten sich frankreichweit rund 50.000 Menschen an den Protesten.

Vorläufig soll der Ausnahmezustand nun für drei Monate fortgeschrieben werden, während parallel dazu die Verfassungsänderung vorbereitet wird. Da aber ab Anfang Juni 16 die Europa-Fußballmeisterschaft im Raum Paris beginnen wird, darf wohl kaum damit gerechnet werden, dass die Staatsführung es Ende Mai dieses Jahres dann dabei bewenden lassen wird. Es sei denn, die Grenze zwischen Not- und Normalzustand sollte bis dahin derart verwischt worden sein, dass es des Rückgriffs auf die Ausnahmegesetzgebung dann vorerst gar nicht mehr bedarf. Den Entwurf zur „organisierten Kriminalität“ und zur Reform der Strafprozessordnung, der sich auf viele Lebensbereiche anwenden lassen könnte, stellte die Regierung erstmals am 17. Dezember 15 vor.

Zu den Vollmachten für die Exekutive, die sich und ihre Polizei mit den Notstands- und anderen Texten zunehmend von richterlicher Kontrolle entbindet, zählen etwa Durchsuchungen zu jeder Tages- und Nachtzeit ohne richterlicher Anordnung und die Verhängung von Hausarrest – bislang in knapp 400 Fällen -, ebenfalls außerhalb vorheriger richterlicher Kontrolle. Bislang durchgeführten 3.300 Hausdurchsuchungen stehen ganz fünf daraufhin eröffnete Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten gegenüber. In 200 Fällen wurden daneben Zufallsfunde in Form von Betäubungsmitteln gemacht, in ebenfalls rund 200 Fällen solche, die Waffen betreffen. In der Regel geht es aber um Kleinwaffen, pro Fund durchschnittlich zwei bis drei (denn die Anzahl der insgesamt entdeckten Waffen liegt bei 560, Stand vom 05. Februar d.J.(1). Es handelt sich also nicht um Kriegswaffenlager von Terrorgruppen; sieht man insbesondere von den 29 Waffen, die bei einer Hausdurchsuchung bei gewalttätigen Neofaschisten im südwestfranzösischen Pessac am 20. Januar 16 auf einmal gefunden wurden(2), ab. Solche Durchsuchungen wie dieses wären aber auch ohne Notstand rechtlich möglich; der Vater der Neonazifamille war bereits im August 2012 durch ein Attentat auf eine Moschee in Libourne auffällig geworden. - Bei 2.500 Personen wurde überhaupt nichts Strafbares entdeckt. Die mageren fünf Verfahren wegen Terrordelikten hätten sich auch ohne Notstand einleiten lasen.

Rücktritt der linksliberalen Justizministerin

Eine prominente Kritikerin kam nicht zu den Demos, die auch am kommenden Wochenende in Lyon, Marseille oder im bretonischen Saint-Brieuc wiederaufgenommen werden. Es handelt sich um die ehemalige Justizministerin Christiane Taubira, die damals letzte Vertreterin des halblinken Flügels im sozialdemokratischen Regierungslager; die Karibikfranzösin bildete in den letzten Jahren eine besondere Hassfigur sowohl für viele Konservative als auch für die extreme Rechte, man erinnere sich an die rassistische Karikaturenkampagne gegen sie aus dem Jahr 2013.

(Seitdem konnte François Hollande jedoch am 11. Februar 16 eine Kabinettsumbildung bekannt geben, in deren Folge auch drei Grüne respektive Ex-Grüne in die Regierung einzogen – unter ihnen auch die bis dahin amtierende Parteivorsitzende der französischen Grünen, Emmanuelle Cosse, nunmehr Ministerin für Wohnungsbau. Neben ihr werden auch der krankhafte Opportunist und Streber Jean-Vincent Placé, welcher im Vorjahr diese Partei verließ, weil er ihr mangelnden Regierungswillen vorwarf, und die ebenfalls zum regierungsfreundlichen rechten Flügel zählende Barbara Pompili der neuen Regierung angehören. Cosse wurde hingegen eher zum Mitte-Links-Flügel innerhalb der Partei gerechnet. Allerdings ist die Partei selbst explizit gegen diese neue Regierungsbeteiligung, nachdem sie infolge ihrer Koalitionsbeteiligung 2012 bis 14 im April 2014 das Kabinett unter Manuel Valls wegen zu scharfer Rechtsorientierung desselben verlassen hatte. Dieser Regierungseintritt von drei grün angehauchten Individuen ist also ein Ausdruck von Karrierismus und persönlicher Skrupellosigkeit, und nicht einer Orientierung der französischen Grünen als solchen. Die Ökopartei selbst taumelt durch diese erfolgreiche „Abwerbung“ seitens François Hollandes an den Abgrund, manche Beobachterstimmen sprechen gar vom „Todessstoß “. Auch wenn es inhaltlich falsch ist, vermittelt dieses taktische Manöver Präsident Hollandes doch nach außen hin den Eindruck, die Basis der Regierung sei wieder nach links erweitert worden, durch Einbindung der Grünen.)

