Kaum Chancen für Langzeitarbeitslose
Nur jeder fünfte Langzeitarbeitslose hat in den letzten Jahren eine neue Stelle gefunden.


Daten aus der DGB -Arbeitsmarktstudie zusammengestellt von Reinhold Schramm

02-2015

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Im Jahr 2002 wurden absolut 1,37 Millionen Langzeitarbeitslose gezählt, was einem Anteil von 33,7 Prozent entspricht. In 2010 waren es noch 1,130 Millionen bzw. Ein Anteil von 34,9 Prozent. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen hat sich seit 2009 langsam aber stetig erhöht und die absolute Zahl stagniert. (Vgl. Studie.)

Frauen sind im Durchschnitt länger arbeitslos als Männer und zählen häufiger zu den Langzeitarbeitslosen mit einer Dauer von mehr als zwei Jahren. Dies gilt für Erwerbslose ohne Berufsabschluss, aber auch mit Berufsabschluss suchen gut 30 Prozent aller Erwerbslosen länger als ein Jahr eine Erwerbsarbeit. Gemessen an allen Langzeitarbeitslosen hat fast die Hälfte eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Die Anteile der Langzeitarbeitslosen sind in Süddeutschland deutlich niedriger als in anderen Regionen. In Bayern liegt die Quote mit 25 Prozent vergleichsweise niedrig, während Bremen und NRW die höchsten Anteile aufweisen. Die Quote der Langzeitarbeitslosen in Bremen und NRW lag in 2013 mit 45 Prozent bzw. 42 Prozent über dem Niveau der ostdeutschen Bundesländer. –

Noch größer sind die Unterschiede beim Vergleich der Landkreise und kreisfreien Städte. So zählen in den bayerischen Landkreisen Eichstätt und Pfaffenhausen lediglich 13 bis 14 Prozent der Erwerbslosen zu den Langzeitarbeitslosen. Im nordrhein-westfälischen Hamm sind es 60 Prozent und in Recklinghausen 54 Prozent. Nicht nur vermittlungshemmende individuelle Merkmale haben einen Einfluss auf das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit, sondern auch die strukturschwache Region, der Ort, wo man lebt.

Nur ein kleiner Teil derjenigen, die Langzeitarbeitslosigkeit überwinden oder unterbrechen können, haben eine neue Erwerbsarbeit gefunden. Weit über 80 Prozent aller Abgänge aus Langzeitarbeitslosigkeit sind auf ein Rückzug vom Arbeitsmarkt in die sog. stille Reserve oder Rente, längere Krankheit oder eine Teilnahme an sog. arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen zurückzuführen.

Viele Bewegungen in und aus der Arbeitslosigkeit sind eher statistischer Natur, bei nicht nur vorübergehender Beendigung – egal aus welchem Grund – beginnt die Messung wieder von vorne und werden Phasen vor und nach einer Unterbrechung nicht mehr zusammengezählt; die Zählung beginnt dann von vorne und die Betroffenen gelten zunächst wieder als Kurzzeitarbeitslose. Die Dynamik wird daher überzeichnet und betrifft auch andere Übergänge als jene ins Beschäftigungssystem.

Nur knapp 130.000 Langzeitarbeitslose sind im ALG-Versicherungssystem registriert und 950.000 bzw. 88 Prozent im Hartz-IV-System. Die meisten Langzeitarbeitslosen werden vom Hartz-IV-System betreut. –

Der Personenkreis der hilfebedürftigen Arbeitslosen geht weit über den der Langzeitarbeitslosen hinaus. Staatliche Fürsorge erhalten bsw. auch sog. marktnahe Arbeitslose, die nach Schule oder Studium das eigene Existenzminimum bei Erwerbslosigkeit nicht sichern können oder trotz vorheriger sozialversicherter Erwerbstätigkeit noch keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld erwerben konnten. Nur knapp die Hälfte aller von den sog. Jobcentern betreuten Arbeitslosen zählen offiziell zu den Langarbeitslosen. Ihr Anteil ist damit dreimal so hoch wie im Versicherungssystem. (Vgl. Studie.)

