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SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.3 vom 03.02.2000, Seite 5

Staatsschutz kam im Morgengrauen
Durchsuchung: SoZ-Redakteur Knut Rauchfuss soll PKK unterstützt haben


von
Christoph Ruhkamp

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Am Morgen des 25.Januar, um 6 Uhr früh, schellt es fordernd an der Wohnungstür des SoZ- Redakteurs Knut Rauchfuss. Als er - noch im Morgenmantel - öffnet, drängen Polizeihauptmeister Olaf Sosna und drei weitere bewaffnete Polizisten der "Direktion Zentrale Kriminalitätsbekämpfung/ K14 - Polizeilicher Staatsschutz" durch die Tür. Sie beginnen umgehend, seine Wohnung zu durchwühlen. Außer drei Ausgaben der SoZ beschlagnahmen die Staatsschützer fast alle Protokolle, Briefe und Adressenlisten, die sie finden. Nach drei Stunden wird Rauchfuss auf dem Präsidium "erkennungsdienstlich behandelt", vermutlich ist zudem längere Zeit sein Telefon abgehört worden.

Zeitgleich an diesem Morgen lässt der verantwortliche Frankfurter Ermittlungsrichter Wolfheimer auch die Wohnung der Mainzer Kurdin Gülten Sahin in Oestrich-Winkel durchsuchen. Auch dort beschlagnahmen die Polizisten E-Mail-Adressverteiler, Briefwechsel mit dem Kurdistan Informations-Zentrum und Presseerklärungen des "Forums für Frieden und Demokratie in Kurdistan und in der Türkei".

Die Verbindung zwischen den beiden Opfern des Überfalls: Sie sind beide Mitglieder des humanitären Vereins "Promondial". Und beide werden verdächtigt, eine Straftat nach §102 StGB begangen zu haben - vorgeworfen wird ihnen somit ein "Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten".

Der Durchsuchungsbeschluss wurde bereits Anfang November vergangenen Jahres ausgestellt. Ermittelt wird wegen der Straftat im Zusammenhang mit dem Vereinsgesetz - im Hintergrund steht wohl der Vorwurf einer Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK): Frau Sahin und Rauchfuss werden beschuldigt, "an der Gründung eines Vereins ‚Pro Mondial‘ [Rechtschreibung im Original] beteiligt zu sein, dessen Zielsetzung darin besteht, die mit einem Betätigungsverbot belegte PKK, unter deren Einfluss die Vereinigung steht, zu unterstützen". Nach den bisherigen Ermittlungen sei zu vermuten, "dass die Durchsuchung zur Auffindung folgender Beweismittel führen" werde: "Unterlagen über den in Gründung befindlichen Verein ‚Pro Mondial‘ und die Beteiligung der PKK hieran", so der Durchsuchungsbeschluss.

Gefunden wurden unter anderem lediglich ein Brief im Zusammenhang mit der Petitionskampagne zur Freilassung von Frau Sahin nach ihrer Verhaftung in der Türkei, eine Presseerklärung der PKK- Europavertretung ERNK und eine Rede von SoZ-Redakteur Rauchfuss anlässlich eines internationalen Kulturfestivals. Indessen hat Rauchfuss gegen diese konstruierte Kriminalisierung in jeder Hinsicht Widerspruch eingelegt: Denn "Promondial" ist natürlich alles andere als eine Tarnorganisation der PKK. Vielmehr haben die Mitglieder bekanntlich größte Schwierigkeiten mit der PKK, die "Promondial" heftig bekämpft.

Wie grotesk die Anschuldigungen gegen Rauchfuss en detail zu diesem Zeitpunkt sind, erhellt auch der Text einer Selbstanzeige von neun weiteren Mitgliedern des "Promondial"-Vorstands, darunter die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke und "Medico International"-Mitarbeiter Hans Branscheidt. Leicht erheitert schreiben sie dem Ermittlungsrichter: "Um der Wahrheit zu dienen, bitten wir Sie freundlich, das Ermittlungsverfahren auch auf uns auszudehnen. Dieser Umstand würde uns unmittelbare Akteneinsicht ermöglichen und damit behilflich sein können bei der Klärung der Frage, wer diese ungeheuerliche und absurde Konstruktion letztlich zu verantworten hat."

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