Am 2. Oktober 2014 ließ der
DGB sein Gewerkschaftshaus in Berlin durch die Polizei von
Flüchtlingen räumen, die noch nicht einmal die Schreibtische der
SekretärInnen belagerten und somit noch nicht einmal den
Geschäftsbetrieb im DGB Haus störten, sondern die symbolische
Besetzung einiger Nebenräume nutzen wollten, um auf ihre
Abschiebungsgefährdung und die miserablen
Unterbringungsbedingungen hinzuweisen. Mit der Räumung wurde ein
Signal ausgesendet. Wir, DGB stehen zu den Staatsinteressen und
lassen uns nicht gegen Staatsinteressen instrumentalisieren.
Anzeigen wegen Hausfriedensbruch wurden erstattet, eine
zusätzliche Belastung im Asylverfahren. Weit hergeholt ?
Einen tieferen Einblick in
die Positionen zur Zuwanderung gibt die am 14. Januar 2014 vom
DGB-Bundesvorstand und dem Bundesverband der Arbeitgeberverbände
(BDA) vorgelegte gemeinsame Erklärung: Darin heißt es:
„zugleich sehen DGB und BDA in der Förderung einer
Willkommenskultur für qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt
einen entscheidenden Faktor für mehr wirtschaftliche Dynamik und
Beschäftigungsmöglichkeiten für alle Menschen in Deutschland".
Zuwanderung, "leistet einen
wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung, zur Wettbewerbsfähigkeit
der Wirtschaft in Deutschland und Europa"
und weiter: "Mit übertriebenen
Befürchtungen über massenhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme
verpassen wir jedoch die Chance, gut qualifizierten Fachkräften
das notwendige Signal zu senden, dass sie in Deutschland
willkommen sind und dringend benötigt werden."
In dieser Erklärung von
Kapital und der Vertretung der von Kapital Ausgebeuteten findet
sich kein Hinweis zur Festung Europa, die an Ihren Außengrenzen
jährlich Tausende ertrinken lässt. Die Begründung dieser
Zuwanderung von qualifizierter Arbeitskraft beruht
ausschließlich auf der wirtschaftlichen Nützlichkeit für
die Unternehmen am Standort Deutschland.
Sarrazin formulierte
es ähnlich: „ Wer zu uns kommt, soll Mehrwert bringen“
Die AfD formuliert in ihren
Thesen: „Zuwanderung braucht klare Regeln: „Die AfD setzt sich
für ein Einwanderungsrecht mit „Punktesystem“ nach kanadischem
Vorbild ein, das die Interessen Deutschlands und die Chancen der
Zuwanderer auf erfolgreiche Integration in unsere Gesellschaft
gleichermaßen berücksichtigt.“ In Kanada darf zuwandern, der 1
Million Dollar auf den Tisch legt, einen
unterschriebenen ῁rbeitsvertrag eines Unternehmens in Kanada
vorweisen kann und Englisch
oder Französisch spricht.
Da sind sich alle
einig, BDA, Sarrazin, DGB und AfD: Nur die Guten dürfen rein.
Die Einigkeit kommt nicht
aus der Luft. Die gigantischen Industrieanlagen in Deutschland,
benötigen dringend neue Arbeitskräfte von mehreren Millionen
Menschen, sonst steht absehbar der Laden still. Unternehmen in
Deutschland drohen damit gigantische Verluste, Pleiten und
Niederlagen auf den Weltmärkten, wenn sich die 3-4 Billionen
Euro großen Investitionen in die hiesigen Produktionsanlagen
nicht durch laufende Produktion amortisieren. Alle, die dem
Standort Deutschland verbunden sind, wissen: Einwanderung muss
sein.
In Kommentaren großer
Zeitungen und bei mancher/m Politiker/in der Linken steht
angesichts von Pegida und Zulauf zu Demonstrationen gegen
Flüchtlingsunterkünfte die Formulierung: nationalistische und
rassistische Positionen sind in der „Mitte der Gesellschaft
angekommen“. Wenn diese Mitte vorher frei davon war, stellt sich
natürlich die Frage, wie sie denn in die žMitteœ gelangt sind.
Nationalistische Ansätze
finden sich denn auch in den Betrachtungen der Marktkonkurrenz
wieder. Deutsche Autos auf den Weltmärkten werden ebenso
gepriesen, wie Exportüberschüsse und
Exportweltmeistertitel. In dem ausländischenœ
Unternehmen und den dort Beschäftigten den Konkurrenten und
Feind zu sehen, müsste eigentlich an einer hochorganisierten
LohnarbeiterInnenklasse abprallen. Schließlich hat sich
die Internationale ArbeiterInnenbewegung einst auf ihre Fahnen
die Solidarität und weltweite Aktionen gegen
Kriege, Staaten und multinationale
Konzerne geschrieben.
