Ausgewählte Beiträge aus klassenlinken Zusammenhängen

Feminismus, Marxismus und Sozialismus
Eine Hommage an Rosa Luxemburg

von Georgina Alfonso González

01/2021

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Die Verbindung zwischen feministischem, sozialistischem und marxistischem Gedankengut, ihre theoretischen, ideologischen und politischen Übereinstimmungen und Unterschiede sind eine Verpflichtung für das gesellschaftskritische Denken, schreibt Georgina Alfonso González(*) in ihrem Text anläßlich des Jahrestages der Ermordung von Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919.

Die Rekonstruktion der Geschichte des feministischen, marxistischen und sozialistischen Denkens mit einer universellen Perspektive muss eine Verpflichtung der folgenden Generationen sein, um die vielfältigen Beiträge der revolutionären Theorie und Praxis zu verarbeiten und die beständigen Ressentiments und Abgrenzungen in Hinblick auf Debatten und Vorschläge zu überwinden. Die Verbindung zwischen feministischem, sozialistischem und marxistischem Gedankengut, ihre theoretischen, ideologischen und politischen Übereinstimmungen und Unterschiede sind jedoch weiterhin eine Verpflichtung für das gesellschaftskritische Denken. Auch wenn diese Verpflichtung für einige im Hinblick auf den theoretischen Beitrag des Marxismus zur universellen Kultur irrelevant ist, wird die Frage zugespitzter, wenn es darum geht, die kritischen und kreativen Beiträge der Marxist*innen zur Geschichte des Denkens, zu gesellschaftlichen Analysen und zur Zukunftsprojektion der antikapitalistischen Gesellschaft einzubeziehen.

Die von den Marxist*innen im 19. Jahrhundert formulierten Fragen sind bis heute in den Ideen und Aktionen präsent, die die Frauen- und feministischen Bewegungen begleiten, die das System der kapitalistischen Ausbeutung, Herrschaft, Diskriminierung und Verwüstung überwinden wollen. Zum Beispiel:Wie können wir die Produktion und Reproduktion des Lebens sozialer, gerechter und humaner gestalten? Wie können wir gemeinsame Kräfte aufbauen, die Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt und Autoritarismus im öffentlichen und privaten Raum entgegentreten? Was sind die effektivsten Formen der partizipatorischen und protagonistischen Demokratie mit gleichberechtigten Bedingungen und Freiräumen für Frauen und Männer? Welches gesellschaftliche Projekt fordert uns auf, das Leben zu pflegen und zu schützen und unsere Sexualität voll zu genießen? Oder: wie kann die Emanzipation von Frauen und Männern vollendet werden?

Im Marxismus fließen vielfältige theoretische Bezüge und ideologische Positionen zu Feminismus und Sozialismus zusammen. Der Aufbau eines kritischen Denkens und einer revolutionären Aktion, die der Ausbeutung und den sozialen Ungleichheiten entgegentritt und konkrete Vorschläge macht, um die Rechte von Frauen und Männern als Personen und soziale Subjekte zu verteidigen, sind die gemeinsame Grundlage, die den Marxismus mit dem Feminismus als theoretische Vorschläge und den Kampf für den Sozialismus und die volle Emanzipation verbindet.

Die Entwicklung feministischer Ideen innerhalb des Marxismus antwortet auf die theoretische Notwendigkeit, in die Kritik der kapitalistischen Produktionsweise die Verschärfung der dem Produktionsprozess innewohnenden Widersprüche zu integrieren, die mit der Weiterentwicklung der Industrie die Maximierung des Profits bei gleichzeitiger Senkung der Kosten erforderte; dies bedeutete die massive Einbeziehung von Frauen in die aktive Arbeit in den Fabriken. Die Herausbildung eines weiblichen Subjekts, das sich kritisch mit ihrem doppelten Zustand der Ausbeutung als gefügige und billige Produzentin und Reproduzentin auseinandersetzte, war ein wichtiger Schritt für die Herausbildung der Arbeiterinnenbewegung und die Reifung der Arbeiter*innenbewegung selbst, die kämpferische Forderungen für die Rechte der Frauen (auf Arbeit, auf Bildung und auf das Wahlrecht) aufnahm. Ebenso begannen Frauen, die mit der Arbeiterbewegung verbunden waren, mit Männern heftig über sexuelle Belästigung, Gewalt gegen sie am Arbeitsplatz und zu Hause, die Kultur und das Verhalten des männlichen Chauvinismus innerhalb revolutionärer Vorstellungen und das mangelnde Verständnis für feministische Positionen innerhalb der Parteiaktivist*innen zu diskutieren.

