Zwischen Scham und Wahn Israel und die deutsche Linke 1945-2000

von
Martin Kloke

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1945-1967.
Zwischen Israel->Vergessenheit<, und Philosemitismus

Ueber das deutsch-juedische Verhaeltnis kursieren bis heute allerlei widerspruechliche Meinungen, denen meist ein Gran Wahrheit nicht abgesprochen werden kann: "Seit dem 9. Mal 1945 haben die Deutschen begonnen, tote Juden zu lieben", heisst es etwas flapsig bei Rafaet Seligmann. Einer serioeser anmutenden These zufolge stellte das zionistische Projekt in Palaestina jahrelang ein politisch-psychologisches Faszinosum dar - insbesondere fuer die deutsche Nachkriegslinke. Bei naeherem Hinsehen wird indessen erkennbar, dass >juedische< Themen lange Zeit mit einem Tabu belegt waren: Die Nachkriegsdeutschen vermieden nicht nur die kritische Auseinandersetzung mit ihrer NS-Vergangenheit; sie ignorierten auch das zionistische Aufbauwerk und die juedisch-arabischen Auseinandersetzungen.  

Der Antisemitismus als ein traditionelles Strukturmerkmal der deutschen Gesellschaft war mit dem Nationalsozialismus keineswegs untergegangen - nicht einmal in antifaschistischen Kreisen: Thomas Mann hatte wenige Monate nach Kriegsende nichts Besseres zu tun, als ueber rassetheoretische Empfindungen zu raesonieren;2 Marion Graefin Doenhoff, schon in der Nachkriegszeit gefragte "Zelt"-Kolumnistin, schrieb eine Gleichsetzung der israelischen Regierung mit dem NS-Regime herbei;3 Karl Thieme behauptete gar eine juedische Mitschuld an der "Verewigung des Antisemitismus"; sicherheitshalber bot er fuer seine These einen juedischen Kronzeugen auf,4 - eine Praxis, die Philosemiten und Antisemiten noch heute eigen ist. Nach den Befunden der empirischen Meinungsforschung lag die Zahl bekennender Antisemiten im August 1949 wieder bei 23 Prozent - mit steigender Tendenz (Dezember 1952: 34 Prozent).5  

Im Dezember 1945 glaubte ein Autor des Berliner "Tagesspiegel", ein Rezept dafuer entdeckt zu haben, wie "das juedische Problem in seiner Gesamtheit zu loesen" sei: durch "Auswanderung der heimatlosen Juden und ( ... ) vollstaendige Assimilation der Juden, die in Europa zu verbleiben wuenschen".6 Von dieser liberalen Variante der "Endloesung" abgesehen, nahm die deutsche Oeffentlichkeit von der Gruendung Israels im Mal 1948 wenig Notiz. Allenfalls wurde mit Genugtuung vermerkt, dass die unerwuenschten Displaced Persons allmaehlich Deutschland verliessen. Meldungen ueber die britische Palaestina-Politik und den arabisch- israelischen Konflikt beschraenkten sich auf das rein Faktische. Distanzierte Nuechternheit praegte auch die Berichterstattung in den "Wochenschauen". Das Drama im fernen Palaestina schien mit der Vertreibung und Ermordung der Juden durch die Deutschen nichts zu tun zu haben.  

In der Frage kollektiver Reparationen reagierten Politik und Gesellschaft zunaechst ausweichend. Auch der SPDVorsitzende Kurt Schumacher leistete sich auf dem Nuernberger SPD-Parteitag von 1947 eine konfuse Wortakrobatik: Einerseits behauptete er ein Uebersoll bereits geleisteter Reparationen; andererseits mahnte er die kollektive Verpflichtung zur "Wiedergutmachung" fuer die juedischen Opfer an.7 Ein Jahr spaeter rang Schumacher sich dazu durch, die "Uninteressiertheit" der Oeffentlichkeit an Entschaedigung und "Wiedergutmachung" zu beklagen.8  

1949 starteten linkskatholische Intellektuelle eine an Bundestag und Bundesregierung gerichtete Kampagne, "die so lange schon hingeschleppte Wiedergutmachung" endlich einzuleiten, um bestmoegliche Beziehungen zum juedischen Volk zu entwickeln, "besonders aber mit seinem Staat in Palaestina".9 Mit Eugen Kogon versuchte ausgerechnet ein ehemaliger Buchenwald-Haeftling -nicht etwa ein reuiger Ex-Nazi -, die Nachkriegsgesellschaft aufzuruetteln. Doch sein Vorstoss blieb erfolglos, war der Katholik doch gar nicht legitimiert, fuer den Mainstream der deutschen Gesellschaft zu sprechen.  

Eine Wende gab es erst, als im September 1951 zwei Hamburger Journalisten ihre Pressekampagne "Friedensbitte an Israel" begannen.10 Bundeskanzler Konrad Adenauer geriet unter Druck. Auch die deutlicher werdenden Forderungen aus dem Ausland liessen ihn die Flucht nach vorn antreten. Im September 1951 bekannte er sich vor dem Bundestag zum Prinzip der materiellen Entschaedigung.11 Nach langen Verhandlungen erklaerte die Bundesrepublik sich schliesslich bereit, eine Gesamtsumme -von knapp 3,5 Milliarden DM zur Verfuegung zu stellen - als kollektive Reparationsleistung groesstenteils an den Staat Israel.  

Die KPD, die in der ersten Legislaturperiode noch im Bundestag vertreten war, lehnte das Entschaedigungsgesetz prinzipiell ab. In Anlehnung an den anti-Israelischen Kurswechsel der UdSSR argwoehnte ihr Abgeordneter Mueller, die USA wollten mit Hilfe der westdeutschen Warenlieferungen "den in ihren Haenden befindlichen Staat Israel zur ruestungsmaessigen und operativen Basis fuer ihre aggressive Politik ausbauen".12 Einige CDU-Abgeordnete sowie viele Vertreter von CSU und FDP machten ihre Ablehnung verhaltener deutlich - durch Stimmenthaltung. Ohne die geschlossene parlamentarische Unterstuetzung durch die sozialdemokratische Oppositionsfraktion waere das von der Regierung ausgehandelte Abkommen gescheitert.13  

Mit dem Wiedergutmachungsabkommen schien der Bann des Schweigens gebrochen zu sein: Eine pro-israelische Grundeinstellung wurde geradezu zum Pruefstein wahrhaft demokratischer Gesinnung. Kam jetzt zum Durchbruch, was der US-amerikanische Hochkommissar John McCloy als die "Feuerprobe der deutschen Demokratie" bezeichnet hatte: die Frage, ob es den Deutschen gelaenge, zur Judenheit eine "gesunde Beziehung" aufzubauen?14 Das Wiedergutmachungsabkommen schuf Moeglichkeiten einer Katharsis, verhiess Teilhabe an kollektiver Suehne. Einige Traeger der oeffentlichen Meinung holten zum philosemitischen Befreiungsschlag aus. Dem Hetzbild des "Jud Suess" wurde Lessings "Nathan der Weise" entgegengesetzt. Kaum einer merkte, dass das neue Stereotyp vom toleranten, aufgeklaerten und emanzipiert- assimilierten Juden eine volkspaedagogische Inszenierung war, die wenig mit der Wirklichkeit der deutschjuedischen bzw. christhch- juedischen Gemengelage zu tun hatte; ungewollt mobilisierte der blinde Eifer antisemitische Ressentiments. Sozialdemokratische und christliche Linke setzten sich an die Spitze des philosemitischen Paradigmenwechsels. In ihrer kollektiven Erinnerungskultur forcierten sie "Antifaschismus", "Kirchenkampf" und "Internationationalismus".  

Erst jetzt konnten junge Deutsche authentische IsraelErfahrungen machen.15 Den Informationsreisen organisierter Gruppen folgten Arbeitseinsaetze in Kibbuzim, denen in jenen Jahren noch der Hauch abenteuerlicher Expeditionen anhaftete. Federfuehrend waren linkschristliche und studentische Initiativen.16 Ihre Reiseberichte ueberschlugen sich vor schrankenloser Bewunderung fuer Staat und Gesellschaft Israels. Auffallend war auch der Versuch, den juedischen Staat aus seinen realgeschichtlichen Bezuegen zu loesen. Nicht in einem pietistischen Winkelblaettchen, sondern in den "Gewerkschaftlichen Monatsheften" hiess es: ">lsrael< ist eine Aufgabe, kein Staat; eine Gemeinschaft, kein Volk, eine Verheissung, keine Macht ( ... ). >Israel< ist eine Utopie und die einzige Realitaet zugleich, in der sich das menschliche Leben von der Ewigkeit beruehrt findet, der Trost der Erwartung."17 Linke Publizisten heroisierten das fortschrittliche Aufbauwerk im "antikolonialistischen Pionierstaat" Israel,18 redeten einem Jugendkult das Wort,19 glorifizierten das Militaer als gesellschaftlichen "Erziehungsfaktor"20 und leugneten einen Interessengegensatz zwischen israelitschen Juden und palaestinensischen Arabern.21 Auf Parteiebene begannen vor allem Sozialdemokraten, Kontakte zur israelischen Schwesterpartei aufzunehmen. Weil beide Seiten sich ihrer Gemeinsamkeiten in der Weimarer Republik und im antifaschistischen Widerstand erinnerten, musste nicht erst krampfhaft nach Anknuepfungspunkten gesucht werden.22  

Mit Unterstuetzung des evangelischen Theologen Helmut Gollwitzer konstituierte sich 1957 an der Berliner Freien Universitaet die erste "Deutsch-Israelische Studiengruppe" (DIS). Die Gruppe organisierte inoffizielle deutschisraelische Begegnungen und wurde von Anbeginn durch den "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS) dominiert, der bereits vor 1957 ueber Kontakte zu israelischen Partnern verfuegte. (An dieser Stelle sei auch an die "Aktion Suehnezeichen" erinnert - 1958 entstanden im Kontext der Evangelischen Kirche: junge deutsche Aufbauhelfer begannen, an sozialen Projekten in Laendern mitzuarbeiten, die unter dem Naziterror besonders gelitten hatten. 1961 konnte die erste Freiwilligengruppe auch in Israel ein Hilfsprojekt realisieren.)

In den sechziger Jahren war der Prozess der deutsch-israelischen "Normalisierung" in vollem Gange, aufgehalten allerdings durch die Hallstein-Doktrin, die den Alleinvertretungsanspruch der BRD fuer ganz Deutschland postulierte: Die arabischen Staaten zoegerten die diplomatische Anerkennung der DDR hinaus, solange sie sicher sein konnten, dass die Bonner Regierung keine offiziellen Beziehungen zu Israel unterhielt. Dieses erpresserische Junktim mochte ein wachsender Teil der linken Gegenoeffentlichkeit nicht laenger hinnehmen: Der DGB startete im Oktober 1964 eine Unterschriftenkampagne fuer die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Obwohl rechtsradikale Presseorgane eine aufwendige Gegenpropaganda entfesselten und die Geschaeftsleitungen nicht weniger Betriebe die Initiative zu torpedieren suchten, sammelten die Akteure binnen drei Monaten 70.000 Unterschriften. Doch erst das Scheitern der Hallstein- Doktrin, das im Februar 1965 im Staatsbesuch des DDR- Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht in Kairo offenbar wurde, vermochte die Bundesregierung zum Einlenken zu bewegen: Die folgende bilaterale "Normalisierung" war "nicht die Frucht einer moralischen Grundsatzentscheidung, sondern die Loesungsformel eines Skandals".23 Vor diesem Hintergrund sah sich die linke Opposition in die Funktion eines Zuschauers verwiesen.  

