Findet Heim!
Bernard Schmid rezensiert das Buch von Danny Baz
Ni oubli ni pardon.
Au coeur de la traque du dernier nazi.

02/08

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Die Schlussphase der »Operation Letzte Chance« läuft. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum will die letzten untergetauchten Naziverbrecher zur –Verantwortung ziehen. Allen voran den ehemaligen KZ-Arzt Aribert Heim. Doch der soll längst von einer geheimen Einsatzgruppe liquidiert worden sein, behauptet der israelische Buchautor Danny Baz.  

Muss die Geschichte der letzten noch lebenden Nazigrößen umgeschrieben werden? Sind die Aufrufe zur Fahndung, die anhaltenden Bitten um sachdienliche Hinweise auf den Aufenthaltsort des Nazikriminellen, der im Konzentrationslager Mauthausen den Spitznamen „Doktor Tod“ erwarb, Makulatur? Um nichts Geringeres dreht sich der Streit, der durch das jüngste Erscheinen eines Buches unter dem Titel Ni oubli ni pardon (Weder Vergessen noch Vergeben) im französischen Verlag Grasset ausgelöst wurde.  

Noch suchen deutsche, österreichische und spanische Polizeidienststellen den - nach dem Auschwitz-Arzt Josef Mengele und dem in Syrien vermuteten Holocausttäter Alois Brunner - drittgrößten Schwerverbrecher des NS-Regimes, der sich mutmaßlich noch am Leben und nicht hinter Gittern befindet. Unter dem Namen Aribert Heim lässt sich ein entsprechendes Fahndungsplakat der Polizei des Landes Baden-Württemberg, auf dessen Gebiet (in Baden-Baden) der frühere SS-Mann und KZ-Arzt seinen letzten Wohnsitz hatte, mit der Aufschrift ‚Most Wanted’ im Internet herunterladen. 130.000 Euro Belohnung sind für sachdienliche Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen können, ausgesetzt. Zusätzliche 130.000 Euro hat ein US-amerikanischer Geschäftsmann ihnen hinzugefügt. Auch die Simon Wiesenthal-Stiftung, die für die Ergreifung der noch frei herumlaufenden Nazikriminellen wirkt, ruft zur Suche nach Aribert Heim auf und verspricht weitere 10.000 Euro für Hinweise auf seinen Aufenthaltsort. Alle diese Akteure gehen davon aus, dass Aribert Heim noch lebt. 

Stationen einer Massenmörder-Karriere 

Heim, der 1914 im heutigen Österreich geboren wurde, absolvierte ein Medizinstudium und trat im April 1940 freiwillig in die Waffen-SS ein. Der angehende Mediziner war als Lagerarzt in Sachsenhausen und Buchenwald tätig, bevor er im Oktober 1941 nach Mauthausen – einem Konzentrationslager, das in einem Granitbergwerk in der Nähe von Linz eingerichtet worden war – versetzt wurde. Dort wirkte er nur etwa zwei Monate, tötete aber in diesem relativ kurzen Zeitraum mehrere hundert Lagerinsassen bei medizinischen Experimenten. Er operierte bzw. öffnete sie ohne Betäubung, um „zu Übungszwecken“ ihre inneren Organe zu inspizieren, oder spritzte ihnen Giftmittel ins Herz, um „vergleichende Studien“ zu deren Wirkung vorzunehmen. Nach sieben Wochen wurde Heim in ein SS-Lazarett in Wien weiterversetzt. Über seine weitere Tätigkeit bis Kriegsende ist wenig bekannt. Am 15. Mai 1945 wurde er durch die US-Amerikaner festgenommen, jedoch einige Zeit darauf freigelassen.  

Später arbeitete Aribert Heim als angesehener Frauenarzt in Baden-Baden und gehörte dort der örtlichen High Society an, bis er im Jahr 1962 plötzlich untertauchte. Auf internationale Ebene hatte die Eichmann-Affäre mächtig Staub aufgewirbelt: Die Israelis hatten Adolf Eichmann, einen der Hauptorganisatoren des Holocaust, in Argentinien aufgespürt, ihn „entführt“ und ihm in Jerusalem den Prozess gemacht. Im Anschluss wurde Eichmann hingerichtet. Daraufhin beschlossen die westdeutschen Behörden, die durch die neu erweckte internationale Aufmerksamkeit für die zahlreichen noch lebenden und oftmals unbehelligten NS-Täter unter Druck gesetzt wurden, aktiv zu werden und einige der Naziverbrecher festzunehmen. Doch am Tag vor seiner geplanten Verhaftung warnte ein Freund in hoher Position, ein Mitarbeiter im Justizministerium, Aribert Heim, der daraufhin abtauchte – so erzählt es Danny Baz, der Verfasser von Ni oubli ni pardon. Anderen Quellen zufolge hingegen stand nicht ein kurzfristig gefasster Beschluss der westdeutschen Behörden hinter dem Untertauchen des früheren SS-Manns, sondern die drohende Vollstreckung eines im Vorjahr 1961 in Wien gegen ihn gefällten Urteils.  