Die Entwicklung und der Aufstieg der marxistischen Theorie im Rahmen der europäischen revolutionären Bewegungen des späten 19. Jahrhunderts lässt die Debatte über den Klassenkampf und die Frauenfrage nicht außen vor. Diese Debatte hatte nicht nur theoretische Konsequenzen, sondern definierte politische Positionen mit gravierenden Auswirkungen auf sozialistische Bewegungen und Parteien. Ein wichtiger Gedanke in diesen Debatten war die Behauptung der Marxist*innen, dass das Vorhandensein gemeinsamer Ziele des Kampfes unter den verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung ihre Interessen nicht homogenisiert, sondern das diese immer in Abhängigkeit von ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Klassen sein werden. Diese von Rosa Luxemburg stets vertretene Position gab der Verteidigung der Frauenrechte und der Selbstbestimmung der Frau eine andere Nuance: Sie stellte die Frauenfrage nicht nur als Gegenstand der politischen Debatte, sondern als Teil des Kultur- und Erziehungskampfes der revolutionären Bewegung.

Trotz des Anstiegs der Zahl der Frauen in der Arbeiter*innenbewegung und ihrer Beteiligung an politischen Kämpfen wurden die Forderungen zugunsten schwangerer Arbeiterinnen, nach der Betreuung von Kindern, nach dem Abbau der häuslichen Überlastung und nach der Notwendigkeit, Fragen des Privatlebens in die internen politischen Debatten der Partei einzubeziehen, nicht in die Strategien der sozialistischen und kommunistischen Parteien aufgenommen. Als Vorwand führten sie das fehlende politische Bewusstsein der Frauen und ihr mangelndes Verständnis des Klassenkampfes an, da sie versuchten, Themen von besonderem und nicht von kollektivem Interesse in die Diskussionen über die proletarische Revolution einzubringen.

Das marxistische Verständnis der geschlechtlichen Ungleichheit als gesellschaftliche und nicht als natürliche Tatsache stand der tief verwurzelten Auffassung von der Naturwüchsigkeit der Ausbeutung der Frau in ihrem doppelten Zustand als Produzentin und Reproduzentin des Lebens gegenüber. Indem man darlegte, dass die Grundlage der menschlichen Ausbeutung und der Akkumulation von Reichtum in der geschlechtlichen und gesellschaftlichen Arbeitsteilung lag, wurde das klassische Verständnis der Entwicklung der Geschichte verändert. Die marxistische ökonomische Analyse der Formen der Produktion und der Aneignung des Arbeitsergebnisses blieb jedoch weiterhin lückenhaft. Die Reproduktion, d.h. die unbezahlte Arbeit der Frauen bei der Pflege des menschlichen Lebens, stand außerhalb der Analyse der Ökonomie. Die dogmatische Simplifizierung, dass nur die produktive Arbeit Mehrwert erzeugt und dass die Ungleichheit der Geschlechter ihren Ursprung im Privateigentum und in der Trennung der Frauen von der produktiven Arbeit hat, rechtfertigte die traditionelle androzentrische Sichtweise [1] des Marxismus, die die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und die massive Einbeziehung der Frauen in die Produktion als endgültige Lösung der Ungleichheit der Geschlechter ansieht. Warum ist das nicht der Fall gewesen?

In der marxistischen und sozialistischen Theorie überwiegt immer noch die Vorstellung, dass die Emanzipation der Frau als Beigabe zur umfassenden Emanzipation der Gesellschaft erreicht wird. Aber Ersteres ist ein entscheidender Moment auf dem langen Weg zur Befreiung. Die Überwindung des Herrschaftssystems des Kapitals und seiner unterdrückerischen, diskriminierenden und ausbeuterischen Logik, sowohl in der täglichen Praxis als auch in seinen theoretischen strategischen Projektionen, wird nur möglich sein, wenn sie die Unabhängigkeit der Frauen als einen wesentlichen Teil der umfassenden Freiheit des Menschen versteht.

