Anti-Antifa-Akte aufgetaucht
Keine Beschlagnahmung in den Räumen des a.l.i.a.s. Dresden -

Eine
Richtigstellung von
a.l.i.a.s Dresden
02/07

trend
onlinezeitung

Pressemitteilung, 31. Januar 2007

In einem Bericht der Sächsischen Zeitung (Razzia in linkem Ladenlokal) vom
31. Januar wird behauptet, in den Räumen des a.l.i.a.s. Dresden wäre Diebesgut "beschlagnahmt" worden.

Diese Behauptung ist falsch und entbehrt jedweder Grundlage.

Tatsache ist, dass die Unterlagen den Beamten freiwillig ausgehändigt und nicht beschlagnahmt worden. Bei der Razzia handelte es sich im juristischen Sinne um eine Durchsuchung bei Dritten, nicht um eine Durchsuchung bei Beschuldigten.

Mike Meyers, Sprecher des a.l.i.a.s. weisst darauf hin, dass zu jeder Zeit offen mit den Unterlagen umgegangen worden ist "und insofern die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft unnötig und überzogen waren. Obwohl der Mieter des a.l.i.a.s telefonisch von der Durchsuchung in Kenntnis gesetzt wurde und obwohl er zusicherte innerhalb von 30 Minuten vor Ort zu sein, wurde durch die Beamten die Schliessanlage des Büros zerstört und damit ein Sachschaden in noch unbekannter Höhe verursacht. Dies ist nicht dazu geeignet, das Vertrauen in die Polizei und Staatsanwaltschaft in der Öffentlichkeit zu erhöhen, besonders da das a.l.i.a.s. nicht als Beschuldigter gilt."

Durch die Mitte Januar erfolgte Information der Medien und der Betroffenen hatte das a.l.i.a.s. überdeutlich gemacht, dass hier nicht versucht wird "Diebesgut" zu unterschlagen, sondern stattdessen wurde die Aufgabe, die Öffentlichkeit zum Thema Neonazismus zu informieren, erfüllt.

Wir weisen daraufhin, dass die mediale Darstellung, die Staatsanwaltschaft habe "Dossiers über mehr als 100 Antifa-Angehörige" gefunden, ebenfalls irreführend ist. Vielmehr handelt es sich um Menschen verschiedener politischer Spektren. Darunter sind neben AntifaschistInnen auch eine Reihe GewerkschafterInnen, MitarbeiterInnen einer Jugendzeitschrift und linke ParteifunktionärInnen, Bundestagsabgeordnete und Hochschulprofessoren.

Hintergrund der Durchsuchung vom 29. Januar war eine Veröffentlichung des a.l.i.a.s. Mitte Januar zu einer so genannten "Anti-Antifa-Akte", in welcher offenbar Dresdner Neonazis Daten über vermeintliche politische Gegner sammelten. Diese Akte war dem a.l.i.a.s. anonym zugesandt worden. Das a.l.i.a.s. Dresden sah und sieht es weiterhin als seine Aufgabe an, die in der Akte genannten, etwa 150 Personen, sowie die Öffentlichkeit in Kenntnis zu setzen.

Mike Meyers sagt dazu "Wir gehen nun davon aus, dass der Tatendrang der
Ermittlungsbehörden sich gegen diejenigen richten wird, welche für die Zusammenstellung der Anti-Antifa-Daten verantwortlich zeichnen."

Mit freundlichem Gruß,

Mike Meyers
a.l.i.a.s. Dresden

Dazu die PM des AIB

Pressemitteilung - Berlin, 31. Januar 2007
Antifaschistisches Info Blatt
Gneisenaustr. 2a
10961 Berlin
http://www.antifainfoblatt.de 
mail@antifainfoblatt.de

Razzia in Dresden – Medienprojekt wegen Pressemitteilung unter Beschuss.