Mit dem Austausch von Botschaftern 20 Jahre nach dem Ende des Holocaust begann ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen. Fortan beschraenkte sich das Interesse an Israel nicht mehr auf kleine geschichtsbewusste und politisierte Gruppen linker Praegung. "Normalitaet" im deutsch-israelischen Verhaeltnis drueckte sich jetzt auch in jenem realpolitischen Kalkuel aus, das der FDP-Politiker Karl-Hermann Flach zur Sprache brachte: "Israel als europaeischer Vorposten im Nahen Osten und als >diplomatische Weltmacht< mit einem Einfluss ueberall auf der Weit, der weit ueber die Groesse und Bedeutung des Staates hinausgeht, kann der Bundesrepublik viele Tueren oeffnen."24 Linke Sozialdemokraten konnten ihr pro-israelisches Engagement bruchlos. fortsetzen. Bereits frueher geknuepfte Kontakte zu israelischen Partnern wurden nun intensiviert. Die aufkeimende Neue Linke jedoch geriet in eine Identitaetskrise: Die amtliche Kehrtwende erlaubte es ihr nicht mehr, zwischen pro-israelischem Engagement und kritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Gesellschaft einen Zusammenhang herzustellen. Aktivisten der Deutsch-israelischen Studiengruppen beklagten eine "Banalisierung" der bilateralen Beziehungen, da im Zuge des einsetzenden Massentourismus auch viele unpolitische Reisende nach Israel kamen, denen mit "oberflaechlicher Kontaktsuche" ein bequemes Alibi fuer die Verdraengung der Vergangenheit angeboten werde.25 Sie befuerchteten, zu einer "unpolitische(n) Gesinnungsgruppe deutsch-israelischer Freundschaftspflege" zu degenerieren.26 Das Bewusstsein, die exklusive Rolle des "Pionier(s) einer Aussenpolitik der Solidaritaet mit Israel" eingebuesst zu haben, trug massgeblich zum Niedergang des neulinken Engagements fuer den juedischen Staat bei.  

1967-1979: Antizionismus als Weltanschauung  

Als Israel sich Anfang Juni 1967 der Eskalations- und Umklammerungsstrategie der arabischen Anrainer-Staaten mit einem Praeventivschlag zu er-wehren suchte, wurde der juedische Staat auch hierzulande von einer Welle der Sympathie erfasst. Mit Beteiligung breiter linker Stroemungen, vereinzelt sogar lokaler SDS-Gruppen, kam es zu zahlreichen Solidaritaetsaktionen. Unter dem Eindruck einer monstroesen anti-israelischen Rhetorik der arabischen Kriegspropaganda27 schien es zunaechst, als falle auch der deutschen Linken noch immer eine besondere moralische Verantwortung fuer die Existenz des juedischen Staates zu.28 Den Hoehepunkt linker Solldaritaetsbekundungen bildete eine Veranstaltung an der Frankfurter Universitaet, wo mehrere prominente linke Hochschullehrer das Wort ergriffen: Der 1961 aus der DDR in die Bundesrepublik uebergesiedelte Philosoph Ernst Bloch, der noch ein Jahrzehnt zuvor den Staat Israel als "faschistisch" diffamiert hatte,29 ueberraschte durch sein leidenschaftliches Plaedoyer fuer die Existenz Israels, das er jetzt als "ein kleines, tapferes, seine Wuesten bebauendes, sein erneuertes Land verteidigendes Volk" charakterisierte.32 Bloch widersprach dem unter Linken populaer werdenden Imperialismusvorwurf gegenueber Israel und beklagte die linke "Bewusstseinsspaltung" als einen "Skandal ( ... ) mit ungewolltem Pogromklang".31 Ein vorlaeufig letztes Mal versammelten sich in Frankfurt Anhaenger einer linksorientierten Israel-Solidaritaet, auch um eine drohende antizionistische Wende der westdeutschen Linken abzuwenden.  

Israel hatte sich militaerisch auf der ganzen Linie durchgesetzt - gegen eine quantitative Uebermacht arabischer Armeen, die von der Sowjetunion ausgeruestet worden waren. Es war ein Teil des Westens geworden, psychologisch unterstuetzt durch die eruptive Israel-Begeisterung buergerlich-konservativer Kreise. "Wenn Springer fuer Israel ist, koennen wir nur dagegen sein", schlussfolgerten Anhaenger der aufkommenden Studentenbewegung. Der einst als progressiv geltende juedische Pionierstaat wurde bald nur noch als "Brueckenkopf des US-Imperialismus" in Arabien wahrgenommen. Zudem warteten die der Studentenbewegung nahestehenden Medien schon kurz nach dem Junikrieg mit immer groeber gezeichneten Schreckensmeldungen ueber eine angeblich bedenkenlos brutale Kriegfuehrung der Israelis auf; das liquidatorische Programm der arabischen Kriegsplanung geriet in den Hintergrund; differenzierte Stellungnahmen wurden rar.  

Die "Gesamtinteressen" der Linken, so formulierte es Anfang Juni 1967 der Marburger Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth, stimmten "staerker mit denen der arabischen Staaten ( ... ) als mit den Interessen Israels" ueberein.32 Im September 1967 gehoerte der SDS zu den ersten linken deutschen Organisationen, die einen radikal antizionistischen Kurswechsel vornahmen. Der Verband pflegte nun eine aggressiv anti-israelische Diktion: "Zionistische Kolonisierung Palaestinas hiess und heisst bis heute: Vertreibung und Unterdrueckung der dort lebenden eingeborenen arabischen Bevoelkerung durch eine privilegierte Siedlerschicht."33 In der Folgezeit richtete die studentische Linke ihr nahostpolitisches Interesse immer staerker auf die Palaestina-Araber. Eine PLO, die sich fortan als Teil einer globalen sozialrevolutionaeren Befreiungsbewegung praesentierte, indem sie ihren antizionistischen Kampf mit einer imperialtsmustheoretischen Legitimation versah, konnte sich der Zustimmung der neulinken Internationalisten gewiss sein. Waren die marginalisierten Massen der Dritten Welt die neuen Subjekte internationaler Emanzipationsprozesse, schien der Kampf der palaestinensischen Underdogs gegen die nunmehr offen vom US- Imperialismus unterstuetzten Israelis keine kritischen Nachfragen mehr zuzulassen. Ob in Algerien, Vietnam, Lateinamerika oder in Palaestina: In das theoretische Korsett des Antimperialismus gezwaengt, traten die historischen Besonderheiten und Widersprueche der einzelnen Konfliktgebiete zugunsten antikolonialer "Eindeutigkeit" zurueck.34  

Beeindruckt von der Schlagkraft palaestinensischer Fedajin, die im Maerz 1968 an der jordanisch-israelischen Demarkationslinie den israelischen Streitkraeften empfindliche Verluste beigebracht und auf diese Weise - wenigstens fuer ein paar Stunden - die arabische "Wuerde" wiederhergestellt hatten ("Schlacht von Al Karamah"), verloren weite Teile der Neuen Linken ihre letzten Vorbehalte gegenueber dem palaestinensischen "Volksbefreiungskrieg". Die Weigerung der PLO, das Heimat- und Selbstbestimmungsrecht der juedisch-israelischen Nation auch nur ansatzweise anzuerkennen,35 schadete dem geradezu mythischen Nimbus der PLO nicht. Linke Publizisten begannen ein Palaestinenserbild zu zeichnen, das sich mit den heroischen Selbstdarstellungen palaestinensischer Kampforganisationen deckte. Dieser Schulterschluss zwischen linken deutschen Studenten und in der Bundesrepublik lebenden arabischen Fatah- Anhaengern entwickelte sich 1969 zu einem zentralen Kennzeichen internationaler "Solidaritaet". Initiatoren nahostpolitischer Informationsveranstaltungen, die von linksradikalen Eiferern als "prozionistisch" eingestuft wurden, mussten fortan mit massiven Stoerungen rechnen.36 Die Israelfeindschaft der Neuen Linken wuchs sich zu einer geschlossenen antizionistischen Weltanschauung aus.37  

Auf Einladung palaestinensischer Freischaerler reiste Ende Juli 1969 ein knappes Dutzend fuehrender SDS-Mitglieder mit beinahe 100 weiteren internationalen Teilnehmern in das haschemitische Koenigreich Jordanien. Geruechte ueber die angebliche Aufstellung internationaler Brigaden durch die Fatah wurden erst Mitte August dementiert;38 gleichwohl loteten die deutschen Revolutionsromantiker Moeglichkeiten einer engeren Kooperation zwischen der antizionistischen Neuen Linken und den palaestinensischen Organisationen aus. Die Idee einer anschliessenden Erkundungsreise nach Israel zwecks kritischer Ueberpruefung des eigenen Standpunkts hielten die Besucher fuer voellig abwegig.39 Das Konzept des "Volksbefreiungskrieges", den Strategien des Vietkong entlehnt, liess die Fatah zum Hoffnungstraeger antiimperialistischer Sehnsuechte werden. Zeitweise uebersetzte und veroeffentlichte der SDS als Mitglieder- Service sogar die triuiphalistischen Fatah-"Militaerkommuniques" zu "erfolgreichen" Terroraktionen in Israel.40  

Fasziniert vom grassierenden Dritte-Welt-Mythos, mochten die SDS- Aktivisten nicht mehr an die historischen Voraussetzungen des Zionismus - seine Amalgamierung mit der Juedischen Leidensgeschichte in Europa erinnert werden. Auf der Grundlage simpler antlimperialistischer Erklaerungsmuster vertrat der SDS bis zu seiner Selbstaufloesung 1970 eine Politik der revolutionaeren "Unschuld", in der unter antizionistischen Vorzeichen auch Fragmente eines linken Antisemitismus virulent wurden. Als der israelische Aussenminister Abba Eban im Februar 1970 die Bundesrepublik bereiste, liess der Frankfurter SDS gemeinsam mit anderen Gruppierungen verlautbaren: "Der Besuch Abba Ebans, der als Vertreter eines rassistischen Staates in die Bundesrepublik reist, muss zu einer Demonstration und zum Protest gegen den zionistischen, oekonomisch und politisch parasitaeren (! M.K.) Staat Israel und seine imperialistische Funktion im Nahen Osten werden ( ... ). Nieder mit dem chauvinistischen und rassistischen Staatsgebilde Israel."41 Zu Zentren deutscher "Palaestina-Solidaritaet" avancierten fortan Universitaetsstaedte, in denen Anhaenger des neulinken Spektrums zum Sprachrohr des in der PLO organisierten palaestinensischen "Widerstandes" wurden. Unwidersprochen verbreiteten sie auch antisemitisches Gedankengut. Das Bonner Palaestinakomitee suggerierte in seinen Statuten die ominoese Existenz eines "juedischen Kapitals";42 Berliner Maoisten verfassten 1971 ein Flugblatt gegen "US- Imperialismus und We]tltzionismus";43 die Leitung des Kommunistischen Bundes rief nach dem aegyptischen Ueberfall auf Israel - waehrend des hoechsten juedischen Feiertags "Yom Kippur" (Oktober 1973) -zum Kampf gegen den "internationalen Zionismus" auf.44  