Die marxistischen Feministinnen radikalisierten die Analyse der Veränderungen in der Gesellschaft im Hinblick auf die volle Emanzipation. Es geht, wie sie es formulieren, nicht darum, nach Lösungen zu suchen, um "Frauen in die Arbeit einzugliedern″, was immer eine Überlastung für sie bedeutet, sondern um die Vision, eine Ökonomie für die Produktion von Gütern in eine Ökonomie zu verwandeln, die menschliches Leben und die Natur produziert und reproduziert. In diesem Sinne hat der marxistische Feminismus die Perspektive der Analyse des kapitalistischen Herrschaftssystem um eine Kritik der patriarchalen Kultur erweitert, indem er das Alltagsleben als unmittelbaren Bezugspunkt für soziale Transformationen einbezog und dem Klassenverständnis den Ansatz der Diversität als Anerkennung der vielfältigen Identitäten, die die Subjekte ausmachen, hinzufügte. Aus dieser Perspektive brachte der marxistische Feminismus neue Themen in die Analyse der zukünftigen und alternativen Gesellschaft zum Kapitalismus ein.

Die ersten Zeitschriften des marxistischen Feminismus - Die Gleichheit (1892), von Clara Zetkin, und Arbeiterinnen (1914), von Alexandra Kollantai - spielten eine entscheidende Rolle bei der Popularisierung von Frauenfragen. Sie verknüpften Themen über die nationale und internationale Situation der Arbeiter*innen- und sozialistischen Bewegung mit der Analyse der Arbeitsbedingungen von Frauen, Prostitution, häuslicher Gewalt und anderen Anliegen, die stark in die Arbeiter*innenkämpfe eingebunden waren. Zweifellos weckten diese Themen das Interesse vieler Frauen am parteipolitischen Aktivismus, der schließlich 1908 akzeptiert wurde.

Die Erfahrung der Russischen Revolution von 1917 zeigte die historische Möglichkeit, viele der theoretischen Vorschläge der marxistischen Feministinnen in der Praxis zu erproben. Mit der Oktoberrevolution wurden die Frauenrechte zu einem verbindlichen Gesetz für den neuen sozialistischen Staat. In den ersten Gesetzen wurden die Anerkennung des weiblichen Subjekts unabhängig vom Ehemann, das Recht auf freie Berufswahl, die Möglichkeit des Zugangs zu öffentlichen Stellen, die freie Entscheidung über Abtreibung und das Recht auf gemischte Bildung verankert. Die große Einbeziehung der Frauen in die produktive Arbeit und die Transformationen der gesamten sozialistischen Gesellschaft sprengten die traditionellen Beziehungen zwischen Frauen und Männern, während sich gleichzeitig eine neue weibliche Subjektivität herausbildete, die die Art und Weise der Beteiligung von Frauen am gesellschaftlich organisierten Produktionsprozess, die traditionellen Formen der Reproduktion des häuslichen Lebens und die Mythen über den weiblichen Körper und die Schönheit in Frage stellte.

Mit den russischen Feministinnen wurde zum ersten Mal die Debatte über die Sexualität in die revolutionäre sozialistische Politik aufgenommen und der Begriff der "neuen Frau" in die Konzeption der zukünftigen Gesellschaft integriert, als diejenige, die mit dem Schema der guten und gefügigen Frau-Ehefrau-Mutter bricht, um stattdessen ihren vollen Zustand als Subjekt-Frau anzunehmen. Die marxistischen Feministinnen, die die Revolution von 1917 begleiteten und anführten, stellten die Vorstellungen von einer revolutionären Veränderung auf den Kopf, indem sie die Notwendigkeit einer Revolution des Alltagslebens und der Sitten proklamierten, die die Frauen würdigen und ein neues Weltbild mit einem neuen Verhältnis zwischen den Geschlechtern schmieden sollte.

