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Der Imperialismus als „höchstes Stadium des Kapitalismus: Vladimir Il´íc Lenin

Von Werner Hofmann

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Im Unterschiede zu R. Luxemburg hatten die russischen „Volkstümler" (Narodniki), die von großer Bedeutung in der russischen Sozialbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts waren und die ihre Hoffnung auf den direkten Übergang zu einem bäuerlichen Genossenschaftssozialismus setzten, unter Vermeidung des „Umweges" einer kapitalistischen Entwicklung, geltend gemacht: Gerade weil in Rußland die nichtkapitalistischen Schichten, vor allem die Bauern, zu arm sind, als daß sie der erwerbswirtschaftlichen Entwicklung einen aufnahmefähigen „inneren Markt" bieten können, wird der Kapitalismus sich hier nicht durchsetzen. Ganz im Gegensatz hierzu galten die frühen Schriften Viadimir II'ic Uljanow (dies ist Lenins wirklicher Name; 1870—1924) dem Nachweis: Die kapitalistische Entwicklung ist auch in Rußland bereits in vollem Gange, und sie erhält ständig Nahrung aus der zunehmend marktorientierten Produktion auch der Kleinerzeuger womit denn auch die breiten kleingewerblichen und bäuerlichen Schichten immer mehr in klein-unternehmerische und proletarische Existenzen auseinandertreten. (Vgl. vor allem „Zur sogenannten Frage der Märkte", geschrieben 1893, erstmals veröffentlicht 1937, Werke Bd. I, Berlin 1961, S. 65 ff.; „Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland", 1899, Werke Bd. III, Berlin 1956, S. l ff.)

Dementsprechend ist für Lenin auch der Imperialismus nicht, wie für R. Luxemburg, eine Form, in welcher das Wirtschaftssystem überhaupt erst seinem Akkumulationsverlangen genügt, sondern vielmehr das reifste Ergebnis dieser Akkumulation selbst. Nicht an die Theorie der Reproduktionsproportionen, sondern an die Konzentrationstheorie von Marx schließt sich Lenins Imperialismuslehre an. Sie findet sich in geschlossener Form niedergelegt in der bekannten Schrift: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus"(1). Dieses in mancher Hinsicht von Gedanken Hilferdings auch J. Hobsons beeinflußte Werk ist bedeutungsvoll geworden; bildet es doch nicht nur in seinen Grundgedanken, sondern auch in seinem theoretisch anspruchslosen, überwiegend deskriptiven Stil die Grundlage und das Muster der später stark schematisierten Lehre des „offiziellen" Marxismus in der Sowjetunion und anderswo von der „allgemeinen Krise" des zeitgenössischen Kapitalismus.

1. Ökonomische Kennzeichen des Imperialismus

Der Imperialismus, zunächst als ökonomische Erscheinung verstanden, zeigt nach Lenin die folgenden fünf „grundlegenden Merkmale":

1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, daß sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen;

2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses .Finanzkapitals';

3. der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung;

4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und

5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist" (S. 270 f. [253]; s. auch S. 304 f. [284 ff.]).

„Der Imperialismus erwuchs als Weiterentwicklung und direkte Fortsetzung der Grundeigenschaften des Kapitalismus überhaupt. Zum kapitalistischen Imperialismus aber wurde der Kapitalismus erst auf einer bestimmten, sehr hohen Entwicklungsstufe, als einige seiner Grundeigenschaften in ihr Gegenteil umzuschlagen begannen, als sich auf der ganzen Linie die Züge einer Übergangsperiode vom Kapitalismus zu einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation herausbildeten und sichtbar wurden, ökonomisch ist das Grundlegende in diesem Prozeß die Ablösung der kapitalistischen freien Konkurrenz durch die kapitali stischen Monopole. ... Zugleich aber beseitigen die Monopole nicht die freie Konkurrenz, aus der sie erwachsen, sondern bestehen über und neben ihr und erzeugen dadurch eine Reihe besonders krasser und schroffer Widersprüche, Reibungen und Konflikte. Das Monopol ist der Übergang vom Kapitalismus zu einer höheren Ordnung.

Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müßte man sagen, daß der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist. Eine solche Definition enthielte die Hauptsache, denn auf der einen Seite ist das Finanzkapital das Bankkapital einiger weniger monopolistischer Großbanken, das mit dem Kapital monopolistischer Industriellenverbände verschmolzen ist, und auf der anderen Seite ist die Aufteilung der Welt der Übergang von einer Kolonialpolitik, die sich ungehindert auf noch von keiner kapitalistischen Macht eroberte Gebiete ausdehnt, zu einer Kolonialpolitik der monopolistischen Beherrschung des Territoriums der restlos aufgeteilten Erde" (S. 269 f. [259 f.]).

