Betrieb & Gewerkschaft
Budryk: 36 Kumpels im Hungerstreik
ATTAC Polen will den Streik brechen

von Michal Stachura

02/08

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Seit 39 Tagen wird im oberschlesischen Ornontowice in der Kohlezeche Budryk gestreikt. Damit ist dies der längste Streik im polnischen Bergbau. Die Verhandlungen zwischen den zwei streikenden Gewerkschaften WZZ Sierpieñ 80 und der ZZ Kadra auf der einen Seite und der Leitung der Jastrzêbska Spóka Wêglowa (JSW AG) auf der anderen wurden mehrmals unterbrochen und wiederaufgenommen. Die nervösen Stakeholder machen nun Druck auf den Vorstand der Kohle AG und diese versucht nun alles um den Streik zu diskreditieren. Die Streikenden hatten in den letzten Tagen viel Zuspruch aus dem In- und Ausland erhalten. Solidaritätsgrüße schickte sogar der bekannte britische Filmregisseur Ken Loach und – nach einigen Meldungen- sogar die Frau von Dario Fo aus Italien.

Gestern wurden erneut zwei sich im Hungerstreik befindende Bergleute ins Krankenhaus eingeliefert. Auf ihre Streikposten kamen zwei neue hinzu. Damit befinden sich immer noch 31 Bergleute unter der Erde im Hungerstreik. 5 weitere Personen führen ihren Hungerstreik oberhalb der Schächte durch. Insgesamt besetzen 150 Bergleute die Schächte unter Tage. 200 weitere Personen besetzten das Gelände der Kohlezeche.

Die Leitung der Aktiengesellschaft versucht nun alles um die Bergleute zu Kriminalisieren und zu spalten. Nun hat diese sogar, aufgrund der durch den Streik entstandenen Schäden an dem -noch- Staatseigentum, den Inlandsgeheimdienst ABW (Agencja Bezpieczeñstwa Wewnêtrznego– Agentur für die Innere Sicherheit) eingeschaltet.

Desweiteren organisiert sie auch eine Unterschriftensammlung zur Unterstützung eines Kompromissvorschlages der Kohle AG, der bei den letzten Verhandlungen in Katowice vorgelegt wurde, jedoch von den Streikenden abgelehnt wird. Die Leitung der Kohle AG behauptet, dass sich darunter bereits mehrere Hundert Personen unterzeichnet haben sollen.

In einem am 22. Januar im Regionalfernsehen TVP3 Katowice ausgestrahlten Bericht (siehe oben) werden auch eine Handvoll Streikbrecher interviewt. Es ist jedoch fraglich, ob es sich bei den Personen um Bergleute von Budryk handelt, denn in der Gruppe der Streikbrecher, die behaupten von den Streikenden bedroht zu werden und Nachts Droh-Anrufe zu bekommen, befindet sich auch das Vorstands-Mitglied des polnischen attac Marek Szolc. Seine Kollegen behaupten, die Streikenden werden mit Gewalt in den Schächten gehalten.

Marek Szolc, hoher Funktionär von attac Polen und zugleich Gewerkschafter der NSZZ Solidarnoœæ hatte kürzlich in einem Beitrag für das Internet-Nachrichtenportal wiadomosci24.pl offen zu einer „dringenden Intervention der Ordnungskräfte“ aufgerufen, um den anhaltenden Streik mit Gewalt zu beenden.

Nun ist in dem polnischen Wirtschaftsblatt „Puls Biznesu“ [Der Herzschlag des Business] ein Artikel unter dem Titel „Górnicy goduj, liderzy fedruj kasê“ [Bergleute hungern, ihre Führer rechnen das Geld] von Maria Trepiñska erschienen, in dem die Autorin der Streik-Führung vorwirft sich an dem Streik zu bereichern. Es mag erstaunen, aber die Streikbrecher rechtfertigen sich gerade mit dieser fragwürdigen Recherche über die Gehälter der Gewerkschafts-Führer.

Trepiñska ist unter den Arbeitern der Kohlezeche Budryk bereits seit langem bekannt. Seit Jahren fordert die Journalistin die Privatisierung von Budryk und eine Einschränkung der Arbeitermacht in dem Betrieb. Doch in dem neusten Beitrag legt sie einst drauf und legt nahe, dass der Streik aus Inspiration der Investoren aufgenommen wurde. Durch die Korrumpierung der Gewerkschafts-Leitung solle ein besserer Preis für die Übernahme erzielt werden.

