Betrieb & Gewerkschaft
Französische Gewerkschaften möchten „illegale“ Einwanderer verstärkt organisieren.
Extreme Rechte spricht demagogisch von „Verrat an den französischen Arbeitern“


von Bernard Schmid

02/08

trend
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Gemeinsam haben mehrere französische Gewerkschaften in der dritten Januarwoche angekündigt, eine Kampagne zur stärkeren gewerkschaftlichen Organisierung der lohnabhängigen ‚Sans papiers’ (illegalisierter Einwanderer) zu lancieren. Gleichzeitig veröffentlichten sie ein vierseitiges Faltblatt, das an die Sans papiers gerichtet ist und diese Zuwanderer über ihre Rechte als lohnabhängig Arbeitende aufklärt. Es kann HIER heruntergeladen werden: http://bellaciao.org/fr/spip.php?article59530  

Es handelt sich bei den mitmachenden Gewerkschaften um die CGT (den größten der fünf branchenübergreifenden Gewerkschafts-Dachverbände, die national als „repräsentativ“ anerkannt sind, „postkommunistisch“ bzw. linkssozialdemokratisch orientiert), die FSU (den mit Abstand größten Verband von Lehrergewerkschaften), die linke Basisgewerkschaft SUD sowie die anarcho-syndikalistische CNT. Diese Organisationen decken zusammen den linkeren Flügel der französischen Gewerkschaftslandschaft ab. Hingegen sind die anderen vier - neben der CGT - auf nationaler Ebene offiziell anerkannten Gewerkschaftsbünde (CFDT: rechtssozialdemokratisch, FO: populistisch-schillernd, CFTC: christlicher Gewerkschaftsbund und CFE-CGC: Standesvertretung der höheren und leitenden Angestellten) zur Zeit nicht mit von der Partei. Allerdings nimmt daneben zumindest die CFDT inhaltlich durchaus recht korrekte Positionen zur Frage der Rechte von Einwanderern, auch illegalisierten, auf dem Arbeitsmarkt ein.

Der rechtsextreme Front National (FN) spricht in einem Kommuniqué von einem „Verrat an der französischen Arbeitern“. (Vgl. http://www.frontnational.com/) Es erweist sich, dass die rechtsextreme Partei es nicht völlig verlernt hat, das sozialdemagogische Register zu ziehen. Die eigene „gewerkschaftliche“ Tätigkeit der extremen Rechten, in Gestalt des Aufbaus von als „Gewerkschaften“ getarnten Satellitenorganisationen des FN vor allem in den Jahren 1995-98, gehört heute (vorläufig?) der Vergangenheit an. Allerdings hat die „Cheftochter“ und wahrscheinliche zukünftige Parteivorsitzende Marine Le Pen in ihrer Ansprache vor dem letzten Parteikongress im November 2007 in Bordeaux (vgl. http://www.frontnational.com/) den Aufbau solcher „Gewerkschaften“ ausdrücklich als eines der strategischen Ziele bzw. Mittel der Partei benannt. O-Ton, ungefähr in der Mitte der Rede: „Es ist nützlich, dass am Rande des Front National ein dichtes Gewebe von Vereinigungen geschaffen wird oder sich entwickelt, zum Beispiel bei den Mietern oder den Elternverbänden an den Schulen (Anmerkung: Anspielung auf vergangene Gründungsversuche der rechtsextremen Partei wie den Mieterverband ‚FN locataires’ im sozialen Wohnungsbau, die im Augenblick aber eher tot sind). Ich wünsche, dass mit den neuen gesetzlichen Möglichkeiten/Handhaben gewerkschaftliche und Berufs-Organisationen mit nationaler Sensibilität entstehen.“ - Abzuwarten bleibt, ob die Partei in ihrer Praxis auf dieses Terrain zurückkehrt oder nicht. Im Augenblick ist dies nicht der Fall – was die Partei nicht von „sozialer“ Demagogie in Verbindung mit Rassismus abhält.

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns seinen Text für diese Ausgabe zur Verfügung.