2. Die Krise der Gesellschaft

Als gesellschaftlich bedeutungsvoll erscheinen Lenin die folgenden Züge des Imperialismus:

l. „Parasitismus und Fäulnis (zagnivanie) des Kapitalismus": „Wie wir gesehen haben, ist die tiefste ökonomische Grundlage des Imperialismus das Monopol. Dieses Monopol ist ein kapitalistisches, d. h. ein Monopol, das aus dem Kapitalismus erwachsen ist und im allgemeinen Milieu des Kapitalismus, der Warenproduktion, der Konkurrenz, in einem beständigen und unlösbaren Widerspruch zu diesem allgemeinen Milieu steht. Dennoch erzeugt es, wie jedes andere Monopol, unvermeidlich die Tendenz zur Stagnation und Fäulnis. In dem Maße, wie Monopolpreise, sei es auch nur vorübergehend, eingeführt werden, verschwindet bis zu einem gewissen Grade der Antrieb zum technischen und folglich auch zu jedem anderen Fortschritt, zur Vorwärtsbewegung; und insofern entsteht die ökonomische Möglichkeit, den technischen Fortschritt künstlich aufzuhalten. ... Gewiß kann das Monopol unter dem Kapitalismus die Konkurrenz auf dem Weltmarkt niemals restlos und auf sehr lange Zeit ausschalten. ... Die Möglichkeit, durch technische Verbesserungen die Produktionskosten herabzumindern und die Profite zu erhöhen, begünstigt natürlich Neuerungen. Aber die Tendenz zur Stagnation und Fäulnis, die dem Monopol eigen ist, wirkt nach wie vor und gewinnt in einzelnen Industriezweigen, in einzelnen Ländern für gewisse Zeitspannen die Oberhand.

Das Monopol der Beherrschung besonders ausgedehnter, reicher oder günstig gelegener Kolonien wirkt in derselben Richtung. Weiter. Der Imperialismus bedeutet eine ungeheure Anhäufung von Geldkapital in wenigen Ländern ... Daraus ergibt sich das außergewöhnliche Anwachsen der Klasse oder, richtiger, der Schicht der Rentner, d. h. Personen, die vom ,Kuponschneiden' leben, Personen, die von der Beteiligung an irgendeinem Unternehmen völlig losgelöst sind, Personen, deren Beruf der Müßiggang ist. Die Kapitalausfuhr, eine der wesentlichsten ökonomischen Grundlagen des Imperialismus, verstärkt diese völlige Isolierung der Rentnerschicht von der Produktion noch mehr und drückt dem ganzen Land, das von der Ausbeutung der Arbeit einiger überseeischer Länder und Kolonien lebt, den Stempel des Parasitismus auf" (S. 280 f. [262 f.]).

„Der Begriff ,Rentnerstaat' oder Wucherstaat (gosudarstuo-rostouscik) wird daher in der ökonomischen Literatur über den Imperialismus allgemein gebräuchlich. Die Welt ist in ein Häuflein Wucherstaaten und in eine ungeheure Mehrheit von Schuldnerstaaten gespalten" (S. 282 [264]).

„Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige Nationen all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen. Immer plastischer tritt als eine Tendenz des Imperialismus die Bildung des .Rentnerstaates', des Wucherstaates hervor, dessen Bourgeoisie in steigendem Maße von Kapitalexport und .Kuponschneiden' lebt. Es wäre ein Fehler, zu glauben, daß diese Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenzen. Im großen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern die Ungleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigsten Länder (England)." (S. 305 f. [286])

Dieser Umstand hat nach Lenin auch korrumpierende Wirkungen auf viele Führer der westlichen Arbeiterbewegung gehabt; und so erklärt sich nach Lenin der weit verbreitete „Revisionismus" und „Opportunismus" in der II. Internationale:

„Der Rentnerstaat ist der Staat des parasitären, verfaulenden Kapitalismus, und dieser Umstand muß sich unbedingt in allen sozialpolitischen Verhältnissen der betreffenden Länder im allgemeinen wie auch in den zwei Hauptströmungen der Arbeiterbewegung im besonderen widerspiegeln" (S. 283 [265]).

„Der Imperialismus, der die Aufteilung der Welt... bedeutet, der monopolistisch hohe Profite für eine Handvoll der reichsten Länder bedeutet, schafft die ökonomische Möglichkeit zur Bestechung der Oberschichten des Proletariats und nährt, formt und festigt dadurch den Opportunismus" (S. 286 [268]).

