trend spezial:  Die Aufstände in Nordafrika

Ägypten: Mubarak’s Konterrevolution erhebt das Haupt

von Dave Stockton

02/11

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In der Nacht vom 2. auf den 3. Februar weiteten sich die Kämpfe auf dem Tahir Platz deutlich aus, wo die fortschrittlichen Kräfte der ägyptischen Revolution die Stellung halten. Das Regime organisierte Schlägertrupps des Lumpenproletariats, um durch Attacken die Demonstranten vom Platz zu vertreiben. Bisher hatten sie damit keinen Erfolg, doch die nächsten Tage werden entscheidend sein.

Hosni Mubarak gab in der Nacht des 1. Februar seine Antwort auf die unmissverständliche Botschaft des ägyptischen Volkes, dass er gehen solle. Er machte klar, dass er seine Amtszeit zu Ende bringen werde. Nach einem kurzen Zugeständnis, dass es Reformen geben werde, fiel er in seine alte Rolle zurück, dass die Demonstranten „Chaos und Gewalt“ brächten und verfassungsmäßige Legitimität verletzt hätten.

Weiter erklärte er: „Das Schlimmste ist die Angst, welche die große Mehrheit der Bevölkerung befallen hat und die Sorge darüber, was der nächste Tag ihnen, ihren Familien und der Zukunft des Landes bringen wird.“

Ganz im Gegensatz stehen die Berichte der ausländischen Medien, welche hervorheben, dass die ÄgypterInnen ihre Angst verloren hätten - die Angst vor dem Regime des Diktators, welches seine Opponenten misshandelte, seit Jahrzehnten den Ausnahmezustand aufrechterhielt und über 1000 politische Gefangene festhielt. Die Stimmung am 1. Februar, da waren sich alle einig, erinnerte eher an einen Karneval. Ein Fest, zu dem ganze Familien mit Kind und Kegel kamen und sich beruhigt auf das Versprechen der Armee verließen, dass diese nicht auf sie schießen würden. Die einzigen, die wirklich in Angst  lebten, waren der Diktator selbst und seine Günstlinge.

Schwarzhundertschaften der Reaktion

Aber schon am 2. Februar schlug die Stimmung um. Der Tyrann schien nun die Angst schüren zu wollen, von welcher er am Vorabend gesprochen hatte. Gruppen von Zivilpolizisten rekrutierten große Mengen bezahlter Schlägertrupps, welche die zentralen Plätze angriffen, wo sich die DemonstrantInnen versammelt hatten, besonders den Tahrir Platz in Kairo. Diese Schlägertrupps waren es auch, welche das Feuer auf dem Platz eröffneten. Medienberichten zufolge wurden fünf Demonstranten getötet, viele weitere verletzt.

Das Ziel dieses Eingreifens ist eindeutig - die Avantgarde auf dem Tahrir Platz zu isolieren und zu brechen. Er möchte die Massen so einschüchtern, dass sie sich  nicht weiter auf die Straßen trauen. Wenn er damit Erfolg hat, hofft er die Armee einsetzen zu können, um die Straßen zu räumen und die Bewegung zu zerstören. Solange die Bewegung jedoch mit größeren Massenmobilisierungen antwortet  und zum Mittel des Generalstreiks greift, kann Mubarak geschlagen werden. Doch die nächsten Tage werden hart.

Die Pro-Mubarak-Gangs sind vergleichbar mit Scharzhundertschaften der Russischen Revolution von 1905 und 1917, den Freikorps der Deutschen Revolution von 1918/19 und - aus der jüngeren Geschichte- den Basaji-Milizen, welche die Demokratiebewegung im Iran 2009 niederschlugen. Diese proto-faschistischen Banden sind eine wichtige Waffe, um Chaos und Verwüstung zu verbreiten, die ArbeiterInnen und Jugend einzuschüchtern und die verängstigte Mittelklasse zurück in die Arme des Regimes zu treiben.

Der alte Diktator hat klar bewiesen, dass sein kriminelles Regime nicht friedlich zu überwinden ist. Es muss durch einen Aufstand der Massen gestürzt werden.

