Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Sozialprotest in Frankreich

01/2020

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Bericht vom 13. Dezember 2019

Nach den Ankündigungen von Premierminister Edouard Philippe am Mittwoch, den 11. Dez. 19: Ausweitung der Streikfront! Auch „moderate“, also relativ rechte Gewerkschaften fühlen sich (pardon) verarscht; doch dass nunmehr die CFDT mit im Boot erscheint, ist unterdessen nicht unproblematisch * Einsetzende Polemik über die Einhaltung oder Nichteinhaltung einer „Weihnachtspause“ * Regierungs-Sonderbeauftragter zur Rentenpolitik befindet sich aufgrund seiner Interessenverflechtung mit Versicherungskonzernen in Schwierigkeiten * Nächster Höhepunkt, nach relativ überschaubaren Zwischenmobilisierungen am gestrigen Donnerstag, den 12.12.19 (und bevorstehenden am morgigen Samstag), wird ein zentraler Aktionstag am Dienstag nächster Woche, den 17. Dezember 19 stattfinden.

Antifa heißt Busfahren“, schrieb mal einer. Das war im Jahr 1998 (und vom Journalisten Ivo Bozic), der Ausspruch machte alsbald ziemlich weit die Runde. Heute bedeutet Solidarität frühes Aufstehen. „Zwischen 04.30 und 5 Uhr früh“, lautet der Termin, am Busdepot in der rue Belliard, in der Nähe der porte de Clignancourt. Also am nördlichen Ausgang der französischen Hauptstadt, wo das Pariser Stadtgebiet nahezu nahtlos in die nördliche Banlieue (Trabantenstadtzone) übergeht. Streikende aus dem Busdepot hatten andere Berufs- und gesellschaftliche Gruppen zuvor um Unterstützung angerufen, wenn es früh morgens darum geht, ob Fahrzeuge mit Nichtstreikenden am Steuer aus dem Depot ausrücken können: Hindern sie selbst arbeitswillige, also nichtstreikende Kollegen mehr oder minder an ihrer beruflichen Tätigkeit, stellt dies einen Kündigungsgrund dar. Zugleich nehmen jedoch die frühmorgendlichen Auseinandersetzungen um die Arbeitsaufnahme bzw. Durch/weiterführung des Streiks an den Busdepots unterdessen zu; Vgl. auch: https://www.francetvinfo.fr/

Am Vortag, den 12.12.19 war es dabei zu Zusammenstößen mit einer Polizeieinheit, der Brigade anti-criminalité (BAC), gekommen. Im Laufe des Donnertag, den 12. Dezember tagsüber waren streikende Busfahrer dann bei einer Streikversammlung von Lehrkräften an öffentlichen Schulen aufgetreten. Rund fünfzig Personen sind an diesem Freitag früh [ 13.12.19 ] zusammengekommen, überwiegend Lehrkräfte an Schulen sowie Studierende. Doch dieses Mal bleibt es ruhig; die streikenden Beschäftigten der RATP (d.h. des Pariser Nahverkehrsbetreibers) haben sich dazu entschlossen, heute eine eher symbolische Blockade durchzuführen, um ihren Unmut zu bekunden. Die Busse dürfen ausfahren. Am kommenden Dienstag, den 17.12.19 ist dann allerdings eine „härtere“ Aktion geplant.

Unterdessen wurde ein Teilnehmer an einer anderen (externen) Streikpostenaktion an einem Busdepot vom Vortag am heutigen Freitag, den 13.12.19 in der Pariser Trabantenstadt Bobigny in einem strafrechtlichen (Eil-)Verfahren den Richter/inne/n vorgeführt. Laut vorliegenden Angaben hatte er einen Pfosten zu rollen versucht, um eine Tür zu blockieren; die eingesetzten Polizeikräften behaupteten jedoch, der Gegenstand sei in gefährlicher Weise auf sie zugerollt worden. Wir werden unsere Leser/innen diesbezüglich auf dem laufenden halten, sofern wir über nähere und fundierte Informationen dazu verfügen.