Von diesem Moment an setzte die marxistische Theorie entscheidende praktische Dringlichkeiten für den Zivilisationssprung: die Demontage der patriarchalen Kultur in Handlungen, Reden, Symbolen und sozialistischen Vorstellungen; die Konstruktion von Werten, Wissen, Praktiken, Gefühlen, Subjektivitäten vom Subjekt-Frau aus einer Perspektive jenseits des Hauses und jenseits der Sichtweise des Opfers; die ethische und politische Beziehung zwischen der Frauenbewegung und den politischen Avantgardeparteien auf Basis von Respekt und Autonomie; der unaufschiebbare Dialog über die geschlechtlichen Beziehungen und die Sexualität in der Konstruktion der revolutionären Macht; die Gerechtigkeit als Akt der Behauptung der Rechte der Frauen (über ihren Körper, über die Mutterschaft, über die Arbeit, über ihr Bild zu entscheiden).

Das marxistische Denken, das kreativ und kritisch ist, kann sich den Widersprüchen und Beschränkungen seiner Zeit nicht entziehen, es ist nicht frei von Institutionalisierung, Ideologisierung oder Fetischisierung. Ihre Akteure sind die Akteure der gesellschaftlichen Gruppen, die es fördern und übernehmen. Der befreiende Charakter dieses Denkens ist nicht in abstrakten theoretischen Konzepten enthalten, sondern in konkreten historisch-sozialen Ideen und Konzepten, die dazu gedacht sind, in einer sozialen Praxis zu wirken, die sich in Richtung Emanzipation und Würde des Menschen transformiert. Die theoretische und praktische Wirksamkeit des marxistischen Denkens hängt nicht von der akademischen Bestätigung seiner Postulate ab, sondern von der Aneignung durch die die Gesellschaft verändernden Kräfte, die es übernehmen und in der Praxis der Befreiung entwickeln.

Der doktrinäre Marxismus, der die historische Erfahrung des ≫realen Sozialismus≪ begleitete, bezeichnete die feministische Theorie als bürgerliche Theorie und unterschätzte alle Beiträge des marxistischen Feminismus. In den staatssozialistischen Strategien wurden die gerechtfertigten Forderungen der Frauenbewegung in eine patriarchalisch-bürokratische Logik der Sozialpläne und des paternalistischen Diskurses zugunsten der Frauen eingefügt, was zur Destrukturierung und Fragmentierung des von der Frauenbewegung aufgebauten kollektiven Bewusstseins führte. Viele der Ziele und Beiträge, die marxistische Feministinnen in ihren Kämpfen erreichten, wurden zu Leitbildern oder institutionellen Normen; dies entpolitisierte die Errungenschaften der Frauen, die Bedeutung ihrer Kämpfe und machte ihre Unterdrückung unsichtbar.

Die marxistische teleologische [2] Zukunftsvision verwies das alltägliche Leben ins Unwichtige und beraubte damit die Theorie ihrer Fähigkeit, ihre kritische Reflexion über das reale und konkrete menschliche Leben zu erweitern, und den Feminismus seiner effektiven theoretisch-methodologischen Werkzeuge, um die in den sozialistischen Erfahrungen selbst eingelagerten patriarchalen Logiken zu transformieren. Das Denken in die Rolle zu versetzen, das reale Leben von Frauen und Männern zu transformieren, ist das, was die revolutionäre Gültigkeit einer Theorie legitimiert - aber diese Transformation erfordert auch Veränderungen im Bewusstsein, so dass das Denken zu Subjektivität und Praxis für Frauen und Männer wird. Die Überlegungen zum Verhältnis von Feminismus und Marxismus sind offen. Es waren und sind immer kritische Reflexionen über die unmittelbare Realität, über die historischen Ziele und Ideale, die die Versuche begleiten, die menschliche Emanzipation zu ermöglichen.

Der theoretische marxistische Beitrag zur Kritik der kapitalistischen Produktionsweise ist unbestreitbar, da er die historische und soziologische Analyse des Prozesses der Anpassung des Patriarchats an die Logik der Kapitalverwertung einschließt. Aus dem marxistischen Verständnis der gesellschaftlichen und geschlechtlichen Arbeitsteilung erklärt sich die Naturhaftigkeit der Ungleichheiten und die sukzessive Anpassung von Moral, Politik, Gesetzen, Vergnügungen und Geschmäckern zum Nutzen der herrschenden Klasse. Indem sie die Logik demontiert, die das Funktionieren der traditionellen institutionellen Strukturen in der bürgerlichen Gesellschaft (Familie, Ehe, Kirche) stützt, mit denen das System der kapitalistischen Herrschaft gefestigt wird, zerbricht die marxistische Theorie endgültig die Argumente, die die Vorherrschaft des einen Geschlechts über das andere und der einen Klasse über die andere rechtfertigen.