Dem spektakulären Rücktritt Taubiras voraus gingen heftige Debatten im Regierungslager, die hinter den Kulissen im Dezember 2015 zu erheblichen Spannungen geführt hatten.

Ausbürgerung

Während allerdings am Notstandsarsenal nur relativ geringfügige Kritik in den etablierten Mehrheiten außer der KP – die jedoch im November 15 noch für den Notstand stimmte, nun jedoch gegen seine Verlängerung eintritt – und Teilen der Grünen geübt wird, finden sich bis ins Mitte-Links-Spektrum hinein heftige Kritiken an den Ausbürgerungsplänen der Regierung. Es sei diskriminatorisch, heißt es dazu, dass nur Doppelstaats-Angehörige ihre französische Nationalität beispielsweise im Falle einer Verurteilung im Zusammenhang mit Terrorismus verlieren können, wozu nach geltendem Recht übrigens auch etwa eine PKK-freundliche Betätigung zählt und nicht allein jihadistisch motivierte Verbrechen. Unterdessen könne Franzosen ohne andere Staatsangehörigkeit die ihre nicht entzogen werde.

Premierminister Manuel Valls glaubt nun, das Rezept für die Quadratur des Kreises gefunden zu haben. Der als diskriminierend gewertete Bezug auf Doppelstaatsbürger wird nun wohl doch nicht in die Verfassung aufgenommen, wie in den letzten Januartagen 2016 zusammen mit vorläufigen Textentwürfen bekannt wurde. Dort soll nunmehr nur stehen, dass französische Staatsangehörige „im Falle schwerer Verbrechen oder Vergehen gegen fundamentale Interessen der Nation“ – die soeben erfolgte Ausdehnung von Verbrechen, um die es ursprünglich in der Debatte ging, auch auf Vergehen wird von vielen Kritiker/inne/n hervorgehoben – ihre Nationalität verlieren können. Den Rest regeln dann detailliertere Gesetze. Zugleich aber kündigte Valls an, Frankreich werde nunmehr die Konvention von Washington aus dem Jahr 1961 – er sagte fälschlicherweise „1954“ – ratifizieren, die Frankreich bislang unterzeichnet, aber nie ratifiziert hatte. Dieser Text verbietet es Staaten im Prinzip, Menschen durch Passentzug zu Staatenlosen zu machen. Einige Ausnahmen, etwa für Kombattanten in Armeen feindlicher Staaten im Kriegszustand, werden jedoch auch dort am Rande zugelassen.

In der Praxis dürfte es dazu kommen, dass überwiegend Doppelstaatsangehörige ihre französische Nationalität verlieren, „Nur-Franzosen“ hingegen von den Richterinnen und Richter unter Berufung auf die höherrangige internationale Norm davor bewahrt werden.

Christiane Taubira veröffentliche am Montag, den 1. Februar 16 ein rund neunzigseitiges Buch gegen das Vorhaben, das unter anderem davor warnt, dass künftig bestimmte Länder als „Müllkippe Frankreichs“ für die dort Unerwünschten und Ausgebürgerten behandelt werden.

Parlamentsvotum und kleine Überraschungen

Bei der Parlamentsdebatte in der Nationalversammlung, die vom 05. bis zum 10. Februar 16 stattfand, wurde zunächst Artikel für Artikel durchgestimmt, und dann im Anschluss der gesamt Text en bloc angenommen (wie es in der parlamentarischen Prozedur üblich ist). Bei der Einzelabstimmung stimmten zunächst am 08. Februar insgesamt 103 Abgeordnete für den Artikel 1 des Entwurfs – der den Ausnahmezustand verfassungsrechtlich festschreibt -, und 26 dagegen, weitere sieben enthielten sich. Dazu bei fiel jedoch auf, dass die Nationalversammlung „zu drei Vierteln leer“ blieb, wie gleich mehrere Zeitungen unisono feststellten(3). 441 Abgeordneten waren der Auffassung gewesen, dass sie gerade Wichtigeres zu tun hatten. Dies führt zu erheblicher Kritik(4). Zum Teil erklärte sich diese verbreitete Abwesenheit allerdings auch aus einer Taktik von Teilen des konservativen Bürgerblocks (LR – früher UMP - und UDI), die sich dafür entschieden hatten, dass die Widersprüche in den Reihen der Sozialdemokratie besonders sichtbar hervor treten sollten.