„Dadurch, daß die Kapitalisten eines Industriezweiges unter vielen anderen oder eines Landes unter vielen anderen usw. hohe Monopolprofite herausschlagen, bekommen sie ökonomisch die Möglichkeit, einzelne Schichten der Arbeiter, vorübergehend sogar eine ziemlich bedeutende Minderheit der Arbeiter zu bestechen und sie auf die Seite der Bourgeoisie des betreffenden Industriezweiges oder der betreffenden Nation gegen alle übrigen hinüberzuziehen. Diese Tendenz wird durch den verschärften Antagonismus zwischen den imperialistischen Nationen wegen der Aufteilung der Welt noch verstärkt. So entsteht der Zusammenhang von Imperialismus und Opportunismus, der sich am frühesten und krassesten in England auswirkte, weil dort gewisse imperialistische Züge der Entwicklung bedeutend früher als in anderen Ländern zutage traten" (S. 306 f. [287]).

So neigen alle Teile der bürgerlichen Gesellschaft sich im Zeichen des Imperialismus um die Interessen des Kapitals zu sammeln:

„Einerseits die gigantischen Ausmaße des in wenigen Händen konzentrierten Finanzkapitals, das sich ein außergewöhnlich weitverzweigtes und dichtes Netz von Beziehungen und Verbindungen schafft, durch das es sich die Masse nicht nur der mittleren und kleineren, sondern selbst der kleinsten Kapitalisten und Unternehmer unterwirft; andererseits der verschärfte Kampf mit den anderen nationalstaatlichen Finanzgruppen um die Aufteilung der Welt und um die Herrschaft über andere Länder all dies führt zum geschlossenen Übergang aller besitzenden Klassen auf die Seite des Imperialismus. .Allgemeine' Begeisterung für seine Perspektiven, wütende Verteidigung des Imperialismus, seine Beschönigung in jeder nur möglichen Weise das ist das Zeichen der Zeit. Die imperialistische Ideologie dringt auch in die Arbeiterklasse ein. Diese ist nicht durch eine chinesische Mauer von den anderen Klassen getrennt" (S. 290 [272]).

2. In gewissem Kontrast zu dem oben Angeführten steht ein anderer von Lenin vermerkter Sachverhalt; er wird später den Rang eines „Gesetzes" der „ungleichmäßigen Entwicklung" des Kapitalismus mit der Konsequenz einer „allgemeinen Verschärfung der Widerspräche" des Systems erhalten. Lenin wirft die damals vielerörterte Frage auf, ob die Marktzusammenschlüsse (Kartelle) geeignet seien, die Wirtschaftskrisen zu mildem. Die Antwort fällt verneinend aus:

„Die Ausschaltung der Krisen durch die Kartelle ist ein Märchen bürgerlicher Ökonomen ... Im Gegenteil, das Monopol, das in einigen Industriezweigen entsteht, verstärkt und verschärft den chaotischen Charakter, der der ganzen kapitalistischen Produktion in ihrer Gesamtheit eigen ist. Das Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Landwirtschaft und der Industrie, das für den Kapitalismus überhaupt charakteristisch ist, wird noch größer. Die privilegierte Stellung, die die am stärksten kartellierte sogenannte Schwerindustrie, besonders die Kohlen- und Eisenindustrie, einnimmt, ruft in den übrigen Industriezweigen eine .gesteigerte Planlosigkeit' hervor ..." (S. 212 [196]).

Aus solcher „Ungleichmäßigkeit" der Entwicklung entspringt die „Verschärfung der Widersprüche" des kapitalistischen Systems. Die wirtschaftliche Seite dieses Sachverhaltes behandelt Lenin allerdings recht kursorisch:

„Wie sehr der monopolistische Kapitalismus alle Widersprüche des Kapitalismus verschärft hat, ist allgemein bekannt. Es genügt, auf die Teuerung und auf den Druck der Kartelle hinzuweisen. Diese Verschärfung der Gegensätze ist die mächtigste Triebkraft der geschichtlichen Übergangsperiode, die mit dem endgültigen Sieg des internationalen Finanzkapitals ihren Anfang genommen hat" (S. 305 [286]).

Für Lenin ist wichtiger jene „Verschärfung der Widersprüche", die sich auf der allgemein-gesellschaftlichen Ebene, im übrigen auch im Verhältnis zwischen den Nationen zuträgt und die er auf den herrschaftlichen Charakter des Monopolkapitals zurückführt.