Trotz ideologisch unterschiedlicher Akzentsetzungen bemuehten sich die lokalen Palaestinakomitees von Anfang an um eine Koordination ihrer Aktivitaeten. Die Delegierten einer europaweiten Arbeitstagung verabschiedeten im Maerz 1971 eine Plattform, die die antizionistische Identitaet der Gruppen festschreiben sollte: Da Israel "ein kapitalistischer, kolonialistischer und rassistischer Staat" sei, muesse mittels des "bewaffnete(n) Volkskrieg(s) ( ... ) die vollstaendige Zerschlagung des zionistischen Staates" erfolgen. Eine Zweistaatenloesung bzw. eine binationale Entwicklungsstrategie verwarfen sie als "gegen die Interessen der Revolution" gerichtet.45  

Einen organisatorischen Aufschwung nahm die ausserparlamentarische Solidaritaetsbewegung ausgerechnet in jener Zeit, in der der toedliche Ueberfall von Mitgliedern der palaestinensischen Organisation "Schwarzer September" auf die israelische Olympia-Mannschaft im September 1972 ein Klima innenpolitischer Repression einleitete: Massenhaft wurden vermeintliche oder tatsaechliche Sympathisanten der palaestinensischen Terrorszene abgeschoben.46 Neulinke Initiativen organisierten Solidaritaets- und Rechtshilfeaktionen, begleitet von Presseerklaerungen und demagogisch ueberfrachteten Agitationsbroschueren.47 Allein in Dortmund demonstrierten Anfang Oktober 1972 mehrere tausend Menschen.48 Wenig spaeter beschlossen Vertreter von gut 60 Studentenausschuessen, Verbaenden und K-Gruppen die Durchfuehrung einer bundesweiten Solidaritaetswoche "zur Unterstuetzung des Befreiungskampfes des palaestinensischen Volkes". Im gemeinsamen Aufruf verstieg man sich, wie so oft in diesen Jahren, zu antizionistischen, das Existenzrecht Israels negierenden Parolen: "Nieder mit Imperialismus, Zionismus und der arabischen Reaktion!" usw.49  

Spaetestens Mitte der siebziger Jahre gerieten die Palaestinakomitees immer staerker unter den Einfluss kleiner, aber lautstarker kommunistischer Kaderparteien. In martialisch betitelten Zeitschriften und sporadisch erscheinenden Winkelblaettchen verbreiteten rivalisierende Gruppen ihre Vorstellungen zur "palaestinensischen Revolution". Die ideologische Zersplitterung der PLO fand ihre akribische Entsprechung im Selbstverstaendnis jener Komitees, die sich der exklusiven Unterstuetzung palaestinensischer Partialinteressen verschrieben hatten. Bei allem Dissens im Detail aber zeichneten ihre Aktivisten das Bild vom "heldenhaften Kampf des palaestinensischen Volkes" gegen das "zionistische und imperialistische Gebilde >lsrael<".53 Entsetzt ueber den aegyptisch-israelischen Entspannungsprozess von Camp David fanden sich auf Initiative der Bonner PLO-Informationsstelle "Palaestina" im Spaetherbst 1977 zwanzig deutsche Palaestinakomitees zusammen, um noch einmal den Versuch einer Vereinheitlichung der Solidaritaetsbewegung zu unternehmen. Auch jetzt, wo der linksradikale "Internationalismus" erste Krisensymptome aufwies, suchte man zwecks ideologischer Selbstvergewisserung das Heil in einer gemeinsamen "Plattform"51: Die versammelten Komitee-Vertreter berauschten sich an der Forderung einer "vollstaendige(n) Zerschlagung des zionistischen Staates in Palaestina" und beschworen ihre vollstaendige Identifikation mit dem Mythos einer palaestinensischen Autoemanzipation: "Die Palaestina-Komitees betonen, dass das palaestinensische Volk sein eigener Befreier ist und im Vertrauen auf die eigene Kraft seine Revolution zum Sieg fuehren wird."52  

Militant-anarchistische Kreise der Neuen Linken trieben die Glorifizierung ihrer palaestinensischen "Helden"-Figuren auf die Spitze. Publizistisches Forum der "libertaeren" Kommunisten wurde die West-Berliner "Underground"-Zeitung "Agit 883", die trotz wiederholter staatlicher Ermittlungen und Verbotsverfuegungen zeitweise eine woechentliche Verkaufsauflage von bis zu 20.000 Exemplaren erreichte. In immer neuen Variationen beschworen ihre Autoren die "grossartige Wahrheit" des bewaffneten Widerstandes der palaestinensischen Fedajin,53 "weil das Gewehr die einzige Ausdrucksmoeglichkeit aller Unterdrueckten ist - ueberall".54 Doch beschraenkten sich die linken Schreibtischtaeter nicht auf eine revolutionsromantische Aesthetisierung von Gewalt, sondern warben unter dem Motto "Schlagt die Zionisten im eigenen Land! " auch fuer einen gewaltbereiten Kampf gegen die "Erfuellungsgehilfen" Israels in der BRD.55  

Ausgerechnet in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1969 machten deutsche Antizionisten Ernst mit ihren Phantasien und griffen (wie weiland ihre Vaeter) juedische Einrichtungen an. Im Bekennerschreiben erklaerten die "Schwarzen Ratten TW" (Tupamaros Westberlin): "Am 31. Jahrestag der faschistischen Kristallnacht wurden in Westberlin mehrere juedische Mahnmale mit >Schalom und Napalm< und >El Fatah< beschmiert. Im juedischen Gemeindehaus wurde eine Brandbombe deponiert. Beide Aktionen sind nicht mehr als rechtsradikale Auswuechse zu diffamieren, sondern sind ein entscheidendes Bindeglied internationaler Solidaritaet Der wahre Antifaschismus ist die klare und einfache Solidarisierung mit den kaempfenden Feddayin ( ... ). jede Feierstunde in Westberlin und in der BRD unterschlaegt, dass die Kristallnacht von 1938 heute tagtaeglich von den Zionisten in den besetzten Gebieten, in den Fluechtlingslagern und in den israelischen Gefaengnissen wiederholt wird. Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palaestinensische Volk ausradieren wollen."56 Welcher Gruppe die Urheber des Bombenanschlags entstammten, konnte bis heute nicht geklaert werden. Obwohl die Aktion auch unter den Aktivisten der Palaestinakomitees (PKs) auf heftige Kritik stiess,57 war damit ein Fanal gesetzt, das nicht ohne Folgen blieb.  

Ein Teil der unter verschiedenen Namen auftretenden "Haschrebellen", aus denen bald die "Bewegung 2. Juni" hervorgehen sollte, hatte bereits im Sommer 1969 in palaestinensischen Lagern in Jordanien eine militaerische Grundausbildung durchlaufen. Mit "dem totalen Willen zu kaempfen sind die Leute dann aus Palaestina zurueckgekommen", berichtete spaeter einer ihrer Mitstreiter.58 Erst die straff organisierte und professionalisierte "Rote Armee Fraktion" (RAF) begann im Fruehsommer 1970, aus den militant-antizionistischen Phantasien der spontaneistischen West-Berliner Anarcho-Szene blutigen Ernst zu machen: In zwei Schueben sickerten im Juni ueber zwanzig Mitglieder der RAF - darunter Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Horst Mahler - von Ost-Berlin via Beirut nach Amman ein, um in einem Ausbildungslager der Fatah von palaestinensischen Kaempfern unter-wiesen zu werden. Interne Unstimmigkeiten, aber auch Spannungen zwischen den deutschen und den palaestinensischen Kombattanten fuehrten nach zwei Monaten zu einem vorzeitigen Abbruch der >Ausbildung<.59  

Trotz des Eklats blieben die Verbindungen zwischen palaestinensischer und westdeutscher Guerilla auch in der Folgezeit bestehen: Im Sommer 1976 brachte ein deutsch- palaestinensisches Kommando aus Mitgliedern der "Revolutionaeren Zellen", der "Bewegung 2. Jum" und der "Popular Front for the Liberation of Palestine" (PFLP) ein franzoesisches Passagierflugzeug in ihre Gewalt und dirigierte die Maschine nach Entebbe (Uganda) um. Der Deutsche Wilfried Boese organisierte die raeumliche Trennung der juedischen von den nicht- juedischen Passagieren.60 Nicht zuletzt diese neue Qualitaet der antisemitischen Gewaltpraxis begann die antizionistische Selbstgewissheit der deutschen Palaestina-Solidaritaet in Frage zu stellen.  

1979-1989: Zerreissproben und Lernprozesse  

Schockiert von den Selektionspraktiken eines linksradikalen deutschen Terroristen realisierten fuehrende Anhaenger der Neuen Linken, dass der Kampf gegen Unrecht auch monstroese Zuege annehmen kann. Die Frage nach der Virulenz eines "linken Antisernitismus" stellte sich immer draengender. Einige erkannten, dass der Antizionismus in weiten Teilen der radikalen Linken eine kaum widersprochene Platzhalterfunktion fuer den gesellschaftsunfaehigen Antisemitismus eingenommen hatte; sie gingen auf Distanz zur Palaestina-Solidaritaet.61 Bei den verbliebenen PK-Aktivisten stellte sich eine wachsende Verunsicherung ein: Als die PLO, um ihr ramponiertes Ansehen aufzubessern, ihren agitatorischen Schwerpunkt auf politisch- diplomatische Initiativen verlegte, witterten deutsche Antizionisten zwar eine "ideologische Zersetzung", doch schien jetzt - auch unter dem Eindruck der enttaeuschenden Verhaeltnisse im befreiten Indochina - eine grundsaetzliche Neujustierung linker Solldaritaetsprinzipien angesagt.62  

Die linke Nahost-Debatte spitzte sich noch einmal zu, als die israelische Armee im Sommer 1982 in den Libanon einmarschierte, um dort befindliche PLO-Basen zu zerstoeren. In Zeitungen, Zeitschriften und Flugblaettern wurde Israel des Voelkermords an den Palaestinensern bezichtigt. Publizisten erlagen der Faszination begrifflicher Tabubrueche und witterten triumphierend die Gelegenheit, Antifaschismus und Antisemitismus miteinander zu versoehnen. Nicht zuletzt Journalisten der Berliner "Tageszeitung" ("Taz") beteiligten sich an jener historischpsychologischen Entlastungsoffensive, bei der die betroffenen Palaestinenser als die "neuen Juden" bezeichnet und die israelischen Invasoren mit den Nazis verglichen wurden. Die gezielte Vermischung historischer Ebenen gipfelte wechselweise im Vorwurf des "umgekehrte(n) Holocaust(s)" bzw. einer "Endloesung der Palaestinenserfrage".63  

