Mit 'Agitprop' kann man(n) kein
Sozialsystem (Kranken- und
Unfallversicherung, Arbeits- und Rentensystem) aufbauen; auch
kein System der allgemeinen Schul- und
Volksbildung. Das System der
kapitalistischen Ausbeutung und Bereicherung steht dieser
offiziell
propagierten flächendeckenden Einführung entgegen. So
verspricht die Staats- und
Parteiführung eine Krankenversicherung für die
Landbevölkerung bis ins Jahr 2010, - mit
eingeschränkter Selbstbeteiligung.
Zugleich wurden vorhandene flächendeckende Ansätze
beseitigt, die elementare Gesundheitsversorgung; sie wurde für
die Mehrheitsbevölkerung dem
Profitsystem und der kapitalistischen
Selbstbereicherung geopfert. Die nachfolgende Zusammenfassung
aus einem Artikel, "Die Zeit" vom Juli
2005, dürfte auch weiterhin der aktuellen
Realität der Entwicklung für ('gegen') eine
'Sozialversicherung' entsprechen.
"Millionen Chinesen müssen jedes Jahr
frühzeitig sterben, weil sie für Arzt
und Medikamente nicht bezahlen können. "48,9 Prozent der
Bevölkerung können sich im Krankheitsfall keinen
Arztbesuch leisten, und 29,6 Prozent
werden ärztlich nicht behandelt, wenn es notwendig wäre",
räumt Vizegesundheitsminister Gao Qing ein.
Der Krankennotstand ist nur Teil eines viel größeren Problems:
In China hat die Marktwirtschaft die
sozialen Netze von Maoismus und
Planwirtschaft zerrissen. in den Städten garantierte früher
die Arbeitseinheit, genannt danwei,
allen Einwohnern Rente, Kranken- und
Unfallversicherung. Auf dem Land sorgten die legendären
Barfußärzte für eine zwar primitive,
aber sozial eingebettete und für den Staat äußerst
kosteneffektive Gratisbetreuung der Bauern. Trotz der
riesigen Bevölkerung kümmerte sich der
Staat um alle. Heute ist in China nur
jeder sechste Erwerbstätige krankenversichert und nur jeder
fünfte rentenversichert.
Im September 1995 wurde der Aufbau eines Sozialsystems auf dem
Papier verfügt. Seitdem gibt es die
'papierne' gesetzliche
Sozialversicherungspflicht. Doch was nützt das, wenn zehn
Jahre danach selbst die staatliche
Telefongesellschaft das Gesetz ungestraft
missachten darf?
Ein Opfer: "Die Gerichte verteidigen
immer nur die Starken - es gibt keine
Gerechtigkeit." Unter den 744 Millionen Erwerbstätigen bilden
etwa 200 Millionen Wanderarbeiter die
unterste Schicht - im noch stabilen
Staat. In Beijing arbeiten 1,3 Millionen Wanderarbeiter. Nur 2
Prozent von ihnen sind unfallversichert
(in 2004/05). In den vergangenen fünf
Jahren (2000-2005) starben auf Beijings Baustellen rund 10.000
Menschen, jährlich 2000, direkt vor den
Augen der Regierenden. Diese Zahlen wurden
vom Beijinger Arbeitsamt offiziell publiziert - und es
änderte sich nichts.
Die Bundesrepublik Deutschland
finanzierte als Partner ein
Beratungsprojekt - für den Aufbau eines chinesischen
Sozialstaats. Deutsche Experten, die an
dem Projekt teilnahmen, bezeichnen die
Ergebnisse als katastrophal. Die Spitzenkader schoben alle
notwendigen Reformen auf.
Die Vizeministerin und Sozialexpertin Liu
Haihua hat die Nase voll. "Was sie auf
Parteichinesisch ausspricht, gleicht einer Bankrotterklärung"
(- "Die Zeit") der Pseudokommunisten.
Das Sozialsystem berücksichtigt nur die
Einwohner der Städte. Die Baufirmen lassen die Leute auf dem
Land registrieren und in der Stadt
arbeiten. Wer die Sozialexpertin hört,
muss am sozialen Reformwillen in der Spitze der 'KP' zweifeln.
Milliarden wurden für Olympia, die Oper in Beijing und
den Transrapid in Shanghai investiert,
die Arbeiter und Bauern gehen leer aus.
Paradebeispiel für die Vernachlässigung der Sozialversicherung
durch das "Politbüro" ist ein
Feldversuch für ihre Einführung, - seit 2001 in der
Provinz Liaoning. Der Feldversuch für die Einführung
einer Sozialversicherung funktionierte
nicht. Auch ein
Kapitaldeckungsverfahren für die Rentenversicherung
scheiterte. Die korrupte Behörde gibt
die Mittel zum Teil zweckentfremdet aus.
Ausländische Experten sehen auch hier den Grund für
einen Zusammenbruch der chinesischen
Sozialversicherung - und sie fordern eine stärkere
Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben und eine
"unabhängige" Verwaltung von Sozial-
und Rentenfonds. Als Zeitbombe sieht man die Folgen der
"Ein-Kind-Politik" - und die Alterung der Gesellschaft.
Der Anteil der über 60-Jährigen könnte
sich von jetzt 10 Prozent (Jahr 2004/05) - auf
25 Prozent bis zum Jahr 2040 steigern.
Inkompetenz ist angesagt: Die Leiterin
der Sozialabteilung der Weltbank, Yu
Xiaoping, in Beijing, hat sich in der Weltbank hochgearbeitet
und weiß nichts vom Leben der
Wanderarbeiter, "obwohl sie von ihrem Büro im
China World Tower aus viele Baustellen überblicken
kann." (- "Die Zeit") Hier dürfte sich
auch wenig bis ins Jahr 2010 verändert haben.
Editorische
Anmerkungen
Der Autor stellte uns den
Artikel am 10.2.08 zur Verfügung.
Quellenvergleich: Die Zeit , 21.07.2005 ,
Nr. 30. www.zeit.de
Bezug: "Das Los der Vogelfreien"