Zwei Orte in Europa, zwei Situationen: Während die extreme
Rechte am Sonntag, den 26. Januar in Paris einen echten
Mobilisierungserfolg – ihrer übelsten Kräfte – verzeichnen
konnte, vgl. dazu nebenstehenden Artikel, erhielt sie am Vortag
in Wien einen ordentlichen Dämpfer.
Über die Landesgrenzen hinaus bedeutet es
einen Rückschlag für die extreme Rechte, dass in der Nacht vom
24. zum 25. Januar eines ihrer zentralen Ereignisse in Wien nur
unter erheblichen Störungen stattfinden konnte. In der
österreichischen Hauptstadt kamen am Freitag Abend einige
hundert Menschen für den „Akademikerball“ zusammen, wie -
seit einem Jahr der neue - und vorgeblich unverfänglichere -
Name des früher „WKR-Ball“ genannten Ereignisses lautet.
Über die Landesgrenzen und bis nach Westeuropa hinaus war das
Spektakel besonders dann bekannt geworden, als die
Parteivorsitzende des französischen Front National (FN) – Marine
Le Pen – am 27. Januar 2012, dem Auschwitzgedenktag vor zwei
Jahren, dazu anreiste. Viel wurde danach in der westeuropäischen
Presse über „pangermanische Nazis“ und arische Hackfressen
berichtet.
Das Kürzel WKR steht für den „Wiener
Korporationsring“, einen Zusammenschluss von derzeit 21
Burschenschaften, von denen die Mehrheit schlagende und
farbentragende, also besonders reaktionären Prinzipien
verpflichtete Verbindungen sind. Zu den wichtigsten zählt die
Burschenschaft Olympia, die derart ungeschminkt großdeutsch
ausgerichtet ist, dass sie der Deutschen Burschenschaft (DB)
angegliedert ist, und offene Verbindungen zu Holocaustleugnern
hält. 2005 lud sie etwa den berüchtigten britischen „Historiker“
und Auschwitzleugner David Irving zu einem Vortrag ein. 1991
hatten Angehörige der Olympia beim Deutschen Burschentag in
Eisenach einen Antrag eingebracht, in dem es hieß: „Die
Unterwanderung des deutschen Volkes durch Angehörige von fremden
Völkern bedroht die biologische und kulturelle Substanz des
deutschen Volkes.“ Auch die ebenfalls dem WKR
angegliederte Verbindung Teutonia ist rechtsextrem, gehört seit
2007 ebenfalls dem Dachverband DB an. 2013 führte sie dort die
Leitung als „Vorsitzende Burschenschaft“. Im Jahr zuvor hatte
die Teutonia durch ein wüstes Flugblatt gegen Ariel Muzicant,
den Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde (IGK) in
Wien, Aufmerksamkeit erregt.
Dass der Ball auch in diesem Jahr stattfinden
konnte, wie alljährlich bereits seit 1952, ist eine bittere
Feststellung. Angenehmer dagegen ist die Beobachtung, dass die
Hindernisse für die Teilnehmer an dem Ereignis stark zugenommen
haben. Seit nunmehr fünf Jahren finden regelmäßig
Demonstrationen gegen das Ereignis statt, in den Anfängen waren
sie noch illegal. In diesem Jahr kamen am Freitag Abend zwischen
6.000 und 8.000 Menschen zu zwei komplementären Protestzügen
zusammen, von denen der eine – der den Burschenschaftern im
Aufrufmotto signalisierte: „Unseren Hass könnt Ihr haben!“
– eher vom autonomen Spektrum in Gestalt des No-WKR-Bündnis
organisiert war. Der andere, organisiert vom Bündnis „Offensiv
gegen Rechts“ (OGR), war eher von Menschen aus der marxistischen
sowie gewerkschaftsnahen Linken auf die Beine gestellt worden.
An den Demonstrationen nahmen auch Menschen aus Tschechien,
Slowenien, Ungarn, Italien und natürlich aus Deutschland sowie
der Schweiz teil, ebenso wie an den Workshopveranstaltungen am
Tag danach in den Räumen der Wiener Universität, wo über
Antifaschismus in Europa diskutiert wurde. Aber neben den
Demonstrationen gab es auch Raum für unterschiedliche
fantasievolle Aktionsformen: von der kalten Bierdusche für
Rechte, die im Taxi durch die Absperrungen rund um die Wiener
Hofburg gelangen mussten, bis zum Einsammeln von
Burschenschafterkäppis als Trophäen.
Durch die Gegenmobilisierung, die viel
breiter ausfällt als noch in jüngerer Vergangenheit, geriet der
Ball auch in breiten Teilen der Öffentlichkeit erstmals in ein
kritisches Augenmerk. Zog das Ereignis in der Vergangenheit noch
rund 3.000 Menschen jährlich an, so schätzten örtliche
Beobachter die reale Teilnehmerzahl in diesem Jahr auf 400 bis
800 – während die Wiener Ortsgruppe der „Freiheitlichen Partei“
(FPÖ) offiziell von 1.000 sprach. Die FPÖ Wien fungiert heute
als offizieller Veranstalter, seitdem der Burschenschafterball
unter Druck geriet - weil sie als im Parlament vertretene
Formation das Parteienprivileg geltend macht, aufgrund dessen
ihr die Anmietung der Hofburg nicht verwehrt werden kann. Doch
die Zukunft des Balls steht nunmehr in Frage: 2.000 Polizisten
waren am Freitag eigens dafür mobilisiert worden, die Kosten für
den Einsatz werden auf eine Million Euro geschätzt. Auch wenn
die Presse ebenfalls über die Autonomen schimpfte, weil
Ausschreitungen am Rande der Demonstration für Sachschaden in
der Wiener Innenstadt sorgten, so ist doch das Ansehen des Balls
erheblich angeschlagen. Selbst eine öd-blöde Boulevardzeitung
wie „Madonna“ bezeichnete am Samstag, den 25.
Januar 14 zu allererst das Stattfinden des Balls überhaupt als
„Provokation“, kritisierte danach ausgiebig das Verhalten der
Polizei im Vorfeld, um erst danach (an dritter Stelle) auch über
den „Black Block“ zu schelten.
Editorische
Hinweise
Wir bekamen den Artikel vom
Autor für diese Ausgabe.
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