Noch auf dem Hoehepunkt der hier nur angedeuteten verbalen Exzesse wurden Einsprueche gegen den Versuch laut, die deutsche Geschichte auf dem Ruecken ihrer Opfer bewaeltigen zu wollen. Trotz der schon Ende der siebziger Jahre begonnenen Reflexionsprozesse zeichnete sich erst im Sommer 1982 eine Wende im Palaestinenserbild ab. Wolfgang Pohrt stellte lakonisch fest: "Unter die Voelkermorde subsumiert, kann der Libanonkrieg nur als Kavaliersdelikt betrachtet werden ( ... ). Kein Grund zur Annahme, die Palaestinenser wuerden sich, wenn sie Erfolg haetten, anders verhalten als die Israelis. Kein Grund freilich auch, von den Palaestinensern zu erwarten oder zu verlangen, aus den Bombardements ihrer Fluechtlingslager durch die israelische Luftwaffe eine andere Lehre zu ziehen als jene Juden, die Israel gruendeten: Dass man vertreiben und verfolgen muss, will man nicht zu den Verfolgten und Vertriebenen zaehlen."64 Etwa zeitgleich mit juedischen Linken appellierte der Gruenen-Politiker Joschka Fischer an seine Mitstreiter, die nahoestlichen "Realitaeten" zur Kenntnis zu nehmen und von "blinde(r) Solidaritaet" mit den Palaestinensern abzusehen. Ganz im Sinne des von der Frankfurter Spontiszene unterstuetzten nahostpolitischen Kurswechsels der Neuen Linken forderte er: "Wir sollten endlich aufhoeren, palaestinensischer als die PLO zu sein. Wir sollten mit unserer Solidaritaet durchaus eigene Ziele verfolgen, was uns sowohl mit den Israelis als auch mit den Palaestinensern in Widerspruch bringen kann ( ... ). Ein zweites vietnamesisches Erwachen koennten wir uns dadurch ersparen."65  

Doch die Mahnungen linker Leitfiguren verhallten, wie sich bald herausstellte. Als im Herbst 1983 die im Libanon stationierten syrischen Truppen gemeinsam mit prosyrischen palaestinensischen Milizen Bastionen loyaler Gruppen des PLO-Vorsitzenden Arafats stuermten, erzeugten die Uebergriffe nicht einen Bruchteil jener Betroffenheit, die ein Jahr zuvor die israelische Invasion begleitet hatte; dies, obwohl allein im Fluechtlingslager Baddawl noerdlich von Tripoli mindestens eintausend Menschen den Tod fanden.66  

Auch die mit syrischer Unterstuetzung erfolgte Belagerung und Einkesselung von drei Palaestinenserlagern am suedlichen Stadtrand Beiruts durch schiitische Amal-Millzen zwischen Mai 1985 und Januar 1988 stiess auf eine Koalition des Schweigens, obwohl schon frueh Berichte ueber Massaker an palaestinensischen Bewohnern an die Weltoeffentlichkeit gelangt waren, die alle bisherigen Greueltaten im libanesischen Chaos in den Schatten stellen sollten.67 Bereits im Fruehsommer 1985 war in einer redaktionellen Notiz der "Taz" zu lesen: "Vermutlich liegt die Zahl der Opfer im >Lagerkrieg< heute hoeher als waehrend des Massakers in Sabra und Shatila, das falangistische Milizen unter den Augen israelischer Soldaten im September 82 veruebten. Das genaue Ausmass der syrischen Verwicklung im >Lagerkrieg< wird wohl nie geklaert werden. Denn anders als im Falle Israels 1982 wird es in Damaskus keine Untersuchungskommission ueber die Rolle Syriens geben. "68  

Trotz einer umfassenden Berichterstattung stiess das Leid der Palaestinenser jetzt nur noch auf taube Ohren. Verzweifelt fragte die "Taz"-Korrespondentin Beate Seel: "Wo bleibt der sonst uebliche Aufschrei ( ... )? Offenbar gelten andere Kriterien, wenn die Taeter nicht in erster Linie im prowestlichen Israel, sondern in arabischen Hauptstaedten sitzen. Manch einem der sonst so aufrechten Demonstranten liegt offenbar das Schicksal des palaestinensischen Volkes nicht laenger am Herzen, wenn er nicht gleichzeitig gegen eine >neue zionistisch-amerikanische Verschwoerung< protestieren kann."69  

1989-1999.- Ende der Funktionalisierung?  

In den spaeten achtziger Jahren erzeugte das unausgegorene Nahost- Engagement der links-alternativen Szene zunehmend Unbehagen. Insbesondere die Gruenen wurden von "kathartische(n) Zerreissproben" erschuettert.70 Zur allmaehlichen Maessigung trugen auch Organisationen wie die "Aktion Suehnezeichen/ Friedensdienste" und der "Deutsch-Israelische Arbeitskreis fuer Frieden im Nahen Osten" bei, die ihre publizistische Hintergrundarbeit beharrlich intensivierten.71 Seitdem selbst in der PLO die Notwendigkeit eines Kompromisses mit Israel mitunter eingestanden wird, praktizieren nicht einmal mehr "autonome" Kreise jene "klassische" Palaestina-Solidaritaet, die waehrend der Intifada gegen die israelische Besatzungsmacht voruebergehend neue Anknuepfungspunkte fuer radikalen Antizionismus und gewaltbereite pro-palaestinensische Revolutionsromantik gewonnen hatte.72  

Mit der Aufloesung des sowjetischen Machtblocks ist das nahostpolitische Interesse merklich abgeflaut. Diese Entwicklung ist nicht allein mit den Legitimationsdefiziten manichaeischer Feindbilder erklaerbar. Paralysiert von der Niederlage des real existierenden Sozialismus und vom stuermischen Prozess der deutschen Vereinigung haben sich die Zerfallserscheinungen einer orientierungslos gewordenen Linken dramatisch beschleunigt. Linksradikale Organisationen sind heute von der gesellschaftlichen Bildflaeche nahezu verschwunden. Nicht mehr nur Exzentriker fragen sich, ob das historische Projekt der Linken an seinem Endpunkt angekommen ist.  

Gleichwohl hat der Golfkrieg des Winters 1991 der deutschen Restlinken noch einmal Auftrieb verschaffen koennen - um den Preis einer erneuten ethnozentrischen und anti-israelischen Ausnichtung. Wochenlang musste die israelische Bevoelkerung mit Gasmasken in versiegelten Raeumen sitzen, weil der Irak im Besitz von chemischen Waffen war, die mit Hilfe deutscher Techniker zu einer tatsaechlichen Bedrohung geworden waren. Saddam Hussein drohte den Einsatz dieser Waffen gegen Israel an, obwohl der juedische Staat gar nicht Teil der alliierten Kriegskoalition war. In Israel, wo die Regierung Shamir sich nicht zu einem Gegenschlag verleiten liess, warteten die Menschen in gegen Gas abgedichteten Raeumen angstvoll das Ende des Krieges ab; schliesslich hatte der Irak Jahre zuvor chemische Waffen gegen die eigene kurdische Bevoelkerung eingesetzt. Angesichts der erneuten Konnotation von "Deutschen" und "Gas" machte sich zugleich ohnmaechtiger Zorn breit.73  

Doch die Protestler beschaeftigten sich mehr mit ihren eigenen Zukunftsaengsten als mit der bedrohlichen Situation der israelischen Bevoelkerung.74 Einige Vertreter der Friedensbewegung verhehlten nicht ihre Sympathien mit jenem irakischen Diktator, der einer ueberlegenen alliierten Streitmacht die Stirn bot. Dass der Aufruf zur zentralen Antikriegskundgebung in Bonn am 26. Januar 1991 keinerlei Hinweis auf die Bedrohung Israels enthielt, obwohl neun Tage vorher bereits die ersten irakischen Raketen im Grossraum von Tel Aviv eingeschlagen waren, wurde kaum registriert. Als der gruene Vorstandssprecher Christian Stroebele mit pazifistischem Pathos die Lieferung deutscher Abwehrwaffen an Israel ablehnte, nahm seine persoenliche Glaubwuerdigkeit allerdings deswegen Schaden, weil er noch in den achtziger Jahren die "Taz"Spendensammlung "Waffen fuer EI Salvador" koordiniert hatte. Der Parteiraeson wurde er schliesslich (voruebergehend) geopfert, nachdem er die Raketenangriffe auf juedische Wohngebiete als "die logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels" bezeichnet hatte.75  

In der Auseinandersetzung mit den "Abtruennigen" aus dem bellizistischen Lager der Linken fielen harsche Worte: Konnten Dissidenten mit juedischem Hintergrund noch mit fast mitleidigen Kommentaren rechnen,76 mussten sich andere "verlogene(n) Antifaschismus" und die "Daemonisierung Husseins" vor-werfen lassen.77 Berichte ueber die Bedrohung Israels durch die irakischen Raketen wurden nicht nur in rechtsextremen Medien, sondern auch in "antiimperialistischen" Kreisen als "Kriegspropaganda" bezeichnet.78 Fuer den Freiburger "Bund gegen Anpassung" bedeuteten die Angriffe auf israelische Staedte "nur ein bisschen Sachschaden" - eine "eher harmlose Kriegslist".79 In der feministischen "Emma" wurde Saddam Hussein entgegen sonst ueblicher Gepflogenheiten als "Bruder" gefeiert.80 Nur wenige dezidiert linke Zirkel boten der verbreiteten Faktenresistenz Paroli: Ein Grossteil jener 1.100 "KONKRET"-Leser/Innen, die in den Kriegswochen ihr Abo kuendigten, zeigte sich irritiert darueber, dass ihr Hausblatt, ehemals stramm antizionistisch, ploetzlich und unerwartet Solidaritaet mit Israel signalisterte.81  

Manche der zitierten antiizionistischen Entgleisungen klingen heute wie Relikte aus dem Kuriositaetenkabinett. 1993 hat Micha Brumlik in einem Nachruf auf das Israel-Bild deutscher Linker erklaert, mit dem vorlaeufigen Friedensschluss zwischen Israel und der PLO sei "ein Kapitel deutscher (Un)Bewusstseinsgeschichte geschlossen" worden.82 Dieser Trend mag mit kathartischen Binnenimpulsen zu tun haben, muss aber auch als ein Indikator fuer den aeusseren Zerfall der radikalen Linken in Deutschland angesehen werden. Die spaeten neunziger Jahre vermittelten den Eindruck, als ob nicht mehr Antifaschismus, Neutralismus und Antizionismus, sondern Pro-Israelismus, Westbindung und Antitotalitarismus die Leitideen einer gelaeuterten Linken ausmachten. Als Joschka Fischer und andere prominente Gruene im Fruehsommer 1995 zu ihrem ersten >Staatsbesuch< nach Israel aufbrachen, titelte die "Berliner Zeitung" nicht von ungefaehr: "Gruene sind jetzt auch bei Rabin salonfaehig."83 Israelfeindliche Ausfaelle im subkulturellen Milieu des rotgruenen Spektrums liessen sich eher als unfeine Entgleisungen denn als Ausdruck antizionistischer Grundueberzeugungen deuten.84 Der so hoffnungsvoll begonnene Friedensprozess im Nahen Osten mochte dazu beigetragen haben, dass ein weltanschaulich auftretender Antizionismus an Anziehungskraft verloren hatte. Ideologische Affinitaeten zwischen islamistischen Arabern und linken Deutschen oder das rechtsgerichtete Renegatentum von Intellektuellen wie Bernd Rabehl, Martin Walser und Horst Mahler schienen kaum mehr als exotische Randerscheinungen zu sein.  