Die Kämpfe der Frauenbewegung für die Durchsetzung ihrer Rechte sind mit denen der internationalen Arbeiter*innenbewegung im 20. Jahrhundert verbunden. Frauen aus verschiedenen Teilen der Welt haben die Gründe für ihre eigenen Kämpfe miteinander geteilt. Mit der Koordination der internationalen Arbeit der Frauenbewegung, die von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg organisiert wurde, wurde am 8. März 1911 der Internationale Frauentag gefeiert. Nach diesem Ereignis nahm die Bewegung internationale Dimensionen an und reihte sich mit Autonomie und eigenem politischen Bewusstsein in die Geschichte der antikapitalistischen Kämpfe ein. Die Debatte, die dieses historische Ereignis über das Verhältnis von Frauenbewegung und Partei auslöste, reicht bis in die Gegenwart und hat im Kern die immer noch nicht überwundenen Vorurteile der Machokultur. Spötteleien, Anschuldigungen und Beleidigungen wurden damals gegen einen Tag für die Frauen vorgebracht; doch wie die Frauen selbst im Laufe der vergangenen Jahre erklärt haben, ist dies ein Tag, der das Bewusstsein über die reale Möglichkeit der Befreiung von der patriarchalischen Kultur einfordert und uns aufruft, Teil der Weltrevolution zu sein.

Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Die Frage provoziert immer wieder fragende und aggressive Reaktionen. Für den Marxismus war die Antwort oft ein feministischer Snobismus, der die Aufmerksamkeit von den wahren Revolutionen ablenkt. Im Sozialismus manifestieren sich jedoch die dem gesellschaftlichen Wandel innewohnenden Widersprüche, wo die Transformation der Subjektivität von Frauen und Männern auch unterdrückerische und diskriminierende Formen des einen Geschlechts gegenüber dem anderen reproduziert. Die formale Anerkennung der Rechte von Frauen auf ein Leben ohne Unterdrückung befreit sie nicht von einem Leben als Dienerin. Die Diskriminierung durch patriarchalische Bräuche, Gewohnheiten und Überzeugungen führt dazu, dass Frauen weiterhin in patriarchalischen Zeiten und Räumen leben.

Der marxistische Feminismus prangert in der Tradition seiner Begründerinnen die sexogene Wurzel der Weltkrise an, die das Ergebnis der Legitimierung des Patriarchats im Prozess der Kapitalverwertung ist. Die kapitalistische Ordnung basiert auf einer zerstörerischen Logik des Lebens, die mit Gewalt und Krieg verbunden ist. Die kapitalistische Wirtschaft entwertet, versklavt und beutet Frauen aus, deren Sorgearbeit die Stütze der Menschheit ist. Die Zweiteilung zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten verdeckt den gesellschaftlichen Reichtum, den die Arbeit der Frauen hervorbringt, und macht deutlich, dass die Arbeit der Reproduktion von Leben eine weibliche Aufgabe ist, die in der Arbeitswelt keine Rechte hat.

Es sind die Theorien des Feminismus, die die Debatte über die Unsichtbarkeit der Hausarbeit und ihre entscheidende Rolle bei der Reproduktion der Arbeitskraft und des ökonomischen Mehrwerts des Kapitals in Gang gesetzt haben. Vom Theoretisch-Konzeptionellen zum Politisch-Transformatorischen gab es einen Weg des intensiven Kampfes, der Ausbildung und der Mobilisierung für das Verständnis dieser Care-Arbeit als ökonomische Aktivität von Frauen, sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene, einschließlich der Analyse der Nutzung und Organisation von Zeit und Hausarbeit aus einer Gender-Perspektive.