Boguslaw Ziêtek, Vorsitzender von WZZ Sierpieñ 80 wies diese Phantasien entscheiden zurück. Mit solchen Vorwürfen hat er schon in den 80er Jahren, als er noch bei der Solidarnoœæ Aktiv war Erfahrungen gesammelt. Auch damals versuchte die Nomenklatura die starke Streikbewegung zu spalten und zu diskreditieren.

Doch die Revelationen der Autorin geben nicht so sehr Hinweise auf eine Korrumpierung der Gewerkschafter, sondern legen ein Zeugnis über die Verstrickungen der Autorin selbst. Die presentierte Faktenlage ist nämlich ziemlich dürftig, alles was in dem Beitrag geboten wird sind Beschimpfungen. So bezeichnet die Autorin Wiesaw Wójtowicz, den Begründer der Gewerkschaft "Jednoœæ Pracowników Budryka" (Einheit der Arbeiter von Budryk), der seit mehreren Tagen Hungerstreik führt als einen "hinterlistigen Hardliner" ("przebiegy twardziel"). Dagegen muss sie bei einem anderen Streikführer, Grzegorz Bednarski, Vorsitzendem der Gewerkschaft Kadra, sogar tief in die historische Mottenkiste greifen und erinnert dass er in den Jahren 1981-83 Leiter der Vereinigung der Sozialistischen Jugend (ZSMP) gewesen ist . Deshalb bezeichnet sie ihn als als "verdienten Volksrepublikaner" ("zasuony peerelowiec").

Der Trick scheint zu funktionieren, den wenige Zeilen später wirft sie Bednarski vor für den Konzern Mittala, dem Konkurenten der JSW zu arbeiten, der die Kohlezeche Budryk an der Stelle von der Aktiengesellschaft Jastrzebska Spolka Weglowa (JSW) ebenfalls übernehmen wollte. Für diese Aktiengesellschaft macht sich auch die Autorin stark. Auch in ihren bisherigen Beiträgen ist ein überraschender Einklang mit den Privatisierungsplänen des Wirtschaftsministeriums und einer gewissen Affinität für die JSW festzustellen. Fraglich ist auch von wem, wenn nicht von der Jastrzebska Kohle AG sie die vermeintlichen Informationen über das Einkommen bekommen haben soll, die sie als Beweis für die "Korrumpiertheit" der Streikenden herbeizitiert. Nach ihrer "Recherche" sollen die Streikführer im Dezember nicht ein Gehalt von 1700 PLN Netto (ca. 470 EUR) , sondern 4850 PLN Brutto (ca. 1347 EUR) erhalten haben. Ob diese Vermutung als Beweis für die Gängelung der Streikenden taugt ist zumindestens fraglich. Denn die Berechungsgrundlage wird in dem Artikel nicht offen gelegt. Dies macht vermutlich ohnehin keinen Unterschied, denn die Entschädigungen der Gewerkschafts-Funktionäre fliessen direkt in die Streikkasse.

Es scheint, dass sowohl im Wirtschaftsministerium als auch in der Redaktion des Wirtschaftsblattes „Puls Biznesu“ immer nur ein Problem existiert: die Gewerkschaften und ihr Einfluss auf die Arbeiter in den Betrieben. Dies machen schon die Titel Ihrer Artikel im Puls Biznesu deutlich: „Zwizki rozwalaj Budryka“ [Die Gewerkschafter zerschlagen Budryk], „Górnicy goduj, liderzy fedruj kasê“ [Bergleute hungern, ihre Führer rechnen das Geld], „Za podwy¿ki górników zapac wszyscy podatnicy“ [Für die Lohnerhöhungen der Bergleute werden alle Steuerzahler blechen], "JSW: Ambitne plany JSW" [JSW: Ambitiöse Pläne der JSW].

Trepinska orderte bereits den Börsengang der JSW Kohle AG als diese sich noch in staatlicher Hand befand und eine Börsennotierung noch gar nicht im Raum stand. Ihre einseitigen Berichte und unbedingten Privatisierungsforderungen, die in Einklang mit der Politik des rechts-nationalen Wirtschaftsministers Pawel Poncyliusz (PiS) standen, der Zuständig für den Kohlebergbau ist, brachten ihr im November vergangenen Jahres sogar eine Gegendarstellung des Finanzministers ein, der bei Eigentumsfragen ebenfalls ein Mitentscheidungsrecht hat. Interessanterweise wurde sie aber gerade für diese einseitige Hofberichterstattung im vergangenen Jahr mit dem Citigroup Journalistic Excellence Award ausgezeichnet.
 

Editorische Anmerkungen

Quelle: http://www.ostblog.de/2008/01/budryk_streikbrecher_mit_polni.php

Aktuelle Infos: ZSP >>> warsaw@zsp.net.pl

Wir spiegelten den Text von der FAU Website