Die konjunkturelle (stabile) Arbeitsmarktsituation geht weitgehend an den Langzeitarbeitslosen vorüber. Die Daten zeigen, dass im vergangenen Jahr von rund 2 Millionen Erwerbslosen bundesweit insgesamt 700.000 Erwerbslose aus dem Hartz-IV-System ihre Erwerbslosigkeit durch eine Erwerbsarbeit am ersten Arbeitsmarkt beenden konnten. Doch diese Eingliederung ist nicht immer nachhaltig. Von dieser Arbeitsaufnahme konnten nur knapp 132.000 hilfebedürftige Langzeitarbeitslose profitieren [profitieren?].

Fast jede fünfte sozialversicherte Erwerbsarbeit von vormals hilfebedürftigen Arbeitslosen entfällt auf Langzeitarbeitslose. Diese Eingliederung in Erwerbsarbeit wird teils noch staatlich gefördert, bsw. über Lohnkostenzuschüsse. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen in Integration (in Erwerbsarbeit) bleibt deutlich hinter jenem an den Arbeitslosen zurück.

Im Vergleich zu den Vorjahren sind die Abgänge in reguläre Erwerbsarbeit deutlich zurückgegangen. Dies gilt für hilfebedürftige Arbeitslose insgesamt wie für Langzeitarbeitslose gleichermaßen. Im Jahr 2013 haben gut 200.000 hilfebedürftige Arbeitslose weniger eine neue sozialversicherte Erwerbsarbeit gefunden als noch im Jahr 2010. Die Erwerbschancen der Hartz-IV-Empfänger haben sich am aktuellen Rand verschlechtert. Noch ungünstiger ist die Entwicklung für die Langzeitarbeitslosen. Hier hat sich von 2010 auf 2013 die Erwerbsaufnahme um rund 60.000 bzw. fast ein Drittel verringert.

Das Hartz-IV-System hat die Eingliederungschancen von Langzeitarbeitslosen nicht verbessern können. Die Unterschiede zu dem vom ALG-Versicherungssystem betreuten Langzeitarbeitslosen haben sich leicht vergrößert. Auch im Versicherungssystem sind die Erwerbschancen relativ niedrig, aber (noch) doppelt so hoch wie im Hartz-IV-System. Die Erwerbschancen im Hartz-IV-System haben sich verschlechtert. Gegenüber 2007 haben sich die Unterschiede vergrößert. Auch innerhalb des Hartz-IV-Systems sind die Unterschiede relativ groß.

Gerne werden die niedrigen Integrationserfolge im Hartz-IV-System damit begründet, dass man langsam an den harten Kern der Langzeitarbeitslosen vordringe. Doch Belege dafür sind kaum erkennbar. Die Zahl der hilfebedürftigen Arbeitslosen, die in Erwerbsarbeit eingegliedert werden konnten, ist insgesamt gesunken. Die sog. Integrationserfolge im Hartz-IV-System sind in den letzten Jahren generell rückläufig. (Vgl. Studie.) [Ernüchternd ist, dass selbst in der Finanzkrise im September 2009 mehr hilfebedürftige Langzeitarbeitslose in Erwerbsarbeit integriert werden konnten als drei Jahre später.]

Soziale Auswirkungen

Instabile Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit gehen mit vielfältigen Risiken einher: ein niedriges Einkommen, geringe Weiterbildungschancen, erhöhte Gesundheitsrisiken. Die Planungsunsicherheit nimmt zu und soziale Kontakte und Netzwerke ab. Ausbildung und Kompetenzen verlieren mit der Dauer der Erwerbslosigkeit an Wert. Lange Erwerbslosigkeit wird von Unternehmen negativ bewertet.

Je länger Menschen instabile bzw. schlecht entlohnte Arbeit finden, um so eher wechseln sich die Erwerbsphasen mit Phasen der Arbeitslosigkeit und des Hartz-IV-Bezugs ab. Die Zeiten der Erwerbslosigkeit werden länger und die Schwelle zum sog. ersten Arbeitsmarkt wird höher.

Ein Leben mit oder am Rande von Hartz-IV ist häufig mit finanziellen Sorgen verbunden. Der Umgang mit sehr knappen Ressourcen fordert eine hohe Disziplin. {...}

[Ein Auszug, vgl.]

Vgl. DGB-Studie: Arbeitsmarkt: Schlechte Chancen für Langzeitarbeitslose. Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen im Hartz-IV-System nicht verbessert. Studie von Dr. Wilhelm Adamy, 05.01.2015.
www.dgb.de/themen/++co++c9f27272-a88e-11e4-ad23-52540023ef1a

Editorische Hinweise

Die Zusammenstellung erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.