Neuer zentraler Aktionstag

Am kommenden Dienstag, den 17.12.19 wird frankreichweit der nächste zentrale Aktionstag der Gewerkschaften mit Straßendemonstrationen und Arbeitsniederlegungen auf breiterer Front stattfinden. Es wird erwartet oder jedenfalls erhofft, dass er dann noch größer ausfällt als der bislang am stärksten befolgte Aktionstag, dem zum Auftakt der jetzigen Streikbewegung gegen die nächste geplante Renten„reform“ in Frankreich; er fand am Donnerstag, den 05. Dezember 19 statt.

Ursprünglich hatte die intersyndicale, also der Aktions-Zusammenschluss mehrerer Gewerkschaftsverbände und -dachverbände (CGT, FO, Union syndicale Solidaires, FSU..) sowie Jugend- und Studierendenorganisationen (u.a. Unef), für die laufende Woche zu zwei zentralen neuen Aktionstagen aufgerufen: am Dienstag und Donnerstag, 10. und 12. Dezember 19. Nachdem jedoch am Dienstag, den 10.12.19 die Teilnehmer/innen/zahl gegenüber dem 05. Dezember d.J. doch erheblich zurückging und nachdem für den kommenden Tag – diesen Mittwoch, 11.12.19 – eine Ansprache des Premierministers Edouard Philippe zur Vorstellung näherer Inhalte der Renten„reform“ angekündigt wurde, war der Aktionstag vom Donnerstag erst einmal heruntergestuft worden.

Nunmehr war (für Donnerstag, den 12.12.19) nur noch von regionalen und dezentralen Protesten, über die vor Ort entschieden werden solle, die Rede. In Paris fand vor diesem Hintergrund eine relativ mickerige Streikdemonstration statt (aus Veranstalter/innen/kreisen hieß es gegenüber dem Verf. dieser Zeilen: „5.000 bis 8.000“, die Polizeizahl lautet: „3.700“). Veranstalterseitig berief man sich darauf, erst am Nachmittag des Vortags hätten Streikende bei SNCF und RATP (Fern- und Nahverkehr) den Termin und die Demoroute festgelegt, und die Information sei nur unzureichend bekannt geworden.

In anderen Städten war jedoch erheblich mehr los. Wobei es bereits seit den massiven Streiks im Spätherbst 1995, mit welchem die inzwischen vor-vor-vor-vorletzte Renten„reform“ in Frankreich verhindert werden konnte, zu beobachten gilt, dass die Mobilisierung in der Hauptstadtregion – gemessen an der Einwohner/innen/zahl – hinter jener in größeren „Provinz“städten zurückbleibt, auch dies ein Gradmesser gesellschaftlicher Veränderung.

So waren in Le Havre am Ärmelkanal, in Marseille am Mittelmeer und anderswo die Handelshäfen blockiert. Vgl. dazu: https://www.ouest-france.fr und: https://www.francetvinfo.fr/l sowie https://www.lepoint.fr oder: https://actu.fr/

In Rennes kam es zu Vorfällen von Polizeigewalt, bei denen ein Rollstuhlfahrer zu Boden gestürzt wurde. //( Vgl. https://www.patriote.info/ ; Achtung, die unter diesem Link aufzurufende Information ist inhaltlich von Interesse, es handelt sich jedoch um eine rechte Quelle.)// Anderswo als in Paris fielen die Aktivitäten also intensiver aus, als es dieses Mal in der Hauptstadtregion der Fall blieb.

Weitere, mutmaßlich ebenfalls bescheidenere (abwarten!), Protestmobilisierungen soll es nun auch am morgigen Samstag, den 14.12.19 geben. Dies wurde durch den Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon überschwänglich begrüßt, welcher bereits seit den Protesten gegen die Arbeitsrechts„reform“ im Frühjahr 2016 vehement dafür eintritt, es müsse Mobilisierungstermine auch am Samstag geben, um auch Anderen als (streikenden) Lohnabhängigen und gewerkschaftlich Organisierten eine Teilnahme zu ermöglichen; in den letzten zwei bis drei Jahren kam es dabei vorübergehend zu wechselseitigen Hegemonie- und Konkurrenz-Vorwürfen zwischen Mélenchons Wahlplattform LFI und den Gewerkschaftsführungen. Es ist wohl zu erwarten, dass unter diesen im Hintergrund anhaltenden Reibereien auch diese Samstagsmobilisierung eher leidet. Unterdessen möchten auch die „Gelbwesten“ an diesem Samstag – ihrem allwöchentlichen Mobilisierungstag – auf die Straße gehen; seit dem Beginn der gewerkschaftlich unterstützten Sozialproteste am 05. Dezember 19 sind die „Gelbwesten“ jedoch als eigenständiger Faktor weitgehend verschwunden bzw. scheinen aufgesogen worden zu sein.