Daraufhin wurde mit hoher Spannung das Votum zum Artikel 2 erwartet, der die neue Ausbürgerungsregelung betrifft. Denn was ihn betrifft, hatte sich das konservative Lager zuvor aufgespaltet, und seine Abgeordneten stimmten ohne Fraktionsdisziplin ab. Dabei spielten neben einigen grundsätzlichen Bedenken auf dem moderaten Flügel der Bürgerlichen (etwa bei Ex-Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, „NKM“) auch parteipolitisch-taktische Spielchen eine Rolle. Ex-Premierminister François Fillon, Regierungschef von 2007 bis 2012 und nunmehr einer der Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur seines Lagers für 2017 – die Urabstimmung der Sympathisant/inn/en der bürgerlichen Rechten dazu findet am 20. und 27. November dieses Jahres statt -, trat am Wochenende des 06./07. Februar 15 mit einer Kritik-Salve an dem Vorhaben der Verfassungsänderung hervor(5). Eine solche sei unnötig, sagte er im Kern, man „spiele“ nicht „mit der Verfassung herum“, und das geltende Recht biete ausreichende Handhabe gegen Terroristen.

Ihm ging es dabei einerseits darum, sich von seinen (bislang erheblich aussichtsreicheren) Mitbewerbern um die Präsidentschaftskandidatur, u.a. Nicolas Sarkozy und Alain Juppé, abzugrenzen. Diese sollen als Anpasser gegenüber der sozialdemokratisch geführten Regierung dastehen, weil sie dieser helfen, ihre Verfassungsänderung über die Runden zu bringen. In Wirklichkeit hatte allerdings Sarkozy – der am Sonntag, den 15. November 15, am übernächsten Tag nach den jüngsten Pariser Attentaten, im Elysée-Palast empfangen wurde – seinerseits den Vorschlag zur Ausbürgerungsregelung auf den Tisch gebracht. Er hatte es geschafft, François Hollande auf ihn festzunageln, im Namen der „nationalen Einheit“ und des Schulterschlusses gegen den Terrorismus und die äußere Bedrohung. Ein Teil der Abgeordneten des konservativ-wirtschaftsliberalen Bürgerblocks möchte sich daran allerdings nicht oder nicht länger gebunden fühlen, sondern lieber der Regierung einen mächtigen Stein in den Weg legen. Nachdem François Hollande sich in den letzten drei Monaten beinahe ausschließlich als „Sicherheits“präsident profiliert hat – jegliche Erinnerung an einstige Versprechen auf positive soziale Veränderungen ist längst verschwunden oder verblasst -, würde der Staatschef definitiv mit leeren Händen dastehen, falls die Verfassungsänderung je scheitert. Zum Anderen geht es Fillon und Konsorten also auch darum, sich letztlich als eine Art Saboteure gegenüber der Hollande-Regierung zu profilieren. Da Nicolas Sarkozy seinen Burgfriedenspakt mit Hollande – infolge dessen er die jetzige Abstimmung über die Ausbürgerungsregelung durchsetzen konnte – verteidigte(6), ein Teil der Abgeordneten sich daraufhin jedoch gegen ihn stellte, wurde der Fraktionszwang zu der Frage aufgehoben(7).

Letztendlich ging die Abstimmung zu der Ausbürgerungsfrage relativ knapp aus. In der Nacht vom 09. zum 10. Februar 16 stimmten insgesamt 162 anwesende Abgeordnete ihr zu, doch 148 stimmten dagegen, so dass nur vierzehn Stimmen Abstand zwischen beiden Blöcken bestehen8. Ein erstaunlich großer Block von insgesamt 92 sozialdemokratischen Abgeordneten stimmte gegen den Artikel 2, während die Reihen der als frondeurs (ungefähr: Aufsässige) bezeichneten innerparteilichen Opponenten – insbesondere bei Abstimmungen zu wirtschaftspolitischen Fragen – sonst rund dreißig bis vierzig Parlamentarier/innen umfassen. Im November 2015 hatten nur drei Abgeordnete des Partei Socialiste (PS) gegen die damalige parlamentarische Ausrufung des Ausnahmezustands zu opponieren gewagt; sie wurden deswegen damals zum Parteivorstand einbestellt(9).

Damit könnte letztendlich die Annahme des Entwurfs noch gefährdet sein. Denn nach der Abstimmung in der Nationalversammlung oder dem „Unterhaus“ muss nun auch noch der Senat, oder das parlamentarische „Oberhaus“, ihm zustimmen. Sodann wird ein aus beiden Parlamentskammern bestehender „Kongress“ (ungefähr vergleichbar in Deutschland mit der Bundesversammlung aus Bundestag und Bundesrat) ins Schloss von Versailles einberufen, der immer bei verfassungsändernden Abstimmungen zusammentritt. Er muss mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit zustimmen. Zuvor aber noch müssen Nationalversammlung und Senat sich auf einen im Wortlaut identischen Text geeinigt, ihn also beide in derselben Fassung verabschiedet haben.