Sei es, wie es sei: Seitdem fehlt offiziell jede Spur von Heim. Mehrfach wurde sein Auftauchen in Lateinamerika oder zuletzt, 2005, in Spanien vermeldet. An der spanischen Mittelmeerküste leben viele ehemalige SS-Männer, die während der Franco-Diktatur dort ein relativ „sicheres Hinterland“ hatten und entsprechende „Hilfsorganisationen“ für ihre früheren Kameraden – wie die berühmte Gruppe ODESSA, eine Abkürzung für „Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen“ – aufbauten. Dort vermutet ihn auch die Simon Wiesenthal-Stiftung, die aktuell eine „Operation Letzte Chance“ durchführt: eine Kampagne, um die noch frei herumlaufenden nationalsozialistischen Massenmörder zu fassen, bevor es aus Altersgründen definitiv zu spät sein wird. 

Operation „Letzte Chance“ 

Diese Aktion befinde sich derzeit in ihrer Schlussphase, erklärte Efraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Ende November 2007 in der argentischen Hauptstadt Buenos Aires. Die Aktion begann 2002 im Baltikum und wurde seither auf Polen, Rumänien, Österreich, Deutschland, Ungarn, Weißrussland und die Ukraine ausgedehnt. Bisher seien die Namen von 488 Verdächtigen in 20 Ländern ermittelt worden. In 99 Fällen seien die Staatsanwaltschaften eingeschaltet worden, und in drei Fällen Haftbefehle ausgestellt sowie zwei Auslieferungsanträge gestellt worden. 

Stimmt die These, die Danny Baz in seinem Buch ausbreitet, dann wird im Falle Aribert Heim die Suche notwendig vergeblich ausfallen. Dann nämlich weilt „Doktor Tod“ schon seit 25 Jahren nicht mehr unter den Lebenden – liquidiert von einer Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die nicht von einer staatlichen Justiz verhafteten Naziverbrecher zu bestrafen. Damit wären wir auch schon mitten in der Erzählung von Ni oubli ni pardon.  

Danny Baz, ein früherer Offizier der israelischen Luftwaffe, gibt an, selbst dieser Gruppe angehört zu haben, die in den siebziger und frühen achtziger Jahren von Nordamerika aus aktiv gewesen sei. In ihr hätten sich überlebende jüdische Opfer des Holocaust und die Nachkommen von Ermordeten zusammengeschlossen, die oftmals hohe Positionen in der US-amerikanischen Gesellschaft bekleidet hätten. Baz schildert, wie er – der damals ein Sicherheitsverantwortlicher der israelischen Fluggesellschaft El-Al am Flughafen von New York City gewesen sei – durch die im Untergrund agierende Gruppe rekrutiert worden sei.  

Eine Eule auf Rattenjagd  

Ihr Name sei „Die Eule“ (französisch la Chouette), als Metapher dafür, dass sie sich als „Rattenjäger“ verstanden habe. Die gesuchten Naziverbrecher werden durch das gesamte Buch hindurch durchgängig als „Ratten“, oder personifiziert in Aribert Heim als „die Ratte“ oder auch „die Beute“, bezeichnet. Eine solche Tiermetapher ist allgemein bei Nazigegnern sehr weit verbreitet – „braune Ratten“ -, wenngleich ein solches Sprachbild sicherlich nicht hilfreich ist, um sich einen kritischen Begriff von einem gesellschaftlichen Phänomen wie dem Nationalsozialismus oder Antisemitismus zu machen. Aber Männern und Frauen der Tat, um die es sich hier der Schilderung zufolge handelt, wird man diesen Vorwurf sicherlich nicht an erster Stelle adressieren. Trifft Baz’ Darstellung zu, so hat „Die Eule“ während der Zeit ihrer Existenz „mehrere Dutzend“ meist hochrangige NS-Verbrecher liquidiert.   

