Die extreme Rechte in den Niederlanden und Belgien: Auf dem Anti-Islam-Ticket unterwegs – zum Erfolg?

von Bernard Schmid

02/10

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Die niederländische PVV befindet sich im Aufwind, während die Erfolgskurve des belgischen ,Vlaams Belang’ wechselhaft verläuft und derzeit nach unten zeigt:  Der Bruch der niederländischen Regierungskoalition in der Nacht vom Freitag auf Samstag, den 20. Februar 1o, löst Neuwahlen im Land der Tulpen und Windmühlen aus. Das Regierungsbündnis – eine Große Koalition aus Christdemokraten (CDA) und Sozialdemokraten (PvdA) unter Einschluss der fundamentalistisch-protestantischen Milieupartei CU (ChristenUnie) – zerbrach nach 14stündiger Streitdebatte über die Verlängerung des niederländischen Armeeeinsatzes in Afghanistan. Dadurch stehen den Niederlanden nicht mehr „nur“ Kommunalwahlen bevor, die seit längerem für den o3. März geplant sind, sondern im am 09. 06. dieses Jahres wird auch eine
landesweite Parlamentswahl stattfinden.

Zu ihren Hauptgewinnern könnte die rechtsextreme respektive „rechtspopulistische“ so genannten Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders zählen, die bereits bei den Europaparlamentswahlen im Juni 2009 absahnen konnte und damals 17 Prozent der niederländischen Stimmen erhielt. Ihr wird jetzt ein Stimmenanteil von 15 bis 20 Prozent auf nationaler Ebene vorausgesagt und dürfte damit zweitstärkste Partei werden; die Anzahl ihrer Sitze im Parlament würde nach momentanen Prognosen von derzeit 9 auf 24 wachsen. Geert Wilders reagierte mit Jubel auf den „lange erhofften und endlich eingetreten“ Sturz der Regierung des Christdemokraten Jan-Pieter Balkenende: „Diese Regierung, die schlimmste, die je existierte, war es nicht wert, (auch nur) einen Tag länger zu regieren.“ Er erklärte, die PVV sei „bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen“. In jedem Falle dürfte man, über die niederländischen Grenzen hinaus, in Bälde noch von ihm hören. Vom Aufschwung des niederländischen „Rechtspopulisten“ möchte sich auch der Vlaams Belang (VB) im Nachbarland Belgien, der sich seit mehreren Monaten eher m Sinkflug befindet, ein Stück abschneiden.

Den Gerichtssaal in eine politische Tribüne verwandeln, den Prozess als Kulisse für donnernde Ansprachen - mit Blick auf ihre Öffentlichkeitswirkung - nutzen, sich zum Verfolgten aufschwingen: Das Prozedere ist für einen politisch Aktiven, der unter einer strafrechtlichen Anklage vor Gericht steht, ziemlich klassisch. Auch der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, dessen seit längerem erwarteter Prozess am 20. Januar dieses Jahres anfing und – nach inzwischen erfolgter, vorübergehender Aussetzung – nach ursprünglicher Planung im Juli 2010 wieder aufgenommen werden soll, bildet insofern keine Ausnahme, als er ganz nach diesem Motto verfährt. Dennoch ist das Verfahren gegen ihn etwas Besonderes, möchte der wasserstoffblonde „Volkstribun“ den Prozess gegen ihn doch in einer Weise als Bühne benützen, die weit über die Grenzen seines Landes hinaus Erschütterungen hervorrufen könnte. Sucht doch Geert Wilders die Spannungen zwischen dem Westen bzw. Abendland und „dem“ Islam gar zu gerne auf jede erdenkliche Weise auf die Spitze zu treiben.