Seitdem Premierminister Philippe nun jedoch am Mittwoch, den 11. Dezember 19 im Hinblick auf die Inhalte der „Reform“ teilweise Nägel mit Köpfen machte, ist eher ein erneutes Aufflammen der Protestmobilisierung zu beobachten.

Dieses wird sich durch eine, noch breiter als bisher getragene, Mobilisierung zu einem neuen zentralen Aktionstag am Dienstag, den 17.12.19 manifestieren. Es könnte ein neuer Kristallisationspunkt für den Protest werden.

Inhalte der „Reform“pläne

Kurz zu den Inhalten von Edouard Philippes Ansprache:

  • Es wird bestätigt, dass ein neues „Scharnieralter“ oder âge-pivot mit 64 Jahren eingeführt wird (der Begriff wurde von Regierungsseite bereits seit circa einem Jahr in die Debatte eingeführt); es handelt sich um einen Ausdruck, der dazu dienen soll, den Begriff „Mindestalter“ zu vermeiden und dadurch die Realität ein Stück weit zu verschleiern;

  • das „Scharnieralter“ soll zwar einen früheren Renteneintritt (derzeit ab dem Mindestalter von 62 möglich, bei voller Rentenhöhe, wenn denn derzeit 41,5 Jahre und künftig bis 43 Beitragsjahre geleistet wurden, sonst gibt’s Abzüge) nicht gesetzlich verbieten, jedoch mit finanziellen Einbußen belegen, welche erst ab 64 entfallen werden;

  • bestätigt wird auch, dass die Lohnersatzquote bei der Rente künftig nach einem „Punktesystem“ auf die volle berufliche Karriere (also in Zukunft: 43 Beitragsjahre, ab 2035 für alle gültig, statt derzeit 41,5) berechnet wird, statt bisher auf die besten 25 Einkommensjahre in der Privatwirtschaft respektive die letzten sechs Monate der beruflichen Laufbahn im öffentlichen Dienst; dies wird natürlich notwendig eine Absenkung der Rentenhöhe für fast alle Betroffenen zur Auswirkung haben, auch wenn die Regierung dies unter Berufung auf „Fairness“ und „volle Berücksichtigung der Lebensleistung“ konsequent zu verschleiern sucht; allerdings soll es laut den jüngsten Ankündigungen (bislang noch nicht näher bekannte) „Ausgleichselemente“ für Gefahrenberufe oder bei bestimmten, besonders erschwerten Tätigkeitsbedingungen geben;

  • betroffen werden sollen alle Jahrgänge, die 1975 geboren wurden oder jünger sind, also die heute höchstens 44jährigen, nicht die Älteren; für diese Jahrgänge sollen für alle gearbeiteten Jahrgänge ab 2025 die neuen Regeln gelten; jedoch sollen für die Jahrgänge ab 2005 (heute 14 Jahre alt und jünger) bereits ab 2022 und mit ihrem ab dann zu erwartenden Arbeitsmarkt-Eintritt ausschließlich die neuen Regeln Anwendung finden. Dadurch versuchte die Regierung, die Gesellschaft insofern auseinander zu dividieren, als (quasi durch einen Schnitt mitten durch die Alterspyramide auf dem Arbeitsmarkt) eine ausreichende Zahl von Lohnabhängigen sich prinzipiell sagen könnten: „Betrifft mich ja nicht!“ Im ursprünglichen Regierungsentwurf, oder was davon bis dato durchgesickert war, hatte man noch eine Anwendung ab dem Jahrgang 1963 und jünger ins Auge gefasst.

