Marei Pelzer ist rechtspolitische
Referentin von PRO ASYL. Die Debatte um Hartz IV ist oft noch
sehr deutsch. Dass aber Flüchtlinge unter noch wesentlich
prekären Bedingungen leben erläutert Marei die
rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl Marei Pelzer im
Gespräch mit Peter Nowak.
Sie haben in einer
Pressemeldung geschrieben, dass nach der Karlsruher
Entscheidung
zu Hartz IV die Regelsätze für Asylbewerber ebenfalls
verfassungswidrig sind. Wo ist da der Zusammenhang?
M.P.: Das Bundesverfassungsgericht hat bezogen auf
Hartz IV entschieden, dass die
Leistungen
nicht auf "offensichtlich freihändig geschätzten" Zahlen
beruhen
dürfen. Was bei Hartz IV bemängelt wird, ist bei
den Leistungen für
Asylsuchende noch viel krasser der Fall. Die
Betroffenen müssen seit 1993
von
um mehr als 35 % gekürzten Sozialleistungen leben. Bei Kindern
unter 8
Jahren gibt es weitere Abzüge. Hier ist nicht
nur die Festsetzung
willkürlich
- die gekürzten Leistungen machen aus den Betroffenen auch
noch
Bedürftige
zweiter Klasse.
Wie hoch waren die Leistungen für Flüchtlinge
bisher?
M.P.: Seit Einführung des
Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 sind die Sätze von
360 DM für den Haushaltsvorstand, 220 DM für Kinder unter 8
Jahren
und für andere Familienmitglieder 310 DM nicht
mehr geändert worden. Der
Gesetzgeber hat nicht einmal eine Umrechnung auf
Euro-Beträge vorgenommen
geschweige
denn die Beträge der Inflationsrate angepasst. Asylsuchende,
Geduldete und auch Menschen mit einem
humanitären Aufenthaltsstatus werden
mindestens vier Jahre vom sozialen
Existenzminimum ausgeschlossen und müssen
unter
Mangelversorgung leiden.
Wie können Menschen davon leben, wenn die Sätze 35%
unter den Hartz IV
sind?
M.P.: Der Alltag ist für die
Betroffenen sehr belastend. Sie bekommen die
Mangelversorgung
in allen Lebensbereichen zu spüren - angefangen bei der
Kleidung, über Stifte und Hefte für die Schule
bis hin zu Lebensmitteln.
Hinzu
kommt ja auch, dass in manchen Bundesländern nur
Sachleistungen
gewährt werden. Das bedeutet Lebensmittelpakete,
Zwangsunterbringung in
Lagern und Kleidung aus der Kleiderkammer.
Sachleistungen entmündigen Menschen. Dies ist
weder für Flüchtlinge noch für Hartz IV-Empfänger
zumutbar.
Wieweit werden hier von den
Gerichten, ähnlich wie bei der Residenzpflichtbestimmung auch
Sonderregelungen für Menschen ohne
deutschen Pass herangezogen, um die Ungleichbehandlung
zu rechtfertigen?
M.P.: Das
Asylbewerberleistungsgesetz wurde als Teil einer
Abschreckungsstrategie
gegen
Flüchtlinge eingeführt. PRO ASYL fordert die
Abschaffung des Asylbewerberleistungesetzes,
weil es nur eine Menschenwürde
gibt.
Eine Unterscheidung beim sozialen Existenzminimum darf es
nicht geben.
In der Erwerbslosenbewegung wird
die These vertreten, dass der
Umgang
mit Flüchtlingen ein Experimentierfeld ist, der dann auch auf
andere Gruppen von Erwerbslosen angewandt wird?
M.P.: Das kann man so sagen.
Vieles von dem, was die Agenda-Politik gebracht hat,
wurde
vorher schon an Flüchtlingen ausprobiert. Ein Beispiel ist
Arbeitszwang, zu dem Asylsuchende verpflichtet
werden können. Hartz IV hat
den so genannten 1 Euro-Job als neue Form des Zwangs
gebracht. Ebenfalls
kann
man die verstärkte Möglichkeit nennen, die Leistungen bis auf
Null zu
drücken. Der völlige Entzug von Leistungen zur
Verhaltenskontrolle ist im
Asylbereich
schon länger bekannt.
6.) Kommt das Thema Regelsätze für
Asylbewerber in der Debatte um Hartz IV ihrer Meinung nach zu
kurz?
M.P.: Wir hoffen sehr, dass das
Urteil des BVerfG auch positive Effekte für das
Leistungsrecht
für Asylsuchende haben kann. Die Politik sollte von sich aus,
die notwendigen Reformen auch auf diese Gruppe
ausweiten. Wenn sie sich weigert, bleibt wohl auch hier nur
der Gang nach Karlsruhe. Es ist an der
Zeit,
den Skandal der Mangelversorgung von Asylsuchenden endlich zu
beenden.
Editorische
Anmerkungen
Das
Interview wurde uns von Peter
Nowak zur Verfügung gestellt.
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