Vor Gericht stand Wilders vor kurzem, weil er aufgrund von Äußerungen in seinem umstrittenen Film ,Fitna’ der Aufstachelung zum Rassenhass beschuldigt wurde. Anklage wurde insbesondere erhoben, weil Wilders in dem militanten Filmstreifen - dessen Name auf den muslimischen Begriff für einen „Bruderkrieg unter Gläubigen“ anspielt und der im März 2008 über das Internet publiziert wurde - unter anderem den Koran als „faschistisches Buch“ bezeichnet, mit Adolf Hitlers ‚Mein Kampf’ gleichsetzt und dessen Verbot fordert. Niederländer muslimischen Glaubens fühlten sich daraufhin beleidigt. Doch daneben führten auch über 40 Klagen von linken oder antirassistischen Gruppen sowie Einzelpersonen zu der Eröffnung eines Strafprozesses gegen Wilders. Bei den Anhörungen, die in der ersten Februarwoche stattfanden, scheiterte der Rechtspopulist vorläufig mit seinen diversen Anträgen. Unter anderem hatte er die Verlagerung des Prozesssaales aus dem Gerichtssaal in Amsterdam nach Den Haag, wo er seinen Wohnsitz hatte, gefordert und diverse Beweisanträge gestellt. So forderte er, um seine These vom grundsätzlich gefährlichen und verdammungswürdigen Charakter der muslimischen Religion an und für sich zu untermauern, zwei hochrangige Repräsentanten des iranischen Regimes oder einen als „Hassprediger“ bekannten Imam aus Den Haag zur Anhörung vorzuladen. Auch der Anhänger radikal islamistischer Ideen Mohammed Bouyeri, der im November 2004 den niederländischen Regisseur Theo van Gogh ermordete, solle als Zeuge gehört werden. Alle sollten dem Gericht bestätigen, ihre Handlungen stünden unter dem Einfluss „des“ Islam und erwüchsen aus ihm. Die Richter schmetterten jedoch 15 von 18 Anträgen der Verteidigung auf Zeugenvernehmung ab: Es sei als bekannt vorauszusetzen, dass solche Islaminterpretationen existieren.

Noch ist unklar, ob Wilders es schaffen wird, auf Dauer den Prozess erfolgreich als Bühne für sich, seine politischen Thesen und seine „Freiheitspartei“ PVV (Partij voor die Vrijheid) zu nutzen. Geert Wilders ist ihr einziges eingeschriebenes Mitglied, da er angibt, seine „Bewegung“ möge sich nicht als politische Partei, sondern als völlig neuartig organisierte Kraft strukturieren. Auf diese Weise behält er freilich leicht die Kontrolle über ihre Entwicklung. Wilders und die PVV propagieren neben einem Koranverbot das Totalverbot von Kopftüchern und Moscheen, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, die Ausweisung von straffällig gewordenen Doppelstaatsbürgern – die natürlich rechtswidrig ist, da im Prinzip kein Land eigene Staatsbürger ausliefern oder abschieben darf – sowie den Ausschluss der „korrupten“ Länder Rumänien und Bulgarien aus der EU. Ferner möchte er wissen, „was in die Niederlande kommt und sich fortpflanzt“ (sic) und die Grenzen für alle Nichteuropäer, vor allem aber Moslems, dicht machen.

Im Nachbarland Belgien, bzw. in dessen niederländischem Landesteil Flandern, verfügt Wilders über heiß
e Unterstützer. Die dort gut verankerte rechtsextreme Partei Vlaams Belang (VB, „Flämisches Interesse“) demonstrierte anlässlich der Prozesseröffnung am 20. Januar für ihn, trotz eines zuvor ausgesprochenen administrativen Verbots, vor der niederländischen Botschaft in Brüssel. Die einige Dutzend Anhänger und Mandatsträger umfassende Delegation des Vlaams Belang, die im Brüsseler Stadtteil Auderghem aufmarschierte, wurde durch den Vorsitzenden seiner Faktion im flämischen Regionalparlament - Filip Dewinter - angeführt. Das Verbot war deswegen durch den Bürgermeister (und örtlichen Abgeordneten) Didier Gosuin ausgesprochen worden, weil der VB die Demonstration zwar öffentlich angekündigt, aber dafür keinerlei Genehmigung – wie die Vorschriften des belgischen Gesetzes erfordert hätten – beantragt hatte1. Der VB demonstrierte einfach trotzdem, und forderte nunmehr umso demonstrativer und lautstärker „Meinungsfreiheit“2.