Nun ist jedoch der Senat konservativ dominiert. Zum Einen könnte also die bürgerliche Rechte – oder ein Teil von ihr – dem Lager François Hollandes noch einen prächtigen, mächtigen Stein in den Weg legen, indem sie dafür sorgt, dass im Senat etwa Änderungen in den Text eingefügt werden. Dies würde die Abstimmungsmaschinerie vorläufig blockieren, da dann beide Kammern sich zunächst wieder auf einen identischen Entwurf einigen müssten. (Bei einer normalen Abstimmung ist dies unerheblich, da im Normalfall die Nationalversammlung gegenüber dem Senat das letzte Wort hat. Nicht jedoch bei Abstimmungen über Verfassungsänderungen!) Zum Anderen deutet der knappe Ausgang beim Ausbürgerungsthema darauf hin, dass der Entwurf eventuell – eventuell! – an der Hürde der erforderlichen Sechzig-Prozent-Mehrheit scheitern könnten.

Bei der Abstimmung über das Gesamtpaket am 10. Februar 16 in der Nationalversammlung waren dann erheblich mehr Abgeordnete anwesend. Nunmehr stimmten 317 dafür, 199 dagegen, und 99 enthielten sich der Stimme(10). Im sozialdemokratischen Lager scherten immerhin 110 Abgeordnete aus der Partei- und Regierungsdisziplin aus und stimmten dagegen (83 von ihnen) oder enthielten sich; 165 stimmten dafür. Im konservativ-wirtschaftsliberalen Bürgerblock stimmten 111 gegen 74 Abgeordnete der Partei LR (ehemals UMP) für den Entwurf.

Und die extreme Rechte?

Antifaschist/inn/en interessieren sich natürlich notwendig auch dafür, was die extreme Rechte tut. Wie stimmten die beiden Abgeordneten des Front National (FN) in der Nationalversammlung, Gilbert Collard und Marion Maréchal-Le Pen – zu denen noch zwei weitere im Senat hinzukommen -, nun ab? Einerseits konnte man damit rechnen, dass sie autoritäre Vorhaben unterstützen; andererseits durfte der FN auch nicht vergessen, dass er eine Oppositionsstrategie betreiben muss. Zumindest ein Teil der Parteiführung möchte sich nach wie vor als „Systemopposition“ unabhängig vom konservativen Lager positionieren. Auch wenn diese Linie derzeit ausgesprochen umstritten ist, unter schweren innerparteilichen Beschuss geriet und Gegenteil eines „Strategieseminars“ vom 05. bis 07. Februar 16 war (Ausführlicheres dazu demnächst an dieser Stelle).

Im Vorfeld hatten ihre Ankündigungen unterschiedlich geklungen. Tatsächlich verfochten Vertreter des FN vor der Abstimmung unterschiedliche Linien. Was den Ausnahmezustand und seine derzeit ins Haus stehende Verlängerung betrifft, so sprach der Abgeordnete Gilbert Collard sich für eine Annahme des Vorhabens aus, Florian Philippot positionierte sich dagegen: Eine Verhängung des Notstands sei notwendig „eine punktuelle Maßnahme, sonst ist es PR (der Regierung)“(11). Umgekehrt kündigte der Vizevorsitzende des FN, Florian Philippot, im Dezember 15 und Anfang Februar 2016 mehrfach an, einer Verfassungsänderung wie der geplanten dann zuzustimmen, wenn diese den Verlust der Staatsangehörigkeit für terroristische – und noch möglichst viele andere straffällige – Doppelstaatsbürger vorsehe(12). Philippot sprach in diesem Zusammenhang sogar davon, falls die Regierung dieses Vorhabe wirklich durchziehe, „dann bevorzugt sie Marine (Le Pen) gegenüber Christiane (Taubira)(13).

Allerdings, so lautete Philippots Einschränkung, dürfe diese Maßnahme eben nur für Doppelstaatsangehörige gelte und nicht auch für Nur-ein-Pass-Franzosen. Letztendlich dürfte die extreme Rechte vielleicht just an diesem Punkt mit der letztendlich vorgelegten Textfassung – die an dieser Stelle einen Pseudo-Kompromiss enthält, vgl. oben – unzufrieden gewesen sein. Oder aber das Bedürfnis einer Profilierung als Oppositionspartei „gegen das Establishment der Altparteien“ gewann doch die Oberhand. Jedenfalls stimmten beide Abgeordnete des FN letztlich gegen den Entwurf zur Verfassungsänderung, sowohl gegen das Gesamtpaket als auch gegen die Passage zur Ausbürgerung im Artikel 2(14). Bei der Abstimmung über 1 (Festschreibung des Ausnahmezustands in der Verfassung) glänzten beide mit Abwesenheit(15).

Anmerkungen