3. „Reaktion auf der ganzen Linie": Wie vor ihm schon Hilferding, so führt auch Lenin aus:

„Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet das ist das Ergebnis dieser Tendenzen. Insbesondere verschärfen sich auch die nationale Unterdrückung und der Drang nach Annexionen, d. h. nach Verletzung der nationalen Unabhängigkeit... Es muß hinzugefügt werden, daß der Imperialismus nicht allein in den neu erschlossenen, sondern auch in den alten Ländern zu Annexionen, zur Verstärkung der nationalen Unterdrückung und folglich auch zur Verschärfung des Widerstands führt" (S. 302 f. [283]).

Lenins Darstellung resümiert sich dahin:

„Aus allem, was über das ökonomische Wesen des Imperialismus gesagt wurde, geht hervor, daß er charakterisiert werden muß als Übergangskapitalismus oder, richtiger, als sterbender Kapitalismus (umira-juscij kapitalizm)" (S. 307 [288]).

3. Würdigung

Mit sicherem Instinkt hat Lenin sich aller Wagnisse der Spekulation enthalten, durch welche so manche marxistische Imperialismustheoretiker in die Irre geführt worden sind. Allerdings bleibt seine Darstellung im ganzen teils beschreibend, teils recht freizügig deutend. Manches bedürfte näherer Ausführung, einiges ist widersprüchlich. Bedeutungsvoll ist, daß Lenin den Imperialismus als eine gesamtgesellschaftliche, nicht nur ökonomische Erscheinung betrachtet, und daß er ihm einen bestimmten geschichtlichen Platz in der neueren Entwicklung anweist. Auch hat er es vermieden, „Monopol" und „Konkurrenz" in ein starres Verhältnis des Gegensatzes zueinander zu bringen. Daß die Produktion unter den Bedingungen des Monopolismus sogar beschleunigt wachsen könne, wird von Lenin anerkannt. Allerdings steht dies in gewissem Kontrast zu dem von Lenin zutreffend vermerkten Anwachsen der „unproduktiven" Schichten der Gesellschaft und zu seiner allgemeinen Qualifizierung des Imperialismus als eines Stadiums des „faulenden" und sogar „sterbenden" Kapitalismus, ökonomisch bleibt das System für Lenin jedenfalls höchst virulent.

Was die „ungleichmäßige Entwicklung" des Kapitalismus angeht, so wird sie von den neueren Marxisten wie schon von Hilferding auf eine Spaltung der Profitraten zwischen monopolisierten und nichtmonopolisierten Sektoren der Wirtschaft (sowie zwischen den Ländern verschiedener ökonomischer Höhe) zurückgeführt. Die von Marx für die Verhältnisse der freien Konkurrenz geltend gemachte Tendenz zum Ausgleich der Profitraten (vgl. Bd. I der „Texte") muß damit entfallen.

Das Theorem der „ungleichmäßigen Entwicklung" zwischen den Ländern der kapitalistischen Welt hat für Lenin und seine Folger große „strategische" Bedeutung gewonnen: beruht doch auf ihm die wichtige Konsequenz, daß, anders als die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus sich dies gedacht haben, eine von Marxisten geleitete Umwälzung nicht nur in mehreren Ländern und zwar in den ökonomisch führenden zu gleicher Zeit, sondern auch in einzelnen Ländern durchführbar sei; und gerade in solchen, welche die bestehenden „Widersprüche" der Weltkonstellation am härtesten erfahren. (Theorie des „schwächsten Kettengliedes".) Proletarische Revolution in einem Land, und zwar in einem rückständigen, erschien daher unter den neuen Bedingungen als möglich; und demzufolge, wie J. Stalin (1879—1953) später gegenüber dem auf die „Weltrevolution" pochenden Trotzkij (1879—1940) geltend gemacht hat, auch „Sozialismus in einem Lande".

Anmerkung:

1) Imperializm kak vys'saja stadija fcapitalizma, geschrieben 1916 im Züricher Exil, veröffentlicht 1917 in Petrograd. Im weiteren zitiert nach „Werke", Bd. XXII, Berlin 1960 (Seitenangaben in runder Klammer) unter Vergleich mit der russischen Wiedergabe in „Socinenija", Bd. XXII, Moskau 19484 (Seitenangaben in eckiger Klammer).

Editoriale Anmerkung:

Der Text stammt aus Werner Hofmann, Sozialökonomische Studientexte, Band 3, Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Göttingen März 1966, Dritter Teil, Erster Abschnitt: Die sozialistische Lehre von „Monopolkapitalismus", „Imperialismus" und „allgemeiner Krise", S.166ff

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Lenins Hauptwerk "Der Imperialismus als „höchstes Stadium des Kapitalismus" gibt es komplett online bei
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1917/imp/index.htm