Rechtsextreme Fraktion im EU-Parlament konstituiert

von Bernard Schmid

02/07

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Sie waren gegen die Osterweiterung der EU und den Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Nunmehr haben sie unmittelbar davon profitiert: Dank der Präsenz rechtsextremer Abgeordneter in den Delegationen, die die beiden neuen Mitgliedsländer seit 1. Januar 2007 ins Europaparlament (EP) entsenden, konnten die rechtsextremen Parteien dort nunmehr erstmals seit 1994 wieder Fraktionsstärke erreichen.

Am Montag, den 15. Januar 2007 konnte der Chef des neuen  transnationalen Zusammenschlusses unter dem programmatisch-ideologischen Namen „Identität, Tradition, Souveränität“ (IST), der Franzose Bruno Gollnisch, in Strasbourg 20 Unterschriften von Abgeordneten vorlegen. Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 19 Europaparlamentarier erforderlich. Gollnisch ist gleichzeitig die „Nummer zwei“ in der Parteihierarchie des französischen Front National (FN) hinter dessen Chef Jean-Marie Le Pen. Derselbe Politiker ist am 18. Januar 2007 in Lyon wegen  öffentlicher Infragestellung des Holocaust, in erster Instanz, u.a. zu 3 Monaten haft auf Bewährung verurteilt worden (vgl. http://www.hagalil.com/01/de/Europa.php?itemid=367) . 

5 von 53 Europaparlamentariern aus den beiden neu beigetretenen Ländern gehören zur extremen Rechten in Gestalt der Grobrumänienpartei (PRM) und der bulgarischen Partei Ataka (Angriff). Doch im Mai 2007 werden die rumänischen und bulgarischen Stimmbürger ihre Abgeordneten im EP nunmehr direkt wählen. Im Moment wird eher befürchtet, dass die Präsenz der extremen Rechten dann noch stärker ausfallen könnte. Der Kandidat von Ataka bei der bulgarischen Präsidentschaftswahl im Oktober 2006 (Wolen Siderow) konnte damals immerhin annähernd 22 Prozent der Stimmen einsacken. Allerdings bei sehr geringer Wahlbeteiligung. Das letzte Parlamentswahl-Ergebnis dieser Partei lag zwischen 8 und 9 Prozent, und in entsprechender Stärke ist sie im Augenblick in der bulgarischen Delegation im Europaparlament vertreten. Doch könnte sie in drei Monaten bei der Neuwahl der bulgarischen EP-Abgeordneten wesentlich höher abschneiden. Umgekehrt würde ihre Schwächung (oder die fder Grobrumänienpartei) aber bedeuten, dass dem neuen Zusammenschluss möglicherweise der Fraktionsstatus verloren geht. Dies wäre der Fall, wenn ihm zwei Abgeordnete „verloren gingen“. Allerdings wird damit gerechnet, dass sich möglicherweise umgekehrt auch noch die Europarlemantarier der nationalistisch-antisemitischen und ultrakatholischen „Liga der polnischen Familien“ unter Roman Giertych (die derzeit an der Regierungskoalition in Warschau teilnimmt, und bei der EP-Wahl 2004 immerhin 10 Sitze in Strasbourg gewann) dem neuen Zusammenschluss hinzugesellen könnten. 

Zusammensetzung der rechtsextremen Fraktion 

Ihm gehören neben den o.g. Parteien zur Zeit auch die „Duce-Enkelin“ Alessandra Mussolini und (in Gestalt von Luca Romanogli) ein weiterer Vertreter der italienischen „Traditionsfaschisten“ an - die bei der Umwandlung des früheren neofaschistischen MSI in die Regierungspartei Alleanza Nazionale nicht mitmachen mochten. Aber auch die drei Abgeordneten des belgischen separatistischen Vlaams Belang (ehemals Vlaams Blok) sowie der einzige Europaparlamentarier der österreichischen FPÖ namens Andreas Mölzer zählen zu der neuen Fraktion. Der britische Abgeordnete Ashley Mote, der 2004 auf der Liste der nationalkonservativen und EU-feindlichen Ukip (United Kingdom Independance Party) gewählt worden, aber dort hinausgeworfen wurde, weil er vor seiner Wahl ein gegen ihn anhängiges Gerichtsverfahren verschwiegen hatte (vgl. news.bbc.co.uk/1/hi/uk_politics/3899969.stm  ), schloss sich ebenfalls an. Er hatte allerdings mit seiner Unterschrift zur Fraktionsbildung am längsten gezögert und erst nach einigen Tagen, am 15. Januar 2007, kurz vor Torschluss dann doch noch unterzeichnet. 