Allerdings hat der Autor dieser Zellen in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass in einer marginalisierten Linken auch kuenftig mit einem Restbestand antizionistisch motivierter Protagonisten zu rechnen sein wird. Die antisemitische Saat geht stets dann aus dem kollektiven Unterbewussten auf, wenn Rueckschlaege im nahoestlichen Friedensprozess das Bild des "haesslichen" Israeli zu zeichnen erlauben. Ein Musterbeispiel dafuer ist die Al-Aksa-Intifada, die das Verhaeltnis der deutschen Linken zu Israel in alte Bahnen zurueckgeworfen hat. Die Praesidentschaften von George W. Bush und Ariel Sharon werden fuer nicht wenige deutsche Linke Grund genug sein, um Anti-Amerikanismus und Anti-Israelismus wieder nach Kraeften zu beleben.  

2000: Abschied von Illusionen  

Die israelisch-palaestinensischen Endstatus-Verhandlungen sind im Juli 2000 gescheitert, obwohl noch kein israelischer Ministerpraesident den Palaestinensern so weit entgegengekommen ist wie Ehud Barak: Er bot die Rueckgabe von 95 Prozent der besetzten Gebiete, die Aufloesung zahlreicher Siedlungen, territoriale Kompensationen aus dem Kernland Israels und die faktische Zweiteilung Jerusalems an - gegen die vage Hoffnung auf eine friedliche Koexistenz und gegen den Verzicht auf ein uneingeschraenktes Rueckkehrrecht der etwa 3,7 Millionen zaehlenden Diaspora-Palaestinenser.  

Es ist zu vermuten, dass Yassir Arafat sich davor scheute, die nur noch schmale Kluft zu ueberbruecken, um nicht als kompromisslerischer "Verraeter" in die palaestinensische bzw. panarabische Nationalgeschichte einzugehen. Zudem haette ihn der Schritt vom Guerillafuehrer zum Staatsmann gezwungen, Fragen der palaestinensischen 1nfrastruktur, des wirtschaftlichen Aufbaus und der Eingliederung von Fluechtlingsrueckkehrern zur Chefsache zu machen. Bei einem moeglichen Scheitern seines korrupten und durch westliche Alimentierung aufgeblaehten Apparats waere der Popanz des antizionistischen Suendenbocks unbrauchbar geworden - die innerpalaestinensischen Widersprueche haetten offen ausbrechen koennen. Angesichts der zu erwartenden Probleme im eigenen Lager kam Arafat der "Spaziergang" des israelischen Oppositionsfuehrers Ariel Sharon auf dem Tempelberg gerade recht. Denn eines war dem Palaestinenserpraesidenten so klar wie Sharon: Anders als die jordanischen Behoerden, die bis 1967 Juden den Zutritt zur Klagenlauer und anderen juedischen Gedenkorten verwehrt hatten, kann keine israelische Regierung den freien Zugang zu den Heiligtuemern der drei Weltreligionen verbieten, schon gar nicht ihren eigenen Buergern. Damit war der Weg frei fuer einen "spontanen", aber gut organisierten Aufstand. Der saekulare Nationalitaetenkonflikt wurde binnen weniger Stunden zu einem religioesen Kampf zwischen Muslimen und Juden. Die Weltgemeinschaft wusste sofort den Schuldigen zu benennen: Anstatt Arafat zu draengen, von der religioes aufgeladenen Konfrontation zum in Oslo vereinbarten Dialog mit Israel zurueckzukehren, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution, in der Israel "exzessive Gewaltanwendung" vorgeworfen wurde85 - dies, obwohl die israelische Armee zurueckhaltender agiert, als dies Streitkraefte in vergleichbaren Situationen weltweit zu tun gewohnt sind.86  

Auch die deutsche Oeffentlichkeit schloss sich fast einmuetig den einseitigen Schuldzuweisungen an, schuerte antijuedische Ressentiments und verbreitete gelegentlich sogar wider besseres Wissen gefaelschte Nachrichten.87 In der einfaeltigen Logik >linker< wie >rechter< Medien hat die palaestinensische Seite schon allein deswegen die Opferrolle inne, weil die Intifada- Kids bei ihren Angriffen die meisten Verluste erleiden. Taeter scheinen stets nur die Israelis zu sein: Zwar schreiten die in der Regel lediglich im Falle lebensbedrohender Attacken ein; doch ihr moralisch unverzeihliches >Vergehen> besteht darin, dass ihre Verluste sehr viel geringer sind als die der Palaestinenser.  

Die "Bundeszentrale fuer politische Bildung", der statutengemaess die Foerderung der deutsch-israelischen Beziehungen obliegt, hat unlaengst in ihrer "Beilage zur Wochenzeitung >Das Parlament<" eine Gruppe arabischer und deutscher Autoren aufgeboten, die dem Osloer Friedensprozess allesamt grundsaetzlich ablehnend gegenueberstehen (und schon immer gewusst haben wollen, dass die Verhandlungen nur dazu dienen sollten, eine palaestinensische Kapitulation herbeizuzwingen). Als einziger israelischer Autor kommt in dem Themenheft der revisionistische Halfaer Historiker Ean Pappe zu Wort, der mit seinem rigorosen Antizionismus wohl kaum mehr als sich selbst und 0,1 Prozent der juedisch- Israelischen Bevoelkerung vertritt.88  

Verkehrte Welt: Der von Arafat ernannte Mufti von Jerusalem und Palaestina, Sheik lkrima Sabri, hat auf dem Hoehepunkt der Al-Aksa- Intifada erklaert, dass eine glaeubige Mutter "von Freude erfuellt" sein muesse ueber den "Maertyrer"-Tod ihrer Kinder.89 Kein Wunder, dass Arafats Tansim-Milizen scharenweise Kinder an die vorderste Front schicken, um die Sympathien der Welt auf sich zu lenken und den Hass auf Israel zu schueren. Wer von den linken Friedenspaedagogen ist je der Frage nachgegangen, war-um in palaestinensischen Schulbuechern bis auf den heutigen Tag gegen "die Juden" gehetzt, die Zerstoerung des juedischen Staates gefordert und Israel selbst in offiziellen Atlanten nur als "besetztes Palaestina" firmiert?  

Schon wenige Monate nach Unterzeichnung der Osloer Vereinbarungen rief Arafat vor einem arabischen Publikum zum "Jihad" fuer die "Befreiung" Jerusalems auf und erinnerte daran, dass Mohammed ebenfalls Friedensvertraege mit Unglaeubigen geschlossen habe - als Vorspiel zu militaerischen Eroberungszuegen.90 Waehrend israelische Politiker darueber diskutieren, welche territorialen Konzessionen sicherheitspolitisch zu verantworten sind, wird der innerpalaestinensische Diskurs von ganz anderen Inhalten bestimmt: "Wir haben mit einem Feind zu ringen, der ein Shylock ist", verbreitet Othman Abu Garbije, Arafats Berater, ueber die offizielle Radiostation der Autonomiebehoerde, "Kol Falastin". "Al Hajat Al Jadidah", das amtliche Presseorgan der Autonomichehoerde, wettert gegen "die verlogenen Behauptungen der Zionisten von den Morden, die an den Juden (in der Shoah, M.K.) begangen wurden". Als ob es keinen Osloer Friedensprozess gegeben haette, sind in den spaeten neunziger Jahren in der palaestinensischen und arabischen Presse saekularisierte Ritualmordlegenden aufgetaucht, mit Ueberschriften wie: "Israelis infizieren palaestinensische Kinder mit dem Aids-Virus"; inzwischen kursieren auch "Berichte", die die Verbreitung israelischer Schokolade in der arabischen Welt, hergestellt aus Milch von BSEkranken Kuehen, zum Inhalt haben. Stand im Mittelalter der angebliche Mord an Christenkindern auf der Tagesordnung, wird heute das "Kindermoerder"-Phantasma zum anti- israelischen Schibboleth. Kann es da erstaunen, dass Juden und juedische Einrichtungen im Herbst 2000 weltweit attackiert wurden und der Staat Israel von seinen arabischen Nachbarn - mindestens hinter vorgehaltener Hand - noch immer fuer ein illegitinies Paria-Gebilde gehalten wird?91  

Derweil fordern die "selbstbewusst" randalierenden und attackierenden "Intifada-Kids", glaubt man Ludwig Watzal, Redakteur der Bundeszentrale fuer politische Bildung, "nur Selbstverstaendliches": "Sie wollen nicht die Buerde eines >palaestinensischen Versailles< auf alle Ewigkeit tragen."92 Birgit Cerha, Korrespondentin des Berliner "Tagesspiegel", treibt den Geschichtsrevisionismus auf die Spitze, indem sie behauptet, Israels "Entstehung (sei) nur durch das Leid Hunderttausender Palaestinenser moeglich geworden"93 - als ob es keine Shoah, keinen UN-Teilungsbeschluss und keine arabische Vernichtungsdrohung gegen die juedische Praesenz in Palaestina gegeben haette. Heute koennen in Berlin Tausende pro- palaestinenischer Demonstranten "Zionisten raus aus Palaestina" und "Israelis - Kindermoerder" skandieren, ohne dass eine kritische Oeffentlichkeit Anstoss an derlei antisemitischer Parolen nimmt.94 Als waehrend einer Palaestinademonstration in Wien Anhaenger der "Revolutionaer-Kommunistischen Liga" (RKL) und des "Kommunistischen StudentInnenverbandes" (KSV) fragten: "Was will die Juedische Politik? Weltherrschaft?", fuehrte das dort wenigstens zu "einer lange faelligen Antisemitismus- Diskussion".95  

Wie reagieren die Reste der deutschen Linken auf die neuerlichen Gewaltausbrueche? Die PDS- und DKP-nahen Zeitungen "Neues Deutschland" ("ND"), "Junge Welt" ("JW") und "Unsere Zeit" ("UZ") setzen personell96 und verbal eine boese Tradition fort: Wann immer die israelische Armee Angriffe des palaestinensischen Mobs abwehrt, sind dies "Racheaktion(en)", die die doch sonst religionslosen Kommunisten fragen laesst: "Wer stoppt dieses alttestamentarische Gemetzel?"97 Die trotzkistische "Arbeitermacht", die die letzten deutschen Weltrevolutionaere um sich schart, holt gar den antizionistischen Konsens der 68er aus der Mottenkiste. "Der zionistische Staat kann nicht reformiert - er muss zerschlagen ( ... ) werden." Es folgt der Aufruf zu einem "Arbeiterboykott gegen Israel", wobei die Aufforderung, gleichzeitig "entschlossen allen Formen des Antisemitismus entgegenzutreten98, nicht der Komik entbehrt. Demgegenueber mutet eine "JW"-Ueberschrift nachgerade gemaessigt an, die Israel nach einem palaestinensischen Autobombenanschlag Zurueckhaltung attestiert: "Aggression vorerst vertagt".99  

