Das Wohn- und
Kulturprojekt Liebig14 in Friedrichshain-Kreuzberg ist
heute Mittag (2.2.2011) geräumt
worden. Wie angekündigt, versuchte ein martialisches
Aufgebot von 2.500 Einsatzkräften der Polizei ab acht Uhr
morgens in die Liebigstraße 14 einzudringen. Mit Axt,
Rammbock und Trennschleifer verschafften sich
Polizist_innen zunächst Zutritt zum Erdgeschoss.
Gleichzeitig drangen Hundertschaftler_innen vom Dach in
das Gebäude ein. Bis ca. 13 Uhr waren die Polizisten
beschäftigt, ehe sie das Haus eingenommen hatten und neun
angetroffene Personen abführten. NebenHausfriedensbruch
wird ihnen auch Körperverletzung vorgeworfen.
Der Rechtsanwalt des Vereins Liebig14
versuchte noch die Räumung in letzter Sekunde aufzuhalten.
Laut eines Beschlusses des Landgerichts von Dienstagabend
hätte der Gerichtsvollzieher zunächst prüfen müssen, ob sich
die Personen im Haus aufhalten, gegen die die Eigentümer
Suitbert Beulker und Edwin Thöne Räumungstitel erwirkt
hatten. Doch das interessierte Gerichtsvollzieher Wolfgang
Damm nicht. Er ließ nicht einmal Kontakt zu ihm zu, sagte
der Anwalt Max Althoff am Morgen bei der Räumung. Wie das
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg am Nachmittag mitteilte,
wurde im Haus keine Person festgestellt, gegen die ein
Räumungstitel ergangen war. Die Räumung war deshalb illegal.
Aber das wird nicht diskutiert. Stattdessen schieben sich
die Politiker_innen der Linken, Grünen und SPD auf allen
Ebenen gegenseitig die Schuld zu.
Auch die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak (LINKE) hat
die Räumung des Hausprojekts in ihrem Wahlkreis verfolgt.
Sie kritisierte, daß die Eskalation nicht verhindert wurde.
Daß weder Bezirkspolitiker, noch der Senat eine Lösung für
die Bewohner gefunden haben, sieht sie nicht als Hauptgrund
für die Räumung. „Wenn sich der Besitzer verweigert, ist
auch die Politik machtlos“, erklärt sie ihre Kritik vor
allem an Suitberg Beulker. Denn die Eigentümer der
Liebigstraße 14, denen auch die benachbarten Häuser der
Rigaer Straße 94-96 gehören, hatten sich nie an
Verhandlungen beteiligt. Obwohl die Bewohner der Liebig 14
das Haus kaufen wollten und dafür bereits eine Stiftung
gegründet hatten, ließ Beulker nicht mit sich reden. Selbst
Hans-Christian Ströbele, der auch heute morgen anwesend war
und immer noch das Gespräch suchtem und andere
Vermittler_innen scheiterten mit ihren Mediationsversuchen.
Laut Ströble war Beulker selbst telefonisch nicht zu einem
Gespräch bereit.
Die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch wollte dies nicht als
Ausrede akzeptieren. Sie kritisierte den Senat als
verantwortlichen politischen Akteur. Er hätte ein
Ersatzobjekt zur Verfügung stellen müssen. Körtings breit
kolportiertes vermeintliches Angebot eines Hauses in
Weißensee, war keinesfalls eine Alternative. Die
Bewohner_innen der Liebig14 hätten damit rechnen müssen nach
2 Jahren wieder rausgeschmissen zu werden - ohne Ersatz.
Körtings Gequatsche ist ein Ablenkungsmanover, daß er wider
besseren Wissens gegen die Mieter_innen der Liebig 14 und
den dazugehörigen Verein in Stellung bringt.