  • Es wird eine Art Mindestrente in Höhe von 1.000 euro monatlich garantiert. Jedoch nur für jene, die einen vollständigen Beitragszeitraum (2019: mindestens 41,5 Jahre; ab 2035 dann, nach sukzessiver Steigerung ab 2020: mindestens 43 Beitragsjahre) beieinander haben. Nicht für die übrigen Lohnabhängigen.

  • Den konkreten Gesetzentwurf will die Regierung nun am 22. Januar 2020 präsentieren, und ab Ende Februar kommenden Jahres im Parlament beraten lassen. Ursprünglich war eine Streckung bis im Juni nächsten Jahres erwogen worden.

Versicherungskonzern in den Startlöchern

Unterdessen steckt übrigens der Sonderbeauftragte der amtierenden Regierung für die Renten„reform“ – der frühere konservative Spitzenpolitiker Jean-Paul Delevoye – in besonderen Schwierigkeiten. Es war kürzlich ruchbar geworden, dass er seit circa drei Jahren 5.300 Euro monatliche Nebenbezüge seitens einer Allianz von Versicherungskonzernen bezogen hat (angeblich bloß für einen symbolischen „Ehrenvorsitz“ eines Instituts für berufliche Fortbildung im Versicherungswesen, IFPASS), und dies neben anderen Einkünften und Rentenansprüchen, die er aufweist.

Dies ist ihm gesetzlich verboten, da er den Status eines Regierungsmitglieds innehat. Vor allem lenkt es, in politisch wohl inopportuner Weise, das Augenmerk auf die klar definierten Interessen, die hier eindeutig bedient werden. Längst sitzen nämlich die Versicherungskonzerne in den Startlöchern, um endlich, endlich auch in Frankreich einen „Markt“ für private, kapitalgedeckte Rentenversicherungen oder Zusatzabsicherungen zu eröffnen…

Am heutigen Freitag mittag [ 13.12.19 ] verlautbarte, Delevoye habe daraufhin vorübergehend an eine Rücktrittserklärung gedacht. (Vgl. bspw. https://actu.orange.fr) Tut er aber anscheinend nicht mehr. Allerdings möchte er nun 140.000 Euro – stolzes Sümmchen – zu Unrecht bezogener Geldleistungen zurückzahlen. Höhö.

CFDT sauer. Aber…

Unmittelbar nach der Ansprache Edouard Philippes erklärte auch der, an der Spitze rechtssozialdemokratisch geführte, Gewerkschaftsdachverband CFDT – vertreten durch seinen Generalsekretär Laurent Berger -, es sei „eine rote Linie überschritten“ worden. (Vgl. bspw. : https://www.francetvinfo.fr/)

Auch die, nun ja, nicht eben zum linkeren Flügel der französischen Gewerkschaftslandschaft zählenden Verbände CFTC (christlicher Gewerkschaftsdachverband) und UNSA (vordergründig „unpolitisch“, nicht staatsoffiziell als Dachverband anerkannt, faktisch oft CFDT-nahe in den Positionen) wollen nun bei den Protesten mitziehen; https://www.lefigaro.fr/ . Ausdrücklich zufrieden mit den Ankündigungen oder jedenfalls ihrer Tendenz zeigte sich vorläufig eigentlich nur ein einziger Verband, wie aus einem Schaubild der konservativen Tageszeitung Le Figaro hervorging; und das war der Medef, also der wichtigste Arbeit„geber“dachverband in Frankreich…

Die CGT-Cheminots (CGT bei der Eisenbahn) rief unmittelbar zum „härteren Streik“ und zur „Verstärkung des Streiks“ auf. Vgl. bspw. https://www.liberation.fr

Am kommenden Dienstag, den 17. Dezember d.J. möchten nun auch die CFDT und die CFTC mit demonstrieren. Also wollen sie nicht zusammen mit den übrigen Protestkräften gemeinsam unter denselben Losungen laufen, sondern (zusammen mit der UNSA sowie der sich weitgehend an der CFDT orientierenden Studierendengewerkschaft FAGE, der „zahmen“ Konkurrenz zum Studierendendachverband UNEF) einen gemeinsamen Block auf der Pariser Demonstration bilden.