Am Nachmittag des 29. Januar 2007 wurde das Projekt „a.l.i.a.s.“ aus Dresden – ein offen arbeitendes Medienprojekt dass sich gegen Neonazismus engagiert – von Beamten des Dezernat Staatsschutz durchsucht. Hintergrund war eine Presse-Veröffentlichung des a.l.i.a.s. von Mitte Januar zu einer so genannten "Anti-Antifa-Akte", in welcher offenbar Dresdner Neonazis gezielt Daten über vermeintliche politische Gegner zusammengestellt haben.
Diese Akte war dem a.l.i.a.s. - wie auch zig anderen Journalisten und Initiativen - anonym zugesandt worden und nach Sichtung und Überprüfung als authentisch eingestuft worden. Danach wurden die in der Akte genannten, etwa 150 Personen aus verschiedenen politischen Spektren durch das a.l.i.a.s. in Kenntnis gesetzt sowie eine Pressemitteilung zu der zugespielten Akte versandt.
Allein die Pressemitteilung des a.l.i.a.s. war Anlass für jetzt stattgefundene Durchsuchung. Den Beamten wurden durch einen Mitarbeiter des a.l.i.a.s. die ihm zugespielten Unterlagen freiwillig ausgehändigt.
Dazu erklärt Markus Ragusch vom Antifaschistischen Infoblatt: „Das Redaktionsgeheimnis und der Informantenschutz zählten zu den elementaren Voraussetzungen einer freien Presse, an ihnen darf nicht gerüttelt werden. Das gilt auch - und insbesondere! - für kleine Medienprojekte. Trotz dem SPIEGEL-Urteil aus dem Jahre 1966, wonach Durchsuchungen unzulässig seien, wenn sie vor allem dazu dienten, einen mutmaßlichen Informanten aufzuspüren und dem ausstehenden Cicero-Urteil, lassen sich hier Ermittlungsbehörden zur gezielter Einschüchterung von bei Neonazis mißliebigen Medienprojekten mißbrauchen“.

Das es hier das kleinste Projekt und nicht die gleichermaßen über den Fall berichtenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Internetforen traf sei bezeichnend.
Mike Meyers, Sprecher des a.l.i.a.s. erklärte dazu: "Besonders prekär ist dabei, dass die Anzeige, welche zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens führte, von einem langjährig bekannten Neonazi, just aus dem Spektrum der neonazistischen Freien Kräfte Dresden, gestellt wurde." Tilo K. sei Mieter des Objekts auf der Oskar-Röder-Straße, was von Neonazis genutzt werde und in welchem die Unterlagen entwendet worden sein sollen.
Das Vorgehen der Neonazi-Szene, mittels Anzeigen an Daten politischer Gegner zu gelangen, ist nichts neues. Immer wieder wurde darauf auch im Antifaschistischen Infoblatt hingewiesen. Nicht zuletzt die beschlagnahmte "Anti-Antifa-Akte" enthält eine Vielzahl von Informationen, die nur aus solchen Ermittlungserfahren stammen können.
Das Antifaschistische Infoblatt wünscht den MitarbeiterInnen von a.l.i.a.s. weiterhin viel Erfolg bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit und unterstreicht: „ Informantenschutz ist das Herzstück für einen seriösen Journalismus Wir empfehlen allen betroffenen Journalisten, Medienprojekten und Archiven sich wenn nötig durch die Instanzen zu klagen. Das Zeugnisverweigerungsrecht ist nicht umsonst im Jahr 2002 zugunsten der Journalisten erweitert worden. “

Weitere Informationen von

freie-radios.net
http://freie-radios.info/portal/content.php?id=15506

Seit 2004 sind Neonazis auch im Dresdner Stadtrat vertreten, und zwar als „Nationales Bündnis“, dazu gehört unter anderem Holger Apfel von der NPD. Die Jugendorganisation des Nationalen Bündnis ist das Nationale Jugendbündnis, welches sich in Dresden-Reick auf der Oskar-Röder-Str. in einer Neonazi-Baracke trifft, welche auch rechtsextremen, sogenannten Freien Kräften als Treffpunkt dient.

