Betrieb & Gewerkschaft
Skandal bei Porsche:
Videoüberwachung durch den Verfassungsschutz

eine Rote Fahne Korrespondenz
02/05

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onlinezeitung

Stuttgart (Korrespondenz): Arbeitsgericht Stuttgart, 11. Januar 2005, 14.30 Uhr: Der Sitzungssaal 13 ist voll. Betriebsräte, Vertrauensleute und nahezu alle Kolleginnen und Kollegen des Werkschutzes, die für diese Zeit frei bekamen. Ihr Kollege und Vertrauensmann klagt gegen die Firma Porsche. Es ist der Gütetermin. Der Kollege klagt gegen seine Freistellung und seine Änderungskündigung.

Als die Fakten genannt werden, kommen Zweifel auf. Meint die Firma Porsche das ernst oder gibt sie vor über 30 Kolleginnen und Kollegen einen drittklassigen Schwank?

Am 17. Februar 2004, um 23.30 Uhr soll alles begonnen haben. Eine Überwachungskamera des Landesamtes für Verfassungsschutz schaltete sich ein und lieferte 45 Sekunden lang Bilder aus einem Büro der Pressestelle von Porsche. Zu erkennen ist ein Mann, der das Büro betritt, Licht einschaltet, sich umsieht, das Licht wieder ausschaltet und das Büro verlässt.

Sieben Monate und vier Tage später kommt ein Verfassungsschützer dann zu einer Erkenntnis. Anhand der Passfotos der Personalabteilung identifiziert er den Aufgenommenen: Ein Vertrauensmann des Werkschutzes. Dass diese Erkenntnis vom Wachbuch (demnach war der beschuldigte Werkschützer um diese Zeit an der Pforte) widerlegt wird, stört nicht. Ebenso wenig, dass auch sonst keiner, der die Aufnahmen gesehen hat, irgend jemand erkennen konnte. Der Kollege wird freigestellt. Jetzt ermittelt der Verfassungsschutz wegen Industriespionage. So zumindest behauptet der Rechtsanwalt von Porsche.

Warum der Verfassungsschutz hier überhaupt Aufnahmen machte?

Es seien, so Rechtsanwalt Jäger für Porsche, irgendwann Akten aus dem Büro der Leiterin der Rechtsabteilung verschwunden. Daraufhin habe man das Landesamt für Verfassungsschutz um Hilfe gebeten. Das würde jetzt auch ermitteln und bis diese Ermittlungen abgeschlossen seien, könne der Kollege nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurück. Und das, so Rechtsanwalt Jäger, könne dauern. Denn der Kollege habe sich keinen Gefallen getan, dass er gegen den Beamten, der ihn erkannt haben will, Strafanzeige gestellt hat. "Der (Verfassungsschutz) wird jetzt um so gründlicher und länger ermitteln."

Eine Gutachterin hat inzwischen bestätigt, dass auf diesen Aufnahmen niemand zu erkennen ist.

In einer Verhandlungspause sagen dann die Kollegen, wo rum es ihrer Meinung nach geht. Ein aktiver Gewerkschafter soll kaltgestellt werden. Und als treibende Kraft sehen sie keinesfalls den Verfassungsschutz, sondern den Chef der Werksicherheit, Herrn Benne. Dieser verkündet im Internet, das größte Risiko seien die eigenen Mitarbeiter. Deshalb müsse der Werkschutz auch fremd vergeben werden. Schon früher habe dieser seine Beziehungen zum Staatsapparat genutzt. So meinen die Werkschützer, auf ihren nächtlichen Fahrten auch schon von der Kriminalpolizei observiert worden zu sein.

Jetzt soll ihr Vertrauensmann in Ludwigsburg kaltgestellt werden. Mit einer Tätigkeit, für die er nicht qualifiziert ist. Will die Firma so eine Kündigung wegen Arbeitsfehlern provozieren?

Mit spontanem Applaus belohnen die Gerichtsbesucher die Zusammenfassung des Rechtsanwalts des Gemaßregelten: "Wir wollen, dass der Kollege seine frühere Tätigkeit wieder ohne Einschränkung aufnehmen kann. Auch seine erfolgreiche gewerkschaftliche Arbeit, die ja durch die vielen Besucher dokumentiert wird, darf nicht behindert werden." Eine Einigung bringt dieser Einigungstermin nicht.

Zwei Tage später. Verhandlung in gleicher Sache. Jetzt will der Kollege eine einstweilige Verfügung gegen seine Änderungskündigung. Der Verdacht der Kollegen, dass es hier um eine politische Maßregelung geht, erhärtet sich. Dem Gericht liegt jetzt eine eidesstattliche Erklärung von Herrn Benne vor, er habe den Gemaßregelten eindeutig erkannt.

Energisch protestiert der Vertrauenskörper-Leiter, als Dr. Ischner, Porsche Grundsatzrecht, Dr. Göhring, Porsche Personalabteilung und Herr Benne, Leiter Werksicherheit, sich die Namen der Anwesenden notieren.

Aktueller Stand:

* Der Kollege ist bei voller Bezahlung freigestellt.

* Er hat das Recht, bei Porsche aus- und einzugehen. Allerdings nicht in den Räumen der Werksicherheit.

* Im April 2005 wird die Hauptverhandlung stattfinden. Der Richter hat klar signalisiert, dass dann die Firma entweder klare Beweise vorlegt oder den Prozess verliert.

Allen bei Porsche Beschäftigten stellen sich jetzt Fragen:

* Warum beauftragt Porsche den Verfassungsschutz damit, Räume zu überwachen?

* Welche Verbindungen gibt es von Porsche zum Verfassungsschutz? Warum wendet sich Porsche an ein Amt, das mindestens 20 Prozent der NPD-Führung stellt?

* Warum wurde das Verfahren gegen den Kollegen nicht spätestens dann eingestellt, als ein Gutachten das Filmmaterial als unbrauchbar analysiert hatte?

* Ist es ein Meineid, wenn Herr Benne trotz dieses Gutachtens schwört, er hätte den Kollegen auch erkannt?

* Und: Warum wird dieser Skandal vom Betriebsrat seit 21. September 2004 nicht öffentlich gemacht?

 

Editorische Anmerkungen

Der vorliegende Text erschien in der ROTEN FAHNE vom 27.1.2005  und ist eine Spiegelung von http://www.mlpd.de/rf0504/rfart10.htm