Im Spiegel der Linken: Griechenland nach der Wahl
Wie es zu der heiß diskutierten Koalition zwischen SYRIZA und ANEL kam und warum es die einzige Alternative für Griechenland ist.

Von Julius Zukowski-Krebs

02-2015

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Nachdem das griechische Parlament am 29. Dezember nicht in der Lage war, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen, kam es zu Neuwahlen. Das kam nicht von ungefähr sondern war ein langer Prozess des Bröckelns innerhalb des Regierungslagers aber auch dem Verlust der Hegemonie desselben. Dem folgte ein kurzer aber aufgeladener Wahlkampf, nicht nur in Griechenland. Auch in Europa und insbesondere Deutschland dachten die politischen Eliten man könne sich in den griechischen Wahlkampf einmischen. Die Palette reichte von Beschwichtigungen bis hin zu Drohungen. Beispielsweise sagte der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Junker wörtlich: „Ich denke, die Griechen wissen sehr genau, was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Euro-Zone bedeuten würde”. Die Bundesregierung sprach offen über die “Verkraftbarkeit” des Ausstiegs Griechenlands aus der Euro-Zone und das Wort Grexit wurde zum neuen Debattengegenstand.

Am Ende des kurzen aber heftigen Wahlkampfes siegte doch die Demokratie. Allen Versuchen der europäischen politischen Kaste, sich in die griechischen Wahlkampf einzumischen, zum Trotz, siegte das Linksbündnis SYRIZA klar. Die einzige Frage bestand darin ob SYRIZA es schafft, die absolute Mehrheit in Parlament zu erringen. Nach einer höchst spannenden und emotionsgeladenen Wahlnacht stand fest, dass sie keine absolute Mehrheit erreicht hat. Ab diesem Zeitpunkt waren Koalitionsverhandlungen für SYRIZA die einzige Möglichkeit, um in Griechenland eine Regierung zu stellen.

Keine Koalition mit den Austeritätsparteien

Der naheliegendste Koalitionspartner für SYRIZA, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), fiel von vornherein aus. Was nicht nur mit den tagespolitischen  Auseinandersetzungen seit Anfang der Krise und dem Kurs Tsipras in der EU und damit auch im Euro-Raum bleiben zu wollen zu tun hat, sondern vor allem mit der Geschichte der beiden Parteien seit dem Ende der Militärdiktatur in Griechenland 1974. Ebenso ausgeschlossen war die Zusammenarbeit mit der Goldenen Morgenröte, einer neonazistischen, Partei die von einem großhellenischen Reich träumt und sich positiv auf das deutsche NS Regime bezieht. Außerdem steht die Goldene Morgenröte felsenfest auf der Seite der griechischen ReedereibesitzerInnen, die von der bisherigen Privatisierung der Reedereien stark profitiert haben.

Von vornherein konnte auch eine Koalition mit den sogenannten Memorandumsparteien seitens SYRIZA ausgeschlossen werden. Zu diesen zählen die konservative Nea Demokratia und die sozialdemokratische PASOK. Da SYRIZA  als Partei und Bewegung die Austeritätspolitik stets ablehnte, war eine Koalition mit den Vertretern eben dieser Politik undenkbar. To Potami (Der Fluss) ist eine Partei, die in Deutschland weitläufig als „linksliberal“ oder „mittig“ gilt. Die Partei wurde von einem konservativen Journalisten gegründet und hat einen klaren pro-Austeritätskurs in ihrem Programm. Sie hat zwar SYIRZA die Zusammenarbeit angeboten, jedoch nur unter der Bedingung, dass SYRIZA von ihrem anti-Austeritätskurs abweicht. Da SYRIZA erst durch die Anti-Austeritäts-Bewegung groß geworden ist, wäre eine Koalition mit To Potami ein Affront für die SYRIZA-WählerInnen.

Kein Wunschpartner, aber der einzig mögliche

Als einzige Partei die sowohl gegen die Austeritätspolitik ist, als auch die Zusammenarbeit mit SYRIZA nicht von vornherein ausgeschlossen hat, blieb die rechts-populistische ANEL. Die im Februar 2012 gegründete Partei entstand aus einer Abspaltung der Nea Demokratia, vor allem in der Opposition zur Sparpolitik der Nea Demokratia. Ihr Programm bleibt in vielen Punkten vage und geht lediglich auf Migrations-, Sozial- und Austeritätspolitik ein.

Die Entscheidung fiel letzten Endes auf ANEL, was aufgrund ihres Programms und der ideologischen Ausrichtung zu verurteilen ist. Der Blick auf die Regierung muss dennoch ein kritisch-solidarischer sein. Der Koalitionsvertrag von SYRIZA und ANEL beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Vereinbarung zur Beendigung der von der Troika verordneten Sparpolitik in Griechenland. Außerdem bekam ANEL ein Ministerium und drei Unterministerien. Von den insgesamt 41 MinisterInnenposten gingen lediglich drei an ANEL. Die Posten sind, mit Ausnahme des unbeliebten Verteidigungsministeriums, eher unbedeutend. In Fragen der Sozial- und Migrationspolitik aber auch anderen  Politikfeldern hat SYRIZA angekündigt, mit anderen Parteien zusammen zu arbeiten. Angesichts der Verhältnisse in der Koalition von 149 Sitzen von SYRIZA zu 13 Sitzen von ANEL, ist ANEL ein äußerst unangenehmes Übel, das im Hinblick auf die katastrophale Situation in Griechenland dennoch das kleinste ist.

Kritische Solidarität ist das Gebot der Stunde

Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern genießt SYRIZA derzeit eine linke Hegemonie in Griechenland und hat endlich die historische Chance, der verheerenden Sparpolitik der Troika ein Ende zu bereiten. Wie ernst es SYRIZA ist, wird anhand der ersten Sofortmaßnahmen der Regierung deutlich. Was die Regierungskoalition in den nächsten vier Jahren real verändern wird, wird sich zeigen. Aber an dieser Stelle, noch bevor der zarte Keim der Veränderung in Griechenland überhaupt angefangen hat zu blühen, wären voreilige Urteile zu schnell. In vier Jahren werden sich SYRIZA und die Regierung daran messen lassen müssen, was sie erreicht haben. Bis dahin gilt es, dieses Projekt kritisch-solidarisch zu begleiten. Denn ein Neuanfang in Griechenland ist eine Hoffnung für ganz Europa!


Julius Zukowski-Krebs ist Bundessprecher der Linksjugend ['solid] und Executiv Secretary von ENDYL, dem European Network of Democratic Young Left. Er hat enge Kontakte zur Jugend von SYRIZA.
 

Quelle: Critica online, hrg.v. Die Linke.SDS, 2.2.2015