Störungen für den Burschenschafterball
Wien: Mobilisierung über die Landesgrenzen hinweg gegen rechtsextremes Großereignis

Bericht von Bernard Schmid aus Wien

02-2014

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Zwei Orte in Europa, zwei Situationen: Während die extreme Rechte am Sonntag, den 26. Januar in Paris einen echten Mobilisierungserfolg – ihrer übelsten Kräfte – verzeichnen konnte, vgl. dazu nebenstehenden Artikel, erhielt sie am Vortag in Wien einen ordentlichen Dämpfer.

Über die Landesgrenzen hinaus bedeutet es einen Rückschlag für die extreme Rechte, dass in der Nacht vom 24. zum 25. Januar eines ihrer zentralen Ereignisse in Wien nur unter erheblichen Störungen stattfinden konnte. In der österreichischen Hauptstadt kamen am Freitag Abend einige hundert Menschen für den „Akademikerball“ zusammen, wie - seit einem Jahr der neue - und vorgeblich unverfänglichere - Name des früher „WKR-Ball“ genannten Ereignisses lautet. Über die Landesgrenzen und bis nach Westeuropa hinaus war das Spektakel besonders dann bekannt geworden, als die Parteivorsitzende des französischen Front National (FN) – Marine Le Pen – am 27. Januar 2012, dem Auschwitzgedenktag vor zwei Jahren, dazu anreiste. Viel wurde danach in der westeuropäischen Presse über „pangermanische Nazis“ und arische Hackfressen berichtet.

Das Kürzel WKR steht für den „Wiener Korporationsring“, einen Zusammenschluss von derzeit 21 Burschenschaften, von denen die Mehrheit schlagende und farbentragende, also besonders reaktionären Prinzipien verpflichtete Verbindungen sind. Zu den wichtigsten zählt die Burschenschaft Olympia, die derart ungeschminkt großdeutsch ausgerichtet ist, dass sie der Deutschen Burschenschaft (DB) angegliedert ist, und offene Verbindungen zu Holocaustleugnern hält. 2005 lud sie etwa den berüchtigten britischen „Historiker“ und Auschwitzleugner David Irving zu einem Vortrag ein. 1991 hatten Angehörige der Olympia beim Deutschen Burschentag in Eisenach einen Antrag eingebracht, in dem es hieß: „Die Unterwanderung des deutschen Volkes durch Angehörige von fremden Völkern bedroht die biologische und kulturelle Substanz des deutschen Volkes.“ Auch die ebenfalls dem WKR angegliederte Verbindung Teutonia ist rechtsextrem, gehört seit 2007 ebenfalls dem Dachverband DB an. 2013 führte sie dort die Leitung als „Vorsitzende Burschenschaft“. Im Jahr zuvor hatte die Teutonia durch ein wüstes Flugblatt gegen Ariel Muzicant, den Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde (IGK) in Wien, Aufmerksamkeit erregt.

Dass der Ball auch in diesem Jahr stattfinden konnte, wie alljährlich bereits seit 1952, ist eine bittere Feststellung. Angenehmer dagegen ist die Beobachtung, dass die Hindernisse für die Teilnehmer an dem Ereignis stark zugenommen haben. Seit nunmehr fünf Jahren finden regelmäßig Demonstrationen gegen das Ereignis statt, in den Anfängen waren sie noch illegal. In diesem Jahr kamen am Freitag Abend zwischen 6.000 und 8.000 Menschen zu zwei komplementären Protestzügen zusammen, von denen der eine – der den Burschenschaftern im Aufrufmotto signalisierte: „Unseren Hass könnt Ihr haben!“ – eher vom autonomen Spektrum in Gestalt des No-WKR-Bündnis organisiert war. Der andere, organisiert vom Bündnis „Offensiv gegen Rechts“ (OGR), war eher von Menschen aus der marxistischen sowie gewerkschaftsnahen Linken auf die Beine gestellt worden. An den Demonstrationen nahmen auch Menschen aus Tschechien, Slowenien, Ungarn, Italien und natürlich aus Deutschland sowie der Schweiz teil, ebenso wie an den Workshopveranstaltungen am Tag danach in den Räumen der Wiener Universität, wo über Antifaschismus in Europa diskutiert wurde. Aber neben den Demonstrationen gab es auch Raum für unterschiedliche fantasievolle Aktionsformen: von der kalten Bierdusche für Rechte, die im Taxi durch die Absperrungen rund um die Wiener Hofburg gelangen mussten, bis zum Einsammeln von Burschenschafterkäppis als Trophäen.

Durch die Gegenmobilisierung, die viel breiter ausfällt als noch in jüngerer Vergangenheit, geriet der Ball auch in breiten Teilen der Öffentlichkeit erstmals in ein kritisches Augenmerk. Zog das Ereignis in der Vergangenheit noch rund 3.000 Menschen jährlich an, so schätzten örtliche Beobachter die reale Teilnehmerzahl in diesem Jahr auf 400 bis 800 – während die Wiener Ortsgruppe der „Freiheitlichen Partei“ (FPÖ) offiziell von 1.000 sprach. Die FPÖ Wien fungiert heute als offizieller Veranstalter, seitdem der Burschenschafterball unter Druck geriet - weil sie als im Parlament vertretene Formation das Parteienprivileg geltend macht, aufgrund dessen ihr die Anmietung der Hofburg nicht verwehrt werden kann. Doch die Zukunft des Balls steht nunmehr in Frage: 2.000 Polizisten waren am Freitag eigens dafür mobilisiert worden, die Kosten für den Einsatz werden auf eine Million Euro geschätzt. Auch wenn die Presse ebenfalls über die Autonomen schimpfte, weil Ausschreitungen am Rande der Demonstration für Sachschaden in der Wiener Innenstadt sorgten, so ist doch das Ansehen des Balls erheblich angeschlagen. Selbst eine öd-blöde Boulevardzeitung wie „Madonna“ bezeichnete am Samstag, den 25. Januar 14 zu allererst das Stattfinden des Balls überhaupt als „Provokation“, kritisierte danach ausgiebig das Verhalten der Polizei im Vorfeld, um erst danach (an dritter Stelle) auch über den „Black Block“ zu schelten.

Editorische Hinweise

Wir bekamen den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.