Einführung in
Eske Bockelmann: Das Geld

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on Wilfried Jannack

01/2021

trend
onlinezeitung

In den Jahren gab es bei Trend.infopartisan immer wieder Texte von oder über Eske Bockelmann. Dieser Tradition folgend hier ein letzter Hinweis auf sein letztes Buch.

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Nach Bockelmann gibt es das Geld seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Bockelmann fasst das Geld auf eine bestimmte Weise. Es gäbe viele Zahlungsmittel, etwa die Kauri-Muscheln in Dahome. Sie dienen dort dem Kauf von Lebensmitteln. „Trotzdem sind sie kein Geld. Im Vergleich dazu, wie es sich mit Geld verhalten müsste, hat es mit dem Kaufen hier wenigstens drei Besonderheiten“ (102).

  • Alles ist zu kaufen.

  • Es ist ganz allgemein (=überall) und kontinuierlich zu kaufen, nicht nur auf speziellen Märkten (die noch dazu nur vereinzelt und nicht ständig abgehalten werden).

  • Kauf ist der übliche Weg, um Lebensmittel zu kaufen.

Tatsächlich seien es Kauf und Verkauf, aus denen eine historische Umwälzung von großer Gewalt schließlich das Geld hervortreibe (97)(1). Dagegen habe das europäische Mittelalter nicht nur kein Wort für Geld, es habe keinen Begriff und keine Vorstellung davon. Bockelmann(2) bezieht sich auf LeGoff, auf Karl Polanyi, auf Marcel Mauss, auf Marshall Salins, auf den kürzlich verstorbenen Ethnologen, Occupy-und IWW-Aktivisten David Graeber (auf Graeber bezieht er sich mit Abstrichen).

Auch im Mittelalter und weit früher wurde zwar gezahlt - für Steuern, für Strafen, für Abgaben; es wurde aber nicht mit Geld (siehe die drei Spiegelstriche als Kontrast) gezahlt. Dass Geld aus Tausch entstanden sei, verwirft der Autor genauso wie Graeber (der dann aber eine falsche Folgerung ziehe).

Der da gebricht, der gebe gelt“, sage ein altes Rechtsmotto (68). Gelt oder Mann-Gelt (54) wird als Ausgleich z.B. bei Blutrache von der Sippe des Täters an die Sippe des Opfers gezahlt. Kauf und Tausch sind identisch. Bockelmann unterscheidet jedoch zwischen Zahlungs- und Tauschmitteln. Bereits im alten Mesopotamien gebe es scheinbar Kredit, Schulden und Zins, „nur dass diese Wörter damit keineswegs einschließen, dass es dabei um Geld ginge“ (81 ff.). Stattdessen habe Redistribution in den komplexen Reichen von Sumerern, Babyloniern und Assyrern gegolten (Polanyi): Die Versorgung wurde über Einsammeln und Wiederverteilen geregelt. Die Gabe gehört unlösbar in einen verpflichtenden Zusammenhang (Mauss). Bekannt sei, dass Athens Agora auch Märkte abgehalten wurden. Dafür seien die Athener zutiefst verachtet worden: Begüterten hätten dort nicht gekauft, allenfalls ergänzend. Wer nicht in Gemeinwesen eingebunden ist – etwa Theten –, muss kaufen können (112).

Sprung ans Ende des Buches: „Früchte des Zorns“ – Anfang der 30er Jahre von John Steinbeck niedergeschrieben -, das sind die von den Farmern in der Großen Depression nach 1929 gepflückten Früchte Kaliforniens, die vernichtet werden, weil sie keinen Markt finden, weil sie zu teuer seien, weil sie sich nicht in Geld verwandeln lassen. Diese Farmer haben einen entbehrungsreichen Weg vom armen mittleren Westen ins angeblich reiche Kalifornien hinter sich, um nun zu sehen, wie hier Reichtum vernichtet wird. Geld als Kapital – Bockelmann setzt es kurzerhand gleich - erzwingt Mangel trotz Überfluss. Sein Fazit: Diese schöne Welt kann nur ohne Geld überleben (354).

Von monetärer Werttheorie redet man, wenn das Geld am Anfang steht (Kauf & Verkauf, s.o.) und daraus der Wert folgt. Das heißt, dass dann erst der berühmte Äquivalententausch auftaucht (Bockelmann wie Graeber: eigentlich gab es diesen Tausch Ware gegen Ware als Äquivalententausch nie. Das ist eine nette Theorie für VWL-Lehrbücher). Der Wert hat in der monetären Werttheorie keine Substanz. Für Marx dagegen – Bockelmann führt das ausgiebig aus – ist diese Substanz die Arbeit, quantitativ bestimmbar durch Arbeitszeit.

Mit Bockelmanns Feststellungen kollabieren Marx‘ Wert- und Arbeitswerttheorie. Eigentlich reiche es, mit dem 4. oder 5. Kapitel des ersten Bandes des Kapital zu beginnen(3). Die monetäre Werttheorie – Bockelmann selber benutzt den Begriff nicht und ordnet sich selber vermutlich dort auch gar nicht ein – ist mit der Neuen Marx-Lektüre und dem Namen Michael Heinrich eng verbunden. Im Gegensatz zur prämonetären Werttheorie oder zur Wertkritik gilt der Neuen Marx-Lektüre die einzelne Arbeit nicht als Substanz des Werts und damit nicht als wertschöpfend. Deren gesellschaftlicher Charakter wird aber sowohl von Michael Heinrich als auch von Bockelmann betont.

Selbst wenn ich vieles nicht teile, so halte ich Bockelmanns Buch doch für wichtig und hoffe, durch diese kleine Einführung potenzielle Leser_innen anzusprechen. Man liest, wie sich die Logik des Geldes als Zwang durchsetzt und „Was es ist, das uns beherrscht“ (Untertitel).

Links zum Buch:

1)Im Takt des Geldes“ bleibt das Hauptwerk von Bockelmann. Auch in diesem neuen Text weist Bockelmann auf den kompletten Bruch hin, der Anfang des 17. Jahrhunderts stattfindet und sofort völlig dem Vergessen anheimfällt, so dass man an das Davor keine Erinnerung mehr hat. Nach Bockelmann gibt es seitdem das Geld. Vorher habe es viele Zahlungsmittel gegeben, u.a. die Kauri-Muscheln in Dahome. „Trotzdem sind sie kein Geld.“ (102)

2) Sein Thema ist der Weg von der archaischen Gesellschaft vor dem Geld in die Gesellschaft mit kapitalistischer Produktionsweise. „The Great Transformation“ heißt das bei Karl Polanyi. Auf den bezieht sich B. so sehr wie auf LeGoff („Geld im Mittelalter“ und anderes) und weitere Historiker der Annales-Schule, aber auch aus Marcel Mauss‘ Studie „Die Gabe“.

3) Das propagiert Ulrike Herrmann (taz-Wirtschaftskorrespondentin) seit Jahren – ohne mich bislang überzeugt zu haben.
 

Eske Bockelmann
Das Geld.
Was es ist, das uns beherrscht

Berlin 2020

Matthes & Seitz

367 S. / 28,00 Euro


Editorischer Hinweis

Wir erhielten den Beitrag vom Autor für diese Ausgabe.