Betrieb & Gewerkschaft
Glücksspiel Haustarifvertrag bei Océ

Im Druckerwerk in Poing führt der jahrelange Verzicht auf drei Stunden Bezahlung nicht zu mehr Arbeitsplatzsicherheit. Projektentwicklung des Orion wird nun eingestellt.

02/2016

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Vor einem Monat entschied die Océ-Konzernleitung, nach dreizehn Jahren Flüssigtoner-Technologie- und fünf Jahren entsprechender Produkt-Entwicklung, Letztere einzustellen. Massive Produktlinien-Vorab-Werbung, nun ein peinliches Relikt, wurde bereits verpulvert. Hinreichend stabile Druckqualität mit annehmbaren Betriebskosten werde nicht bis zum 31. Mai, dem Beginn der Branchenmesse Drupa, erreicht, nannten die Geschäftsführer der verdutzten Belegschaft als Gründe. Damit steht ein positives Ergebnis der bis dahin in etwa 100 Mio Euro Entwicklungskosten quasi im Orion-Sternbild passgenau zum Produkt-Aliasnamen.

Doch lässt sich diese Vernichtung von aufgehäufter Arbeit und Material von dem Konzern mit Hauptsitz im niederländischen Venlo verkraften. Océ, mit einem im globalen Wettbewerb strategisch interessierten Mutterkonzern Canon im Rücken, hat einen üblichen Jahresgewinn von ca. 200 Mio. Euro. Nicht wenig davon wurde bisher mit anderen Digitaldrucker-Produktlinien in Poing erzielt.

Dort holen sich die Océ/Canon-Besitzer obendrein um die 7,6 Mio. pro Jahr extra mit dem im Poinger Werk vereinbarten Firmentarif, 5 Mio. davon in Form von drei Stunden unbezahlter Arbeitszeitverlängerung - nun das elfte Jahr. Zudem nicht zu unterschätzen sind jene Profitabilitätssteigerungen währenddessen, welche mit dem Entlassen von ca. 430 der nun noch unter 1.000 Belegschaftsangehörigen per Aufhebungsvertrag erzielt wurden, den Betroffenen gerne als einzige Alternative zu einer Kündigung vorgelegt.

Während im Vorfeld der sich von Juli bis November hinziehenden Verhandlungen um eine Fortsetzung der empfindlichen Abstriche vom Flächentarif im Haus noch von 300 Entlassungen bei Einstellung des
Orion-Projektes die Rede war und dieser Haustarif laut Präambel der Firma zur „Standortsicherung“ dient, verlautbarte nun der Poinger Geschäftsführer, es seien keine betriebsbedingten Kündigungen „geplant“. Klingt gut, doch für 80 der 130 in der Orion-Entwicklung nicht länger benötigten Festangestellten ist der weitere Einsatz noch offen. Bleibt es hier wirklich bei dem „Plan“, werden sie in dem Fall anderweitig eingesetzt oder dann mit der bekannten Vorlage „Aufhebungsvertrag“ konfrontiert: Wie mit ihnen verfahren wird, ist bislang ungewiss, ebenso ob die Nicht-Produktion dieses Modells Auswirkungen auf Beschäftigung in Montage und Fertigung hat. Dass eine Reihe von „Externen“, auf Projekt-Vergütungsbasis beschäftigte Ingenieure etc., und Leiharbeiter gehen müssen, ist für die Betroffenen gleichbedeutend mit einer Entlassung, zählt jedoch formell nicht als solche. Insgesamt gilt der Firmenleitung die Projekt-Einstellung zwar als unschön, aber auf einmal nicht als dermaßen gravierend, dass es sie hinderte, mit multimedial präsentiertem Talkshow-Auftritt des Océ-Chefs gute Stimmung im Betrieb aufzuführen. Der Orion-Sternenstaub: abgeschüttelt.

Wenngleich der angeblich zwingende Zusammenhang - nun in aller Deutlichkeit sichtbar - nie vorhanden war, hatten Fürsprecher fortgesetzter Tarifabsenkung per Haustarif damit verbunden die vorhergehende Darstellung des Orion-Projekts als entscheidend für den Bestand des Werkes dankbar aufgegriffen und ausgewalzt. Es war seit der Einlassung auf die Tarifabsenkung ab 2005 bei wechselnden Projektkostensachzwangszenarien der Tenor dabei, man wolle auf der sicheren Seite verbleibend keine riskante Gegenwehr-Strategie zur Beibehaltung des vollen Flächentarifs fahren.

Stattdessen entpuppt sich hier wie anderswo ausgerechnet eine vermeintliche Beschäftigungssicherung auf dem Weg des Verzichts als absurdes Glücksspiel mit von Anbeginn verlorenem Einsatz. Sich gemäß der Ansagen und Versprechungen von Kapitalisten und ihren Beauftragten auf verzichtsbedingte Tarifabweichungen einzulassen bedeutet im Endeffekt, ein unverantwortliches Risiko für die eigene Existenzsicherung und -gestaltung sowie Gesundheit einzugehen. Jeder einarmige Bandit verheißt im Vergleich dazu eher Glück in Sicherheit.

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