Generalstreik und Bewaffnung der Massen

Ein unbefristeter Generalstreik, angeführt von den ArbeiterInnen aus Industrie und Transportwesen, welcher die Arbeitslosen, die Kleinhändler und die Kleinbauern einbindet, kann den Unterdrückungsversuchen des Staatsapparates etwas entgegensetzen.

Sollte es dazu kommen, wird sich die herrschende Klasse spalten, Mubarak den Rücken zuwenden und das Vertrauen verlieren.

Der Keim für eine solche Entwicklung wurden bereits gelegt durch die sieben Tage der Massenmobilisierung, die Bildung von Milizen, welche in vielen Vierteln zu Selbstverteidigung entstanden, durch die Agitation unter den einfachen Soldaten und unteren Offiziersrängen.

So muss eine Situation geschaffen werden, in der sich die Soldaten offen mit dem Volk verbrüdern und sich gegen die Schlägertrupps Mubaraks stellen.

Es gilt nicht nur den Diktator, sondern die Diktatur zu stürzen. Dafür muss die Polizei aufgelöst und durch eine Arbeiter- und Volksmiliz ersetzt werden. Alle, die getötet, verletzt oder selbiges befohlen haben, müssen festgesetzt und von Volkstribunalen abgeurteilt werden. Alle politischen Gefangenen  müssen freigelassen werden.

Die einfachen Soldaten müssen die Befehlsgewalt in der Armee übernehmen, Räte gründen und ihre eigenen Offiziere wählen. Vor allem aber müssen die ArbeiterInnen in den Fabriken und die BewohnerInnen der Stadtteile Räte gründen mit abwählbaren Delegierten, wie die Räte der Russischen Revolution.

Eine Revolution die nicht voran geht, kann schnell nach Hinten losgehen. Um es in den warnenden Worten des französischen Revolutionärs, St. Just, zu sagen: „Wer eine halbe Revolution machte, gräbt sich nur sein eigens Grab“.

Die dringendste Aufgabe der nächsten Tage ist die konterrevolutionäre Offensive von Mubarak und Suleimann zu besiegen.

- Die Straßen und Plätze durch weitere Massenmobilisierungen zu halten, Treffen abzuhalten, um die Hauptforderungen der Bevölkerung zu formulieren, so dass niemand fälschlicherweise behaupten kann für diese zu sprechen.

- Milizen zu etablieren, um die Bevölkerung vor Mubaraks Schlägern zu schützen und die Soldaten zum Überlaufen zu gewinnen.

- Einen unbefristeten Generalstreik organisieren und verteidigen, bis Mubarak und die Regierung gestürzt sind.

- Räte mit Delegierten aus der Arbeiterschaft, Jugend und den Armen in allen Regionen, Städten und Dörfern wählen.

Diese Schritte werden die Revolution unbesiegbar machen, Ordnung herstellen und die Basis dafür schaffen, dass die ägyptische Arbeiterklasse die Macht übernehmen kann.

Revolutionäre Partei

Nicht zu letzt müssen die militante Jugend, die Aktivisten der Gewerkschaften, die sozialistischen Gruppen ihre Kräfte vereinen, um eine revolutionäre Arbeiterpartei nach bolschewistischem Vorbild zu gründen. Die Spontaneität und die neuen Kommunikationsmedien, so wichtig sie in den Anfängen der tunesischen und ägyptischen Intifada  waren, sind völlig unzureichend, um eine erfolgreiche Revolution, einen Aufstand der Massen, zu organisieren.

Dafür bedarf es eines landesweiten Netzwerkes von KämpferInnen, welche fähig sind auch klandestin zu kommunizieren, die ihren Fuß in den Fabriken haben und auf Grundlage eines Aktionsprogramms im Falle des Kommunikationsabbruchs wissen, welche Taktiken sie nutzen und für welche Ziele sie kämpfen müssen.

Dieser Partei muss es zum Ziel haben das alte Regime vollständig zu zerstören, die unmittelbaren demokratischen und sozio-ökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und den Kampf weiter voran zu treiben, für eine sozialistische Lösung – eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung!

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel durch

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 533
3. Februar 2011

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