[Freiburg] White Rabbit - Sexismus und Rassismus im Nachtleben
Für Alle zum mitschreiben - Eine Medienkritik

von "Freundinnen und Freunde des Hasen
"

02/2016

trend
onlinezeitung

Die Schelte der Badischen Zeitung und der bundesdeutschen Medienlandschaft muss mit etwas Selbstkritik beginnen. Denn die inzwischen deutschlandweit berühmt gewordene E-Mail als Hilferuf  schickte das White Rabbit an einige wenige eingeladenen Gruppen und Initiativen. Hier wurde mit dem Vertrauen des Hasen nicht verantwortungsbewusst genug umgegangen, sonst wäre es wohl nie so weit  gekommen. Hätte irgendein Vollpfosten lieber ein vernünftiges Awareness-Konzept ausgearbeitet, statt die E-Mail anklagend auf Facebook  zu stellen, wären wir heute einen großen Schritt weiter.
Bei linksunten.indymedia.org ist am 2.2.16 ein Debattenbeitrag vom erschienen. Wir empfehlen diesen Artikel auch zu lesen und sich an der dortigen Debatte zu beteiligen. /red. trend


Website des Clubs:
http://white-rabbit-club.de/

Aber dann war da die Badisch Zeitung. Ein findiges Lokalblatt, das  händereibend den letzten, sich als politisch links verstehenden Club in Freiburg in die Pfanne haute, um ein paar Minuten Aufmerksamkeit im  Medienzirkus zu ergattern.

Immer der Reihe nach: Zunächst erregte diese E-Mail, große Aufmerksamkeit in Freiburgs Linker Szene. Darin verkündete das White Rabbit, seine Entscheidung, fortan eine (nicht von der Hand zuweisend)  diskriminierende Türpolitik gegenüber Flüchtlingen und Menschen ohne Papiere an den Tag zu legen. Außerdem lud es einige befreundete Gruppen und Veranstalter_innen zu einem Gespräch ein. Ziel sollt es sein, in  einer Veranstaltung am vergangenen Mittwoch den 20. alternative Möglichkeiten auszuloten, weil die White Rabbit Crew (selbst auch kein homogener Haufen) nicht glücklich war mit der eigenen Entscheidung.

Der Grund für diesen Hilferuf an die eigene White Rabbit Community, ist die seit längerer Zeit anwachsenden Zahl von Vorfällen sexualisierter Gewalt und Gewalt gegen Angestellte des Clubs. Was sich in einer Großraum-Dorfdisko vermutlich jedes Wochenende abspielt, stellte die Leute aus dem Hasen vor das Problem, der schieren Masse an Übergriffen nicht mehr Herr zu werden. Ganz bestimmt spielten nachlässigangegangene  Lösungsansätze eine Rolle dabei, dass sich die Situation weiter  verschärfte. Aber das White Rabbit stand bis dato auch nicht für eine Feierkultur, wie in einer Großraumdisko, sondern wurde und wird von  Leuten betrieben, die sich als irgendwie alternativ verstehen.

Vermutlich kein anderer Club in Freiburg konnte bis dato eine so  „offene“ Türpolitik vorweisen wie das White Rabbit. Hinein kamen Alle, die sich als Ü21 ausweisen konnten. Völlig unabhängig davon, wie sie
aussahen oder wie sie angezogen waren. - Und wahrscheinlich als einziger  Ort in Freiburg haben hier Geflüchtete oder andere, die an vielen Stellen dieser Gesellschaft ausgegrenzt werden, Zutritt. Viele rechnen  das dem Club hoch an und sind Stammgäste.

Nun hatte aber der Großteil jener Menschen, die für die Gewalt und sexistischen Übergriffe verantwortlich waren, den Status „Flüchtling“. Wir vereinfachen hier stark, obwohl die deutsche Bürokratie viele  verschiedenen Bezeichnungen für Menschen bereitstellt, die keine staatsbürgerlich bestätigten Biodeutschen sind. Das White Rabbit dachte, damit das Problem erkannt zu haben und führte eine zusätzliche Bedingung  für diese Bevölkerungsgruppe ein: Geflüchtete, die der Hasen-Crew nicht bekannt waren, sollten sich einmalig einen Clubausweis besorgen, den sie mit einer Belehrung über die Verhaltensregeln im White Rabbit, jeden  Montag Mittag bekommen konnten. Das sollte eine ruhige und zielgenaue Ansprache der potentiellen Gefährdergruppe (Neusprech der Sicherheitsbehörden) ermöglichen, die allabendlich von den Türstehern,  nachvollziehbarerweise nicht zu bewerkstelligen ist. Wer nun störte oder unangenehm auffiel, dem sollte der Clubausweis entzogen werden.

