Betrieb & Gewerkschaft
Freudenberg in Weinheim: Mit Torblockaden den Verkauf des Betriebes verhindert!

von RSB-Korrespondent

02/07

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Das hat es bei Freudenberg in Weinheim (Nordbaden) noch nicht gegeben: Die Belegschaft des Kautschuk Bodenbelagsherstellers Freudenberg Bausysteme KG (FBS KG) wehrte sich geschlossen mit Torblockaden und Demonstrationen gegen eine strategische Entscheidung der Konzernspitze – und das sehr erfolgreich!

Am 22. Januar 2007 gab die Unternehmensleitung bekannt, dass die Verhandlungen mit potentiellen Kaufinteressenten nicht fortgesetzt werden. Als Begründung wurde u.a. angegeben, dass der Betriebsfrieden am Standort wiederhergestellt werden solle.Der Bodenbelagshersteller Freudenberg Bausysteme KG ist ein Unternehmen des weltweit agierenden Mischkonzerns Freudenberg (Dichtungs- und Schwingungstechnik, Vliesstoffe, Vileda-Haushaltsprodukte usw.), mit weltweit ca. 33 000 Beschäftigten, davon ca. 6000 am Stammsitz in Weinheim. Die FBS KG beschäftigt insgesamt ca. 1000 Menschen, davon etwa 850 in Weinheim.

Im Sommer letzten Jahres sickerte das Gerücht durch, dass der Betrieb verkauft werden soll. Anfragen des Betriebsrats bei der Konzernspitze blieben unbeantwortet. Im Herbst wurden eine Reihe von fremden Herren durch die Werkshallen geführt, offensichtlich diverse Kaufinteressenten und allesamt Konkurrenten. Die vom Betriebsrat mit Infos (Flugblättern) und auf der Betriebsversammlung vorgetragenen Gründe gegen die Verkaufsabsichten wurden von der Belegschaft in vollem Umfang geteilt: Wenn an einen Konkurrenten verkauft wird, wird dies zwangsläufig zu Personalabbau, im schlimmsten Fall sogar zur vollkommenen Schließung führen.

Hinzu kommt, dass die Konzernspitze noch bis zum Sommer erklärt hatte: Wenn ein positives Ergebnis von 5,5 Mio. € erzielt wird, dann kann der Betrieb selbständig im Freudenberg-Verbund verbleiben. Obwohl FBS für das Jahr 2006 ein Ergebnis von 8 Mio. € erwirtschaftet hat und damit weit über Plan liegt, soll nun aber trotzdem verkauft werden. Der Grund ist: Die FBS KG gehört in den Augen der Konzernspitze nicht mehr zum Kerngeschäft. Die Konzernspitze will sich im Wesentlichen nur noch auf das Kerngeschäft konzentrieren (Dichtungs- und Schwingungstechnik, v. a. als Automobilzulieferer und Vliesstoffe) und mit dem Verkauf offensichtlich Geld in die Kasse bringen, zum Zukauf von Konkurrenten im Kerngeschäft.

Gegen Jahresende wurde immer deutlicher, dass die gesamte Belegschaft den Verkauf ablehnt. Das Missbehagen durch die Belegschaft und durch alle leitenden Angestellten wurde so offen, dass die Konzernspitze – zumindest war dies der Eindruck – für kurze Zeit vom Verkauf Abstand nahm. Betriebsrat und Belegschaft blieben misstrauisch, denn wirklich verbindlich vom Tisch war dies nicht.

Mitte Januar stellte sich dann heraus, dass doch verkauft werden soll. Und da schlug die Stimmung in offenen Widerstand um.

Unbefristete Betriebsversammlung

Bei der Betriebsversammlung, zu welcher der Betriebsrat am 18.1. einlud, platzte der Raum aus allen Nähten, auch die Angestellten und die gesamte Führungsriege waren anwesend. Die Wortmeldungen ließen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Der Brass war riesengroß. Es wurde die Forderung erhoben, dass die Betriebsversammlung erst dann beendet werden dürfe, wenn der Verkauf vom Tisch ist und dass jetzt mehr passieren muss. Trotz Orkan Kyrill wurde beschlossen, eine Demonstration durch Weinheim durchzuführen, um den Protest in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wie schon von der Belegschaft von Alstom Power im nahegelegenen Mannheim beispielhaft vorexerziert, wurde die Betriebsversammlung unterbrochen und die Belegschaft demonstrierte durch das Werksgelände und durch die Stadt. Anschließend wurde die Betriebsversammlung (jetzt mit der Spätschicht und danach mit der Nachtschicht) fortgeführt. In gewissen Abständen wurden jeweils Pausen eingelegt, nicht nur, um die Verpflegung sicherzustellen, sondern auch, um der zwischenzeitlich wieder erschienenen Geschäftsleitung die Gelegenheit zu geben, sich zu entfernen. Sie sollte zwar die aufgebrachte Stimmung voll mitbekommen, musste aber nicht bei allen Aussprachen dabei sein.