Die ethische und politische Dekonstruktion des Patriarchats beginnt, ausgehend von den feministischen Theorievorschlägen, mit der Anerkennung der produktiven und reproduktiven Beziehungen zwischen den Menschen, wobei die Zeiten des menschlichen und naturgegebenen Lebens respektiert werden. Es ist ein Vorschlag für einen zivilisatorischen Wandel, nicht nur für Frauen, sondern für die gesamte Menschheit: Wie können wir unsere Werte, unser Wissen, unsere Praktiken und Gefühle jenseits des Hauses, jenseits der Opferposition, in die Frauen und Mädchen von der Macht gestellt werden, wieder herstellen?

In der klassischen marxistischen ökonomischen Tradition wird die Zweiteilung zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit reproduziert und der ersteren die Qualität gesellschaftlich nützlicher Arbeit gegeben, was die Arbeit der Frauen ökonomisch diskreditiert und damit auch die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit, die im Wesentlichen die Nachhaltigkeit des Lebens garantiert.

Für marxistische Feministinnen wird Care-Arbeit als Arbeit für die erweiterte Reproduktion des Lebens verstanden. Und folglich hat die Art und Weise, wie die Arbeit, die die tägliche Existenz des Lebens der Menschen garantiert, gesellschaftlich organisiert ist, entscheidende Auswirkungen auf das Niveau der sozialen Ungleichheit und beeinflusst die soziale Schichtung und die Geschlechterunterschiede. Von Seiten der Wissenschaft und der Frauenbewegung fordern marxistische Feministinnen die Anerkennung der Werte, die der reproduktiven (häuslichen) Arbeit innewohnen, und heben die Merkmale dieser Art von Arbeit hervor, die im Wesentlichen im Haushalt verrichtet wird und deren Ziel es ist, für das Leben und das Wohlbefinden der Menschen zu sorgen.

Die Ursachen für das Patriarchat sind auch in das sozialistische Entwicklungsmodell eingebettet, das die Werte, die Arbeitskultur, die bezahlte Arbeitszeit, die Art der gesellschaftlichen und Machtverhältnisse, die Wissensmuster, die Gestaltung der Symbole und sogar den Gebrauch der Sprache definiert. All diese Elemente sind naturwüchsig und werden zum alltäglichen »gesunden Menschenverstand«, was es sehr schwierig macht, feministische Kritik als eine Möglichkeit der sozialen Veränderung anzunehmen. Dennoch sind die Hauptforderungen des revolutionären Feminismus die Banner, die heute die fortschrittlichen Kräfte inmitten der globalen Krise des kapitalistischen Systems bewegen, um die menschliche und natürliche Existenz zu garantieren.

Frauen radikalisierten die sozialistischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts; wo sie Protagonistinnen des gesellschaftlichen Prozesses waren, mussten sie sich selbst überwinden, indem sie mit ihrer Geschichte und traditionellen Kultur brachen und andere Handlungs- und Denkweisen einführten. Das kritische Theorieverständnis aus dem Marxismus hat leider den patriarchalen Ballast mit ideologischen Vorurteilen und a priori Ablehnung nicht überwunden. Das Haupthindernis ist das rein ökonomistische Bewusstsein, das den »gesunden Menschenverstand« der Zweiteilung Kapital-Leben sät und internalisiert.

Für diejenigen von uns, die von verschiedenen Räumen aus der Unterdrückung entgegentreten und für die volle Emanzipation als Garantie für die Nachhaltigkeit des Lebens arbeiten, besteht die tägliche Herausforderung darin, Strategien von unten und von innen zu artikulieren, mit einer Perspektive der solidarischen Globalisierung, die umstürzlerisch, antipatriarchalisch, antikolonialistisch, antirassistisch und gegen die Ausbeutung des Menschen und der Natur gerichtet sind. Die aktuelle Projektion in Richtung Emanzipation spricht von einer neuen Etappe des kritischen feministischen, marxistischen und sozialistischen Denkens, das alle Kämpfe in einem Rahmen von sich vertiefenden und komplexen Klassenkämpfen ausdrückt.

*) Georgina Alfonso González ist Direktorin des Kubanischen Instituts für Philosophie, Havanna  

Quelle: https://www.kommunisten.de/rubriken/meinungen/8082-feminismus-marxismus-und-sozialismus-eine-hommage-an-rosa-luxemburg  [eigene Übersetzung] 18.1.2021