Die Berliner Linke äußert sich im Übrigen gar nicht zur
Räumung der Liebig 14. Frank Zimmermann von der Berliner SPD
hat nur alibi-mäßig und dafür ganz schön großspurig
angekündigt, sich nochmals um ein Ersatzobjekt kümmern zu
wollen. Aber die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft
Berlin-Mitte (WBM) hat angeblich keine freien
Häuser/Seitenflügel. Dass es dennoch genügend freie Gebäude
gibt, die leicht zu Wohnungen umgebaut werden könnten,
bewiesen die Liebig 14 Unterstützer_innen in den vergangenen
Wochen oft genug: Schulen, Krankenhäuser oder auch leer
stehende Wohnhäuser wurden in "Expansion" Aktionen
kurzzeitig besetzt. Dafür interessierte sich die Politik
allerdings wenig. Schließlich gibt es, wie auch Renate (Ich-will-Berlins-Bürgermeisterin-werden)
Künast süffisant bemerkt einen
gültigen Räumungstitel.
Zur Räumung kam sogar der breit "ersehnte" Vermieter Beulker,
der allerdings nicht reden wollte, sondern die
ordnungsgemäße Räumung überwachen wollte. Selbst Ströbele,
der sich – wie immer wenn in seinem Wahlkreis etwas los ist
– auch die Räumung ansah, ließ Beulker aber nicht ins Haus.
Ihm wurde von der Polizei ausdrücklich ein Hausverbot
erteilt.
Seit den frühen Morgenstunden waren die Liebig- und Rigaer
Straße weiträumig abgesperrt. Ab 5 Uhr strahlten
Scheinwerfer von den Dächern rund um die Liebig 14. Nur
Journalisten_innen und Anwohner_innen kamen noch durch die
Absperrungen. Allerdings war erstaunlich, daß die Straßen
nicht mit Hamburger Gittern, sondern nur mit vereinzelten
behelmten Hundertschaftler_innen gesichert waren. Um 7:40
Uhr rollte dann der große Tross von „Beamten“ ein. Die
Journalist_innen wurden weggeschickt und Wannen so vor dem
Haus postiert, daß nichts mehr von den Arbeiten am Eingang
zu sehen war. Pressefreiheit war mal wieder ausgesetzt. Die
Ausrede dafür war dieses Mal besonders kreativ. Weil bei der
Demo am Samstag ein "dpa-Journalist" verletzt worden sein
soll, wollte die Polizei die Medienvertreter_innen
"schützen". Dabei schützten sie vor allem sich selbst und
verhidnerten die Dokumentation zahlreicher Straftaten
(Körperverletzung, Beleidigung), die widerrechtliche Räumung
selbst nicht eingeschlossen.
Lange brauchte die Polizei, um im Haus voranzukommen.
Gerüchte über mit gefährlichen Flüssigkeiten gefüllte
Badewanne und ein zerstörtes Treppenhaus bestätigten sich
aber nicht. Die Bewohner_innen hatten das Haus einfach
ordentlich mit Sperrmüll gefüllt. Als der Krempel weggeräumt
und eine Wand eingerissen sowie weitere verschweißte Türen
aufgebrochen waren, erreichten die Polizist_innen die
verbarrikadierten Bewohner_innen. Angeblich haben sie sich
noch mit einem Spray gewehrt und wurden deshalb wegen
Körperverletzung festgenommen, statt einfach aus dem Haus
gebracht und vor die Tür gesetzt zu werden. Alle neuen kamen
erst mal in die Gesa.
Damit war die Räumung erstmal erledigt. In ganz Berlin und
bundesweit fanden während und nach
der Räumung Soli-Aktionen statt. In Neukölln liefen
mindestens 500 Menschen durch Nordneukölln, begleitet durch
ein massives Polizeiaufgebot. Zur Zeit läuft eine Soli-Demo
durch Friedrichshain. Die Räumung dauerte lange - die Nacht
wird länger! Und es gibt ja auch noch ein morgen...
Editorische
Anmerkungen
Der Artikel erschien
am 2.2.2011 bei Indymedia - wir spiegelten von dort.