Die Mehrzahl der an der EP-Fraktion beteiligten Parteien haben schon 2005 bei einem Treffen in Wien zusammen die so genannte „Wiener Erklärung der europäischen patriotischen und nationalen Parteien und Bewegungen“ verabschiedet. Vgl. http://de.wikipedia.org)

Rückblick auf die letzte gemeinsame Fraktion 

Der französische FN gilt als Motor des Zusammenschlusses. Diese Partei bildete bereits von 1989 bis 1994 eine gemeinsame Fraktion im EP mit den deutschen Republikanern (REPs) und dem damaligen italienischen neofaschistischen MSI. Doch die Fraktion wurde alsbald von Querelen zwischen den Nationalisten erschüttert; so gab es Streit zwischen den REPs und dem MSI, weil Erstere unter ihrem damaligen Chef Franz Schönhuber den „deutschen Charakter Südtirols“ betonten. (Einen ganz ähnlichen Streit gab es übrigens auch gerade jüngst wieder, zwischen der Italienierin Alessandra Mussolini und der österreichischen FPÖ um Andreas Mölzer und Hans-Christian Stracher, vgl.

http://news.orf.at/?href=http%3A%2F%2Fnews.orf.at%2Fticker%2F241554.html ; http://www.athesia.com/nachrichten/artikel.asp?KatID=fa&ArtID=87223 ; http://tirol.orf.at/stories/165207/ ; http://www.diepresse.at/Artikel.aspx?channel=p&ressort=i&id=613893 http://www.kurier.at/nachrichten/oesterreich/52209.php?from/nachrichten/oesterreich/52201)

Solche Leute lernen eben kaum jemals dazu... Allerdings spricht sich der einzige EP-Abgeordnete der österreichischen FPÖ, Andreas Mölzer, aus Realpolitik und um Zoff mit den rechtsextremen Italienern und Polen in Strasbourg zu vermeiden, für eine Akteptanz des Bündnisses mit der Mussolini-Enkelin, obwohl „wir uns in dieser Frage (Südtirol) nie einigen werden“, sowie für den Respekt der Oder-Neibe zwischen Deutschland und Polen aus. Dafür wird er aber von manchen anderen österreichischen Rechten beinahe gesteinigt.)  

Noch zum Streit der Jahre 1989ff: Ferner interessierten sich die damaligen MSI-Parlamentarier, die oft aus Süditalien und damit einer Auswanderungsregion kamen, nicht so sehr für das „Einwanderungsproblem“ wie REPs und FN. Nachdem italienische und westdeutsche Europaparlamentarier sich schon ab 1989/90 heftig beharkten, ergriffen die Franzosen schlieblich Partei für die „Republikaner“. Aber die kamen bei der Neuwahl 1994 nicht wieder ins Europaparlament.  

Infolge der Neuwahl des EU-Parlaments im Juni 1999 hatten die Abgeordneten des französischen Front National sich zusammen mit anderen fraktionslosen Europarlamentariern, mit denen sie politisch nichts verband auber dem Streben nach einem Fraktionsstatus und der Suche nach (damit zusammen hängenden) Geldern, zu einer „technische Fraktion“ zusammengeschlossen. Zu ihr gehörte der italienische linksliberale und berufsmäbig provokatorisch auftretende „Parti Radicale“ von Emma Bonino. Aber die EP-Verwaltung löste die Pseudo-Fraktion, der es an jeglichem Minimum an politischen Gemeinsamkeiten mangelte, aus diesen Gründen auf. Der Europäische Gerichtshof bestätigte dies daraufhin in einem Urteil. 

Unterschiede im politischen Profil

Noch ist nicht klar, ob der neue Zusammenschluss nicht wieder ein ähnliches „Schicksal“ ereilen könnte, wie die Fraktion von 1989-1994. Im Vorfeld der Konstituierung der neuen Fraktion hatte es noch Zwietracht gegeben: Eine österreichische Tageszeitung hatte Anfang Dezember 2006 gemeldet, dass die Belgier vom Vlaams Belang sowie die italienische Lega Nord Bedenken gegen die Beteiligung der bulgarischen rabiat-nationalistischen Ataka angemeldet hätten. Die Lega Nord ist nun auch nicht dabei. Vielmehr hat sie Kontakt zu den nationalkonservativen „Souveränisten“ –- wo unter anderem der französische Rechtskatholik (und Graf) Philippe de Villiers im EU-Parlament sitzt – geknüpft.