Torbesetzung

Am Morgen des Freitags, noch vor Beginn der Frühschicht, wurde die Betriebsversammlung unterbrochen und, als Ergebnis der Diskussionen in der Mittag- und Nachtschicht wurden die Infoblätter des Konzernbetriebsrats, die zufälligerweise gerade an diesem Tag verteilt werden sollten und die zufälligerweise auch die Verkaufsproblematik der FBS KG zum Inhalt hatten, gemeinsam an allen Tore verteilt. Der Effekt war, dass alle Tore durch die Menschenmenge dicht waren. Der Werkschutz wollte zwar anfänglich (aber eher zaghaft, denn das Verständnis für die Aktion war groß) die Torbesetzung verhindern, hat aber schnell aufgegeben. Auch die zu Hilfe gerufene Polizei hat sich bald zurückgezogen, weil sie sich „in die tarifliche Auseinandersetzung nicht einmischen“ wolle. Zu groß war – zumindest zu diesem Zeitpunkt – der Druck der Öffentlichkeit. Zufälligerweise waren nämlich die Presse und das Fernsehen auch anwesend, um die Flugblattverteilaktion zu dokumentieren. Schon am Donnerstagabend war auch der Oberbürgermeister von Weinheim zur Betriebsversammlung eingeladen worden und gekommen. Auch er äußerte Verständnis für das Anliegen der Belegschaft und versprach, sich gegenüber der Konzernspitze zu verwenden. Nachdem die FBS-Beschäftigten (ArbeiterInnen und später auch Angestellte) am Anfang nur unter sich waren, änderte sich das Bild aber sehr schnell.

Viele Kolleginnen und Kollegen der Frühschicht aus den anderen Freudenberg-Betrieben am Standort solidarisierten sich spontan und beteiligten sich während ihrer eigenen Arbeitszeit an der Torbesetzung. Dadurch entstand eine unvergleichliche Stimmung unter den Besetzern und viele waren überwältigt von dieser Solidarität. Dazu kam, dass auch viele Bürgerinnen und Bürger von Weinheim ihre Solidarität bekundeten, in dem sie z. B. die Besetzer mit Kaffee versorgten. Allen war klar, wenn die Arbeitsplatzvernichtung weiter fortschreitet stirbt auch die Stadt.

Die Stimmung fand einen Höhepunkt, als ein Betriebsratsmitglied von Alstom Power die solidarischen Grüße des Alstom -Betriebsrats aus Mannheim überbrachte. Er ermunterte die ProtestiererInnen in ihrem Kampf gegen die Konzernwillkür nicht nachzulassen und versprach die Aktionen der Freudenberger auch bei Alstom Power bekannt zu machen. Unter tosendem Beifall vermittelte er die Erfahrungen, die die Alstom-Belegschaft in den letzten Jahren gemacht hat, im Kampf um den Erhalt des Standorts Mannheim.

Mit ihrer Blockade, die von morgens 5.00 Uhr bis nachmittags 15.00 Uhr dauerte, verhinderten die Kolleginnen und Kollegen, dass die Lkws rein noch raus konnten. Die Pkws dagegen wurden durchgelassen. Was allerdings irgendwann auch nicht mehr ging, weil das Verkehrschaos um den Industriepark Freudenberg komplett war. Die Autos und Lkws stauten sich bis zur über einen Kilometer entfernten Autobahnausfahrt und in die Innenstadt.
Obwohl die LKW-Fahrer, die das Werksgelände nicht mehr verlassen konnten, massive Beeinträchtigungen hatten, waren die meisten aber doch verständnisvoll, als sie die Hintergründe erfuhren.

Die größten Beeinträchtigungen mussten die insgesamt 14 Freudenbergfirmen und Fremdfirmen, die im Industriepark angesiedelt sind, hinnehmen, deren Produktion und Liefertätigkeit massiv behindert bzw. verhindert worden ist.