Um gegen Neo-Nazis und gegen ihre rassistische und gegen ihre antisemitische Ideologie vorzugehen, bilden in vielen Orten Antifaschisten relativ autonom agierende Antifagruppen. Das finden Neo-Nazis gar nicht toll, weswegen einige von ihnen wiederum eine Anti-Antifa gegründet haben, so auch in Dresden.

Im Dezember meldete eine antifascist action crew auf der Internet-Nachrichtenseite „Indymedia“, dass sie Ende November vorigen Jahres in das Gebäude dieses Neo-Nazi-Treffs in Dresden-Reick eingedrungen waren und dabei eine Anti-Antifa-Akte erbeutet hatten. Die Neo-Nazi-Betreiber des Treffpunktes hatten Anzeige erstattet und die Staatsanwaltschaft Dresden leitete im November ein Verfahren wegen Einbruch ein.

In Dresden gibt es ein Antifa-Informationszentrum, welches antifascism, literature, information, archive stuff heißt, abgekürzt a.l.i.a.s.. Diesem wurde eine Kopie dieser Anti-Antifa-Akte zugestellt. Gleichzeitig hat das a.l.i.a.s. die Leute persönlich angeschrieben, die in dieser Anti-Antifa-Akte aufgeführt sind, damit sie in ihre von den Neo-Nazis erstellte Akte Akteneinsicht nehmen können. Inzwischen berichteten einige Medien darüber, unter anderem das Antifaschistische Infoblatt, das Terminal Dresden und letzte Woche am 25. Januar auch die Junge Welt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Dresden den Junge Welt-Artikel gelesen hatte, ordnete das Amtsgericht Dresden eine Durchsuchung des a.l.i.a.s. an, die dann am Montag durchgeführt wurde. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gilt dies als Durchsuchung bei Dritten, also einer Art Zeugen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun auch zusätzlich zum Tatvorwurf „Einbruch“ auch wegen „Aufspüren von Daten“ nach § 202a StGB.

Interessant in der ganzen Geschichte ist jetzt die Tatsache, dass in der aufgetauchten Anti-Antifa-Akte über 100 Personen verzeichnet sind, und zwar aktive Antifas, Gewerkschafter, linke Parteifunktionäre und Macher einer Schülerzeitung. In der Akte sind Teilweise Daten, die durch das Internet recherchierbar sind aber auch Fotos, persönliche Daten, von einigen Leuten sogar die Anschrift von Verwandten und Teilweise die Personalausweisnummern. Bei den Fotos handelt es sich teilweise um Fotos aus Polizeiakten, die bei erkennungsdienstlichen Behandlungen von der Polizei gemacht wurden.

Die Frage stellt sich nun: Wie kommen Neo-Nazis an Fotos aus Polizeiakten? Aktive Antifas werden immer wieder am Rande von Demonstrationen gegen Naziaufmärsche von der Polizei mitgenommen und dann wird eine Akte über sie angelegt. Dafür ist die Kriminalpolizei Abteilung Staatsschutz Linksextremismus zuständig. Außerdem ist es seit einiger Zeit Strategie der Dresdner Neo-Nazis gezielt Antifas bei der Polizei anzuzeigen, egal ob die betroffenen Antifas die behauptete Straftat begangen haben oder nicht. Ziel der Anzeigen der Neo-Nazis ist es anscheinend, Einblick in die Ermittlungsakten zu erhalten. Die Staatsanwaltschaft Dresden sagte dazu am Dienstag gegenüber coloRadio, dass sie den Rechtsextremen keinen Einblick in Ermittlungsakten gegeben haben. Nach Strafprozessordnung ist das auch nicht erlaubt. Einblick erhalten nur Rechtsanwälte, die brauchen das um ihre Mandanten richtig vertreten zu können und dürfen die Ermittlungsakten auch nicht an ihre Mandanten weitergeben. Wenn Neo-Nazis Antifas anzeigen, wird der Fall vom Staatsanwalt als Kläger übernommen. Angeklagt sind dann die Antifas. Die Neonazis treten dann als Zeugen auf, die eigentlich keinen Anwalt brauchen. Aber Zeugen dürfen sich auch Rechtsanwälte nehmen. Außerdem dürfen die Neo-Nazis, die hier Geschädigte wären, noch als Nebenkläger auftreten, die auch einen Anwalt haben dürfen. Diese Anwälte haben dann Akteneinsicht, welche sie nutzten und dann ihren Mandanten illegalerweise Kopien davon weitergegeben haben müssen. So wäre es zu erklären, warum Neonazis Polizeifotos und andere Daten von Antifas in Anti-Antifa-Akten zusammenstellen konnten.