Die Ataka-Repräsentanten aus Bulgarien zeichnen sich tatsächlich durch ein harsches Auftreten aus. Der 23 Jahre junge Ataka-Abgeordnete Dimitar Stojanow sorgte im Herbst 2006 für einen Eklat im Europaparlament (wo er damals noch nur mit Beobachterstatus sab), als er eine ungarische Abgeordnete mit rassistischen und sexistischen Äußerungen beleidigte. Es handelt sich um die Parlamentarierin Livia Jaroka, die aus der Bevölkerungsgruppe der Roma stammt und in Strasbourg der bürgerlich-christdemokratischen Fraktion angehört. Ihr sollte damals aufgrund ihres Engagements ein Preis als beste Abgeordnete verliehen werden. Der 23jährige rechtsextreme Bulgare schrieb daraufhin in einem Brief an das EP, er kenne „in meinem Land Zehntausende von Zigeunermädchen, die viel schöner sind als diese Ehrbare da“. Aber, fügte er hinzu, „die besten unter ihnen sind teuer, bis zu 5.000 Euro das Stück“. Der Präsidentschaftskandidat seiner Partei, Wollen Siderow, seinerseits hatte schon mal in einem öffentlichen „Scherz“ erklärt, er wolle die Roma „zu Seife verarbeiten“.

Aber liegt es wirklich an diesen heftigen rassistischen Ausfällen, dass einige unter den westeuropäischen Rassistenparteien sich bei der Fraktionsbildung zierten? Oder ist dies in Wirklichkeit auf andere Gründe zurückzuführen? So ist der Absprung der norditalienischen Lega Nord möglicherweise nicht nur auf die mangelnde „Salonfähigkeit“ der bulgarischen Ataka-Partei zurückzuführen, sondern auch auf inhaltliche Profilunterschiede zu anderen Teilnehmern. Im Januar 2007 erfuhr man (etwa durch Auslassungen von Andreas Mölzer), die Lega Nord habe auch politische Schwierigkeiten mit Jean-Marie Le Pen angemeldet, da dieser eher für einen zentralistischen Nationalstaat eintritt, die norditalienische „Liga“ dagegen für eine maximale Autonomie der Regionen. Vertritt diese Organisation doch einen rassistisch eingefärbten Partikularinteressen-Egoismus im Namen des reicheren Norditalien, der sich ebenso gegen die „armen Schlucker“ im Süden Italiens und das „gefräbige Rom“ („das uns unsere Steuergelder wegnimmt“) als auch gegen unerwünschte Einwanderer richtet.

Im Interview mit der Springerzeitung ‚Die Welt’ vom 09. Januar 07 (vgl. http://www.welt.de/data/2007/01/09/1171125.html) erklärt der FPÖ-Europaparlamentarier Andreas Mölzer denn auch zu diesen Fragen, und namentlich im Hinblick auf die Differenzen zwischen Jean-Marie Le Pen und der Lega Nord: „Sie müssen bedenken, dass die rechtsdemokratischen Parteien sehr unterschiedlich sind – es gibt Föderalisten, Separatisten und Nationalisten. Es gibt da einen Minimalkonsens der Parteien über zentrale Themen. Wir sind gegen den Beitritt der Türkei, stellen uns gegen Massenzuwanderung und sind für die Förderung europäischer Familien.“ Die süditalienische Abgeordnete Alessandra Mussolini, die ihrerseits an der gemeinsamen Fraktion der Rechtsextremen im EP teilnimmt, hatte ihrerseits am 5. Januar noch erklärt, es werde sich dabei „eher um eine technische denn um eine politische Fraktion handeln“. Dabei hat sie die Gemeinsamkeiten unter den teilnehmenden Parteien doch ziemlich stark relativiert.

Was unterdessen gegen einen raschen Wieder-Auseinanderfall des neuen Zusammenschlusses spricht, ist hingegen die Tatsache, dass der frisch errungene Fraktionsstatus ihm bedeutende finanzielle und personnelle Mittel garantiert. Die zusätzlichen Zuwendungen für ihre gemeinsame Arbeit im Europaparlament, auf die die rechtsextremen Abgeordneten nun ein Anrecht erworben haben, werden auf eine Million Euro geschätzt.

Bei der Neuvergabe von Führungsposten in mehreren Ausschüssen des Europaparlaments am 1. Februar 07 haben sich die übrigen Fraktionen darauf verständigt, der rechtsextremen IST-Fraktion keine Ausschussvorsitze und Vizevorsitze zukommen zu lassen. Rechtsextreme Parlamentarier hatten sich um die Vizeposten im Verkehrs- und im Kulturausschuss beworben. Ihre Fraktion wurde jedoch nicht berücksichtigt. (Vgl. http://linkszeitung.de/content/view/88544/101/ ) Der deutscheSPD-Europaparlamentarier Martin Schultz hatte schon kurz nach dem Zusammenschluss der Rechtextremen im EU-Parlament die anderen Parteien dazu aufgefordert, das sonst übliche Proporzprinzip zu durchbrechen, wo es darum geht, die Rechtsextremen von parlamentarischen Führungspositionen fern zu halten. Derzeit wird der "Cordon sanitaire³ also eingehalten.

 

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Text am 3.2.2007 vom Autor.