Der Vlaams Belang: Übel Rassisten, doch derzeit im Abwind

Filip Dewinter ist zugleich der politische Chef und „Star“ des radikaleren Flügels der Partei, die derzeit heftig zerstritten ist - und innerhalb derer ein Teil durch das Andocken an den bislang erfolgreichen Geert Wilders anscheinend neuen Schwung sucht. Augrund der Schwierigkeiten, angesichts des ,Cordon sanitaire’ genannten Bündnisverweigerungsgebots der übrigen Parteien politische Alliierte zu finden, setzt ein Teil des VB sich in den letzten Monaten für eine Abschwächung der rassistischen Tiraden der Partei und ihre Annäherung an bürgerliche Rechte ein. Angeführt wird dieser Flügel von Bruno Valkeniers, dem 2008 zum Parteivorsitzenden ernannten Gro
ßunternehmer im Hafen von Antwerpen, der trotz seiner Jugendaktivitäten in einem neonazistischen Studentenverband (NSV)3 derzeit eher den „moderateren“ Flügel anführt.

Ende November 2009 endete ein Kongress vorübergehend mit einem Sieg des extremeren Flügels. Die Versammlung verabschiedete einen Programmtext unter dem Titel „Für eine radikale, nationalistische und republikanische Volkspartei“, und der radikalere Flügel übernahm die Mehrheit in der Führung. Die 37jährige Abgeordnete Marie-Rose Morel, die bis dahin als sehr blondes Aushängeschild der Partei diente, zog sich daraufhin mit den Worten zurück: „Die Ekligen bleiben, die Angeekelten gehen.“
4 Filip Dewinter erklärte daraufhin in einer Fernsehsendung, er wolle nicht darauf reagieren, „um nicht Öl ins Feuer zu schütten“. Aber, fügte er hinzu, das Bild vom VB als einer „gespaltenen und nicht länger kämpferischen Partei“ sei falsch, vielmehr seien es – man hätte es geahnt – „die Medien, die uns teilen wollen“.5 Auch der frühere Parteivorsitzende Franck Vanhecke zog sich zurück und gehört dem neuen Vorstand nicht mehr an. Anlässlich der jüngsten Querelen erklärte er, inhaltlich hinter der neuen Ausrichtung zu stehen, doch lehne er den Zugriff „des Stadtrats von Antwerpen“ auf die Parteiführung – d.h. des (als radikal geltenden) Clans um den Antwerpener Stadtverordneten Filip Dewinter, der dort seine Hausmacht besitzt - ab.6 Dies bedeutet zumindest personell eine Kritik am Dewinter-Kurs.

Unterdessen sind aber die Wahlabsichten für die Partei, die 2007 bei den flämischen Regionalparlamentswahlen 24 Prozent in der Region – und bei den Europaparlamentswahlen 2009 noch 15,3 Prozent der dort abgegebenen Stimmen – erhielt, jüngst (zum Jahreswechsel 2009/10) laut Umfragen auf 12,8 Prozent gesunken. Manche Beobachter sprechen unterdessen davon, dass „der Vlaams Belang nicht mehr Angst einjagt“
7. Und in manchen Kommentaren wird festgestellt, dass der VB noch stärker an Boden verlöre, falls die – in Belgien bisher bestehende – gesetzliche Pflicht zur Wahlteilnahme abgeschafft und die Stimmabgabe fakultativ würde, wie es derzeit in manchen politischen Krisen diskutiert wird. Denn in diesem Falle würden jene Unterklassen, die zum Teil überdurchschnittlich für den VB votierten, sich in höherem Ma
ße als andere Schichten in die Nichtbeteiligung an Wahlen flüchten.8