Beispielhaft für diese Neo-Nazi-Strategie war ein dreitägiger Prozess vor dem Dresdner Amtsgericht im März 2006, bei dem eine Antifaschistin wegen schwerer Körperverletzung angeklagt wurde. Bei diesem Prozess trat die Geschädigte Elli Doberstein aus der Neo-Nazi-Szene als Nebenklägerin mit Rechtsanwalt auf. Auffällig an diesem Prozess war, dass sich die Aussagen der zahlreichen Zeugen aus der Neo-Nazi-Szene vor dem Gericht in vielen Details erstaunlicherweise ähnelten aber sich von den früheren unterschiedlichen Aussagen vor der Polizei unterschieden, was für alle Beteiligten und für Prozessbeobachter den Verdacht aufkommen ließ, dass die Beschuldigte Antifaschistin nicht die Täterin war und dass sich alle Neo-Nazi-Zeugen vorher absprachen, eine bestimmte ihr bekannte Frau zu beschuldigen. In diesem Prozess trat auch ein Polizeibeamter vom Staatsschutz als Zeuge auf, der aussagte, bei den Ermittlungen den Neonazis Fotos über Linke aus Polizeiakten gezeigt zu haben, um das Gesicht der Beschuldigten zu vergleichen. Wider erwarten wurde die beschuldigte Antifaschistin vom Amtsgericht verurteilt. Es handelt sich zwar nur um ein Urteil auf unterster Instanz und die Beschuldigte ging selbstverständlich in Berufung. Trotzdem wäre zu fragen, warum überhaupt ein Gericht auf unterster Instanz solch realitätsresistente Urteile fällt.

Die Frage stellt sich außerdem, welche Rolle die Abteilung Staatsschutz der Kriminalpolizei in Dresden spielt. Antifas werfen ihm vor, den Neo-Nazis behilflich zu sein. So soll ein Beamter den Neo-Nazis den Hinweis gegeben haben, wenn sie wegen Verweigerung des Zutrittes zu einer Antifaveranstaltung Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht stellen, dass sie dann die Namen der Veranstalter erfahren. Am Dienstag wollte sich der Staatsschutz gegenüber coloRadio nicht zu diesen Vorwürfen äußern.

Fraglich ist auch, inwieweit der Staatsschutz Linksextremismus dabei reine Arbeitsplatzerhaltung betreibt und durch Verfahren gegenüber Linken deren Gefährlichkeit höher erscheinen lassen möchte. Eine Grundideologie jahrelanger konservativer sächsischer Landesregierung war die Extremismustheorie, die davon ausgeht, Rechtsextremismus und Linksextremismus wären gleich schlimm und gefährlich. Daraufhin wurde auch der Staatsschutz Linksextremismus überdimensioniert ausgebaut. Die Realität hat nun aber gezeigt, dass Sachsen gerade ein Problem mit dem Rechtsextremismus hat in Form der NPD im Landtag, sogenannten "national befreiten Zonen" und der gesellschaftlich weit verbreiteten Ideologie des Rassismus und Antisemitismus.

Die Existenz von Anti-Antifa-Akten ist Einschüchterung und kann eine Bedrohung von Antifas und zivilgesellschaftlich gegen rechts engagierten Leute sein bis hin zu körperlicher Gewalt.

Editorische Anmerkungen

Wir wurden durch die PM des AIB, die uns zugesandte wurde, zur Berichterstattung veranlasst.

Soli-Adressen an:
a.l.i.a.s Dresden [antifascist, literature, information, archive, stuff]
Böhmische Str. 12, 01099 Dresden