Die staatsnahe Linke aeussert sich kaum weniger tumb: Manfred Wuest, als Leiter des Goethe-Instituts in Ramallah offizieller Sendbote deutscher Leitkultur in Palaestina, hat sich als Experte fuer israelische Identitaet geoutet: "Tatsache ist, dass die meisten Israelis das Leben in dieser Region nicht interessiert. Sie wollen sie nur besitzen."100 Der Gruenen-nahe "Deutsch- Israelische Arbeitskreis fuer Frieden im Nahen Osten" (DIAK), der seit mehr als 20 Jahren eine "Position kritischer Solidaritaet" bezieht, glaubte schon zehn Tage nach Beginn der neuen Unruhen von einer "ueberharte(n) Reaktion Israels" sprechen zu koennen. Indem er die palaestinensische "Frustration" mit der "unnachgiebigen Haltung Israels" in Verbindung brachte, signallsierte er indirekt Verstaendnis fuer die palaestinensischen Gewalttaetigkeiten, denn Baraks Vorschlaege haetten "nicht einmal dem Minimum der palaestinensischen Erwartungen" entsprochen.101 Fuer Kirsten Maas, Vertreterin der Heinrich-Boell-Stiftung in Ramallah, ist Sharon nicht nur wegen seines Tempelberg- Auftritts, sondern auch wegen seiner frueheren Libanon-Politik schlicht ein "Faschist".102 Wer linke Antisemiten im 0Ton kennenlernen moechte, hat im Online-Forum der "Taz" reichlich Gelegenheit dazu.103 Eine Ausnahme bildet die, allerdings laengst nicht mehr der Linken, sondern dem Realo-Fluegel der Gruenen anhaengende Frankfurter "Kommune", in der auch israelische Positionen authentisch wiedergegeben werden.104  

Bei soviel historisch-politischem Sachverstand in den eigenen Reihen ist es den deutschen Parlamentsgruenen hoch anzurechnen, dass sie sich inzwischen - auch eingedenk frueherer israelpolitischer Peinlichkeiten - doch eher zurueckhalten.105 Allein der Abgeordnete Christian Sterzing wandte sich im Januar 2001 mit einer persoenlichen Erklaerung "zur aktuellen Entwicklung des israelischpalaestinensischen Konflikts" an die deutsche Oeffentlichkeit: Er geisselte die angeblich "exzessive und unverhaeltnismaessige Gewaltanwendung durch die israelische Armee", bemuehte sich aber streckenweise um eine Position der Aequidistanz; Kritik an den Palaestinensern wagte er freilich nur in homoeopathischen Dosen zu aeussern: "Die palaestinensische Seite muss sich auch fragen lassen, ob sie genug unternommen hat, um Kinder von gewalttaetigen Konfrontationen fernzuhalten, oder ob es sogar politische Kraefte gibt, die palaestinensische Kinder fuer diesen Konflikt instrumentallsieren." immerhin redete Sterzing nicht einem "ultlmative(n) EU-Friedensplan" das Wort, sondern warb um "Beitraege zur Deeskalation in einer verhandlungslosen Zeit".106  

Links- und oekosozialistische Linke auf europaeischer Ebene sind da weniger zimperlich: Anfang Dezember 2000 eilte eine Delegation der "Fraktion der Vereinigten Europaeischen Linken und Nordischen Gruenen" (KVEL/NGL) in das nahoestliche Krisengebiet, um eine "Antwort" auf die Eskalation der Gewalt zu finden: "Die wichtigste Botschaft", so heisst es im "ND" ueber die europaeischen Emissaere, "brachte die Gruppe aus den Krankenhaeusern in Gaza und Ramallah mit: Es bedarf dringend internationaler Unterstuetzung, damit die unverhaeltnismaessige Gewalt des israelischen Militaers gegen die palaestinensische Zivilbevoelkerung beendet wird." Die (noch?) tabubehaftete Schlussfolgerung ueberliessen die fortschrittlichen Europaeer den palaestinensischen Fragestellern: "Warum hat die Nato im Kosovo eingegriffen, waehrend die internationale Gemeinschaft Israel gewaehren laesst?." Dass es moeglich waere, auch einmal israelische Opfer palaestinensischer Gewalttaten zu besuchen, ist den linken Europa-Politikern nicht eingefallen.107  

Man muss sich nicht die verschwoerungstheoretischen Argumente antinationaler Linker zu eigen machen, die in den Palaestinensern "das derzeit aggressivste antisemitische Kollektiv" sehen,103 um die Konturen einer zweiten - mehr als virtuellen - Nahostfront in den Medien zu erkennen: Eine bemerkenswerte Koalition linksliberaler, linksradikaler und rechtsextremer Deutscher scheut nicht davor zurueck, Sympathien mit den zentralen Inhalten einer politischen Theologie des Islam zum Ausdruck zu bringen - erinnert sei an die Heroisierung palaestinensischer Maertyrer durch Christina Foerch im linksliberalen "Freitag".109 Als eine Mitarbeiterin des Berliner "Zentrums fuer Antisemitismusforschung" Anfang September 2000 vor einem internationalen Publikum die Vernetzung rechtsextrernistischer und istamistischer Gruppen (Hamas, Hisbollah) anhand einer eindrucksvollen Internet-Praesentation belegte,110 erntete sie empoerten Widerspruch aus den Reihen deutscher und US- amerikanischer Orientalisten, obwohl sie die "linke" Komplizenschaft erst gar nicht angedeutet hatte. Neonazis wie der fruehere RAF-Aktivist Horst Mahler begeistern sich inzwischen ungeniert fuer die deutsch-palaestinensische Volksfront: "Die Juden haben sich Palaestina genommen und betreiben dort Voelkermord, das bringt eine gemeinsame Front der Deutschen und Palaestinenser zustande." Bei der NPD-Demonstration am 26. November 2000 schwenkten einige Teilnehmer genauso begeistert die palaestinensische Flagge, wie es jahrelang deutsche Antizionisten vorgemacht hatten; in Gaza-City und in anderen palaestinensischen Autonomiestaedten trugen in den vergangenen Monaten wiederholt palaestinensische Demonstranten Hakenkreuzfahnen vor sich her.111  

Derweil geben linke Nahost-Experten wie der PDS-Abgeordnete Wolfgang Gehrcke unverdrossen die Parole aus: "Erst der Palaestinenserstaat wird auch Israel Sicherheit geben."112 Um sich ihr Weltbild von den aufrechten palaestinensischen Freiheitskaempfern bewahren zu koennen, ueben sich nicht wenige Linke derart beharrlich in Faktenleugnung, dass ihnen zu kritischen Analysen kaum anderes einfaellt als gegen "die anhaltende Verbreitung von Luegengeschichten ueber den Hass der Voelker in der Region" anzuschreiben. Einige Leser der laengst vom Antizionismus abgekehrten KONKRET ergehen sich heute in Spekulationen ueber eine vermeintliche Alimentierung der Zeitschrift "von juedischer Seite". Verschwoerungstheoretisch die angebliche "Wahrheit ueber die Hintergruende des Zionismus" aufzudecken, ist da allemal vertrauter.113 Die aggressiv anti- israelische Massenkundgebung fanatisierter Palaestinenser und einiger ihrer deutschen Sympathisanten am Vorweihnachtstag 2000 wurde selbst in der liberalen Presse auffaellig harmlos notiert: "Stressfreier Weihnachtsbummel auf den letzten Druecker. Palaestinenser-Demonstration in der Innenstadt verlief ohne Zwischenfaelle."114  

Die Traeume vom fortschreitenden Friedensprozess, den deutsche, europaeische und auch israelische Linke getraeumt haben, sind in den Gewaltexzessen der vergangenen Monate zerplatzt. Man wird sich - allen multikulturellen Hoffnungen zum Trotz - an die bittere Wahrheit gewoehnen muessen, dass der Hass der arabischen Massen auf Zionismus und die Juden noch immer grenzenlos ist. Es ist eine Tatsache, dass immer dann, wenn die israelische Linke an der Regierung gewesen ist, das Leben von Israelis besonders bedroht war. So unappetitlich die Politik des Likud von aussen erscheinen mochte: Der Terror hielt sich in den Zeiten, in denen die Rechte regierte, in Grenzen, obwohl auch der Likud sich am Friedensprozess beteiligte - in den siebziger Jahren wurden territoriale Konzessionen durch Menahem Begin eingeleitet (Sinai- Rueckzug) und in den Neunzigern durch Benjamin Netanjahu fortgesetzt (Rueckzug aus Hebron usw.). Je mehr die israelische Linke sich dem Frieden verschrieb, um so mehr blieb die Sicherheit der israelischen Bevoelkerung auf der Strecke - das ist die erfahrungssatte Feststellung des durchschnittlichen Israeli, die im Februar 2001 den erdrutschartigen Wahlsieg von Ariel Sharon moeglich gemacht hat. Vielleicht koennen die Palaestinenser nur einen illusionslosen und selbstbewussten "Falken" wie Sharon als Verhandlungspartner ernst nehmen, der fuer einen erneuerten Friedensprozess eine breite gesellschaftliche Mehrheit hinter sich zu vereinigen wuesste. "Frieden muss eine solide Basis haben und ueber Generationen halten", war das Wahlkampfcredo des neuen Ministerpraesidenten.115 Wenig beachtet von einer ressentimentgeladenen Journaille hat Sharon noch am Ende des Fastenmonats Ramadan eine Friedensbotschaft an Arafat gerichtet. Im Interview mit einer ultraorthodoxen israelischen Zeitung unterbreitete er bereits Ende 2000 ein Verhandlungsangebot fuer ein "langfristiges Interimssabkommen". die Uebergabe von 42 Prozent des Westjordanlandes an die Palaestinenser.116 Dieses sicherheitspolitisch motivierte "Angebot", das wenig mehr als ein Waffenstillstandsabkommen zu sein verspricht, faellt auf dem Papier weit hinter den Stand der Verhandlungen zwischen Barak und Arafat zurueck, doch sollten nicht nur die Nahost- Maximalisten, sondern auch deutsche Linke endlich begreifen: Weniger ist manchmal mehr.

Anmerkungen:  

1 DS, 18.9.1998, S. 5.  

2 Thomas Mann am 27.10.1945, in: ders., Tagebuecher 1944- 1.4.1946, hrsg. von Inge Jens, Frankfurt/Main 1986, S. 269.  

3 Marion Grafin Doenhoff, Voelkischer Ordensstaat Israel, in: "Zeit", Nr. 39, 23.9.1948, S. 1.  

4 Karl Thieme, Die Christen, die Juden und das Heil, in: "Frankfurter Hefte" ("FH"), Heft 2/1949, S. 113.  

5 Siehe Elisabeth Noelle und E.P. Neumann (Hrsg.): Jahrbuch der Oeffentlichen Meinung 1947-1955, Bd. 1, Allensbach 1956, 2. Aufl., S. 128  

6 N.N., Juden in Deutschland. Auswanderung oder Assimilation, in: "Tagesspiegel", 5.12.1945 - zitiert nach Fritz Stern, Im Anfang war Auschwitz. Antisemitismus und Pbilosemitismus im deutschen Nachkrieg (Schriftenreihe des Instituts fuer Deutsche Geschichte, Universitaet Tel Aviv), Gerlingen 1991, S. 83.  

7 Kurt Schumacher, Deutschland und Europa, in: Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der SPD vom 29. Juni bis 2. Juli 1947 in Nuernberg, Berlin/Bonn-Bad Godesberg 1976 (unveraenderter Nachdruck der Ausgabe: Hamburg 1948), S. 44 f. und 50 f.  

8 ders., Die Sozialdemokratie im Kampf fuer Freiheit und Sozialismus, in: Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der SPD vom 11. bis 14. September 1948 in Duesseldorf, Berlin/Bonn- Bad Godesberg 1976 (unveraenderter Nachdruck der Ausgabe: Hamburg 1949), S. 33.  

9 Eugen Kogon, Juden und Nichtjuden in Deutschland, in: FH", 9/ 1949, S. 729.  

10 Vgl. Erich Lueth, Die Friedensbitte an Israel 1951. Eine Hamburger Initiative, Hamburg 1976, S. 15-21 und S. 112-141.  

11 Siehe DBT 1/165, 27.9.1951, a.a.O., S. 6698,  

12 Verhandlungen des Deutschen Bundestages, I. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 1, 5. Sitzung (DBT, 1/254), Bonn, 18.3.1953, S. 12281.  