Gewinner dieser Entwicklung sind derzeit eher die bürgerlichen flämischen Parteien, unter ihnen die rechtskonservative flämisch-nationalistische Partei NVA, die den offenen Rassismus des VB jedoch ablehnt und – trotz vermeintlich verlockenden Bündnisangeboten des Vlaams Belang für den Fall, dass sie ihrerseits in die Opposition ginge
9 – bislang der flämischen Regionalregierung angehört. Die rechtskonservative NVA, die einem eher elitären flämischen Nationalismus anhängt, lehnt zwar ebenfalls (ähnlich wie der VB) den belgischen Zentralstaat ab, auch wenn sie sich mit ihm als Regierungspartei der Region Flandern de facto ein Stück arrangiert; doch wirft sie dem VB vor, das flämische nationale Anliegen „mit seinem Anti-Ausländer-Programm zu vermischen“ (während sie selbst für „Integration“ der Einwanderer eintritt). Die Nuancen und Unterschiede zwischen beiden politischen Formationen wurden symbolisch sichtbar, als es am 10. Februar 10 zu einem Zwischenfall im flämischen Regionalparlament kam. Auf den Zuschauer/innen/bänken nahm an diesem Tag eine junge Frau mit rosafarbenem moslemischem Kopftuch an der Sitzung teil. Filip Dewinter, Abgeordneter des Vlaams Belang, verlangte daraufhin, dass die junge Zuschauern umgehend ihr Kopftuch ablege oder aber den Saal verlassen müsse. Er wurde jedoch durch Parlamentspräsident Jan Peumans von der N-VA, der die Sitzung leitete, zurechtgewiesen: Nach dessen Auffassung gab es keine Vorschrift, die der Zuschauerin verboten hätte, weiterhin der Sitzung beizuwohnen.10

Eine eher rechtspopulistische Liste unter dem Namen „Liste Dedecker“, benannt nach ihrem Vorsitzenden Jean-Marie Decker, hatte bei den Europaparlamentswahlen (wo sie 7,7 Prozent in Flandern erhielt) ebenfalls im Wählerpotenzial des rechtsextremen VB gefischt. Ihr Vorsitzender Dedecker veröffentlicht im Frühherbst 2009 seinerseits ein rassistisch geprägtes Buch über „Ausländerproblematik“, Integration und Islam. Darin behauptet der Politiker u.a., dass „70 Prozent unserer Kriminalität von Fremdstämmigen verursacht, und 60 Prozent des sozialen Wohnungsbaus unserer Städte von Ausländern bewohnt“ seien.
11 Dennoch betonte Dedecker zugleich, er befinde sich nicht auf derselben Wellelänge wie der Vlaams Belang – da er im Gegensatz zum VB nicht dafür eintrete, „die Einwanderer in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken oder die Grenzen dichtzumachen“, sondern „einfach für eine besser kontrollierte Einwanderung eintrete“12. Der Vlaams Belang erklärte freilich gleichzeitig, sich in den Thesen von Dedecker zur Ausländerproblematik „wiederzufinden/zu erkennen“13. - Doch auch Jean-Marie Dedeckers Partei befindet sich derzeit in der Krise und diskutiert über ihre Umbenennung, da sie nicht auf Dauer nach einer Person benannt bleiben könne. Jean-Marie Decker erklärte, er habe im Prinzip nichts gegen eine solche Umbenennung einzuwenden, doch die Wähler müssten die Liste „auf dem Wahlzettel noch wiedererkennen können“.14