Natürlich generalisierte das White Rabbit hier in unzulässiger Form  seine Beobachtung, nämlich dass die Probleme irgendetwas mit der Tatsache zu tun hätte, dass die Störer in aller Regel Geflüchtete waren  und offensichtlich nicht dem hiesigen Kulturkreis entsprangen. Das White  Rabbit wollte das Problem auf seine Weise lösen, mit mehr Kommunikation gegenüber der Personengruppe und einer individualisierten Erfassung, die punktgenauere Sanktionen ermöglicht. Damit übernahmen sie in mehrfacher  Hinsicht die Logik des Sicherheitsapparats und die rassistische Kategorisierungslogik des deutschen Zugehörigkeitsverständnisses.

Implizit wurde behauptet, Alle die einen deutschen Pass haben, feiern  deshalb potentiell zivilisiert und brauchen keine solche Belehrung über das richtige Verhalten in unserem Club. Entweder weil sie durch ihre  „Kultur“ mitbekommen haben, wie man sich zu benehmen hat, oder weil sie die Schilder verstehen, die im White Rabbit hängen. Dass diese Feststellung ebenso unzulässig verallgemeinerbar ist, wie ihre  Gegenthese, können alle bestätigen, die schon einmal von weißen Kartoffeln belästigt, angegrabscht oder angegriffen wurden.

Zurück zum Geschehen, obwohl es zu diesem Punkt gerade in Hinblick auf  die gesellschaftliche Debatte nach der Kölner Silvesternacht viel zu sagen gäbe.

Die mehr als 40 Personen, die der Einladung des White Rabbit folgten,  ließen erkennen, welche großen Bauchschmerzen die Club-Community mit der Entscheidung des Hasen hatte. Die Stimmung war von der Erkenntnis geprägt, dass die Problemlösung all zu lange als Aufgabe des White  Rabbits gesehen wurde, während man Adorno las und den Club als Veranstaltungsort für jährliche Soliparties gerne nutzte. Hier kamen verschiedene alternative Lösungsansätze und Konzepte auf den Tisch, die  sich an den Erfahrungen der White Rabbit-Crew und den Realitäten im Nachtleben messen lassen mussten.

Die Diskussion zeigte Wirkung und die Hasen-Crew erkannte, einen Fehler gemacht zu haben. Eine Haltung mit Seltenheitswert heutzutage. Neben der inzwischen erfolgten Abschaffung der Regelung, werden derzeit auf mehreren Treffen konkrete Awareness-Konzepte, viele verschiedene  Alternativideen und Lösungsvorschläge ausführlich diskutiert. Mit ein bisschen Überzeugungsarbeit wäre die Sache gegessen gewesen und das  White Rabbit hätte als erster Club in Freiburg mit einer gelungenen Integration von Flüchtlingen ins Nachtleben und einem vielschichtigen Awareness-Konzept Schlagzeilen machen können.

Doch dann bekam neben der AfD auch die Badisch Zeitung Wind von der E-Mail des White Rabbits. Statt über das eigentliche Anliegen, über die Kommunikation und die Diskussionsbereitschaft des White Rabbits zu  berichten, entstand ein Artikel daraus mit dem Duktus, Flüchtlinge seien  die Ursache für die Probleme im Nachtleben.

Zunächst suggeriert die Zeitung, dass das White Rabbit sich jetzt mit  einer Law-and-Order-Türpolitik gegen die Vorfälle wehre, als sie einen Satz aus der besagten E-Mail zitiert, ohne ihren Kontext und die bis  dahin stattgefundene Auseinandersetzung zu erwähnen. Es folgt eine Auflistung von sich häufenden Diebstählen und die Beschreibung von Übergriffen. Eine Bewertung der Türpolitik als rassistisch müssen sich  Leser_innen selbst dazudenken. Auch das Wort diskriminierend kommt den Autor_innen nicht über die Lippen. Diese Einsortierung muss im vorletzten Absatz Frauenhorizonte für sie übernehmen. Geflüchtete werden  ausschließlich im Kontext von Kriminalität und Täterschaft genannt und einer weiteren Stereotypisierung Vorschub geleistet. Selbstverständlich kann sich die BZ damit auf den journalistischen Grundsatz von  wahrheitsgetreuer Informationswiedergabe berufen, aber eine verantwortungsvolle Berichterstattung gegenüber Geflüchteten und dem White Rabbit sieht anders aus.