Inzwischen hat die CFDT-Spitze konkretisiert, dass ein Streitpunkt darin liege, dass sie nicht den Rückzug des (gesamten) „Reform“vorhabens forderte – dieser soll ihr zufolge nicht vom Tisch, vielmehr gibt sie an, dass sie grundsätzlich die „Reform“ befürworte, jedoch das Alter 64 als DIE „rote Linie“ betrachte. Die Dachverbandsführung bei der CFDT macht also ihre Opposition offenkundig vor allem an diesem einen Punkt fest. Premierminister Edouard Philippe - ihm wird nun aus manchen wirtschaftsliberalen und bourgeoisen Kreisen, etwa vom Leitartikler des liberal-konservativen Wochenmagazins L’Express (Christophe Barbier), „Ungeschicklichkeit im Umgang mit der CFDT“ vorgeworfen – beeilte sich daraufhin nun zwischenzeitlich, anzukündigen, seine „Tür“ bliebe „offen“, und er wolle die so bezeichneten Sozialpartner „so früh wie möglich in der kommenden Woche“ empfangen. Minister wie der für Haushaltsfragen (neben Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, welcher sich ebenfalls zu Wort meldete) Gérald Darmanin wählten ihrerseits die Metapher von der ausgestreckten Hand respektive von noch vorhandenen Verhandlungsspielräumen. Dabei scheint es vor allem um Kompensationszahlungen in bestimmten Fällen und unter bestimmten Vorbedingungen zu gehen.

Man ließ aus desselben Regierungskreisen ebenfalls durchblicken, über eine Änderung an der Zahl „64“ (Jahre) sei ebenfalls zu reden… sofern „ihre Kritiker einen alternativen Finanzierungsplan vorlegen“, also ein Konzept, das ebenso viel Geld bei den Rentenzahlungen einsparen soll wie die bisherigen Pläne (deren Auswirkungen auf 8 bis 15 Milliarden Euro jährlicher Einsparungen beziffert werden). So lautete etwa eine Quintessenz etwa der abendlichen Studiodebatte beim Privatfernsehsender BFM TV am gestrigen Donnerstag Abend, bei der mehrere wirtschaftsliberale Journalisten und Leitartikler sich gegenseitig zu übertreffen versuchten. Dagegen hielt nur bzw. vor allem die ebenfalls bei BFM TV angestellte Journalistin Catherine Tricot, die als linke Flügelfrau auftrat und in Aussicht stellte, falls die Mobilisierung am kommenden Dienstag, den 17. Dezember d.J. doppelt so stark ausfalle wie am 05. Dezember d.J., dann werde man über das Alles noch mal anders reden. (Dazu müsste aber auch erst einmal kommen…)

Weihnachtspause oder nicht…?

Eine weitere Debatte, in denen die CGT (oder Teile von ihr) auf der einen Seite, mindestens die CFDT-Spitze jedoch auf der anderen Seite positioniert sind, betrifft die Frage eines Abbruchs der Mobilisierung zu Beginn der Weihnachtswoche. Diese könnte sich als bevorstehende Stolperschwelle für die Protestmobilisierung erweisen, falls diese die kommende Woche über noch gut anhält.

Die CGT-Cheminots (deren Führung allerdings oft kraftmeierisch klingende Sprüche mit einer, auch im Vergleich zu anderen gewerkschaftlichen Akteuren bei der Bahngesellschaft SNCF weniger kämpferischen Praxis verknüpft; ihr Apparat steht innerhalb des Dachverbands CGT nicht sonderlich links, im Unterschied etwa zur Branche „öffentliche Dienste“ oder zum Kreisverband Paris) spricht bereits öffentlich davon, es werde „keinen Weihnachtsfrieden“ im Bahnstreik geben. (Vgl. bspw.: https://www.20minutes.fr/) Dies könnte allerdings eventuell auch ein taktischer Fehler sein – die Frage ist, wen die öffentliche Meinung (die eine Annullierung des Weihnachtsurlaubs oder der Familienbesuche an den Feiertagen in Teilen wohl weniger goutieren würde) dafür verantwortlich macht, falls es denn so kommt. Taktisch ist es unklug, sich dabei selbst den schwarzen Peter zuzuschieben, statt hauptsächlich oder allein die Regierung dafür verantwortlich zu machen. Die Frage wäre ggf., auf wen eine Beeinträchtigung der Weihnachtspause zurückfällt, und ob diese Seite es sich politisch leisten kann..