Rassistische Kampagnenpolitik des VB


Seinem relativen Einflussverlust und seinen internen Spaltungen versucht der harte Führungskern des Vlaams Belang entgegen zu wirken, indem er u.a. durch rassistische Kampagnen öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und zugleich seine Anhänger zu mobilisieren versucht. Eine demonstrative Aktion stellt der Ausschank der so genannten „Schweinesuppe“ für Obdachlose dar. Dabei handelt es sich darum, „bedürftigen Landsleuten“ eine vermeintlich mildtätige Speisung – an einigen Tagen in den Wintermonaten – anzubieten, die aufgrund des in ihr enthaltenen und demonstrativ herausgestellten Schweinespecks sowohl Moslems als auch Juden von der Teilnahme ausschlie
ßen soll. Diese „Schweinesuppe“ erfreute sich in den letzten vier bis fünf Jahren bereits bei französischen Rechtsextremen (besonders dem FNJ – der Jugendorganisation des FN - und dem ,Bloc identitaire’) wachsender Beliebtheit; ihnen wurde übrigens just vergangene Woche die Fortsetzung der Aktion vom Pariser Verwaltungsgericht genehmigt, nachdem vor drei Jahren der Polizeipräfekt ihnen den Ausschank der „Schweinesuppe“ wegen Diskriminierungsverdachts verboten hatte. Nun hat auch der belgisch-flämische VB jüngst in Brüssel die Idee übernommen15. Passend dazu führt die Parteijugend seit November 2009 eine sozialdemagogische Kampagne unter dem Motto „Armut gibt es auch bei uns“ – gemeint ist: bei unseren Landsleuten, und ‚Rassenbrüdern’ – durch.16

Ferner hat der Vlaams Belang mehrfach versucht, in die seit mehreren Monaten laufende „Legalisierungsoperation“ der belgischen Regierung für bisher „illegal“ im Lande lebenden Einwanderer – in Belgien wie in Frankreich auch als ,Sans papiers’ (Papierlose) bezeichnet – zu intervenieren, um diese „Legalisierung“ zu sabotieren. Um seine scharfe Ablehnung der „Legalisierung“ (die nach Einzelfallprüfung entlang bestimmter Kriterien wie Aufenthaltsdauer, Familiensituation... abläuft) zu unterstreichen, errichtete der VB am 21. Oktober 2009 in Antwerpen eine (symbolische, aber aus realen Backsteinen bestehende) Mauer rund um das Gebäude, in dem die Anträge bearbeitet werden. Angeführt wurden die VB-Aktivisten dabei durch Filip Dewinter, der persönlich Hand anlegte
17. Von längerfristiger Konsequenz ist jedoch der relative juristische Sieg, den der VB in der Folgezeit davontrug: Am 9. Dezember gelang es der Partei, die ministerielle Verordnung, auf deren Grundlage die Einzelfallprüfung erfolgte, gerichtlich annullieren zu lassen. Dieser Kriterienkatalog war im Juli 2009 aus einem Abkommen zwischen Regierung, Sans papiers-Kollektiven (die zuvor in Brüssel seit längerem Universitätsgebäude besetzt hatten) und Unterstützern hervorgegangen. Das Oberste Gericht kam jedoch zu dem Schluss, nicht eine Verordnung, sondern nur ein Gesetz könne solche „Legalisierung“kriterien festlegen. Am 7. Januar drohte dann der VB im Parlament dem amtierenden Einwanderungsminister Melchior Wathelet mit einer Strafanzeige gegen ihn und seine Untergebenen, falls die Bearbeitung der Anträge fortsetzten, wegen „Rechtsbeugung durch Beamte“. Der zuständige Minister erwiderte darauf jedoch, er könne keine Rechtsgrundlage dafür erkennen.18

Auch an anderen Punkten versucht der VB, gestützt auf parlamentarische Aktivitäten, seine rassistische Ideologie zu streuen. So stellte er parlamentarische Anfragen zur Staatsangehörigkeit der in belgischen Haftanstalten einsitzenden Insassen.
19 Im belgischen Senat (Oberhaus des Parlaments) wollte der VB eine Vorlage debattieren lassen, der zufolge „Doppelstaatsbürgern“ der Zugangs zu Regierungs- und hohen Staatsämtern gesetzlich zu verwehren sei. Ein Nichtbefassungsantrag mehrerer Parteien (flämische und wallonische Grüne, Linkssozialisten) wurde mit nur einer Stimme Mehrheit dann doch noch angenommen. Dies erlaubte, den Antrag ohne Debatte als „rassistisch“ abzuweisen.20 Dass eine VB-Parlamentarierin (Rita de Bont) mitten in einer Parlamentsdebatte zum Klimagipfel in Kopenhagen – im Dezember 09 – behauptet, Klimaprobleme rührten daher, dass es zu viele Schwarze auf der Welt gebe und sie sich zu sehr vermehrten21, ist hingegen vielleicht keine geplante Kampagne. Aber es ist aussagekräftig zur Ideologie des VB.