Und die Praxis ? Wie deuten
die DGB Gewerkschaften die Konkurrenz von weltweit agierenden
Unternehmen und in anderen Staaten beheimateten Unternehmen und
wie wirkt sich dies in den Köpfen der Gewerkschafter aus ?
Einige Beispiele:
In den Jahren 2010 bis 2011
haben Bundesregierung und Autoindustrie eine „Nationale
Plattform Elektromobilität“ initiiert. Ganz vorne dabei der
damalige IG Metall Chef Huber. Die Subventionswünsche der
Industrie machte sich Huber zu eigen und brachte seine Ansicht
in einer IG Metall Presseerklärung auf den Punkt: „Das
ambitionierte Ziel ist nichts weniger, als Deutschland bis 2020
zum weltweiten Leitanbieter und Leitmarkt
für die damit verbundenen Technologien zu
machen.œ Also der Konkurrenz und damit Profitvorteil der von
Daimler BMW, VW und Audi.
In einem Papier des
Vorstandes der IG Metall zum Kriegsschiffbau findet sich
folgender Einleitungssatz: „Der Erhalt der wehrtechnischen
Kernfähigkeit im Marineschiffbau ist für die IG Metall von
nationaler Bedeutung“. 2010 und 2014 mobilisierte die IG Metall
tausende KollegInnen am Airbus Rüstungsstandort Manching gegen
geplante Streichungen bei Militärflugzeugen und die
beabsichtigte Einstellung des Drohnenprogramms auf die Straße.
Kernaussage der IG Metall: „Für Deutschland wäre es
eine Katastrophe, wenn nach dem Stopp des -Euro Hawk- die
Politik jetzt einen Komplettausstieg aus dem unbemannten Fliegen
beschließen würde“. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Drohnen
zur Paketbeförderung, sondern um raketenbestückte
Angriffswaffen.
Nicht minder national
gebärden sich die Gewerkschaften IG Metall und IG Bergbau,
Chemie und Energie (IG BCE) wenn es um die Profitvorteile der
bundesdeutschen Strommonopolisten geht. 2010, 2013 und zuletzt
im Herbst 2014 (Verdi) erarbeiteten sie zusammen mit dem
BDA und dem Bundesverband der deutschen Industrie
Positionspapiere, die von der Bundesregierung jegliche Eingriffe
gegen Kohlestrom, Atomenergie und die geplante Einschränkung der
Ökosteuerbefreiung zu Lasten der deutschen Industrie ablehnten.
In der gemeinsamen
Erklärung von BDA, IG Metalll und IG BCEvom 23.10.2013 musste
dann mehrfach die Gefährdung der industriellen
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands herhalten. Nach Auffassung der
Beteiligten „nimmt der Industriestandort Deutschland Schaden“
wenn sich die Energieträger nicht im freien Wettbewerb am Markt
bewähren. Braunkohle und AKW-Strom kann gerade am profitabelsten
produziert werden. Gabriel ist danach eingeknickt.
Position zur EU
Im September 2011 rief der
DGB-Vorsitzende und die Vorsitzenden der acht DGB-Gewerkschaften
in riesigen Zeitungsanzeigen- ja zu Europa ! ja zum Euro ! – in
der überregionalen Presse die Bundestagsabgeordneten dazu auf,
für die Annahme des ESFS zu stimmen. Die Mehrheit im Bundestag
war fraglich. Ein Aufruf mit dem gleichen Ziel kam zeitgleich
vom Bundesverband der Arbeitgeberverbände BDA. Der ESFS war das
žRettungspaketœ mit dem EU, IWF und EZB zunächst den
Griechischen ArbeiterrῩnnen und später in Portugal, Spanien mit
Lohn- und Rentenkürzungen bedachte und die Konsumsteuern anheben
ließ. Dies haben die DGB Vorstände gewusst, als sie von den
Bundestagsabgeordneten die Zustimmung einwarben. Denn die
Zustimmung zu neuen Krediten war an die vorherige Zusage und
Beschlüsse in den dortigen Parlamenten zu KürῺungen gebunden.