Umgekehrt hat die CFDT-Spitze ihrerseits bereits verkündet, dass sie dafür eintrete, eine Weihnachtspause zu respektieren. Was ihr allerdings wiederum als (willkommenes?) Argument dienen könnte, um irgendwann die Reißlinie zu ziehen – und einen Fortgang der Kraftprobe abzublasen…

Ihrerseits raunzte die amtierende Transportministerin Elisabeth Borne jene Gewerkschaften, die ohne Weihnachtspause streiken möchten, bereits öffentlich als „verantwortungslos“ an; vgl. bspw. https://actu.orange.fr/

(Auch eine seitens aller Gewerkschaften unerwünschte Trittbrettfahrerin, Marine Le Pen, welche sich zumindest verbal zur Unterstützerin von Protesten aufschwingt, macht sich nunmehr für einen „Weihnachtsfrieden“ stark. Dies steht aber wiederum auf einem ganz anderen Blatt.)

Es könnte also doch noch, bzw. bald wieder, kritisch werden. Zumal das Trommelfeuer der bzw. bestimmter Medien gegen „die Geiselnahme der Fahrgäste durch Streikende in den Transportdiensten“ derzeit, nach nunmehriger achttägiger Dauer des Verkehrsstreiks, erheblich zugenommen hat. Beim bürgerlichen Sender BFM TV war dies etwa am gestrigen Donnerstag Abend [ 12.12.19 ] DAS Aufmacher-Thema.

Und die Tatsache, dass einige Stunden zuvor eine Frau am Bord eines RER D (Pariser Vorortzugs in Richtung Süden/Südosten) ein Baby zur Welt brachte, liefert dazu nun noch einen menschlich verpackten, besonderen Anlass zum Beklagen des Transportstreiks ; vgl. bspw. http://www.leparisien.fr Auch wenn Ähnliches auch sonst passiert – im Vorjahr 2018 kamen vier Kinder in Pariser Vorortzügen zur Welt – und auch wenn die Berichte darüber i.Ü. ausdrücklich präzisieren, die beengten Transportbedingungen in Streikzeiten seien nicht für die Auslösung dieser Geburt unter besonderen Umständen verantwortlich. Der RER D-Zug, an dessen Bord dies passierte, war nämlich überhaupt nicht überfüllt.

Viele Züge sind dies derzeit, aber andere sind wiederum erstaunlich leer, nämlich insbesondere dann, wenn deren potenzielle Passagiere ohnehin nicht auf die Bahnverbindung vertrauten und von dem Transportmittel wegblieben. Von Tag zu Tag und von Ort zu Ort sind dabei übrigens „Ziehharmonika“bewegungen zu verzeichnen, zwischen Überfüllung [woraufhin die Leute dann tendenziell wegbleiben ] und überdurchschnittlicher Leere [ was dann, wenn es zu Hause am Küchentisch erzählt/berichtet wird, wiederum erneut einen Anlass liefert, es am nächsten Tag doch noch einmal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu probieren ]. Den Autor dieser Zeilen erinnert dies an eine interessante Diskussion mit einem befreundeten, pensionierten Mathematikprofessor und Statistikexperten beim Transportstreik im Herbst 2007. Solche Hin- und Herbewegungen lassen sich anscheinend hinsichtlich ihrer statistischen wie auch gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten untersuchen, was den Mathematiker brennend interessiert…

                      Fortsetzung folgt – in kürzester Kürze…

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Beitrag vom Autor dfür diese Ausgabe.