Als Grund ihrer Existenz nennt Danny Baz die Inaktivität der US-amerikanischen Behörden gegenüber den Naziverbrechern, die auf nordamerikanischem Boden lebten. Schon früh, im Jahr 1945, hätten US-Politiker dem bevorstehenden Kalten Krieg mit dem sowjetischen Block absolute Priorität eingeräumt und die soeben besiegten Nazis in diesem Kontext als potenzielle Verbündete oder zumindest Helfershelfer betrachtet. Diese Aussage lässt sich tatsächlich an einigen Beispielen verifizieren, etwa an der Karriere des späteren Gründers des Bundesnachrichtendiensts (BND) Reinhard Gehlen oder auch an jener des zeitweiligen CIA-Mitarbeiters Klaus Barbie, sowie von ehemaligen Nazi-Wissenschaftlern wie Wernher von Braun.  

 

Die Zahl der, meist illegal eingereisten aber geduldeten, Naziverbrecher auf US-amerikanischem Territorium wird in Baz’ Buch mal mit 20.000[1], an anderer Stelle[2] mit 100.000 angegeben – einmal fällt die Zahl in einem Gespräch, an anderer Stelle handelt es sich um eine Angabe des Autors. Die Söhne und Töchter jüdischer Holocaustopfer hätten aufgrund ihrer stillschweigenden Duldung und Protektion durch hohe US-amerikanische Stellen beschlossen, die Sache in die eigene Hand zu nehmen und die Nazitäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Dabei, so schildert es der Autor, hätten sie wiederum andere Teile des US-Establishments auf ihrer Seite gehabt und von ihnen Unterstützung etwa in Gestalt wertvoller Informationen erhalten. 

In Baz’ Handlung konzentriert sich die Tätigkeit der Organisation auf die Suche nach Aribert Heim. Dabei erschließt sich zunächst nicht ganz, warum er in dem Buch als einer der wichtigsten Holocaust-Täter behandelt wird, da das KZ Mauthausen bei der so genannten „Endlösung der Judenfrage“ – die sich überwiegend in Vernichtungslagern abspielte, die geographisch weiter östlich angesiedelt waren  – eine eher untergeordnete Rolle spielte und weitaus mehr politische Gegner des NS-Regimes sowie Kriegsgefangene dort einsaßen. Eine mögliche plausible Erklärung liefert allerdings das persönliche Schicksal von „Barney“, den Danny Baz als Oberhaupt und Finanzier der Aktivistengruppe darstellt. Dieser wurde als Kind selbst Opfer medizinischer Experimente in einem KZ – wie Heim sie praktizierte - und verlor dabei seine Zeugungsfähigkeit. Später, so Baz, wurde „Barney“ aufgrund des Ölgeschäfts in Texas zum Milliardär und beschloss, sein Geld für die Jagd nach Naziverbrechen aufzuwenden. 

Geschichtliche Beschreibung oder Actionkrimi? 

Danny Baz’ Buch ist keine historische Schilderung und stützt sich auch nicht auf Dokumente, die seine Angaben überprüfbar machen würden: Es ist über weite Strecken hinweg ein Actionkrimi. Über 300 Seiten hinweg wird in kurzweiligen Handlungssträngen geschildert, wie die Gruppe wiederholt dem untergetaucht lebenden Aribert Heim auf die Schliche kommt. Zuerst wird er in einem Mittelgebirge im Norden des US-Bundesstaats New York aufgespürt. Ein erster Versuch, ihn gefangen zu nehmen – um ihn vor ein Tribunal von Überlebenden des Holocaust oder Opferangehörigen aus den Reihen der Organisation zu stellen – scheitert in letzter Minute am Auftauchen von Reitern im Wald. Einige Zeit später begibt Heim sich mit seinen Leibwächtern und einigen braunen Kameraden an einen See in derselben Region, um Wassersport zu betreiben.  

In einer Szene befährt Aribert Heim in einem kleinen Boot mit einem einzelnen Kumpan – mit dem er anscheinend ungestört reden will - den winterlichen See. Die Gruppe schickt ein Kommando aus, um ihn zu schnappen, doch nach einer Schießerei versinkt der getroffene Naziverbrecher im Wasser und kann nicht geborgen werden. Dabei stößt die Aktivistengruppe auf einen Koffer, der im Wasser schwimmt und – neben falschen Ausweispapieren, Gold, Diamanten und Bündeln von Geldscheinen – auch eine Karte mit markierten Örtlichkeiten in der Schweiz und Österreich enthält. Aus den Schilderungen von Baz’ geht hervor, dass es sich um Hinweise auf einen verborgenen Nazischatz, der am Ende des Zweiten Weltkriegs in Alpenseen unter anderem in der Nähe von Salzburg versenkt wurde, handele. Am Ausgang seines Buches gibt Baz an, seine Gruppe habe sich später um die Bergung dieses Nazivermögens gekümmert: „Aber dies ist eine andere Geschichte…“