Die Euros aus den Mitgliedsbeiträgen der deutschen Mitglieder
für die Zeitungsanzeigen waren folglich propagandistische
Begletung zur Lohnsenkung für Arbeiter/innen in Griechenland.
Die Motivation für diese
Maßnahmen ließ die IG Metall am 18.11.2011 in ihren „10
Forderungen … verlauten:
„Wir erläutern, warum wir
den Euro, die Währungsunion und den gemeinsamen europäischen
Markt brauchen. 1. Der Euroraum ist die wichtigste Exportregion
der deutschen Wirtschaft. Die deutsche
Wirtschaft "lebt" wie kaum eine andere Volkswirtschaft vom
Export. Die Kunden im Ausland sichern bei uns Millionen von
Arbeitsplätzen. Die wichtigsten Abnehmer deutscher Waren sind
die Europäer. Das belegen die Zahlen des Statistischen
Bundesamtes. Danach wurden von allen Gütern und
Dienstleistungen, die 2010 aus Deutschland ausgeführt wurden, 41
Prozent in die Eurozone geliefert. Auch für die Metallindustrie
ist Europa ein wichtiger Markt: 34,2 Prozent ihrer Produkte
exportierte sie in die Eurozone. Erst mit großem Abstand folgen
Asien (20 Prozent) und Amerika (13 Prozent).
Derartige nationalistisch
begründete und natürlich mittels Mitgliederzeitungen an die über
6 Millionen Mitglieder publizierten Positionen ziehen sich seit
Jahren durch das Handelns der meisten DGB-Gewerkschaften. Damit
prägen diese nationalistischen Positionen das Denken und schon
ist Kolleg/in Gewerkschafter/in Teil der großen nationalen
Gemeinschaft zusammen mit Nationalist/innen aller Art.
Da ist es nicht
verwunderlich, dass die vermutete Nähe von SPD, Grünen und Die
Linke beim Wahlverhalten bei Gewerkschafter/innen sich auflöst.
Bei den Europawahlen 2014 stellte die Forschungsgruppe Wahlen
fest, dass bei einem Bundesdurchschnitt von 7 Prozent aller
WählerInnen für die AfD unter den jungen Gewerkschaftern in der
Altersgruppe 18 bis 29 Jahre zu einer Zustimmung von 10 Prozent
und bei den 30-bis 44 jährigen von 8 Prozent für die AfD kam.
Bei den jungen GewerkschafterInnen bis 29 Jahren gab es darüber
hinaus eine Wahloption für andere Rechte Parteien in Höhe von 8
Prozent und von 30,9 Prozent für die CDU. Die
žTraditionslinkenœ Parteien SPD, Grüne und die Linke haben unter
jungen Gewerkschafter/innen bei Wahlen keine Mehrheit mehr, bei
den Europawahlen lag sie unter 40 Prozent. Die Standorttreue
nationalistische Politik der DGB Oberen hat ganz offensichtlich
Spuren im Bewusstsein der jüngeren Mitglieder hinterlassen. Mit
Forderung nach Geld für deutsche Drohnen, gegen Energiewende und
für deutsche Braunkohle und deutsche Kriegsschiffen werden zudem
auch Menschen zu Gewerkschaftern, die in
früheren Zeiten von Kapital- und Staatskritik abgestoßen wurden.
In wesentlichen Fragen der
Politikgestaltung am Standort Deutschland gibt es offensichtlich
erhebliche Übereinstimmungen zwischen den etablierten Parteien
und Organisationen der Zivilgesellschaft. Dazu zählt auch eine
prinzipielle Übereinstimmung in Fragen des Standortnationalismus
und der Zuwanderungspolitik zwischen AfD und DGB. Die minimalen
Differenzen erklären nicht, warum sich der DGB in Bremen sich
berufen fühlt, sich an die Spitze des Protestes gegen die AfD zu
stellen. Daher ist zu vermuten, dass er sich angesichts
seines überwiegend aus Sozialdemokrat/innen bestehenden
DGB-Personals im Auftrag der SPD in den Vorwahlkampf begibt und
gleichzeitig den Job hat, die Proteste zu kontrollieren.
Der offizielle DGB Politik
ist ganz offensichtlich Teil des Problems, der zunehmenden
nationalistischen Stimmungen und ihrer Verbreitung in der „Mitte
der Gesellschaft“. Die Teilnahme des DGB als Organisation einer
Demonstration gegen Nationalismus und Rassismus muss schon
nachdenklich stimmen.
Editorische Hinweise
Den Text
erhielten wir von IWW Bremen zur Veröffentlichung in dieser
Ausgabe.