Dass die Zeitung sich den Erfahrungen von Frauen im Freiburger  Nachtleben widmet, ist sehr löblich. Immerhin fast eine Woche später zeigt sie anhand eines Erfahrungsberichts von Leonie, die eine versuchte  Vergewaltigung schildert, dass ein Umgang mit dem Thema auch auf andere Weise möglich ist. Einfach weil Leonie sich deutlich dagegen wehrte, dass Vorfälle wie ihrer, für rassistische Stimmungsmache  instrumentalisiert werden.

Von selbst scheint die BZ nicht auf diesen Gedanken gekommen zu sein.  Vielmehr sonnt sie sich in dem Ruhm, nun von bundesweiten Medien zitiert zu werden. Als dann liefert sie die Vorlage, inszeniert sich als  Anstoßgeberin für eine Debatte in der die Tabus nur so purzeln. Den  Vogel schießt selbstverständlich Oberbürgermeister und neuerdings Hobbyethnologe Dieter Salomon persönlich ab, der um das weltoffene Image der Stadt besorgt ist und sich an rassistischer Ekelhaftigkeit kaum  überbieten lässt. Er kann die Problemursache sogar noch genauer geographisch auf die Maghreb-Staaten eingrenzen: „Das sind junge Männer,  die in ihren Heimatländern Gewalterfahrungen gemacht haben, die kampfbereit und bewaffnet sind. Es handelt sich um eine schwierige Klientel. Mit Flüchtlingen aus Syrien hat das wenig zu tun.“

Wer an Läuterung der Badischen Zeitung glaubt, die sich wegen ihrer Berichterstattung harter Kritik ausgesetzt fühlt, wird enttäuscht. Beim ersten Artikel in der BZ sei zwar unsauber vorgegangen worden, das gestehen Mitarbeiter_innen der BZ im persönlichen Gespräch ein, doch statt öffentlicher Selbstkritik gibt es selbstbewusste Rechtfertigungen, beispielsweise mit delikaten Schlagzeilen, wie „Disko-Ärger mit  Flüchtlingen: Hat die BZ das Thema aufgebauscht?“ Geflüchtete als Unruhestifter im Nachtleben ist also die Kurzzusammenfassung, unter der die Debatte ins Archiv wandern und in den Köpfen hängen bleiben wird.

Eine pressewirksam inszenierte Farce ist unterdessen der Runde Tisch von  Clubbetreiber_innen mit der Stadt Freiburg. Eigentlich sind sich alle einig, dass kein Problem besteht. Das ist heuchlerisch, weil gerade die Clubbetreiber_innen nun eine große Klappe haben, an deren Türen  rassistisch ausgesiebt wird, oder die ihre Gäste mit Kameras überwachen. Dort wo das Geld tanzt wird man sich weiterhin davor hüten, die Kundschaft mit Schildern für Sexismus im Nachtleben zu sensibilisieren.  Dafür scheint die Forderung nach mehr Polizei für alle auf der Hand zu liegen.

Profitieren an dieser Sache werden letztlich die ohnehin selbstbewusster  werdenden Rechten. Gewinner ist auch die bundesweite Mehrheit der Clubbetreiber_innen, an deren Clubtüren Abend für Abend Menschen  abgewiesen werden weil sie die falsche Hautfarbe haben. Wäre eine der  BZ-Knalltüten auf die Idee gekommen, sich damit zu beschäftigen, wie viele Türen Geflüchteten in ihrer Stadt verschlossen sind, hätten sie  den eigentlichen rassistischen Skandal aufdecken können. All jene  Clubbetreiber_innen, die sich noch nie für ihre Türpolitik rechtfertigen mussten, werden nun stillschweigend ihre Praxis fortsetzten – ja, sich  darin noch bestärkt fühlen. Wäre die BZ auf die Idee gekommen, ohne auf der Köln-Welle mitzusurfen, Sexismus und Übergriffe im Nachtleben zu thematisieren, statt zu instrumentalisieren, dann hätte sie  skandalisieren können, wie viele schwarze und weiße Hände nächtlich ungefragt nach den Hintern von Frauen grabschen.

Aber Sexismus und Rassismus sind im gesellschaftlichen Mainstream  unsichtbar. Die weiße männliche Mehrheit ist davon nicht betroffen. Die Betroffenen bleiben in aller Regel ohne Stimme, werden nicht gehört. Guter Journalismus hätte das zur Sprache gebracht – und nicht  gegeneinander ausgespielt.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel am 2.2.2016  von "Freundinnen und Freunde des Hasen" per Email, welcher zeitgleich an die Badische Zeitung verschickt wurde.