Nach der Blockadeaktion wurde die Betriebsversammlung wieder fortgesetzt. Der Konzernleitung wurde vermittelt, dass sie die jetzt gewonnene Zeit über das Wochenende nutzen solle, die Verkaufsabsicht zu überdenken. Die Betriebsversammlung und auch weitere Blockadeaktionen würden solange weitergehen, bis die Rücknahme der Verkaufsentscheidung auf dem Tisch liege. Wie lange die Konzernleitung das durchhält, bleibt abzuwarten.

Mobilisierung nicht vom Himmel gefallen

Noch vor wenigen Wochen hätten sich weder die KollegInnen noch der Betriebsrat auch nur träumen lassen, dass die Belegschaft so geschlossen und so entschlossen kämpfen würde. Die KollegInnen sind innerhalb weniger Wochen über sich hinausgewachsen, aber die Erkenntnisprozesse haben lange davor kräftige Schübe bekommen. Vor allem das geschickte Vorgehen des Betriebsrates hat bewirkt, dass die Empörung der ganzen Belegschaft gewachsen ist und sich in vollem Umfang gegen die Konzernleitung richten konnte. Während der letzten Wochen hat der Betriebsrat vor allem mit einer Reihe „offener Briefe“ die Geschäftsleitung mit Fragen bombardiert. Die Konzernleitung hat immer wieder die notwendigen Auskünfte verweigert, was die Stimmung erst richtig angeheizt hat.
Die Aktionen im Januar wurden von der ganzen Belegschaft getragen und – was zunehmend wichtig wird – Teile der anderen Freudenberg-Belegschaften haben offen ihre Sympathie und Unterstützung bekundet. Bei den Demos und der Torblockade haben KollegInnen und Betriebsräte der anderen KG’en, aktiv teilgenommen. Mensch fühlte sich zum ersten Mal seit Jahren wieder zusammengehörig, als Teile einer großen Freudenberg-Belegschaft („Wir Freudenberger“ war eine häufig zu hörende Formulierung während der Aktionen.). Der Konzerbetriebsrat und der Eurobetriebsrat waren ebenso einbezogen wie die Gewerkschaft IG BCE. Der Bezirkssekretär war auf der Betriebsversammlung vertreten und hat die Unterstützung des Anliegens zugesagt. Günstig war allemal, dass der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der FBS KG gleichzeitig der Ortsvorsitzende der IG BCE in Weinheim ist.

Ergebnis

In ihrem vorläufigen Schlusskommunique macht die Unternehmensleitung klar, dass sie zwar nicht grundsätzlich auf Gespräche verzichtet, aber zum jetzigen Zeitpunkt abbricht um den Betriebsfrieden wieder herzustellen. Ein wichtiger Teilerfolg für die KollegInnen ist, dass schriftlich zugesichert wurde, dass der Betriebsrat bei künftigen Verhandlungen anwesend sein darf. Damit können keine Kaufgespräche mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden. Durch die nachhaltige Aktion am Standort wurde nicht nur der Ablauf im Industriepark Weinheim wirksam gestört, sondern dem – übrigens einzigen – Kaufinteressenten gezeigt, mit welcher Belegschaft er es zukünftig zu tun haben wird. Dieser hat wohl auf die ungeahnt heftige Reaktion der Beschäftigten hin nasse Füße bekommen... Das schönste Ergebnis dieser Aktionen ist aber, dass die Kolleginnen und Kollegen den Abbruch der Verhandlungen als ihren Sieg ansehen! Schließlich wurde das Ergebnis auf einer Betriebsversammlung vorgestellt und von den KollegInnen angenommen. Damit wurde die Betriebsversammlung beendet und die Aktion bis auf weiteres unterbrochen.

Am wichtigsten aber war, dass die KollegInnen mit ihrem Widerstand nicht gewartet haben, ob die anderen Belegschaften oder die Gewerkschaft sie unterstützen. Sie sind selbst aktiv geworden und haben damit bewiesen, dass auch in Zeiten der Neoliberalismus betrieblicher Widerstand machbar ist. Was in Weinheim bei Freudenberg seit einigen Tagen geschieht, könnte Vorbildfunktion auch für andere Belegschaften haben, auch weit über die Region hinaus.

Editorische Anmerkung

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