Ergänzend führt der VB auch Law&Order-Kampagnen, gestürzt auf Strafanzeigen gegen drei bei lokalen Polizeieinständen und Strafverfolgung „zu schlapp“ vorgehende Bürgermeister
22, und eine Kampagne gegen zu hohe EU-Beiträge der Region Flandern23 durch. Eine homophobe Ausrichtung der Partei („Homosexualität ist widernatürlich“) besonders in Antwerpen, wo sie Doppelmitgliedschaft zu katholisch-fundamentalistischen Vereinigungen aufweist – ihr Antwerpener Parteisprecher Philippe van der Sande gehört zugleich der erzreaktionären „Christlichen Solidaritätsbewegung“ an – erlaubte ihr die Annäherung an rechte katholische Milieus. Seitdem der Ultrareaktionär André-Mutien Léonard im Jahr 2008 zum belgischen Kardinal und Kirchenoberhaupt des Landes aufrückte24, wird eine Annäherung von Teilen der katholischen Kirche an den VB registriert.25 Als Konkurrenz wird es dort freilich vielleicht erlebt, dass ein Senator (Oberhaus-Abgeordneter des VB, Hugo Coveliers, jüngst glaubte, Werbung für die als geschäftstüchtig bekannte Scientology-Sekte machen zu müssen.26

Grö
ßere Ungemach bedeutet es für den Vlaams Belang jedoch, dass ihm die staatliche Parteienfinanzierung seit Monaten mit der Begründung eingefroren worden ist, er trete rassistisch auf. Derzeit läuft ein Verfahren vor dem Obersten Verwaltungsgericht (Conseil d’Etat) Belgiens. Der VB argumentiert, er verstoße gegen kein bestehendes Gesetz, weshalb ihm auch keine demokratiefeindliche Ausrichtung vorgeworfen werden könne. Das Verfassungsgericht wies seine Klage gegen das Einfrieren der Subvention und gegen das Verwaltungsverfahren, das gegen ihn läuft, jedoch ab: Bei der Einstellung staatlicher Parteienfinanzierung handele es sich nicht um eine Verbotsmaßnahme und einen Engriff in eine Rechtsgarantie, sondern (nur) um die Aussetzung einer positive Zuwendung bei fortbestehender politischer Betätigungsmöglichkeit. Und entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte könne der Staat diese Leistung auch mit dem Respekt bestimmter demokratischer Werte verknüpfen, um darauf zu pochen, „seinen demokratischen Charakter zu wahren“.27
Die Vorgängerpartei des Vlaams Belang, die damals unter dem Namen Vlaams Blok (Flämischer Block) auftrat, war im Herbst 2004 durch die Obersten Richter als unzweifelhaft rassistisch eingestuft worden. Kraft höchstrichterlichen Urteils wurde ihr damals die staatliche Zuwendung im Rahmen der Parteienfinanzierung vorenthalten. Aufgrund dieses Urteils hatte der „alte“ VB sich offiziell augelöst, uind seine Mitgliedschaft in den „neuen“ VB (nunmehr „Flämischer Interesse“ statt „flämischer Block“) überführt. Droht nun der neuen Partei ein ähnliches Geschick?
 

1 Vgl. http://www.lacapitale.be/regions/bruxelles/2010-01-20/auderghem-une-manif-vlaams-belang-interdite-755243.shtml

 

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erhielten wir vom Autor.