Später, im Laufe der Krimihandlung, kommt die Gruppe Aribert Heim jenseits der kanadischen Grenze auf die Spur, wo er den Winter über in einem einsamen Gehöft in der französischsprachigen Provinz Québec von seinen Verletzungen genest. Die Aktivistengruppe setzt die Nazis unter Druck, indem sie etwa eine nahe Scheune explodieren lässt, und veranlasst sie so, sich zu trennen. Einen Teil der Altnazis verfolgt die Gruppe nach Alaska, wo zwei frühere SS-Männer sich in einsamer Wildnis niedergelassen haben. Aktivisten der „Eule“ nehmen sie dort gefangen, nicht ohne mit hungrigen Grizzlybären und anderen Widrigkeiten konfrontiert zu werden. Andere Altnazis werden nach einer Verfolgungsjagd auf dem Eis in Nordkanada liquidiert. Am Schluss wird Aribert Heim, der in eine Klinik in der Provinzhauptstadt Québec eingeliefert worden war, aus dem Krankenhaus – wo einer abgeschirmte und geschützte Sonderstation für sich hat, während das Personal ihn für einen „Boss der italienischen Mafia aus New York“ hält – entführt. Auf der Insel Santa Catalina bei Kalifornien machen ihm andere Mitglieder der „Eule“ den Prozess, und Heim wird liquidiert. Die Romanhandlung endet hier. Wir sind im Sommer 1982. 

Probleme eines Werkes 

Das Hauptproblem bei der Lektüre und ihrer Bewertung ist, zu bestimmen, ob es sich um eine Fiktion oder um die Beschreibung einer historischen Realität handelt. Danny Baz schildert – in mitunter atemlosem Tempo – eine Handlung, liefert aber keine dokumentarischen Beweise für die Richtigkeit seiner Darstellung. Die französische Presse schien in ersten Rezensionen, die vor wenigen Wochen erschien, das Buch durchgängig für eine Schilderung authentischer Tatsachen zu handeln. In einem Pressekommuniqué vom Oktober 2007 schreibt die Simon Wiesenthal-Stiftung dagegen ihrerseits, es handele sich bei den Behauptungen von Danny Baz um „pure Fantasie“. (Vgl. im Original: http://www.wiesenthal.com/) Die Stiftung setzt ihren Aufruf zur Suche nach Aribert Heim fort und fordert weiterhin dazu auf, ihr Hinweise auf seinen Aufenthaltsort mitzuteilen – davon ausgehend, dass Heim tatsächlich noch am Leben sei. 

Die Darstellung in Ni oubli ni pardon ist zu romanhaft, um ein Urteil über ihren historischen Wahrheitsgehalt zu fällen. Dass ein Beteiligter an einer Operation zur Liquidierung eines Nazikriminellen zu späterer Zeit sein Wissen nutzt, um das Publikum zu unterhalten und gleichzeitig über eine historische Realität zu informieren – warum nicht. Aber die Darstellungsform erschwert die Überprüfung der historischen Authentizität des Beschriebenen. Die Fülle an angebotenen Details erforderte ohne jeden Zweifel, dass der Autor seinem Gedächtnis durch Ausschmückungen und Abrundungen auf die Sprünge half.  

Manche Details erschienen auf Anhieb nicht besonders glaubwürdig, könn(t)en aber den Tücken der Erinnerung an 25 Jahre zurückliegende Ereignisse geschildert sein. So schreibt Baz an einer Stelle, während er eine winterliche Jagd an einem See im Nordosten der USA schildert, über die Tierwelt und hebt dabei besonders die Eichhörnchen hervor[3] – von denen man annehmen muss, dass er sie in diesem Zusammenhang nicht gesehen haben kann, weil diese sich (lt. Handlung im Monat Dezember) im Winterschlaf befunden haben dürften. Auch erscheint die Geschichte mit dem Koffer voll Goldbarren, Diamanten, Geldscheinen und Dokumenten über einen versenkten Nazischatz, der nach der Schießerei in den Trümmern eines zerstörten Bootes auf dem nämlichen See getrieben habe, nicht als der Gipfel der Glaubwürdigkeit. Und doch könnte, ja, könnte es sich im Prinzip so oder so ähnlich zugetragen haben. 

