Fragen an die Anti-Kriegsbewegung
von Red. Gegenstandpunkt
02/03
 
 
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Warum erschöpft sich alle Kritik am geplanten Krieg der USA gegen den Irak darin, dass alle offiziellen Kriegsgründe als vorgeschoben zurückgewiesen werden? Warum werden sie immerzu als unglaubwürdig verurteilt, anstatt sie nach ihrem harten kriegsträchtigen Gehalt zu beurteilen? Ist denn so ein Weltordnungskrieg mitsamt seinen bekannten verheerenden "Kollateralschäden" nicht Grund genug, endlich einmal verantwortungsbewusste Weltenlenker beim Wort zu nehmen, warum sie ein blutiges Befriedungswerk für unabdingbar halten?

Ihr beklagt:
"Den USA geht es wieder einmal nicht um Völkerrecht, Menschenrechte, Demokratie...."

Entlarvt und überführt? Wieso nehmt ihr nicht ernst, was freiheitliche Staaten meinen, wenn sie andere Staaten wie den Irak moralisch verurteilen – als Unrechtsregime, Menschen- und Völkerrechtsverletzer, als Tyrannei. Das sind doch nicht die sachlichen Befunde einer humanitären Bürgerrechtsbewegung, die sich dann als Heilsarmee zu den Entrechteten und Unterdrückten auf den Weg macht. Mit solch ehrenwerten Titeln sprechen Staatsmänner wie Bush anderen Staaten grundsätzlich ihr Existenzrecht ab – und sich das Recht, ja die Pflicht zu, dieses Urteil zu vollstrecken. Man mag von gewissen Staaten und ihren "blutigen" Lenkern halten, was man will – wenn Politiker gegen ihresgleichen so fundamentalistisch werden und ihren Weltordnungsanspruch im Namen ihrer Herrschaftsprinzipien als allerhöchste Sittlichkeit hinstellen, dann ist Regimewechsel und Krieg angesagt. So geht heute eine Kriegserklärung. Und die wollt ihr ausgerechnet mit einer Glaubwürdigkeitslücke bei Bush & Konsorten kontern?

Ihr beantragt:
"Kein Blut für Öl"!

Wofür dann? Für ein höherstehendes Gut namens "Völkerrecht" vielleicht? Oder wollt ihr einfach nur zu Protokoll geben, dass ihr keinen Grund seht, warum es bei dem "zivilen" Zugriff: ´Geld für Öl` nicht bleiben könnte? So schiedlich-friedlich scheint diese Verlaufsform der Aneignung ja wohl nicht zu sein, wenn jedem - selbst wenn er sonst nicht mehr als das pure Stichwort "Öl" von sich zu geben weiß - bei diesem Rohstoff sofort ein erstklassiger Kriegsgrund einfällt. Habt ihr schon mal einen Gedanken darauf verschwendet, wie viel "Blut" oder, weniger metaphorisch ausgedrückt: wie viel überlegene Ordnungsgewalt, wie viel gelungenen Schrecken (lat. Terror) der ganz normale und friedliche Abtransport "unseres" Öls einschließt? Jederzeit "zuverlässig" und "kostengünstig" muss eine Nationalökonomie auf diesen idealen Energiegrundstoff zugreifen können. Um diese "Versorgungssicherheit" ihrer kapitalistischen Reichtumsvermehrung wollen verantwortungsbewusste Politiker einer vom Öl so "abhängigen" Nation wie der unsrigen sich entschieden kümmern. Und dieser Imperativ: Eine ganze Region mitsamt ihren Insassen zu "unserer" Ölquelle herzurichten und ihre arabische Selbstverwaltung dauerhaft unter Kontrolle zu bringen und zu halten, das soll genauso gut auch "gewaltfrei" zu haben sein? Nur weil niemand mehr die überlegenen Abschreckungsverhältnisse, die den "zivilen" zwischenstaatlichen (Geschäfts)Verkehr begründen und regeln, als Gewaltzustände wahrnehmen will geschweige denn, welche arbeitsteilige Rolle darin das ach so friedliche Deutschland spielt? Ach so, ihr beantragt ja sowieso eine viel "gerechtere", also garantiert friedlichere Ordnung für den globalen Kommerz. Nur bei wem eigentlich? Ausgerechnet die maßgeblichen Einrichter und gewaltsamen Aufpasser über diese Weltwirtschaftsordnung, denen ihr gerade vorwerft, dass ihnen für Öl kein Blut zuviel ist, sollen dafür die beste Adresse sein?

Ihr fordert:
"Ein deutsches NEIN im UN-Sicherheitsrat"

Also das NEIN von Schröder & Fischer zu einem Irakkrieg erfreut die deutsche Anti-Kriegsbewegung? Endlich bietet mal einer den wüsten Amis die Stirn? Dafür will sie sogar massenhaft Solidaritäts-Postkarten ins Bundeskanzleramt verschicken und im Namen und Auftrag der friedliebenden Menschheit unserem Oberbefehlshaber ein: ‚Bleib standhaft Gerhard und enttäusche uns nicht im Sicherheitsrat’ zurufen lassen. Dass Deutschland vor den Amis nicht mehr "die Hacken zusammenschlagen will" (Schröder) bei aller "uneingeschränkten Solidarität im Kampf gegen den Terror", - ausgerechnet das soll man den deutschen Politikern, die sich im Verein mit und gleichzeitig in Konkurrenz zu ihren amerikanischen Freunden als Herr über Krieg und Frieden aufführen wollen, hoch anrechnen? Glaubt ihr das wirklich: Alle freiheitlichen Aufräumaktionen wie vor unserer Balkanhaustür, aber auch etwas weiter weg am Hindukusch mitmachen, ja anführen, um sich so weltpolitisches Gewicht zulegen – und beim Irak sollen deutsche Weltordnungspolitiker auf einmal für den Krieg als die "ultima ratio" des Weltordnens nichts mehr übrig haben? Weil rot-grüne Friedenspolitiker womöglich nicht mehr länger das Kriegselend ertragen können, dass ihre Befriedungswerke so anrichten? Aber bitte. Die neue deutsche Friedensliebe verdankt sich der imperialistischen Unzufriedenheit deutscher Staatenlenker, die in der jetzigen Etappe im Kampf um "enduring freedom" keine Mitbestimmungsrechte eingeräumt bekommen haben und die ihren Einfluss in dieser "lebenswichtigen" Region durch diesen Krieg nachhaltig schwinden sieht. Und für den Status eines Hilfssheriffs, der die "Schurken" einer freiheitlichen Weltordnung nicht einmal mehr mitdefinieren darf und sich durch eine Beteiligung an ihrer Bekämpfung keine Vorteile mehr ausrechnen kann – dafür ist sich ein "erwachsen gewordenes" Deutschland dann doch zu schade. An dieser Schädigung deutscher Weltordnungsinteressen wollen Schröder & Fischer sich nicht auch noch "militärisch aktiv beteiligen".

Also ausgerechnet mehr europäische und deutsche Richtlinienkompetenz beim Ordnung Schaffen in der Staatenwelt – die hätte noch gefehlt? Wem denn? Den "leidgeprüften" Irakis - damit sie endlich von Bonn und Paris aus ein "uns" genehmes Regime am Ölhahn einer globalen Marktwirtschaft verpasst kriegen können?

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien im GegenStandpunkt aktuell vom 05.02.03 als Beitrag 2. Er wurde uns zur weiteren online-Veröffentlichung zugeschickt.