13 Das belegt die namentliche Abstimmung (vgl. DBT, 1/254, 18.3.1953, a.a.O., S. 12290 ff.  

14 Vgl. "Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland", 5.8.1949.  

15 Vgl. Erich Lueth, Reise ins Gelobte Land, Hamburg 1953, in ders., Ein Deutscher sieht Israel 1955, Hamburg 1955; Waldemar A. Berendsohn, Aufbauarbeit in Israel. Erlebnisse, Studien, Betrachtungen (Schriften gegen Diffamierung und Vorurteile, Bd. 4), Berlin-West, 1953,  

16 Siehe Rudolph Weckerling, Studienreise in den Nahen Osten, in: "Junge Kirche". Protestantische Monatshefte, 7/1960, S. 411 f. Unbehagen ueber den aufkommenden Israel-Polittourismus regte sich - wenn ueberhaupt - nur an der linken Peripherie. Vgl. Ulrike M. Meinhof, Hitler in Euch, in: KONKRET, 20.5.1961, S. 8: "Eine Revision des Antisemitismus kann sich nicht in Studienfahrten nach Israel erschoepfen, ist als Prosemitismus nur eine halbe Antwort ( ... ). "  

17 Hans-Joachim Heydorn, Judentum und Antisemitismus, in: "Gewerkschaftliche Monatshefte", 671958, S. 364.  

18 Vgl. Julius Kaufmann, Israel im Kampf mit Sumpf und Wueste, in: "FH", 7/1955, S. 510-513; Walter Dirks, Vorwort zu: Ellan-J. Finbert, Pioniere der Hoffnung, Israel. Abenteuer und Wagnis, Duesseldorf 1957, S. 7-13; Helmut Gollwitzer, Zehn Jahre Israel. Deutsche und Juden heute, in: "Der Monat", 8/1958, S. 53.  

19 "( ... ) erregendstes Element (in Israel, M.K.) ist die Jugend; von den jungen Frauen und Maennern Israels gilt vor allem dass sie Pioniere der Hoffnung sind (so Walter Dirks im Vorwort zu Elian-J. Finbert, Pioniere, a.a.O., S. 11); noch mehr ins Schwaermen geriet Gollwitzer (Zehn Jahre Israel, a.a.O., S. 55 ff.), indem er die "Verwandlung dieses Volkes in ein junges, ja das juengste und jugendkraeftigste Volk der heutigen Erde" bestaunte: -Der Jugend Israels gelten die Lobgesaenge aller Reisenden: Kraft, Natuerlichkeit, Schoenheit, Frische, Sellbstbe- wusstsem ruehmt man ihr nach - und das mit Recht ( ... ). Wo hat die Welt seit den letzten Kaempfen gegen die Roemer wieder solche Juden gesehen!"  

20 Gollwitzer, Zehn Jahre Israel, a.a.O., S. 55.  

21 Vgl. Dirks, Vorwort zu Finbert, Pioniere, a.a.O., S. 11.  

22 "Zwischen israelischen Sozialisten und den aelteren deutschen Sozialdemokraten waltet ein Verstehen, welches mehr ist als rationalistische Uebereinstimmung. Es ist auch eine Verbindung der Gefuehle" (so der israelische Gewerkschafter Dov Ben-Meir, in: Histadrut. Die israelische Gewerkschaft, Bonn 1982, S. 143).  

23 Thomas Scheffler, Die Normalisierung der Doppelmoral: Vierzig Jahre deutsch-israelische Beziehungen, in: "Probleme des Klassenkampfs" ("Prokla"), Heft 73,12/1988, S. 76-96, hier S. 84.  

24 Karl-Hermann Flach, Der Rubikon ist ueberschritten, in: "Tribuene", Heft 15,1965, S. 1591.  

25 Peter Mueller, Wozu ueberhaupt noch Deutsch-Israelische Studiengruppen? In: "Diskussion. Zeitschrift fuer Probleme der Gesellschaft und der deutsch-israelischen Beziehungen", Nr. 18, 2/1966, S, 6 ff.  

26 ebd., S. 8.  

27 So loeste der erste PLO-Vorsitzende Achmed Shukeiri weltweit - nicht nur in Israel - beklemmende Erinnerungen an den nazistischen Vernichtungsantisemitismus aus, als er im Vorfeld des Sechstage Krieges die Drohung ausstiess, "die Juden ins Meer zu treiben".  

28 Vgl. Martin Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhaeltnisses. Mit einem Vorwort von Micha Brumlik (Schriftenreihe des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises fuer Frieden im Nahen Osten, Band 20), Frankfurt/ Main: aktualisierte und erweiterte Neuauflage 1994, S. 106-110.  

29 Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Bd. 2, Frankfurt/Main 1959, S. 708.  

30 ders., in: Bloch u.a.: Frieden im Nahen Osten. Zum arabisch- israelischen Konflikt, Frankfurt/Main 1967, S. 18.  

31 ebd., S. 19 und 16.  

32 Wolfgang Abendroth am 5.6.1967 in einem Offenen Brief an den Frankfurter Erziehungswissenschaftler Berthold Simonsohn (Quelle: SDS-Nachlass im Archiv "APO und soziale Bewegungen" am Zentralinstitut fuer sozialwissenschaftliche Forschung an der FU Berlin).  

33 Der Konflikt im Nahen Osten. Dem SDS von der 22. Delegiertenkonferenz als Material ueber-wiesen, in: SDS- Bundesvorstand (Hrsg.), Die XXII. ordentliche Delegiertenkonferenz des SDS. Resolutionen und Beschluesse, S. 49.  

34 Dass die juedischen Einwanderer nicht selten aus "Mutterlaendern" stammten, in denen sie Pogromen und Liquidationen ausgesetzt waren, belegt die analytische Kurzschluessigkeit einer Reduktion des Palaestina/Israel-Konflikts auf seine koloniale Dimension. Nur am Rande sei vermerkt, dass billigerweise auch dem Kampf der juedischen Siedler gegen die britischen Besatzungstruppen ein antiimperialistischer Impetus zugestanden werden muss.  

35 Vgl. die Artikel 6 und 20 des palaestinensischen Nationalabkommens von 1968 (der Text ist dokumentiert in: Yehoshafat Harkabi, Palaestina und Israel, Stuttgart 1974, 2. Aufl., S. 72-91).  

36 Einzelheiten bei Kloke, Israel und die deutsche Linke, a.a.O., S. 127 f.  

37 ebd., S. 124-132.  

38 Vgl. "J.P.", Manipulation in Israel, in: "Agit 883", Nr. 31, 12.9.1969, S.3.  

39 ">Nach Israel fahren wir erst, wenn es sozialistisch geworden ist<" (so Bundesvorstandsmitglied Hans-Juergen Krahl, zitiert nach: "Sueddeutsche Zeitung" ("SZ"), 14./15.8.1969, S. 3).  

40 Vgl. SDS-INFO, Nr. 19, 8/1969, S. 3; siehe auch Rudolph Chimelli/Olaf Ihlau, Sommerlager studentischer Revolutionaere 111 Jordanien, in: "SZ", 14/15.8.1969, S. 3.  

41 "Teach in zum Besuch des israelischen Aussenministers Eban". Unterzeichner des Flugblatts: SDS, Generalunion Palaestinensischer Studenten (GUPS), Israelisches Revolutionaeres Aktionskomitee im Ausland (ISRACA/D), Trikont, Vereine der arabischen, iranischen und afghanischen Studenten, Frankfurt 18.2.1970 (vgl. SDS-Nachlass).  

42 "Al-thaura" (Bonn), Nr. 1, 1971, S. 4.  

43 Privatarchiv d. Verf.  

44 "Arbeiterkampf", Nr. 35, 1/1973.  

45 Text der Plattform in: Archiv "APO und soziale Bewegungen".  

46 Vgl. Harald Vocke, Die grosse Araberrazzia. Zu mangelnder deutscher Sachkenntnis kommt Nervositaet und israelischer Druck, in: "FAZ", 29.9.1972, S. 2.  

47 Vgl. Kurz Groenewold u.a. (Hrsg.): Politische Justiz. Dokumentation ueber den Ausweisungsterror an Palaestinensern, Hamburg, November 1972; Trikont-Verlagskooperative (Hrsg.), Der neue Antisemitismus, Die Liquidierung von Auslaenderorganisationen in der BRD.- Zum Verbot von GUPS und GUPA, Muenchen 1972.  

48 "SZ", 9.10.1972, S. 6.  

49 "Materialien zum antiimperialistischen Kampf", West-Berlin, 1/ 1973, S. 3 und 5 f.  

50 Beispielhaft das Flugblatt Koelner Maoisten von Mitte Oktober 1976 ("Was ist los im Libanon?"): "Die Aktionen der tapferen palaestinensischen Partisanen haben sich auf saemtliche besetzte Territorien wie Jerusalem und Galilaea, Jaffa, Gaza, den Golan- Hoehen und bis in die Hoehle der Zionisten, Tel Aviv, erstreckt" (Archiv "APO und soziale Bewegungen"); viele andere Belege in: Kloke, Israel und die deutsche Linke, a.a.O., S. 138-152.  

51 Vgl. das Protokoll des Treffens vom 19.11.1977 (ISPA-Archiv Bonn).  

52 Plattform der Nahost- und Palaestinakomitees in der BRD und Westberlin, in: "Nahost-Zeitung", hrsg. vom Nahostkomitee Hamburg, Nr. 1, 2/1978, S. 7.  

53 N.N., Emanzipatorische Bewegung der Palaestinenser, in: "Agit 883", Nr. 29, 28.8.1969, S. 8.  

54 N.N., Alle politische Macht kommt aus den Gewehrlaeufen, in: "Agit 883", Nr. 59, 7.5.1970, S. 9.  

55 So das "Kommando Michele Pirk" in einem Artikel gegen den BfGBankier Walter Hesselbach, in: "Agit 883", Nr. 59, a.a.O., S. 4.  

56 Schwarze Ratten TW, Schalom + Napalm, in: "Agit 883", Nr. 40, 13.11.1969, S. 9.  

57 Vgl. die "Erklaerung zum Bombenattentat auf das juedische Gemeindehaus in Berlin" des Frankfurter Palaestinakomitees, in der den Taetern vorgehalten wurde, einer fatalen "Identifizierung juedischer Institutionen (ausserhalb Israels, M.K.) mit zionistischen Basen" Vorschub geleistet zu haben (SDS-Info, Nr. 25, 1.12.1969, S. 29 f.).  

58 Michael "Bommi" Baumann, Wie alles anfing, Duisburg 1989, 3. Aufl., S. 75.  

59 Einzelheiten bei Stefan Aust, Der Baader/Meinholf-Komplex, Hamburg 1986, 3. Aufl., S. 103-116.  

60 Vgl. Kloke, Israel und die deutsche Linke, a.a.O., S. 168.  

61 Vgl. Editorial, Solidaritaet am Wendepunkt, in: Orient- Express. Informationsdienst der Orient-(Nahost-Mittelost)- Kommission der Liga gegen den Imperialismus, Nr. 3, 12/1979-1/ 1980, S. 1 .  