Fragwürdig ist mitunter die Wortwahl, wobei zumindest an dieser Stelle die Frage aufzuwerfen ist, ob der Autor oder aber Lektorat und Verlag dafür verantwortlich zu machen. Die Nazikriminellen und Holocausttäter, denen die Gruppe ‚Die Eule’ den Schilderungen des Buches zufolge nachstellt, werden durchgängig als „Kriegsverbrecher“ (criminels de guerre) tituliert. Diese Bezeichnung ist, in dem konkreten Zusammenhang verwendet, überaus fragwürdig: Bei den „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im Zusammenhang mit der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden handelt es sich nämlich im engeren Sinne nicht um Kriegsverbrechen. Die durch die Naziführung so getaufte „Endlösung der Judenfrage“ war keine Kriegshandlung, die mit einer militärisch geführten Auseinandersetzung auch nur entfernt im Zusammenhang gestanden hätte. Es handelte sich um einen vorsätzlich geplanten und industriell durchgeführten Massenmord an Wehrlosen, die nicht in einen Zusammenhang mit Kampfhandlungen unter Kombattanten zu rücken ist. – Um „Kriegsverbrechen“ im Sinne des Wortes handelt es sich im übrigen weitaus eher bei dem, was der Autor Danny Baz auf den Seiten 45/46 über seinen Kampfbruder „John“ schildert: „Ich erkenne John wieder, den CIA-Mitarbeiter, der mich (für die Gruppe ‚Die Eule’) rekrutiert hat. Er ist für die technischen Aspekte der Organisation zuständig. Es ist unmöglich, sich die ‚Eule’ ohne diesen genialen Yankee vorzustellen, dessen Erfolge in Hanoi zahlreiche Schäden in den Reihen des Vietcong verursacht haben.“ (Man mag ja durchaus verstehen, dass Juden, die in oder nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA ihre neue Heimat gefunden haben, zu diesem Land ein positives Verhältnis haben. Das ändert nichts daran, dass der Vietnamkrieg, auf den in dieser Passage angespielt wird und den die USA von 1964 bis 75 führten, ein ebenso grauenhaftes wie illegitimes Gemetzel war. Und dass es die historische Leistung des Vietcong darstellte, dass er das Land mit vollem Recht von Jahrzehnte währender französisch-kolonialer, dann US-amerikanischer Vorherrschaft befreit hat.)

Ärgerlich sind ferner einige Details an dem Buch, die freilich eher auf den Verlag und sein Lektorat denn auf den Autor zurückschlagen. So scheinen deutschsprachige Namen und Angaben grundsätzlich nicht überprüft worden zu sein. Dass Aribert Heim über ein Konto bei einer deutschen Bank namens „Sbar Kasse“[4] verfügt habe, ist noch witzig. Unfreiwillig komisch ist auch die Wiedergabe des Namens einer netzwerkförmigen Hilfsorganisation von früheren SS-Angehörigen untereinander, im Original „Die Spinne“, die aber in dem Buch als „Der Spinner“ auftaucht[5]. Hinzu kommt eine Reihe anderer Fehler. Die Stadt im Salzkammergut, in deren Nähe der Nazischatz im Traunsee gelegen haben soll, soll dem Buch zufolge „Abensee“ heißen und „etwa 100 Kilometer von Salzburg entfernt“ liegen[6]. Gemeint ist aber Ebensee, das in rund dreißig Kilometern Distanz von Salzburg liegt.

Eine stärkere Überprüfung der einzelnen Fakten hätte dem Buch also gut getan. Entscheidend für seine Gesamtbewertung wäre jedoch die Frage nach dem historischen Wahrheitsgehalt – die sich im Moment nicht definitiv beantworten lässt. 

Fussnoten:

[1] Vgl. Seite 42

[2] Buchseite 28

[3] Auf Ste. 90

[4] Vgl. Ste. 144; dagegen die richtige Schreibweise auf St. 22: „Berliner Sparkasse“

[5] Siehe Ste. 232.

[6] Vgl. Seiten 137 und 284.

 

Danny Baz
Ni oubli ni pardon.
Au coeur de la traque du dernier nazi.


(„Weder Vergessen noch Vergeben. Im Herzen der Jagd auf den letzten Nazi.“)

Grasset, Paris, Oktober 2007. 317 Seiten, 16.90 Euro.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.
Es handelt sich um eine a
usführliche Fassung eines Beitrags, der in gekürzter Form am 3. Januar 2008 in der Berliner Wochenzeitung ‚Jungle World’ erschien.