Steueroase Deutschland

von Max Brym
02/05

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„Superminister“ Clement will die „unerträgliche Steuerlast“ für Banken und Konzerne drastisch senken. Der Herr Minister behauptet in Übereinstimmung mit dem BDI: „Deutschland hat die höchste steuerliche Belastung für Unternehmen in der EU“. Selbstverständlich ist auch der Genosse der Bosse, Kanzler Schröder, an der Seite seines Ministers. In Wahrheit lügen die Herrschaften was das Zeug hält, real gerechnet werden in Deutschland Unternehmen kaum mehr besteuert. Selbst der SZ fiel das am 19.2.05 auf. In einem Artikel von Ulrich Schäfer wird die Frage gestellt: „Ist Deutschland eine Steueroase ?“ Der Schreiber legt zurecht den Schluß nahe, dass dem so sei.

Steuerdebatte 

Auf dem „Gipfel der Gegensätze“, einer Veranstaltung der „Norddeutschen Affinerie“ in Berlin schimpfte Oskar Lafontaine: „Die Steuerquote in Deutschland, der Anteil aller Steuern an der Wirtschaftsleistung, sei viel zu niedrig“. Lafontaine fügte hinzu: „Vor allem die Unternehmen hätten sich aus der Verantwortung gestohlen“. Dem konnte auch der hessische Ministerpräsident Koch nicht widersprechen. Im Gegenteil, Koch mußte einräumen: „Vor einigen Jahren haben in Hessen die Banken und Unternehmen vier oder fünf Milliarden Körperschaftssteuer überwiesen. Voriges Jahr war es nicht mal eine Milliarde.“ Der klassische Sozialdemokrat Lafontaine fügte hinzu: „Und das bei enorm steigenden Gewinnen“. Solche Einlassungen und die reale Faktenlage ficht den Bundesverband der Deutschen Industrie nicht an. Kraftvoll trommelt Industriepräsident Jürgen Thumann dafür, Konzerne und Mittelständler noch stärker zu entlasten. Herr Thumann beklagt die „hohe Steuerlast in Deutschland“. Der Kanzler hat ein offenes Ohr für die Vorgaben der Industrie und er bemüht seine „ruhige Hand“, um den Vorgaben des Kapitals zu entsprechen. Der BDI läßt sich seine Behauptungen von Pseudo- wissenschaftlichen Studienzentren untermalen. In der Steuerdebatte bezieht sich der BDI stets auf „Erkenntnisse“ des „Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)“ in Mannheim. Nach den Berechnungen des ZEW seien „die Unternehmen in Deutschland mit 36,1% hoch belastet“. Damit sei die „Belastung in Deutschland wesentlich höher als ZB. In Irland mit 14,4%.“ . Wie er zu diesem Rechenkunststück kam, vermochte Michael Overesch (ZEW-Experte) gegenüber der SZ nicht zu erklären. Er gestand lediglich zu: „Dass weitergehende Formen der Steuergestaltung nicht eingerechnet werden“. Damit erklärt der Herr vom ZEW alles und nichts. Offensichtlich ist das ZEW nicht seriös, demgegenüber steht die saubere Arbeit des Wiesbadener Wirtschaftswissenschaftlers Lorenz Jarras. Jarras hat folgende Methode entwickelt, er hat aus den Statistiken der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Gewinne der Konzerne destilliert und ins Verhältnis zur tatsächlich gezahlten Steuer gesetzt. Jarras kommt mit seiner wissenschaftlich korrekten Methode zu erstaunlichen Ergebnissen. So haben im Jahr 2003 alle Kapitalgesellschaften zusammen rund 220 Milliarden Euro verdient, aber nur 25 Milliarden Euro Körperschaft- und Gewerbesteuer an die Finanzämter überwiesen - macht unterm Strich eine effektive Steuerlast von 11,4%. Vor wenigen Jahren war es fast doppelt so viel. Mit dieser Steuerlast ist die BRD eine Steueroase innerhalb der EU, nur in Griechenland wird dem Kapital noch weniger an Steuern abverlangt. Auch die ZEW Forscher erkennen die Erkenntnisse von Jarras an. In der SZ wurde das ZEW am 19.2.05 zitiert: „Die Analysen von Jarras seien grob und auf die Vergangenheit bezogen.“ Die Herren des ZEW meinten, sie bezögen sich mit ihrer „Forschungsarbeit auf die Zukunft“. Auf gut deutsch, das ZEW hat gegen Jarres keine Argumente und sie bemänteln ihre Lügen mit „0rientierungen auf die Zukunft der Unternehmen“. In der Tat, den Herren geht es um kapitalistischen Maximalprofit für den ihnen kein Trick und keine Dummheit zu billig ist. 

Verteilung der Steuerlasten

Die Anteile am Gesamtsteueraufkommen erreichte im Jahr 2003 für die Lohnsteuerzahler und Verbraucher die Rekordhöhe von 80%. Im Vergleich dazu sank der Anteil der Konzerne, Unternehmer, Aktionäre auf insgesamt 11,6%. Konzerne, Unternehmer, Aktionäre und Reiche leisten fast keinen Beitrag mehr zur Finanzierung staatlicher Aufgaben und öffentlicher Zukunfts- und Daseinsvorsorge. Rechnet man die Konzernsubventionen, öffentliche Aufträge, Rüstungs- und Forschungsgelder sowie staatliche Zinszahlungen an Banken und Geldvermögende dagegen, dann plündern sie die Staatskasse um ein Vielfaches dessen, was sie an Steueralmosen abgeben. Insgesamt war das Aufkommen an Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuern, Gewerbeertragssteuer und veranlagte Einkommenssteuer im Jahr 2003 um 30,7 Milliarden Euro weniger als in 2000. Der Gesamtsteuerausfall der Jahre 2001-2003 addiert sich damit auf fast 80 Milliarden Euro. Keinesfalls ist für diese Steuerausfälle eine „lahmende Konjunktur“ verantwortlich, wie die Bundesregierung vorgibt. Entscheidend ist eine radikaler Klassenkampf, den die Oberen gegen die Unteren führen. Die Vermögenden werden laut „Statistischem Bundesamt“ in Wiesbaden „pro Jahr um 20% reicher“. Die Bourgeoisie benützt den Staatsapparat um Arbeiter und Arbeitslose zugunsten der Banken und Konzerne auszupressen. Freimütig bekannte Bundeskanzler Schröder: „Wir haben unmittelbar nach Amtsübernahme eine Steuerreform gemacht, die sich sehen lassen kann. Sie brachte die Steuerbelastung der deutschen Unternehmen eher ins untere Drittel des europäischen Geleitzuges“ ( HB 18.9.03). Die Europäische Kommission hat Mitte 2003 eine vergleichende Untersuchung der Belastung des „Produktionsfaktors Kapital“ vorgelegt (Struktur der Steuersysteme in der EU: 1995-2001). Die Daten der EU Kommission machen Schluß mit der Mär von der hohen Besteuerung von Unternehmen und Kapital in Deutschland. Mit 22,6% ist Deutschland mit Ausnahme des Sonderfalles Griechenland - das EU Mitgliedsland mit der niedrigsten Steuerbelastung des Faktors Kapital unter allen fünfzehn Mitgliedsländern der EU. Der Satz liegt gewaltig unter dem EU- Durchschnitt von 29,8%. Real betrachtet ist Deutschland tatsächlich eine Steueroase für das Kapital. Dennoch werden Vertreter des BDI nicht müde zu jammern, zu lügen und zu drohen, um den Umverteilungsprozeß noch weiterzuführen.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 19.02.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.