62 Peter Tautfest, Palaestina-Solidaritaet nach Indochina, Holocaust und Camp David, in: "Befreiung". Zeitschrift fuer Politik und Wissenschaft, Nr. 17/18, Fruehjahr 1980, S. 113; siehe auch "Kursbuch" 57, Der Mythos des Internationalismus, West-Berlin, 1979; weitere Einzelheiten bei Kloke, Israel und die deutsche Linke, a.a.O., S. 157 f. und 169 f.  

63 Vgl. Kloke, a.a.O., S. 220-229.  

64 Wolfgang Pohrt, Entlastung fuer Auschwitz. Palaestina, Israel und die Deutschen, in: "Taz", 28.6.1982, S. 7.  

65 Joschka Fischer, Israel - Ein Alptraum der deutschen Linken, in: "Pflasterstrand" (Sondernummer Palaestina), 9/1982, S. 50.  

66 Vgl. "Spiegel", Nr. 46,14.11.1983, S. 136-139 (Nahost: Arafats Endkampf in Tripoli) und Nr. 47, 21.11.1983, S. 141 f. (Libanon. Stunde der Vergeltung).  

67 Vgl. beispielhaft folgende "Taz"-Artikel: 28.5.1985, S. 1 f. (Berichte von Massakern aus Beirut. Keine Hilfe fuer Palaestinenser); 29.5.1985, S. 4 (Libanesisches Roulette); 3.6 . 1985, S. 6 (Das Lager Sabra ist ein Truemmerhaufen); 7.6.1985, S. 3 (Tagesthema: Der Krieg gegen die Palaestinenser in Beirut).  

68 ebd., 7.6.1985, S. 3.  

69 Beate Seel, Wo bleibt der Aufschrei? Beredtes Schweigen zum Lagerkrieg im Libanon, in: "Taz", 10.2.1987, S. 4.  

70 Vgl. Martin Kloke, Kathartische Zerreissproben: Zur Israel- Diskussion in der Partei "Die Gruenen", in: Herbert A. Strauss u.a. (Hrsg.): Der Antisemitismus der Gegenwart, Frankfurt/Main 1990, S. 124-148.  

71 Vgl. Kloke, Israel und die deutsche Linke, a.a.O., S. 207- 219.  

72 ebd., S. 243-246.  

73 ebd., S. 313 f.  

74 "Ich will reden von der Angst meines Herzens" - so der symptomatische Titel einer Luchterhand-Flugschrift, deren Beitraege in der Zeit von Ende Januar bis Mitte Februar 1991 entstanden sind (Autorinnen und Autoren zum Golfkrieg, Frankfurt/ Main 1991).  

75 "Jerusalem Post", 19.2.1991; siehe auch "SZ", 19.2.1991, S. 5.  

76 "Mensch Biermann, das mit dem bedrohten Israel, das bringt politisch dein familiaer ererbtes Lymphsystem auf solche Touren, dass DU zum Friedenskriegerhetzer verkrampfen MUSST" (Elmar Klink in: Mensch, Biermann, du Kommunist. Abgesang auf einen linken Saenger, in: "Grasw-urzelrevolution", Nr. 154,3/1991, S. 2).  

77 Vgl. die Rundschreiben der Gruenen-Politiker/in Manon Tuckfeld und Jens Christian Mueller ("Welt-kriegs-ordnung", 13.2.1991, in: Privatarchiv d. Verf.).  

78 So der Arbeitskreis antiimperialistische Solidaritaet Heidelberg u.a. Gruppen in einem ueberregionalen Demonstrationsaufruf vom 26.1.1991 ("Stoppt den Massenmord an den Voelkern im Irak").  

79 Bund gegen Anpassung: Dieser Krieg ist ueberfluessig wie ein Scheich (Flugschrift vom 23.1.1991).  

80 Fatima Mernissi, In der Nacht vorn 16. bin ich gestorben, in: "Emma"-Sonderband Krieg: Was Maennerwahn anrichtet, und wie Frauen Widerstand leisten, Februar 1991, S. 14.  

81 Vgl. KONKRET, 10/1991, S. 4.  

82 So in der "Taz", 14.9.1993, S. 10.  

83 "Berliner Zeitung", 20.5.1995, S. 6.  

84 Vgl. Martin Kloke/Micha Brumlik, Ein abgeschlossenes Kapitel? Die bundesdeutsche Linke und der Staat Israel. Anmerkungen zu einem gestoerten Verhaeltnis, in: KONKRET, 5/1998, S. 18-21.  

85 Vgl. "Berliner Zeitung", 9.10.2000, S. 1. Zum Vergleich: Noch nie in der Geschichte des Nahostkonflikts hat die Uno eine Resolution verabschiedet, in der Terrorangriffe auf Israel bzw. auf juedische Einrichtungen verurteilt wurden.  

86 "Wenn an neun aufeinander folgenden Abenden bewaffnete Maenner das Feuer von einem friedlichen Wohngebiet auf ein anderes friedliches Wohngebiet eroeffnen und nach einer Woche die Streitkraefte der Angegriffenen beginnen, mit schwereren Waffen Vergeltung zu ueben, so ist dies immer noch eine Reaktion und keine Aggression" (Yaacov Lozowick, Reflexionen der Realitaet, in: "Kommune", Dez. 20O0, S. 7).  

87 Vgl. Juergen Elsaesser, Der Moerder ist immer der Jude. Die deutsche Berichterstattung ueber die Unruhen in Nahost transportiert Ressentiments, in: "Allgemeine juedische Wochenzeitung", 23.11.200O, S. 3. Einschlaegig ist auch der Untersuchungsbericht ueber den angeblichen "Mord" israelischer Soldaten am 12jaehrigen Mohammed al-Dura, der eine vorurteilsgeladene Oeffentlichkeit Luegen strafen sollte (vgl. "zu Protokoll", in: KONKRET, 1/2001, S. 35).  

88 Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", Nr. 49,1.12.2000.  

89 Anmerkungen des Muftis von Jerusalem in einem Interview mit der aegyptischen Wochenzeitung "Al-Ahram Al-Arabi" (www.worldnet- daily.com/bluesky kupelian news/20001204 xndku who real).  

90 "Das Abkommen mit Israel ist nicht mehr als das Abkommen zwischen Muhammed und den Beni Qureisch." Ausschnitte aus der Rede Arafats in Johannesburg, in: "Israel & Palaestina". Zeitschrift fuer Dialog, Nr. 3, Juli 1994, S. 22 ff. (nach "Ha'aretz", 23.5.1994).  

91 Nadav Schragaj, Aufbruch zum Hass, in: "Israel & Palaestina", Nr. 1, 1998, S. 23 ff.; Horst Pankow, "Kindermoerder". Noch einmal ueber Antisemitismus, Zionismus, Deutsche und Palaestinenser, in: "Bahamas", Nr. 33, Herbst 2000, S. 5-9.  

92 Ludwig Watzal: In Rufweite der Apokalypse, "Freitag", Nr. 42, 13.10.2000.  

93 Birgit Cerha: Sie haben eine Traum, in: "Tagesspiegel", 5.1.2001, S. 7.  

94 So geschehen am 23.12.2000 auf dem Adenauerplatz. Ein entsprechendes Graffiti war bereits im Oktober auf eine Mauer neben die geschaendete Kreuzberger Synagoge geschmiert worden (vgl. auch Anton Graf, Tage des Zorns. Die Linke und der Antisemitismus, in: "jungle World", 11.10.2000).  

95 N.N., Linkswende, in: "Illustrierte Neue Welt",. Oktober/ November 2000, S. 37.  

96 Noch immer schreiben in den genannten Zeitungen Journalisten wie Hans Lebrecht, die schon zu DDR-Zeiten die staatlich verordnete Israelfeindschaft mit antizionistischen Tiraden fuetterten.  

97 Olaf Standke, Kriegszustand, in: "ND", 23.11.2000, S. 1 98 Michael Gatter, Palaestina. Solidaritaet mit der neuen Intifada!, in: "Arbeitermacht", Nr. 59, November/Dezember 2000, S. 17 f.  

99 "JW", 25./26.11.2000, S. 8  

100 Vgl. Stefan Schroer, Dies Land ist mein Land. Theater unter Okkupation, in: "Freitag", Nr. 36, 1.9.2000.  

101 DIAK-Erklaerung vom 8.10.2000 (http://www.diak.org/).  

102 So im Gespraech mit Gruenen-nahen "Israel-Experten" am 9. Oktober 2000 in Berlin.  

103 Vgl. Martin Krauss, Stimmen aus einem echt freien Land, in: KONKRET, 12/2000, S. 22.  

104 Vgl. beispielhaft Yaacov Lozowick, Reflexionen der Realitaet, in: "Kommune", Dezember 2000, S. 7-13.  

105 So etwa in der Bundestagsdebatte ueber die Lage in Israel und Palaestina am 26. Oktober 2000 (Protokoll im Internet).  

106 Privatarchiv d. Verf.  

107 Vgl. Karin Schuettpelz, "Noch nie ging Israels Armee so brutal gegen die Bevoelkerung vor". Eindruecke einer Beobachtergruppe der Linksfraktion des Europaparlaments, in: "ND", 9./10.12.2000, S. 3.  

108 Horst Pankow: "Kindermoerder", a.a.O., S. 7; siehe auch "Bahamas", Nr. 20, Sommer 1996: Schwerpunkt: Elemente des Antisemitismus.  

109 Christina Foerch, Steine und die Wut zu leben. Mit der Intifada erwachen viele palaestinensische Jugendliche aus Apathie und Resignation, in: "Freitag", 20.10.2000; vgl. auch Karl Selent, Von der Hisbollah lernen. Linke unterstuetzen den Djihad gegen Israel, in: KONKRET, 8/2000, S. 32.  

110 Juliane Wetzel, Internet: Die europaeische Rechte und der arabische Antizionismus, in: Die Entstehung von Feindbildern im Konflikt um Palaestina. Internationale Konferenz veranstaltet vom Zentrum fuer Antisemitisinusforschung der TU Berlin, 6.-8. September 2000.  

111 Vgl. entsprechendes Gedankengut auf Mahlers Website (http://www.horst-mahler.de/); siehe auch Eberhard Seidel, Gesichter des Antisemitismus, in: "Taz", 9.12.2000 sowie diverse Internet- und Fernsehberichte.  

112 So in der Nahostdebatte des Bundestages vom 26.10.2000, a.a.0.  

113 Siehe Ruediger Goebels Rezension zu Juergen Elsaessers Buch "Kriegsverbrechen", in: "JW", 21.10.2000 "Von Juden bezahlt?", in: KONKRET, Nr. 1, Januar 2001, S. 6.  

114 So die entsprechende Ueberschrift im Berliner "Tagesspiegel", 25.12.2000, S. 10.  

115 Zitiert nach "NAI" (Jerusalem), Januar 2001, S. 15. 116 "Scharon: Osloer Friedensabkommen ist tot", in: "Tagesspiegel", 11.1.2001, S. 6; vgl. auch die Ausgabe vorn 19.1.2001, S. 7.

Editoriale Anmerkung:

Dieser Artikel erschien in der Newsgroup de.soc.politik.texte mit dem Betreff: Israel und die deutsche Linke, gepostet on: K.Fischer@odessa.bonbit.org  (Kai Fischer) am 19. Dec 2001, 00:00:00